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den Genuss einer Leistungsvereinbarung<br />
mit der Stadt Münster. Im Gegenzug<br />
musste sich die AH zur Kürzung ihrer<br />
sechs hauptamtlichen Stellen verpflichten<br />
(die kosteten die öffentliche Hand<br />
2012 251.000 Euro). Wohin also mit den<br />
Kürzungskandidaten? Ein Jugendtreff,<br />
scheinbar trägerübergreifend, faktisch<br />
ein AH-Ableger, vorbeugend gegründet<br />
durch die Selbstmorde, bietet sich an. Die<br />
künftige Besetzung der Stellen bei Track<br />
dürfte interessant werden. Leider stört<br />
noch der KCM-Jugendtreff, dazu später<br />
mehr, das angestrebte Monopol.<br />
Das taugt natürlich nicht als Bedarfsbegründung.<br />
Butter muss bei die Fische.<br />
Im Mai 2012 erscheint in der HALLO ein<br />
umfänglicher Artikel, der die Probleme<br />
eines 20-jährigen nach seinem Outing<br />
beschreibt. Er sei von seinem Vater aus<br />
der Wohnung geworfen worden, und<br />
auch der Bäcker habe ihm deshalb keine<br />
Brötchen mehr verkauft. Das alles sei “in<br />
einem kleinen Dorf im Kreis Warendorf”<br />
geschehen; der junge Mann wird in der<br />
HALLO mit geändertem Namen in der<br />
Rückenansicht gezeigt. Nur der Kontakt<br />
zu Track habe ihm, so der junge Mann<br />
im Beitrag, geholfen. Ein kleines Dorf<br />
im Kreis Warendorf, eine Rückenansicht,<br />
ein anderer Name – wie lässt sich das<br />
überprüfen? Auf Anruf bei der Redakteurin<br />
zeigt diese sich pikiert. Ja, sie<br />
habe den jungen Mann kennengelernt.<br />
Warum dann dieses Versteckspiel, das<br />
niemandem hilft? Recherchen des Autors<br />
bei der Landjugend im Kreis Warendorf<br />
und den Jugendfeuerwehren verlaufen<br />
negativ. Niemand kann die Geschichte<br />
bestätigen, die sich, sofern passiert, doch<br />
herum gesprochen haben dürfte. Zuzüglich<br />
des Bäckers, dessen Verhalten jede<br />
Zivilklage erfolgreich sein ließe. Doch<br />
nichts ist nachfolgend mehr zu hören von<br />
der Geschichte des jungen Mannes in der<br />
Rückenansicht und auch nichts von zivilrechtlichen<br />
Schadenersatzforderungen.<br />
Zu fragen wäre ebenso, warum die Stadt<br />
Münster Geld in die Hand nehmen soll für<br />
die Jugendarbeit in anderen Kreisen.<br />
Vermutlich deshalb geht die Variante<br />
zum CSD 2012 anders. Jetzt gebe es zwei<br />
Jugendliche in Münster, die ebenfalls zu<br />
Hause rausgeflogen seien und dringend<br />
Hilfe benötigen. Nein, Namen könne man<br />
zum Schutz der beiden nicht nennen, aber<br />
wenn Track großzügig gefördert würde...<br />
Dumm nur, dass der CDU-Ratsherr und<br />
damalige KCM-Beirat Richard Halberstadt<br />
sofort Hilfe anbietet. Keine Reaktion der<br />
Trackies, obwohl Halberstadt sein Angebot<br />
nach einigen Tagen wiederholt. Auf<br />
einmal scheint die Not doch nicht so groß<br />
gewesen zu sein. Man kann nicht sagen,<br />
diese Fälle seien Fälschungen. Aber es<br />
wird alles getan, Überprüfungen zu<br />
verhindern. Letztlich läuft es aufs Selbe<br />
hinaus.<br />
Noch ein Ansatz des 2012er CSD: Die<br />
Parteien werden zu einer “politischen<br />
Diskussion” geladen, und so stehen<br />
deren Vertreter wie die Orgelpfeifen auf<br />
der Bühne. Die vom Track-Vorstand Ulrich<br />
Thoden (heute außerdem KCM-Vorstand)<br />
geleitete “politische Diskussion” entpuppt<br />
sich als Abverlangung eines<br />
Statements: Wie haltet ihr es mit der<br />
Förderung von Track? Oben auf der Bühne<br />
gesagt, ließe es sich später nur schlecht<br />
widerrufen – so vielleicht das Kalkül. Bis<br />
zur Nötigung ist es nicht weit. Auf der<br />
Bühne herrschen gleichwohl wohlmeinende,<br />
doch leere Worthülsen vor, denn<br />
keiner der Politiker kann angesichts der<br />
städtischen Finanzlage bindende Zusagen<br />
machen. Später wird einer der Ratsherren<br />
zum Autor sagen, er wisse gar nicht, was<br />
das sollte - ihm sei eine sexualpolitische<br />
Debatte angekündigt worden. In der<br />
Debatte wärmen Trackies außerdem die<br />
Mär vom einzigen Homo-Jugendtreff in<br />
Münster auf. Der damalige KCM-Vorstand<br />
reagiert souverän, indem er Parteien und<br />
Medien sachlich wissen lässt, es gebe<br />
im KCM schon seit elf Jahren einen nach<br />
Paragraf 75 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes<br />
KJHG anerkannten Jugendtreff<br />
auf ehrenamtlicher Basis. Daneben verfüge<br />
Münster über ein dichtes Netz von<br />
Betreuungsstrukturen, auch speziell für<br />
Mädchens und Jungs mit Problemen zu<br />
Hause. Das ist im September 20<strong>13</strong> nicht<br />
anders als im Juni 2012.<br />
Ein Jahr später, jetzt im Rathausinnenhof,<br />
entfällt am 15. Juni 20<strong>13</strong> (siehe<br />
Bilder) die Debatte mit Politikern. Auf<br />
der Bühne stehen nun Lehrer, Sozialarbeiter,<br />
Trackies und KCM-Vorstände, die<br />
sich gegenseitig die Bedenklichkeit der<br />
Situation bescheinigen und einen geförderten<br />
Jugendtreff als einzige Lösung<br />
darstellen. Am Rande des Geschehens<br />
haben diverse Parteien ihre Infostände<br />
aufgebaut. Die CDU als größte Partei in<br />
Münster fehlt; auf mehrfache Anfragen<br />
reagiert der CSD-Verein nicht. Die Freien<br />
Wähler und Demokratischen Ökologen<br />
sind nicht eingeladen und auch die LINKE<br />
ist abwesend. Von den acht Parteien<br />
im Rat sehen sich somit viere mit fast<br />
der Hälfte der Ratsmandate außen vor.<br />
Auch der Austausch mit den Bürgern in<br />
den Straßen fehlt. Mittendrin und doch<br />
nicht dabei - ein bezeichnendes Bild von<br />
Selbstausgrenzung.<br />
Rücksprung in den 28. April 2012. Es ist<br />
Landtagswahlkampf. Auf einer kleinen<br />
Bühne in der Klemensstraße kämpfen<br />
die Grünen mit Münsters lesbischer Abgeordneten<br />
Josefine Paul, Partnerin von<br />
Anna Paul, diese zugleich Grünen-Chefin<br />
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