68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

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85 2. Die Initialphase 2.1. Josef Hoffmann: Forstamt Hohenberg Eine ähnliche präfigurative Ausnahmeerscheinung wie Wrights Haus Winslow oder Webbs Smeaton Manor stellt das Forstamt der Wittgensteinschen Forstverwaltung im niederösterreichischen Hohenberg im Werk Josef Hoffmanns dar. 112 Nach dem Umbau eines alten Bauernhauses für denselben Bauherrn Paul Wittgenstein ist dieses weitgehend typkonforme Walmdachhaus Hoffmanns erstes Gebäude, das er 1900 zeitgleich mit einem benachbarten Wohnhaus für das Forstpersonal – einem vollkommen unterschiedlichen Giebelhaus – errichtet. Einige Jugendstilelemente adaptieren unseren Haustyp im Sinne der Wiener Secession. 73-74 Josef Hoffmann: Forstamt Hohenberg (Niederösterreich) 74 Erdgeschoss Ein sechsflügeliges Fensterband verbindet zwei Fensterachsen im Erdgeschoss, was neben den Schornsteinen die einzige, aber doch prägende Asymmetrie darstellt und die eigentliche Amtsstube nach außen kennzeichnet. Das im Aufriss geplante Vordach mit für Hoffmanns Frühwerk typischem Dreiviertelkreisbogen wurde anders ausgeführt. Fast bis auf die Höhe der unteren Fensterstürze reicht ein grobkörniger, wellenförmig endender Verputz. Auf der orthogonalen Fassade ist damit eine sogenannte "Peitschenschlaglinie" appliziert. Über der glattverputzten Mittelzone folgt ein Ornamentband aus stilisierten Blattformen, das um die Gebäudeseiten führt, doch an der Hauptfassade bei den äußeren Fenstern endet. Die Gesimszone ziert schließlich ein schabloniertes Blütenmotiv. Alle sichtbaren Holzelemente waren ursprünglich blau gestrichen. Möglicherweise ließ sich Hoffmann durch Wrights Haus Winslow zu dieser plastisch-ornamentalen horizontalen Wandaufteilung anregen, dem auch der geradlinige weite Dachüberstand ähnelt. Hoffmann kann seine Anregungen zu diesem Bautyp ebenso aus seiner mährischen Heimat – sein Elternhaus war eine ehemalige barocke Poststation – , seiner Praktikantenzeit am Würz-

86 burger Militärbauamt, wo er mit Amtsgebäuden Balthasar Neumanns in Berührung gekommen sein musste oder österreichischen Vorbildern bezogen haben. Der Typgrundriss mit zwei Längs- und drei Querzonen war ihm auf jeden Fall durch den vorhergehenden Umbau des Bauernhauses geläufig. 2.2. Geometrisierung Neben der bewussten Wiederaufnahme vorindustrieller anonymer ländlicher Bauten, wie sie die englische Arts & Crafts-Bewegung vorführte, und dem vereinzelten eher instinktiven Verarbeiten zufälliger Beobachtungen, wie es bei Wright oder Hoffmann der Fall gewesen sein könnte, wurden manche Baumeister zwischen Jugendstil und Frühmoderne von einem ausdrücklichen Formwillen motiviert: dem Bestreben nach Geometrisierung. In dieser ebenso formalen wie ornamentalen Tendenz zur Vereinfachung der Formen lässt sich eine direkte Verbindungslinie zur modernen Malerei erkennen (man denke nur an die zeitgleiche geometrisierende Progression von Cézanne und Matisse über die Kubisten bis zur Abstraktion bei Hölzel, Kandinsky und den Suprematisten). Äußert sich die ornamentale Auffassung noch in den etwas verspielten Wandverzierungen im geometrisierenden Jugendstil Mackintoshs oder des frühen Otto Wagner, so kommt eine Suche nach den einfachsten Grundkörpern bei Behrens und dem Wagner-Schüler Olbrich zum Vorschein. Das Prinzip der additiven Kombination von Kuben, Kugeln, Würfeln, Tonnen und Pyramiden tritt bei Olbrichs initialem Ausstellungsgebäude der Wiener Secession (1897) deutlich vor Augen, ebenso bei seinen Wohnbauten an der Mathildenhöhe in Darmstadt (1901), dem dortigen Ausstellungsgebäude neben dem Hochzeitsturm (1905-08) oder bei Hoffmanns Brüsseler Palais Stoclet (1905-11). Wenn einer der längsrechteckigen geschichteten Baukörper ein Steildach benötigt wie beim Darmstädter Austellungsgebäude am Hochzeitsturm, kommt zwangsläufig die Trapezform des Walmdachs zum Einsatz; hier allerdings von der konventionellen Dachkonstruktion abgehoben 75 Joseph Maria Olbrich: Hochzeitsturm und Ausstellungsgebäude auf der Mathildenhöhe, Darmstadt 76 Peter Behrens: eigenes Wohnhaus, Mathildenhöhe

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burger Militärbauamt, wo er mit Amtsgebäuden Balthasar Neumanns in Berührung<br />

gekommen sein musste oder österreichischen Vorbildern bezogen haben. Der Typgrundriss<br />

mit zwei Längs- und drei Querzonen war ihm auf jeden Fall durch den<br />

vorhergehenden Umbau <strong>des</strong> Bauernhauses geläufig.<br />

2.2. Geometrisierung<br />

Neben der bewussten Wiederaufnahme vorindustrieller anonymer ländlicher Bauten,<br />

wie sie die englische Arts & Crafts-Bewegung vorführte, und dem vereinzelten eher<br />

instinktiven Verarbeiten zufälliger Beobachtungen, wie es bei Wright oder Hoffmann<br />

der Fall gewesen sein könnte, wurden manche Baumeister zwischen Jugendstil und<br />

Frühmoderne von einem ausdrücklichen Formwillen motiviert: dem Bestreben nach<br />

Geometrisierung. In dieser ebenso formalen wie ornamentalen Tendenz zur Vereinfachung<br />

der Formen lässt sich eine direkte Verbindungslinie zur modernen Malerei<br />

erkennen (man denke nur an die zeitgleiche geometrisierende Progression von<br />

Cézanne und Matisse über die Kubisten bis zur Abstraktion bei Hölzel, Kandinsky<br />

und den Suprematisten). Äußert sich die ornamentale Auffassung noch in den etwas<br />

verspielten Wandverzierungen im geometrisierenden Jugendstil Mackintoshs oder<br />

<strong>des</strong> frühen Otto Wagner, so kommt eine Suche nach den einfachsten Grundkörpern<br />

bei Behrens und dem Wagner-Schüler Olbrich zum Vorschein. <strong>Das</strong> Prinzip der additiven<br />

Kombination von Kuben, Kugeln, Würfeln, Tonnen und Pyramiden tritt bei<br />

Olbrichs initialem Ausstellungsgebäude der Wiener Secession (1897) deutlich vor<br />

Augen, ebenso bei seinen Wohnbauten an der Mathildenhöhe in Darmstadt (1901),<br />

dem dortigen Ausstellungsgebäude neben dem Hochzeitsturm (1905-08) oder bei<br />

Hoffmanns Brüsseler Palais Stoclet (1905-11). Wenn einer der längsrechteckigen<br />

geschichteten Baukörper ein Steildach benötigt wie beim Darmstädter Austellungsgebäude<br />

am Hochzeitsturm, kommt zwangsläufig die Trapezform <strong>des</strong> Walmdachs<br />

zum Einsatz; hier allerdings von der konventionellen Dachkonstruktion abgehoben<br />

75 Joseph Maria Olbrich: Hochzeitsturm und<br />

Ausstellungsgebäude auf der Mathildenhöhe, Darmstadt<br />

76 Peter Behrens: eigenes <strong>Wohnhaus</strong>,<br />

Mathildenhöhe

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