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Bericht | Text: Christoph Tiemann | Foto: Hanno Endres Columne: „~“ auf Cuba BILDUNGSAPARTHEIT Es gibt viele Dinge, die sehen ähnlich aus, sind in Wirklichkeit aber grundverschieden. Wurst und Scheiße zum Beispiel. Wenn uns jemand aber Scheiße als Wurst verkaufen will, so wird er sich gewählt ausdrücken, denn manchmal macht ein guter Name schon die halbe Miete. Wissen Sie zum Beispiel, was Kajal bedeutet, meine Damen? Seit über 5.000 Jahren ist das „Kohle aus verbranntem Butterschmalz“. Würden Sie das unter diesem Namen kaufen, geschweige denn es unter Ihre Augen schmieren? „Boris Entrup von Maybeline Jade Paris gibt Schminktipps für Kohle aus verbranntem Butterschmalz.“ Klingt einfach nicht sexy. „Kaviar“ verkauft sich so bezeichnet auch viel besser als unter seinem alten Namen: „Juri Poppows verzehrfertig abgetriebene Fischembryonen“, und auch Chicken McNuggets sind erst ein Verkaufsschlager, seitdem man auf den eigentlichen Namen verzichtet hat: „pürierte Kückenreste in Panade.“ Vor allem die Politik bedient sich der Sprachkosmetik und greift tief ins Schminktäschchen, um uns hässliche Ideen nett zurechtgemacht zu präsentieren – alles unter dem Deckmantel von politischer Korrektheit, versteht sich. Nicht dass Sie mich falsch verstehen – politische Korrektheit ist wichtig! Es ist gut, dass wir Randgruppen nicht mehr mit Schimpfwörtern benennen, dass wir nicht mehr Worte benutzen wie Neger oder Schwuchtel oder Frau. Aber die Politik benutzt sprachliche Nebelwerfer, hinter denen man die wahre Tragweite des eigentlichen Sachverhalts, wenn überhaupt, nur noch schemenhaft erahnen kann. Manchmal sind Begriffe, die als „politcally correct“ gelten, eben „facutally äußerst inaccurate“. Mein Nachbar, der Fiese mit der Glatze und der dicken Nase aus dem Nachbarhaus, der ist nicht „in seinen Softskills sozial defizitär“ – der ist ein Arschloch! Und das muss man manchmal auch genau so sagen, sonst versteht mich ja keiner. Bildungsfern, finde ich, ist auch so ein sprachlicher Nebelwerfer. Bildungsfern – das klingt so… schön. Das klingt nach Blumenkindern, die sich ihre Lerninhalte noch selber suchen, bildungsfern klingt nach selbstbestimmter, freier Jugend, die an einem tropischen Strand fernab von den moralischen Vorgaben des Bürgertums ein freies Leben lebt. Die auf einem Ast schlafen und mit den Drachen reden, weil sie die Drachen noch sehen können! Gemeint sind aber: Assis. Klar ist das nicht nett, wenn wir das Prekariat Assis nennen. Aber wenn ich im Fernsehen „bildungsfern“ höre, dann denk ich: „Naja, sollen die doch näher rangehen an die Bildung – sind ja offensichtlich selber schuld. Man muss auch ein bisschen wollen!“ „Bildungsfern“ klingt nach freiwilligem Urlaub von der Bildung mit Tui oder Neckermann. Aber diese Menschen sind nicht bildungsfern. Die Bildung ist bei uns ja um die Ecke, das ist ja die Tragödie. Unsere Bildung ist nicht versteckt in Hogwarts, wo Du zunächst das magische Gleis neundreiviertel finden musst, um an die Bildung ran zu kommen. Würde auch gar nicht funktionieren bei uns, wer kann heute noch richtig Bruchrechnung? Diese Leute sind nicht bildungsfern, die sind bildungsausgesperrt! Diese Menschen sind Opfer der deutschen Bildungsapartheit. Wenn es stimmt, dass die Schule ein Spiegel der Gesellschaft ist, dann leben wir immer noch in einer mittelalterlichen Ständegesellschaft. Da haben wir das Gymnasium für die Patrizier, die Realschule für die Bürger und die Hauptschule für den Pöbel. Und die mit den Pestbeulen, für die gibt ‘s die Gesamtschule. Absolutistischen Herrschern gleich thronen über allem die Kultusministerien, letzte Bastion der deutschen Kleinstaaterei, die entscheiden, was wer im Volk zu lernen habe, welches Wissen nützt und welches doch eher belastet bei der Arbeit an Fritteuse, Feudel und Frisiertisch. „Also,“ spricht der Bildungsfürst, „heilig sei uns das Gymnasium! Ein geborgener Hort der Bessergestellten sei es, auf dass die jungen Liberalen einen Schulhof haben, auf dem sie sich treffen können und nicht wie an anderen Schulen direkt einen auf die 12 bekommen. Ein Ort für die deutsche Elite sollst Du sein, Gymnasium, denn unserer Elite, sie soll nicht belastet werden mit Bildungsinhalten wie Mitgefühl und Rücksicht. Denn die Elite, sie soll beim Vorwärtslaufen nicht nach links und rechts oder Gott bewahre nach hinten gucken. Denn unsere Bildung sei kein Mannschaftssport, unsere Bildung sei ein Wettrennen.“ Eigentlich können wir nur darauf warten, dass die Gentechnik endlich soweit ist, unser Bildungssystem zu retten: Prä-Implantationsunterricht! Abitur nach 12 Wochen in der Petrischale. Obwohl – da wird es sicher auch wieder Vorbehalte geben. Ich kenn da eine Partei, die würd sicher sagen: „Mit den Assis sollen unsere Kinder aber nicht zusammen in die gleiche Petrischale.“ # Christoph Tiemann, Schauspieler und Kabarettist, ist Gastgeber von Münster Kabarettbühne CUBARETT. Mit seinem ersten Soloprogramm „Kabarettverbot“ gewann er den Reinheimer Satirelöwen und wurde in München mit der „Silbernen Weisswurscht“ ausgezeichnet. Sein neues Soloprogramm „Jetzt wird‘s gewöhnlich“ feiert am 14. September im Kreativhaus in Münster Premiere. www.tiemann.tv 24

Bericht | Text: RA Annette Poethke § Neues aus dem Erbrecht Kein „lichter Moment“ bei fortschreitender Demenz Das OLG (Oberlandesgericht) München hatte im Juli 2013 folgenden Fall zu entscheiden: Die Erblasserin Erna hatte mit ihrem Mann Manuel mehrere verschiedene letztwillige gemeinschaftliche Verfügungen verfasst, in denen sie zum Schlusserben ihren gemeinsamen Sohn Siegfried bestimmten. Der überlebende Ehegatte sollte berechtigt sein, einseitig das Testament beliebig zu ändern. Nach Erkrankung von Manuel wurde Erna aufgrund einer notariellen General- und Vorsorgevollmacht für ihren Mann Manuel tätig. Durch notarielle Urkunde widerrief sie sämtliche ursprünglichen Testamente und nahm als Vertreterin von Manuel die Widerrufserklärung entgegen. Sie setzte mit notariellem Testament den gemeinsamen Sohn Siegfried als Alleinerben ein, obwohl in einem früheren Testament der Eheleute Erna und Manuel eine gemeinnützige Organisation zum Alleinerben eingesetzt gewesen war. Gerade dies wollte Erna ändern. Der beurkundende Notar stellte Testierfähigkeit von Erna bei diesem neuen Testament fest. Als Erna Mitte Mai 2011 im Alter von 65 Jahren verstarb – Manuel war bereits im September 2010 vorverstorben –, beantragte der gemeinsame Sohn Siegfried einen Alleinerbscheinsantrag beim Nachlassgericht. Das Nachlassgericht wies diesen Erbscheinsantrag zurück; Siegfrieds Beschwerde beim OLG wurde ebenfalls zurückgewiesen. Das Nachlassgericht wie auch die Beschwerdeinstanz haben Testierunfähigkeit bei Erna als gegeben angenommen. Deshalb seien die von ihr einseitig errichteten Testamente nichtig. Erna litt nämlich an der Creutzfeldt-Jakob- Erkrankung mit progredienter (fortschreitender) Demenz. Nach gerichtlich eingeholten Gutachten wurde festgestellt, dass Erna zu Ort, Zeit und Situation nicht orientiert war und einfache Handlungen nicht durchführen konnte. Der Sohn Siegfried hatte bei seinem Alleinerbscheinsantrag argumentiert, dass Erna in einem „lichten Moment“ testiert habe. Allerdings habe der Gutachter festgestellt, dass bei einer chronisch-progredienten Störung „luzide Intervalle“ (lichte Momente) mit Wiedererlangung der Urteilfähigkeit praktisch ausgeschlossen sind. Auch die Einschätzung des Notars bei Aufnahme des Testaments, in dem er Erna als „testierfähig“ einschätzte, und die Tatsache, dass sie Dritten gegenüber „normal“ kommunizierte, stehen dieser Bewertung nicht entgegen. Das OLG stellt fest, dass allein der Wunsch, ihren Sohn Siegfried zum Alleinerben einzusetzen, nicht genüge und nicht gleichzusetzen sei mit der für die Testierfähigkeit notwendigen Frage, ob sie den Inhalt des Testaments von sich aus bestimmen und sich aus eigener Überzeugung hierzu ein klares Urteil bilden könne. Die Äußerung des Willens, jemanden zum Erben einzusetzen, sei nicht mit der Fähigkeit zur entsprechenden Willensbildung gleichzusetzen. Diese Entscheidung berücksichtigt die neue Tendenz der wissenschaftlichen Forschung zur Frage des Zusammenhangs zwischen chronischer Demenzerkrankung und Testierfähigkeit. OLG München, Beschluss vom 01.07.2013 –31 Wx 266/12 = BeckRS 2013, 11657 # George ist ein wunderschöner, verschmuster und sehr zutraulicher Kater von 9 Monaten. Er ist ein ausgeglichener Vertreter und kommt mit der Berufstätigkeit seiner Leute gut klar. Wenn seine Pflegeeltern von der Arbeit nach Hause kommen, erzählt er ihnen zuerst, wie sein Tag war und braucht dann ganz viele Schmuseeinheiten und Aufmerksamkeit. Wenn er die nicht bekommt, zeigt er deutlich, dass jetzt „seine“ Spiel- und Beschäftigungszeit ist! George fühlt sich in der Wohnung durchaus sehr wohl und erweckt nicht den Anschein, dass er nach draußen möchte. Das liegt sicher daran, weil der arme Kerl mit einem dreifachen Beckenbruch aufgefunden wurde. Eine bleibende Behinderung hat er aber nicht zurückbehalten und würde sich daher bestimmt über einen Balkon freuen! Wir denken, dass George ein Zuhause braucht, in dem er ganz viel Aufmerksamkeit und Zuneigung bekommt - gerne mit größeren Kindern. Ob er als Zweittier geeignet ist, konnten wir leider noch nicht ausprobieren. Auf andere Katzen, z. B. beim Tierarzt, reagiert er aber eher entspannt und neugierig. Kontakt: Tel. 0251/8469757 oder www.katzenhilfe-muenster.de 25

Bericht | Text: RA Annette Poethke<br />

§<br />

Neues aus dem Erbrecht<br />

Kein „lichter Moment“ bei fortschreitender Demenz<br />

Das OLG (Oberlandesgericht) München hatte im Juli 20<strong>13</strong> folgenden<br />

Fall zu entscheiden: Die Erblasserin Erna hatte mit ihrem<br />

Mann Manuel mehrere verschiedene letztwillige gemeinschaftliche<br />

Verfügungen verfasst, in denen sie zum Schlusserben ihren<br />

gemeinsamen Sohn Siegfried bestimmten. Der überlebende<br />

Ehegatte sollte berechtigt sein, einseitig das Testament beliebig<br />

zu ändern.<br />

Nach Erkrankung von Manuel wurde Erna aufgrund einer<br />

notariellen General- und Vorsorgevollmacht für ihren Mann<br />

Manuel tätig. Durch notarielle Urkunde widerrief sie sämtliche<br />

ursprünglichen Testamente und nahm als Vertreterin von Manuel<br />

die Widerrufserklärung entgegen. Sie setzte mit notariellem<br />

Testament den gemeinsamen Sohn Siegfried als Alleinerben<br />

ein, obwohl in einem früheren Testament der Eheleute Erna<br />

und Manuel eine gemeinnützige Organisation zum Alleinerben<br />

eingesetzt gewesen war. Gerade dies wollte Erna ändern. Der<br />

beurkundende Notar stellte Testierfähigkeit von Erna bei diesem<br />

neuen Testament fest.<br />

Als Erna Mitte Mai 2011 im Alter von 65 Jahren verstarb – Manuel<br />

war bereits im September 2010 vorverstorben –, beantragte<br />

der gemeinsame Sohn Siegfried einen Alleinerbscheinsantrag<br />

beim Nachlassgericht. Das Nachlassgericht wies diesen Erbscheinsantrag<br />

zurück; Siegfrieds Beschwerde beim OLG wurde<br />

ebenfalls zurückgewiesen. Das Nachlassgericht wie auch die Beschwerdeinstanz<br />

haben Testierunfähigkeit bei Erna als gegeben<br />

angenommen. Deshalb seien die von ihr einseitig errichteten<br />

Testamente nichtig. Erna litt nämlich an der Creutzfeldt-Jakob-<br />

Erkrankung mit progredienter (fortschreitender) Demenz. Nach<br />

gerichtlich eingeholten Gutachten wurde festgestellt, dass Erna<br />

zu Ort, Zeit und Situation nicht orientiert war und einfache<br />

Handlungen nicht durchführen konnte. Der Sohn Siegfried hatte<br />

bei seinem Alleinerbscheinsantrag argumentiert, dass Erna in<br />

einem „lichten Moment“ testiert habe. Allerdings habe der<br />

Gutachter festgestellt, dass bei einer chronisch-progredienten<br />

Störung „luzide Intervalle“ (lichte Momente) mit Wiedererlangung<br />

der Urteilfähigkeit praktisch ausgeschlossen sind. Auch die<br />

Einschätzung des Notars bei Aufnahme des Testaments, in dem<br />

er Erna als „testierfähig“ einschätzte, und die Tatsache, dass<br />

sie Dritten gegenüber „normal“ kommunizierte, stehen dieser<br />

Bewertung nicht entgegen. Das OLG stellt fest, dass allein der<br />

Wunsch, ihren Sohn Siegfried zum Alleinerben einzusetzen, nicht<br />

genüge und nicht gleichzusetzen sei mit der für die Testierfähigkeit<br />

notwendigen Frage, ob sie den Inhalt des Testaments<br />

von sich aus bestimmen und sich aus eigener Überzeugung<br />

hierzu ein klares Urteil bilden könne. Die Äußerung des Willens,<br />

jemanden zum Erben einzusetzen, sei nicht mit der Fähigkeit<br />

zur entsprechenden Willensbildung gleichzusetzen.<br />

Diese Entscheidung berücksichtigt die neue Tendenz der wissenschaftlichen<br />

Forschung zur Frage des Zusammenhangs zwischen<br />

chronischer Demenzerkrankung und Testierfähigkeit.<br />

OLG München, Beschluss vom 01.07.20<strong>13</strong> –31 Wx 266/12 = BeckRS<br />

20<strong>13</strong>, 11657 #<br />

George ist ein wunderschöner,<br />

verschmuster und sehr zutraulicher<br />

Kater von 9 Monaten. Er ist ein ausgeglichener<br />

Vertreter und kommt mit der<br />

Berufstätigkeit seiner Leute gut klar.<br />

Wenn seine Pflegeeltern von der Arbeit<br />

nach Hause kommen, erzählt er ihnen<br />

zuerst, wie sein Tag war und braucht<br />

dann ganz viele Schmuseeinheiten und<br />

Aufmerksamkeit. Wenn er die nicht<br />

bekommt, zeigt er deutlich, dass jetzt<br />

„seine“ Spiel- und Beschäftigungszeit<br />

ist! George fühlt sich in der Wohnung<br />

durchaus sehr wohl und erweckt nicht<br />

den Anschein, dass er nach draußen<br />

möchte. Das liegt sicher daran, weil<br />

der arme Kerl mit einem dreifachen<br />

Beckenbruch aufgefunden wurde. Eine<br />

bleibende Behinderung hat er aber<br />

nicht zurückbehalten und würde sich<br />

daher bestimmt über einen Balkon<br />

freuen! Wir denken, dass George ein<br />

Zuhause braucht, in dem er ganz viel<br />

Aufmerksamkeit und Zuneigung bekommt<br />

- gerne mit größeren Kindern.<br />

Ob er als Zweittier geeignet ist, konnten<br />

wir leider noch nicht ausprobieren.<br />

Auf andere Katzen, z. B. beim Tierarzt,<br />

reagiert er aber eher entspannt und<br />

neugierig.<br />

Kontakt: Tel. 0251/8469757 oder www.katzenhilfe-muenster.de<br />

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