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28.02.2014 Aufrufe

Bericht | Text: Carsten Scheiper | Fotos: Anke Kampmann Die Eroberung des Aasees für den Garten Die Installation aFARM Ein U.S.O. auf dem Aasee! Ein U.S.O.? Ein unbekanntes schwimmendes Objekt. ~-Autor Carsten Scheiper war mit dem kreativen Vater des Objektes, dem Gartenkünstler Wilm Weppelmann, zur Tretboottour auf dem Aasee verabredet, um mehr über seine Installation aFARM zu erfahren. Das unbekannte Objekt, das Mitte Juli vor den Treppen bei den „Gigant Pool Balls“ auf dem Aasee erschien, zieht seitdem die neugierigen Blicke der Jogger und Spaziergänger auf sich. Die Tretboote auf dem künstlichen See haben eine neues Ziel. Die Installation aFARM ist das Ergebnis der Auseinandersetzung des Münsteraner Gartenkünstler Wilm Weppelmann mit dem Thema Wasser: ein schwimmender Garten. Eine Arche, ein Anfang, des Gartenbaus auf dem Aasee, Neuland. Schwimmende Gärten, gab so etwas schon? Wilm Weppelmann weiß von den Azteken und den schwimmenden Gärten von Xochimilco zu berichten - auf Deutsch bedeutet das Wort aus dem Nahuatl in etwa so viel wie „Ort des Blumenfeldes“. Reste der Anlagen sind noch heute in Gebrauch, sie gehören zum Unesco-Weltkulturerbe. Einst wurde von dort die Hauptstadt Tenochtitlan mit Nahrungsmitteln versorgt. Die Chinampas, Flöße aus Rohrschlifflechtwerk, dienten als Anbauflächen, Schlamm vom Grund der Seen als fruchtbares Pflanzsubstrat, das bis zu vier Ernten im Jahr ermöglichte. „Der Grund des Aasees kam für mein Vorhaben nicht in Frage, die Belastungen aus der Landwirtschaft, die die Aa auf ihrem Weg von ihrer Quelle am Nordost-Hang der Baumberge mit sich führt, sind dramatisch hoch. Seit Sommer 2005 gibt es jedoch erfolgversprechende Versuche, die Wasserqualität des Aasees mit Fällungsmitteln zu verbessern.“ Selbst besucht hat der Gartenkünstler die schwimmenden Gärten der Bewohner des Reeds Wharf im heutigen London, die ihre Hausboote überall, wo sich Platz bietet, mit grüner Pracht bepflanzen. Und auch Amsterdam als eine der wasserreichsten Städte Europas beheimatet schwimmende Gärten. Etwa 2400 Hausboote liegen auf den Grachten. Ihren Ursprung hat diese Art der Wohnkultur in den 1950er Jahren, als es kaum andere preisgünstige Wohnmöglichkeiten in der Stadt gab. Zur gleichen Zeit verkauften viele Besitzer wirtschaftlich bedingt ihre Schiffe, um entweder auf größere, rentablere Wasserfahrzeuge zu setzen oder ihren Beruf aufzugeben. So kennt Wilm Weppelmann hier viele Topfgärten auf den Hausbooten. Selbst für die landlosen Ärmsten in Bangladesh bieten schwimmende Gärten Zukunftsperspektiven. Aus Wasserhyazinthen formen die Bewohner des Bezirks Gaibandha am Brahmaputra schwimmende Gärten, auf denen sie Kürbis, Okraschoten oder anderes Gemüse anbauen. In der Küstenregion dieses Landes, das einer der am tiefsten über dem Meeresspiegel gelegenen Orte der Welt ist, sind die Auswirkungen des Klimawandels schon verheerend spürbar. Der Meeresspiegel steigt, Trinkwasser und Äcker versalzen. Geförderte Projekte setzen hier auf salzresistentes Saatgut und schwimmende Gärten, so dass die betroffenen Familien mit Gemüse aus dem eigenen Anbau versorgt werden können. Für den Gartenkünstler galt es eine eigene Lösung für einen schwimmenden Garten auf dem Aasee zu kreieren. „Viel Geld habe ich nicht zur Verfügung, das verwendete Holz ist bis jetzt noch nicht vollständig bezahlt“, stellt Weppelmann klar, „aber ein großes Budget führt aus meiner Erfahrung heraus auch nicht zu den besten Lösungen.“ Im Prinzip beruht seine Idee auf einer schlichten hölzernen Rechteckeinfassung (12mx2m) Kulturelles Rahmenprogramm zu „aFARM“: Do 5.9.2013 18.00 Uhr Eröffnung der Erntezeit „aFARM“ - Einführung und geruderte Ortsbesichtigung mit Prof. Dr. Sternberg und Wilm Weppelmann Fr 27.9.2013 17.00 Uhr „Wann können wir den Aasee trinken, Herr Hirschmann?“ Di 1.10.2013 19.00 Uhr Andreas Ladwig liest So 6.10.2013 11.00 – 13.00 Uhr „Andere löffeln die Suppe aus, die wir anrichten!“ - Erntedankaktion mit Wassersuppe zugunsten der Welthungerhilfe So 27.10.2013 11.00 Uhr Abschluss Performance „Nicht zu retten – eine geistige Notwasserung von Wilm Weppelmann“ weitere Veranstaltungen in Planung: Infos unter www.weppelmann.de 6

mit Wabenboden. Ein Vließ ermöglicht es, dass Regenwasser abfließen kann, ohne dass Erde mitgetragen wird. Auftrieb bekommt die Ponton-Konstruktion von vierzig Fässern mit jeweils 220 Litern Fassungsvermögen. „Ein Liter entspricht dabei ungefähr einer Tragkraft von einem Kilogramm, allein sieben Tonnen wiegt schon der etwa 15 Zentimeter hoch aufgetragene Mutterboden“, erklärt der Konstrukteur. „Wenn man einen Außenbordmotor anbringen würde, könnte man damit prima über den Aasee schippern“, fügt er schmunzelnd hinzu und zeigt schaukelnd die gute Wasserlage seines Gefährts. Auch die Windlast galt es zu berücksichtigen, schließlich soll bei einer steifen Brise das flößerne Vehikel ohne Schwert und Kiel nicht umkippen. An Ort und Stelle wird die künstliche Insel durch zwölf selbst gegossene Betonanker gehalten, die mit festen Stricken an der Bordwand vertäut sind. weiß er, „schnelle Erfolge gibt es hier nicht, ganz anders als der Zeitgeist es vorgibt.“ Die Kaninchen der Aaseewiesen oder die Wasservögel stellen keine Gefahr für die Pflanzen dar, sie kämen an den Bordwänden des schwimmenden Gartens nicht hoch. Lediglich ein Reiher nutzt den Ort als Ausguck. Die Raupen des Kohlweißlings aber musste er schon vom Grün sammeln. wird alles Material in der Vorstellung des Künstlers nachhaltig seine weitere Verwendung finden. Das angebaute Gemüse verfeinert eine Wassersuppe, die zugunsten von Wasserprojekten der Welthungerhilfe an den Mann und die Frau gebracht werden soll, Apfelbaum und Kräuterpflanzen erhalten einen gedeihlichen Flecken in einem Garten, die Holzkonstruktion wird zum Hochbeet Wie ein Großmast thront ein Apfelbaum inmitten des schwimmenden Gartens. Wenig Windwiderstand bietet die schmale Krone des fünf Meter hohen Baumes, dessen Wurzelballen in einer schwarzen Kunststoffwanne steht, die um einige Zentimeter aus dem dunklen Mutterboden herausragt. „Hoffentlich verzeiht mir der Baum den ungewöhnlichen Standort“, bemerkt der Aassee-Pionier dazu etwas besorgt. Direkt daneben wächst Kapuzinerkresse mit ihren auffällig orangen Blüten. Ansonsten säumen den kleinen Trampelpfad, der mitten durch das vorwiegend grüne künstliche Eiland führt, Kohlarten, Salat, Kräuter und Lauch. „Von dem habe ich schon einige nachsetzen müssen“, ergänzt Wilm Weppelmann. Als einzige Hydrokultur präsentiert er an der Bordwand bugoder heckseits - wer weiß schon, wo sich bei dem wundersamen Gebilde vorne oder hinten befindet - Brunnenkresse. Auf die typisch deutsche Frage nach den Kartoffeln entgegnet der Gartenkenner jovial: „Dafür ist der Boden hier nicht tief genug. Kartoffeln kultiviere ich an der Steinfurter Straße.“ Wilm Weppelmann setzt jeden Tag um 17.00 Uhr zu seinem schwimmenden Garten über, um mit etlichen Kannen voll Aaseewassers zu gießen, an heißen Tagen auch morgens. Sonst würden die Pflanzen, die keinen direkten Kontakt zum Wasser haben, das sie trägt, eingehen. Es sei denn es kommt genug von oben. „Ein Garten braucht viel Geduld und Pflege“, Anders als viele gängige Gartenbücher beschäftigt sich Wilm Weppelmann mit Gartenbaupflanzen. Hier verbinden sich Nutzen und Schönheit für ihn. Der Rotkohl bewegt ihn besonders: “Rotkohl will mindestens zwei Jahre leben, aber viele Gärtner ernten den Kohl im ersten Jahr. Erst im zweiten Jahr schießt der Rotkohl, bildet gelbe Blüten und Samen. Schneidet man den Kopf im ersten Jahr richtig ab, bilden sich später sogar mehrere kleinere Köpfe nach.“ Es verwundert deswegen nicht, dass Weppelmann dieser Pflanze im August eine Ausstellung in der Frauenstraße 24 gewidmet hat: „Die Abenteuer von Rod Cabbage“ auf der Chelsea Flower Show als Guerilla Gardening Story. Nach dem Abbau der Installation umfunktioniert, die Pontonfässer sehen einer weiteren Nutzung als Regenauffangbehälter entgegen, selbst die Seile und Betonanker sollen später einmal Pavillons Halt verleihen. Räume für den Garten in der Stadt zu erobern, dafür hat der Gartenkünstler Wilm Weppelmann noch viele Ideen. „Noch einmal ich würde dieses Projekt allerdings nicht durchführen, vielleicht gegen ein Honorar. Aber eigentlich fehlt mir dafür die innere Kraft, der Antrieb, den ich spüre, wenn es ein neues Projekt ins Werk zu setzen gilt.“ Wir dürfen gespannt sein auf das Neuland, das Wilm Weppelmann für den urbanen Garten in der Zukunft entdecken wird. # 7

Bericht | Text: Carsten Scheiper | Fotos: Anke Kampmann<br />

Die Eroberung des Aasees für den Garten<br />

Die Installation aFARM<br />

Ein U.S.O. auf dem Aasee! Ein U.S.O.?<br />

Ein unbekanntes schwimmendes Objekt.<br />

~-Autor Carsten Scheiper war mit<br />

dem kreativen Vater des Objektes, dem<br />

Gartenkünstler Wilm Weppelmann, zur<br />

Tretboottour auf dem Aasee verabredet,<br />

um mehr über seine Installation aFARM<br />

zu erfahren.<br />

Das unbekannte Objekt, das Mitte Juli<br />

vor den Treppen bei den „Gigant Pool<br />

Balls“ auf dem Aasee erschien, zieht<br />

seitdem die neugierigen Blicke der<br />

Jogger und Spaziergänger auf sich. Die<br />

Tretboote auf dem künstlichen See haben<br />

eine neues Ziel. Die Installation aFARM<br />

ist das Ergebnis der Auseinandersetzung<br />

des Münsteraner Gartenkünstler Wilm<br />

Weppelmann mit dem Thema Wasser: ein<br />

schwimmender Garten. Eine Arche, ein<br />

Anfang, des Gartenbaus auf dem Aasee,<br />

Neuland.<br />

Schwimmende Gärten, gab so etwas<br />

schon? Wilm Weppelmann weiß von<br />

den Azteken und den schwimmenden<br />

Gärten von Xochimilco zu berichten - auf<br />

Deutsch bedeutet das Wort aus dem<br />

Nahuatl in etwa so viel wie „Ort des<br />

Blumenfeldes“. Reste der Anlagen sind<br />

noch heute in Gebrauch, sie gehören<br />

zum Unesco-Weltkulturerbe. Einst wurde<br />

von dort die Hauptstadt Tenochtitlan<br />

mit Nahrungsmitteln versorgt. Die Chinampas,<br />

Flöße aus Rohrschlifflechtwerk,<br />

dienten als Anbauflächen, Schlamm vom<br />

Grund der Seen als fruchtbares Pflanzsubstrat,<br />

das bis zu vier Ernten im Jahr<br />

ermöglichte. „Der Grund des Aasees kam<br />

für mein Vorhaben nicht in Frage, die<br />

Belastungen aus der Landwirtschaft, die<br />

die Aa auf ihrem Weg von ihrer Quelle am<br />

Nordost-Hang der Baumberge mit sich<br />

führt, sind dramatisch hoch. Seit Sommer<br />

2005 gibt es jedoch erfolgversprechende<br />

Versuche, die Wasserqualität des Aasees<br />

mit Fällungsmitteln zu verbessern.“<br />

Selbst besucht hat der Gartenkünstler<br />

die schwimmenden Gärten der Bewohner<br />

des Reeds Wharf im heutigen London,<br />

die ihre Hausboote überall, wo sich Platz<br />

bietet, mit grüner Pracht bepflanzen.<br />

Und auch Amsterdam als eine der wasserreichsten<br />

Städte Europas beheimatet<br />

schwimmende Gärten. Etwa 2400 Hausboote<br />

liegen auf den Grachten. Ihren<br />

Ursprung hat diese Art der Wohnkultur in<br />

den 1950er Jahren, als es kaum andere<br />

preisgünstige Wohnmöglichkeiten in der<br />

Stadt gab. Zur gleichen Zeit verkauften<br />

viele Besitzer wirtschaftlich bedingt ihre<br />

Schiffe, um entweder auf größere, rentablere<br />

Wasserfahrzeuge zu setzen oder<br />

ihren Beruf aufzugeben. So kennt Wilm<br />

Weppelmann hier viele Topfgärten auf<br />

den Hausbooten.<br />

Selbst für die landlosen Ärmsten<br />

in Bangladesh bieten schwimmende<br />

Gärten Zukunftsperspektiven. Aus Wasserhyazinthen<br />

formen die Bewohner<br />

des Bezirks Gaibandha am Brahmaputra<br />

schwimmende Gärten, auf denen sie<br />

Kürbis, Okraschoten oder anderes Gemüse<br />

anbauen. In der Küstenregion<br />

dieses Landes, das einer der am tiefsten<br />

über dem Meeresspiegel gelegenen Orte<br />

der Welt ist, sind die Auswirkungen des<br />

Klimawandels schon verheerend spürbar.<br />

Der Meeresspiegel steigt, Trinkwasser und<br />

Äcker versalzen. Geförderte Projekte setzen<br />

hier auf salzresistentes Saatgut und<br />

schwimmende Gärten, so dass die betroffenen<br />

Familien mit Gemüse aus dem<br />

eigenen Anbau versorgt werden können.<br />

Für den Gartenkünstler galt es eine<br />

eigene Lösung für einen schwimmenden<br />

Garten auf dem Aasee zu kreieren. „Viel<br />

Geld habe ich nicht zur Verfügung, das<br />

verwendete Holz ist bis jetzt noch nicht<br />

vollständig bezahlt“, stellt Weppelmann<br />

klar, „aber ein großes Budget führt aus<br />

meiner Erfahrung heraus auch nicht<br />

zu den besten Lösungen.“ Im Prinzip<br />

beruht seine Idee auf einer schlichten<br />

hölzernen Rechteckeinfassung (12mx2m)<br />

Kulturelles Rahmenprogramm zu<br />

„aFARM“:<br />

Do 5.9.20<strong>13</strong> 18.00 Uhr Eröffnung der<br />

Erntezeit „aFARM“ - Einführung und<br />

geruderte Ortsbesichtigung mit Prof.<br />

Dr. Sternberg und Wilm Weppelmann<br />

Fr 27.9.20<strong>13</strong> 17.00 Uhr „Wann können<br />

wir den Aasee trinken, Herr Hirschmann?“<br />

Di 1.10.20<strong>13</strong> 19.00 Uhr Andreas Ladwig<br />

liest<br />

So 6.10.20<strong>13</strong> 11.00 – <strong>13</strong>.00 Uhr „Andere<br />

löffeln die Suppe aus, die wir<br />

anrichten!“ - Erntedankaktion mit<br />

Wassersuppe zugunsten der Welthungerhilfe<br />

So 27.10.20<strong>13</strong> 11.00 Uhr Abschluss<br />

Performance „Nicht zu retten – eine<br />

geistige Notwasserung von Wilm<br />

Weppelmann“<br />

weitere Veranstaltungen in Planung:<br />

Infos unter www.weppelmann.de<br />

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