68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

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77 66 Erd- und Obergeschoss erreichen ist. Ebenso unkonventionell öffnet sich die Eingangshalle über Schiebetüren als Enfilade zu Bibliothek und Wohnraum mit Podest und Sitznische. Die Querteilung des Grundrisses ist darüber hinaus partiell doppelwandig ausgeführt und birgt die Treppe und eine fensterlose Toilette. Wrights nächster Bauherr N. G. Moore machte ihm für sein Haus in Oak Park unmissverständlich klar: "Ich möchte, dass Sie es sind, der mir diese Villa entwirft, aber ich will nicht, dass es dem Haus Winslow ähnelt. Ich möchte nicht, dass die Leute mich auslachen." 100 1.5. Die Gartenstadtbewegung Ein fließender Übergang führt von den formalen architektonischen Bestrebungen zum sozialen Aspekt der Reformansätze in England, nämlich dem Anstoß zu einer Erneuerung der handwerklichen Erwerbszweige und der Initiierung von Arbeitersiedlungen mit der zentralen städtebaulichen Idee der Gartenstadt. 101 Die Reformer propagierten ein alternatives Wohn- und Lebenskonzept, um den Missständen der Industrialisierung zu begegnen. Ziel war, nicht nur die qualitätslosen Produkte zu verbessern, sondern den schlechten Arbeitsbedingungen, der Proletarisierung der Arbeiterschaft durch Bodenspekulation, Mietwucher und Überbelegung in zudem schlechten Unterkünften und allgemein der Verstädterung entgegenzuwirken. Zwangsläufig rückte damit eine Bauaufgabe der ökonomischen Beschränkung in das Interesse der ambitionierten Fachwelt, die bislang ihr künstlerisches Betätigungsfeld primär im luxuriösen Landhausbau des Adels und Großbürgertums sah. Konzentrierte Raumgruppen in geschlossenen Grundrissen und der Verzicht auf Bauschmuck und aufwendige Dachkonstruktionen bescherten den zaghaften Ansatz zu einer neuen kollektiven ästhetischen Wahrnehmung. Denn selbst unter diesen Vorgaben zeigt der Siedlungsbau für schwache und mittlere Einkommen in der

78 Regel das malerisch-differenzierte Bild aufgelockerter Baumassen mit Erkern, Quergiebeln und Gauben der heutigen typischen englischen Vorstädte. 67 Unwin & Parker: Linell Close, Hampstead (London) Das erste Projekt der von Ebenezer Howards Schriften initiierten und 1898 gegründeten Garden City Association war die Kleinstadt Letchworth in Buckinghamshire. Nachdem dieses auf einem Bebauungsplan von Unwin & Parker basierende Projekt aus organisatorischen und finanziellen Gründen uneinheitlich und schleppend ausgeführt wurde und als gescheitert galt, orientierten sich die Architekten für die "Gartenstadt" Hampstead – einen Vorort von London – an Camillo Sittes vielbeachtetem Buch "Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen" von 1889 102 und ließen sich gezielt durch Reisen nach Nürnberg und Rothenburg ob der Tauber auf ein romantisierendes Ideal einstimmen. In der Hampstead Garden Suburb findet sich jedoch ein Areal um den Linnell Close, das wahrscheinlich zum Zweck der Vielfalt und Abwechslung vom übrigen vorherrschenden Konzept abweicht und aus strengen typisierten Bauten besteht: Unser Walmdachtyp lässt sich in dieser 1908 entworfenen fünfachsigen Variante kaum vorbildlicher ermitteln. Das 1909 in England und Deutschland publizierte Buch über Hampstead zeigt eine Abbildung der Häuser von Michael Bunney und Clifford Makins in einer auf drei Seiten einheitlichen Platzbebauung. 103 Eine Erklärung für all diese Häuser, die wie gesagt im Werk von Shaw und Webb, aber auch bei Baillie Scott, Voysey, Unwin und Lutyens sowie im Gesamtbild von

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Querteilung <strong>des</strong> Grundrisses ist darüber hinaus partiell doppelwandig ausgeführt<br />

und birgt die Treppe und eine fensterlose Toilette. Wrights nächster Bauherr N. G.<br />

Moore machte ihm für sein Haus in Oak Park unmissverständlich klar: "Ich möchte,<br />

dass Sie es sind, der mir diese Villa entwirft, aber ich will nicht, dass es dem Haus<br />

Winslow ähnelt. Ich möchte nicht, dass die Leute mich auslachen." 100<br />

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Ein fließender Übergang führt von den formalen architektonischen Bestrebungen<br />

zum sozialen Aspekt der Reformansätze in England, nämlich dem Anstoß zu einer<br />

Erneuerung der handwerklichen Erwerbszweige und der Initiierung von Arbeitersiedlungen<br />

mit der zentralen städtebaulichen Idee der Gartenstadt. 101 <strong>Die</strong> Reformer propagierten<br />

ein alternatives Wohn- und Lebenskonzept, um den Missständen der<br />

Industrialisierung zu begegnen. Ziel war, nicht nur die qualitätslosen Produkte zu<br />

verbessern, sondern den schlechten Arbeitsbedingungen, der Proletarisierung der<br />

Arbeiterschaft durch Bodenspekulation, Mietwucher und Überbelegung in zudem<br />

schlechten Unterkünften und allgemein der Verstädterung entgegenzuwirken.<br />

Zwangsläufig rückte damit eine Bauaufgabe der ökonomischen Beschränkung in das<br />

Interesse der ambitionierten Fachwelt, die bislang ihr künstlerisches Betätigungsfeld<br />

primär im luxuriösen Landhausbau <strong>des</strong> Adels und Großbürgertums sah.<br />

Konzentrierte Raumgruppen in geschlossenen Grundrissen und der Verzicht auf<br />

Bauschmuck und aufwendige Dachkonstruktionen bescherten den zaghaften Ansatz<br />

zu einer neuen kollektiven ästhetischen Wahrnehmung. Denn selbst unter diesen<br />

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