Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
in Ordnung, dass sie persönlich auch etwas<br />
in der Hand haben wollen. Das sollte<br />
auch so sein. Wir müssen gucken, ob wir<br />
neue Strukturen aufmachen und so grade<br />
jungen Bettlern versuchen, Arbeit und<br />
Brot zu geben.<br />
~: Haben Sie da konkrete Pläne?<br />
Halberstadt: Wenn man sich mal den<br />
Arbeitsmarkt anguckt, ist das immer<br />
schwierig. Wer nimmt Menschen auf,<br />
die eine sozial geschädigte Struktur oder<br />
Lebensbiografie haben? Gut ist, wenn<br />
wir es schaffen, die Bettler mehr einzubinden,<br />
beispielsweise durch Mithilfe in<br />
allgemeinnützigen Projekten. Das löst<br />
leider nicht das allgemeine Problem;<br />
eine soziale Absicherung und ein eigener<br />
Ertrag wären natürlich wünschenswert,<br />
sind aber leider nicht einfach zu bekommen.<br />
Daher brauchen wir Hilfestellung,<br />
die auch durch soziale Einrichtung,<br />
Streetworker und Sozialarbeiter da ist.<br />
Man muss genauer hinschauen, wie<br />
resozialisierend geholfen werden kann,<br />
das ist nicht leicht. Das ~-Magazin<br />
geht in die Richtung. Es muss also<br />
eine Kommunikation auf Augenhöhe<br />
stattfinden, und es muss auch über den<br />
Tellerrand geschaut werden. Wichtig ist,<br />
dass das Geld auch da ankommt, wo es<br />
gebraucht wird.<br />
~: Inwiefern trägt die Verschärfung<br />
des Bettelgesetzes dazu bei?<br />
Halberstadt: Eine richtige Lösung wird<br />
damit nicht gefunden. Vielmehr geht<br />
es darum, noch mal die Diskussion zum<br />
Bettelgesetz anzuregen. Wir müssen uns<br />
fragen, ob dieses Gesetz noch richtig ist.<br />
Die Stadt – also Ordnungsamt und Polizei<br />
– greift auch jetzt schon ein: Wenn<br />
Minderjährige betteln, ist beispielsweise<br />
eine Grenze erreicht.<br />
~: Wie stellen Sie sich das genau<br />
vor?<br />
Halberstadt: Ich möchte– das hört sich<br />
doof an – das Betteln eher modernisieren.<br />
Beispielsweise können Streetworker,<br />
die in den Dialog mit Bettlern treten,<br />
auch fragen, ob diese auf das Betteln angewiesen<br />
sind. Ist es nötig, dass trotz der<br />
Möglichkeiten von drei warmen Mahlzeiten<br />
und evtl. kleinen Nebenverdiensten<br />
noch gebettelt werden muss?<br />
~: Wird dadurch nicht eher das<br />
Problem Armut verschleiert?<br />
Halberstadt: Nein, es gibt auch viele<br />
Bürger und Bürgerinnen, die gezielt<br />
Stammbettler – zum Beispiel auf dem<br />
Prinzipalmarkt, oder auch den Kirchen –<br />
unterstützen. Diese Unterstützung findet<br />
oft nicht nur finanziell statt, sondern<br />
auch durch das Geben von Kleidung oder<br />
Decken. Ich möchte nicht, dass etwas<br />
verschleiert wird. Mir geht es darum,<br />
dass man noch mal schaut, wem man<br />
etwas gibt: Erreicht das auch die wirklich<br />
Hilfebedürftigen? Das gilt es zu klären.<br />
~: Wieso rückt dieses Thema jetzt<br />
wieder in den Vordergrund?<br />
Halberstadt: Angestoßen wurde diese<br />
Diskussion in den letzten Wochen, in<br />
denen wir mehr jugendliche Bettler auf<br />
den Straßen wahrgenommen haben, die<br />
nicht in den sozialen Einrichtungen sind.<br />
Hier muss man dafür sorgen, dass diese<br />
Anzeige<br />
Ökologisch-Demokratische Partei<br />
Halberstadt: Die Verschärfung würde<br />
hier nicht helfen. Die Kriminalisierung<br />
wandert jedoch in eine Grauzone ab,<br />
in die wir auch gar nicht mehr schauen<br />
können. Die Kriminalisierung ist für mich<br />
der Anstoß gewesen, nochmals genauer<br />
zu gucken, wer sitzt auf den Straßen.<br />
Eine Verschärfung muss so stattfinden,<br />
dass Bettler nicht in die Anonymität<br />
getrieben werden, aber das organisierte<br />
Betteln verhindert wird. Wir erfahren<br />
immer wieder von hierarchischen und<br />
organisierten Bettelbanden – oft osteuropäisch<br />
– in denen die einzelnen Bettler<br />
alle halbe Stunde von einem Einsammler<br />
besucht werden. Die Bettler selbst sind<br />
hier noch ärmer dran als die Ärmsten,<br />
da sie von ihrem Erbettelten das meiste<br />
abgeben müssen.<br />
~: Sie sprachen dennoch das Thema<br />
Verschärfung des Bettelgesetzes an.<br />
Das würde alle Bettler betreffen, aber<br />
nicht ihre Probleme lösen.<br />
Unzufrieden?<br />
Nicht<br />
meckern –<br />
mitmachen!<br />
Mehr Informationen und Hintergründe: www.oedp-muenster.de | Tel. 0251 / 20 380 79<br />
15