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~Das Straßenmagazin für Münster und das Münsterland | www.strassenmagazin-draussen.de<br />
<strong>09</strong> | <strong>13</strong><br />
1,<strong>60</strong><br />
aFARM - schwimmender Garten | Bettelverbot verschärfen? |<br />
Ein Zuhause für ~ - Hilfe erforderlich
Editorial<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
seit fast 20 Jahren ist ~ auf der Suche nach den passenden<br />
Räumen. Die ersten Treffen fanden Anfang 1994 im Wohngruppenzimmer<br />
von ~ Gründer Karl-Heinz Weiten statt. Die<br />
anfänglichen Redaktionstreffen gab es dann später in den Kellerräumen<br />
des Diakonischen Werkes in der Von-Finke-Straße.<br />
Für die ersten eigenen Redaktionsräume fand man eine Unterkunft<br />
an der Friedrich-Ebert-Straße. Direkt an den Gleisen war<br />
es wohl ein abenteuerliches Arbeiten, rappelten und klapperten<br />
doch vielmals am Tag die Tassen im Schrank. Von hier aus ging<br />
es weit raus an die Warendorfer Straße, Höhe Danziger Freiheit.<br />
Eine Tortur für unsere Verkäufer ihre Zeitungen von dort aus in<br />
die Stadt zu schleppen. Aus der Not heraus wurde eine winzige<br />
Wohnung am Aasee angemietet. Auch keine Dauerlösung! Vom<br />
Aasee aus ging es dann in die Dammstraße, gegenüber dem HUK<br />
Gebäude, von dort aus in ein Kellerloch an der Overbergstraße.<br />
www.stadtwerke-muenster.de<br />
Die letzten 5 Jahre haben wir am Berliner Platz verbracht. Hier<br />
wurde uns vor einigen Wochen die Kündigung angedroht, weil<br />
wir unsere Verkäufer gerne bekochen würden und das in dem<br />
Bürogebäude nicht möglich ist. Außerdem sind die <strong>60</strong> qm² für<br />
unsere inzwischen etwa 70 Verkäufer viel zu klein.<br />
STROM<br />
Münster:natürlich<br />
Nach acht Umzügen in knapp 20 Jahren sind wir das Hinund-Her-Ziehen<br />
leid. ~ braucht endlich ein richtiges<br />
Zuhause. Überteuerte Mietpreise, intolerante Vermieter und<br />
schlechte Wohnlagen zwingen uns zu einem gewagten Schritt:<br />
Wir wollen im Frühling des nächsten Jahres, pünktlich zu<br />
unserem 20. Geburtstag ein geeignetes Ladenlokal kaufen.<br />
Bereits im nächsten Monat beginnen Renovierungsarbeiten und<br />
Umzugsvorbereitungen. Bis Ende März ziehen wir als Mieter in<br />
die Von-Kluck-Straße 15, dann kann das 120 qm² große Objekt<br />
in unseren Besitz übergehen. Bis dahin haben wir Zeit unser<br />
Eigenkapital aufzustocken und einen oder mehrere Bürgen zu<br />
finden, um das fehlende Geld als Kredit aufzunehmen. Dabei<br />
sind wir dringend auf Ihre Hilfe angewiesen. Bitte beachten Sie<br />
unsere Seite 3 und unterstützen Sie unser Vorhaben mit einer<br />
Spende. Jeder Euro zählt!<br />
Lassen Sie ~ nicht draußen stehen..<br />
Sabrina Kipp / ~-Redakteurin<br />
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Ohne lange drum herum zu reden: Für die Finanzierung brauchen wir...<br />
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Werden Sie<br />
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Unterstützer!<br />
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Unser Spendenkonto:<br />
Kto 33878<br />
BLZ 40050150<br />
Sparkasse Münsterland Ost<br />
Illustrationen: microsoft office<br />
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Fußballturnier Maria Veen!<br />
(Artikel auf Seite 23)<br />
Hintergrundfoto: Peter Smola / pixelio.de | Fotos: Sabrina Kipp und Sigi Nasner
Impressum<br />
Herausgeber<br />
„~“ e. V.<br />
Berliner Platz 8<br />
48143 Münster<br />
Redaktionsteam<br />
Juliane Büker<br />
Michael Heß<br />
Horst Gärtner<br />
Melanie Kelter<br />
Sabrina Kipp<br />
Jonas Lichtenstein<br />
Sigi Nasner<br />
Carsten Scheiper (V.i.S.d.P.)<br />
Tel.: 0251 / 49 <strong>09</strong> 11 8<br />
redaktion@strassenmagazin-draussen.de<br />
Streetwork<br />
Sabrina Kipp<br />
s.kipp@strassenmagazin-draussen.de<br />
Internetseite<br />
www.strassenmagazin-draussen.de<br />
Administrator: Cyrus Tahbasian<br />
Texte<br />
Kevin Beckschäfer, Sr. Klara-Maria<br />
Breuer, Christine Dedeck, Elmo, Horst<br />
Gärtner, Hannes Hennemann, Michael<br />
Heß, Sabrina Kipp, Annette Poethke,<br />
Werner Rump, Carsten Scheiper, Christoph<br />
Tiemann, Susanne Wasielewski<br />
Fotos<br />
Kevin Beckschäfer, Sr. Klara-Maria Breuer,<br />
Christine Dedeck, Hanno Endres, Michael<br />
Heß, Hannes Hennemann, Anke Kampmann,<br />
Sabrina Kipp, Andreas Löchte, Sammlung<br />
Möllenhoff/Schlautmann, Pixelio.de /<br />
Rainer Sturm, Peter Smola, Thorsten Freyer,<br />
Uschi Dreiucker, Susanne Wasielewski<br />
Titelfoto<br />
Anke Kampmann<br />
Layout und Titelgestaltung<br />
Juliane Büker<br />
j.bueker@strassenmagazin-draussen.de<br />
Jonas Lichtenstein<br />
Gestaltungskonzept<br />
Lisa Schwarz/Christian Büning<br />
Druck<br />
Gutverlag Druck & Medien<br />
Auflage 10.000<br />
Unterstützt durch<br />
Siverdes-Stiftung<br />
Bankverbindung<br />
Sparkasse Münsterland Ost<br />
Konto-Nr. 34205427<br />
BLZ 400 501 50<br />
Paten-Spenden-Konto<br />
Sparkasse Münsterland Ost<br />
Konto-Nr. 33 878<br />
BLZ 400 501 50<br />
Wir danken allen Spendern!<br />
Artikel, die namentlich gekennzeichnet<br />
sind, geben nicht unbedingt die<br />
Meinung der Redaktion wieder.<br />
Bitte beachten Sie unsere<br />
Anzeigenkunden.<br />
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Inhalt<br />
Editorial<br />
Ein Zuhause für ~<br />
Die Eroberung des Aasees für den Garten<br />
Die Installation aFARM<br />
Die toten Schüler von Münster<br />
Wie Münsteraner Homo-Funktionäre die Opferrolle pflegen<br />
„Das sind ja nur 200 Kilometer“<br />
Der Münsteraner Patrick Pohl ist auf langen Strecken zu Hause<br />
Nicht alle Bettler in einen Topf werfen<br />
Interview mit CDU-Ratsherr Richard Halberstadt<br />
Der junge Zeuge<br />
Ein junger Münsteraner Jude ist der früheste Zeuge der Shoa<br />
Viele faule Eier für einen Apfel<br />
Adolfs Hampelmänner im Hexenkessel<br />
Über 4 Klimazonen: Garten in Coerde<br />
Auch Lambertuskraut wächst hier<br />
Wie Bienen deutsche Städte erobern<br />
Imkern in der Stadt<br />
Fußballberber in Maria Veen<br />
Dabei ist alles!<br />
Columne: „~“ auf Cuba<br />
Bildungsapartheit<br />
Neues aus dem Erbrecht<br />
Kein „lichter Moment“ bei fortschreitender Demenz<br />
Lesen<br />
Christian Steinhagen: “Münster im Dritten Reich“<br />
Rezepte<br />
Back to the roasts<br />
Schlussakkord<br />
Außergewöhnlicher Einsatz für tamilische Familie<br />
#<br />
5
Bericht | Text: Carsten Scheiper | Fotos: Anke Kampmann<br />
Die Eroberung des Aasees für den Garten<br />
Die Installation aFARM<br />
Ein U.S.O. auf dem Aasee! Ein U.S.O.?<br />
Ein unbekanntes schwimmendes Objekt.<br />
~-Autor Carsten Scheiper war mit<br />
dem kreativen Vater des Objektes, dem<br />
Gartenkünstler Wilm Weppelmann, zur<br />
Tretboottour auf dem Aasee verabredet,<br />
um mehr über seine Installation aFARM<br />
zu erfahren.<br />
Das unbekannte Objekt, das Mitte Juli<br />
vor den Treppen bei den „Gigant Pool<br />
Balls“ auf dem Aasee erschien, zieht<br />
seitdem die neugierigen Blicke der<br />
Jogger und Spaziergänger auf sich. Die<br />
Tretboote auf dem künstlichen See haben<br />
eine neues Ziel. Die Installation aFARM<br />
ist das Ergebnis der Auseinandersetzung<br />
des Münsteraner Gartenkünstler Wilm<br />
Weppelmann mit dem Thema Wasser: ein<br />
schwimmender Garten. Eine Arche, ein<br />
Anfang, des Gartenbaus auf dem Aasee,<br />
Neuland.<br />
Schwimmende Gärten, gab so etwas<br />
schon? Wilm Weppelmann weiß von<br />
den Azteken und den schwimmenden<br />
Gärten von Xochimilco zu berichten - auf<br />
Deutsch bedeutet das Wort aus dem<br />
Nahuatl in etwa so viel wie „Ort des<br />
Blumenfeldes“. Reste der Anlagen sind<br />
noch heute in Gebrauch, sie gehören<br />
zum Unesco-Weltkulturerbe. Einst wurde<br />
von dort die Hauptstadt Tenochtitlan<br />
mit Nahrungsmitteln versorgt. Die Chinampas,<br />
Flöße aus Rohrschlifflechtwerk,<br />
dienten als Anbauflächen, Schlamm vom<br />
Grund der Seen als fruchtbares Pflanzsubstrat,<br />
das bis zu vier Ernten im Jahr<br />
ermöglichte. „Der Grund des Aasees kam<br />
für mein Vorhaben nicht in Frage, die<br />
Belastungen aus der Landwirtschaft, die<br />
die Aa auf ihrem Weg von ihrer Quelle am<br />
Nordost-Hang der Baumberge mit sich<br />
führt, sind dramatisch hoch. Seit Sommer<br />
2005 gibt es jedoch erfolgversprechende<br />
Versuche, die Wasserqualität des Aasees<br />
mit Fällungsmitteln zu verbessern.“<br />
Selbst besucht hat der Gartenkünstler<br />
die schwimmenden Gärten der Bewohner<br />
des Reeds Wharf im heutigen London,<br />
die ihre Hausboote überall, wo sich Platz<br />
bietet, mit grüner Pracht bepflanzen.<br />
Und auch Amsterdam als eine der wasserreichsten<br />
Städte Europas beheimatet<br />
schwimmende Gärten. Etwa 2400 Hausboote<br />
liegen auf den Grachten. Ihren<br />
Ursprung hat diese Art der Wohnkultur in<br />
den 1950er Jahren, als es kaum andere<br />
preisgünstige Wohnmöglichkeiten in der<br />
Stadt gab. Zur gleichen Zeit verkauften<br />
viele Besitzer wirtschaftlich bedingt ihre<br />
Schiffe, um entweder auf größere, rentablere<br />
Wasserfahrzeuge zu setzen oder<br />
ihren Beruf aufzugeben. So kennt Wilm<br />
Weppelmann hier viele Topfgärten auf<br />
den Hausbooten.<br />
Selbst für die landlosen Ärmsten<br />
in Bangladesh bieten schwimmende<br />
Gärten Zukunftsperspektiven. Aus Wasserhyazinthen<br />
formen die Bewohner<br />
des Bezirks Gaibandha am Brahmaputra<br />
schwimmende Gärten, auf denen sie<br />
Kürbis, Okraschoten oder anderes Gemüse<br />
anbauen. In der Küstenregion<br />
dieses Landes, das einer der am tiefsten<br />
über dem Meeresspiegel gelegenen Orte<br />
der Welt ist, sind die Auswirkungen des<br />
Klimawandels schon verheerend spürbar.<br />
Der Meeresspiegel steigt, Trinkwasser und<br />
Äcker versalzen. Geförderte Projekte setzen<br />
hier auf salzresistentes Saatgut und<br />
schwimmende Gärten, so dass die betroffenen<br />
Familien mit Gemüse aus dem<br />
eigenen Anbau versorgt werden können.<br />
Für den Gartenkünstler galt es eine<br />
eigene Lösung für einen schwimmenden<br />
Garten auf dem Aasee zu kreieren. „Viel<br />
Geld habe ich nicht zur Verfügung, das<br />
verwendete Holz ist bis jetzt noch nicht<br />
vollständig bezahlt“, stellt Weppelmann<br />
klar, „aber ein großes Budget führt aus<br />
meiner Erfahrung heraus auch nicht<br />
zu den besten Lösungen.“ Im Prinzip<br />
beruht seine Idee auf einer schlichten<br />
hölzernen Rechteckeinfassung (12mx2m)<br />
Kulturelles Rahmenprogramm zu<br />
„aFARM“:<br />
Do 5.9.20<strong>13</strong> 18.00 Uhr Eröffnung der<br />
Erntezeit „aFARM“ - Einführung und<br />
geruderte Ortsbesichtigung mit Prof.<br />
Dr. Sternberg und Wilm Weppelmann<br />
Fr 27.9.20<strong>13</strong> 17.00 Uhr „Wann können<br />
wir den Aasee trinken, Herr Hirschmann?“<br />
Di 1.10.20<strong>13</strong> 19.00 Uhr Andreas Ladwig<br />
liest<br />
So 6.10.20<strong>13</strong> 11.00 – <strong>13</strong>.00 Uhr „Andere<br />
löffeln die Suppe aus, die wir<br />
anrichten!“ - Erntedankaktion mit<br />
Wassersuppe zugunsten der Welthungerhilfe<br />
So 27.10.20<strong>13</strong> 11.00 Uhr Abschluss<br />
Performance „Nicht zu retten – eine<br />
geistige Notwasserung von Wilm<br />
Weppelmann“<br />
weitere Veranstaltungen in Planung:<br />
Infos unter www.weppelmann.de<br />
6
mit Wabenboden. Ein Vließ ermöglicht<br />
es, dass Regenwasser abfließen kann,<br />
ohne dass Erde mitgetragen wird. Auftrieb<br />
bekommt die Ponton-Konstruktion<br />
von vierzig Fässern mit jeweils 220 Litern<br />
Fassungsvermögen. „Ein Liter entspricht<br />
dabei ungefähr einer Tragkraft von<br />
einem Kilogramm, allein sieben Tonnen<br />
wiegt schon der etwa 15 Zentimeter hoch<br />
aufgetragene Mutterboden“, erklärt<br />
der Konstrukteur. „Wenn man einen<br />
Außenbordmotor anbringen würde,<br />
könnte man damit prima über den Aasee<br />
schippern“, fügt er schmunzelnd hinzu<br />
und zeigt schaukelnd die gute Wasserlage<br />
seines Gefährts. Auch die Windlast galt es<br />
zu berücksichtigen, schließlich soll bei<br />
einer steifen Brise das flößerne Vehikel<br />
ohne Schwert und Kiel nicht umkippen.<br />
An Ort und Stelle wird die künstliche Insel<br />
durch zwölf selbst gegossene Betonanker<br />
gehalten, die mit festen Stricken an der<br />
Bordwand vertäut sind.<br />
weiß er, „schnelle Erfolge gibt es hier<br />
nicht, ganz anders als der Zeitgeist es<br />
vorgibt.“ Die Kaninchen der Aaseewiesen<br />
oder die Wasservögel stellen keine Gefahr<br />
für die Pflanzen dar, sie kämen an den<br />
Bordwänden des schwimmenden Gartens<br />
nicht hoch. Lediglich ein Reiher nutzt<br />
den Ort als Ausguck. Die Raupen des<br />
Kohlweißlings aber musste er schon vom<br />
Grün sammeln.<br />
wird alles Material in der Vorstellung<br />
des Künstlers nachhaltig seine weitere<br />
Verwendung finden. Das angebaute<br />
Gemüse verfeinert eine Wassersuppe,<br />
die zugunsten von Wasserprojekten der<br />
Welthungerhilfe an den Mann und die<br />
Frau gebracht werden soll, Apfelbaum<br />
und Kräuterpflanzen erhalten einen<br />
gedeihlichen Flecken in einem Garten,<br />
die Holzkonstruktion wird zum Hochbeet<br />
Wie ein Großmast thront ein Apfelbaum<br />
inmitten des schwimmenden Gartens.<br />
Wenig Windwiderstand bietet die schmale<br />
Krone des fünf Meter hohen Baumes,<br />
dessen Wurzelballen in einer schwarzen<br />
Kunststoffwanne steht, die um einige<br />
Zentimeter aus dem dunklen Mutterboden<br />
herausragt. „Hoffentlich verzeiht<br />
mir der Baum den ungewöhnlichen<br />
Standort“, bemerkt der Aassee-Pionier<br />
dazu etwas besorgt. Direkt daneben<br />
wächst Kapuzinerkresse mit ihren auffällig<br />
orangen Blüten. Ansonsten säumen<br />
den kleinen Trampelpfad, der mitten<br />
durch das vorwiegend grüne künstliche<br />
Eiland führt, Kohlarten, Salat, Kräuter<br />
und Lauch. „Von dem habe ich schon einige<br />
nachsetzen müssen“, ergänzt Wilm<br />
Weppelmann. Als einzige Hydrokultur<br />
präsentiert er an der Bordwand bugoder<br />
heckseits - wer weiß schon, wo sich<br />
bei dem wundersamen Gebilde vorne<br />
oder hinten befindet - Brunnenkresse.<br />
Auf die typisch deutsche Frage nach den<br />
Kartoffeln entgegnet der Gartenkenner<br />
jovial: „Dafür ist der Boden hier nicht tief<br />
genug. Kartoffeln kultiviere ich an der<br />
Steinfurter Straße.“<br />
Wilm Weppelmann setzt jeden Tag<br />
um 17.00 Uhr zu seinem schwimmenden<br />
Garten über, um mit etlichen Kannen voll<br />
Aaseewassers zu gießen, an heißen Tagen<br />
auch morgens. Sonst würden die Pflanzen,<br />
die keinen direkten Kontakt zum<br />
Wasser haben, das sie trägt, eingehen. Es<br />
sei denn es kommt genug von oben. „Ein<br />
Garten braucht viel Geduld und Pflege“,<br />
Anders als viele gängige Gartenbücher<br />
beschäftigt sich Wilm Weppelmann mit<br />
Gartenbaupflanzen. Hier verbinden sich<br />
Nutzen und Schönheit für ihn. Der Rotkohl<br />
bewegt ihn besonders: “Rotkohl will<br />
mindestens zwei Jahre leben, aber viele<br />
Gärtner ernten den Kohl im ersten Jahr.<br />
Erst im zweiten Jahr schießt der Rotkohl,<br />
bildet gelbe Blüten und Samen. Schneidet<br />
man den Kopf im ersten Jahr richtig ab,<br />
bilden sich später sogar mehrere kleinere<br />
Köpfe nach.“ Es verwundert deswegen<br />
nicht, dass Weppelmann dieser Pflanze<br />
im August eine Ausstellung in der Frauenstraße<br />
24 gewidmet hat: „Die Abenteuer<br />
von Rod Cabbage“ auf der Chelsea Flower<br />
Show als Guerilla Gardening Story.<br />
Nach dem Abbau der Installation<br />
umfunktioniert, die Pontonfässer sehen<br />
einer weiteren Nutzung als Regenauffangbehälter<br />
entgegen, selbst die Seile<br />
und Betonanker sollen später einmal<br />
Pavillons Halt verleihen.<br />
Räume für den Garten in der Stadt zu<br />
erobern, dafür hat der Gartenkünstler<br />
Wilm Weppelmann noch viele Ideen.<br />
„Noch einmal ich würde dieses Projekt<br />
allerdings nicht durchführen, vielleicht<br />
gegen ein Honorar. Aber eigentlich fehlt<br />
mir dafür die innere Kraft, der Antrieb,<br />
den ich spüre, wenn es ein neues Projekt<br />
ins Werk zu setzen gilt.“ Wir dürfen<br />
gespannt sein auf das Neuland, das Wilm<br />
Weppelmann für den urbanen Garten in<br />
der Zukunft entdecken wird. #<br />
7
Bericht | Text und Fotos: Michael Heß<br />
Die toten Schüler von Münster<br />
Wie Münsteraner Homo-Funktionäre die Opferrolle pflegen<br />
Die faktische Gleichstellung von Lesben<br />
und Schwulen beendet deren Sonderstellung.<br />
Das gefällt nicht jedem, denn<br />
öffentliche Gelder lassen sich als Opfer<br />
einfacher einwerben. Die Realitäten<br />
bleiben dabei auf der Strecke. Über die<br />
Pflege der Opferrolle als Geschäftsmodell<br />
schreibt ~-Redakteur Michael<br />
Heß.<br />
Von Anfang an ist die Lüge dabei. Die<br />
MZ vom 10. Mai 2011 berichtet unter der<br />
Überschrift “Homophobie an Schulen”<br />
über die Gründung eines Münsteraner<br />
Treffs für homosexuelle Jugendliche.<br />
Denn, so die Gründer, es gebe eine vierbis<br />
siebenmal höhere Selbstmordrate<br />
homosexueller Jugendlichen ggü. heterosexuellen<br />
Kids. Ein Beleg fehlt ebenso<br />
wie eine spätere Korrektur. Der Leser<br />
muss annehmen, dass es sich in Münster<br />
genauso verhält: Selbstmorde wegen<br />
Mobbing auf Münsters Schulhöfen. Doch<br />
weder Medien, städtische Ämter noch<br />
die Experten vom Krisenhilfe e.V. können<br />
bestätigen, was die Funktionärsszene<br />
wissen will - als gebe es eine stille Allianz<br />
aus Schulen, Eltern und Stadt, die<br />
das Bekanntwerden dieser “vier- bis<br />
sieben Mal höheren Selbstmordrate”<br />
verhindere. Auch Sieglinde Kersting, seit<br />
2004 im Gleichstellungs- und später<br />
Familienausschuss, weiß es nicht anders:<br />
“So etwas war niemals Thema in den<br />
Ausschüssen.”<br />
Die Spur führt zur Aids-Hilfe Münster<br />
(AH), die Track anstieß und laut Impressum<br />
auch rechtlich verantwortlich<br />
zeichnet. “Track ist ein Treff für schwule,<br />
lesbische, bi- und transsexuelle Jugendliche<br />
in Münster mit etwa dreißig<br />
Teilnehmern. Dieser Treff ist der einzige<br />
seiner Art in Münster und Umgebung<br />
und hat ein Einzugsgebiet von über <strong>60</strong><br />
km”, steht auf der Homepage des Vereins<br />
(Schreibung wie im Original - M.H.). “Es<br />
wird viel gequatscht, gekocht, es gibt<br />
gemeinsame Unternehmungen und oft<br />
sitzen wir stundenlang beisammen,<br />
ohne zu bemerken, wie schnell die Zeit<br />
vergeht.” Das klingt unspektakulär, wirft<br />
aber bereits die Frage auf, ob geselliges<br />
Quatschen und Kochen von der Stadt<br />
zu bezahlen sei. Aus der Geselligkeit<br />
Jugendlicher wird ein Stellenerfordernis<br />
abgeleitet. Die Frage, ob die Jugendlichen<br />
nicht auch ohne hauptamtliche Betreuer<br />
in der Alten Dechanei in Mauritz quatschen<br />
und kochen könnten, bleibt offen.<br />
Um wieviel Geld geht es überhaupt?<br />
Im September 2012 beantragt Track einen<br />
städtischen Zuschuss von 63.400 Euro,<br />
davon 42.000 Euro für<br />
zwei halbe Stellen plus<br />
Praktikanten. Die finanzielle<br />
Situation der Stadt ist<br />
kein Argument. Nach einigem<br />
Hin und Her werden<br />
im Etat für 20<strong>13</strong> immerhin<br />
12.500 Euro bewilligt.<br />
Faktisch ist das eine neue<br />
Regelförderung, obwohl<br />
vielen anderen Vereinen<br />
seit Jahren stetig gekürzt<br />
wird mit der Begründung,<br />
es gebe zur Kürzung keine<br />
Alternative. Laut Antrag<br />
besuchten in den 15 Monaten<br />
seit Gründung 50<br />
Jugendliche Track. Das sind etwas mehr<br />
als drei Jugendliche pro Monat oder 250<br />
Euro städtische Gelder pro Besuch. Der<br />
eigentliche Skandal jedoch ist, wie das<br />
(glücklicherweise) nicht vorhandene<br />
Leid betroffener Eltern für eigene Zwecke<br />
behauptet wird. Verschwiegen wird auch,<br />
dass es im Schwulenzentrum KCM seit<br />
2001 einen Jugendtreff namens “Querbeet”<br />
gibt, der ehrenamtlich erfolgreich<br />
arbeitet. Dieser wird später noch eine<br />
Rolle spielen.<br />
Öffentliche Gelder erfordern ein Konzept.<br />
Dieses schreibt Anna Paul, Partnerin<br />
von Münsters lesbischer Landtagsabgeordneten<br />
Josefine Paul und zugleich<br />
Vorstand von Track e.V. als Masterarbeit<br />
an der FH Münster. Es ist ein merkwürdig<br />
unzeitgemäßes Konzept, in dem sich das<br />
Wort “Schutzraum” wie ein roter Faden<br />
durch den Text zieht. Ein Schutzraum<br />
soll Track sein für verfolgte Jugendliche,<br />
die sich anders nicht mehr zu helfen<br />
wüssten, während alle Welt ansonsten<br />
von Inklusion, mindestens aber von Integration<br />
als Königsweg spricht. Nur für homosexuelle<br />
Schüler soll das nicht gelten<br />
und wird das Gegenteil gefordert. Was<br />
kann ein abgeschotteter “Schutzraum”<br />
dauerhaft bewirken, und ist er de facto<br />
nicht kontraproduktiv? Anna Pauls Konzept<br />
ist auch deshalb zu hinterfragen, da<br />
den KCM-Jugendtreff „Querbeet“ andere<br />
Erfahrungen prägen: “Wenn ein Schwulenwitz<br />
kommt, kann man auch mal<br />
mitlachen”, sagt der 19-jährige Jan im<br />
Oktober 2010 in einem Fachgespräch des<br />
KCM und schiebt nach: “Wenn es zu viel<br />
wird, sage ich das auch und es ist gut.”<br />
Mit seiner Hetero-Homo-Clique zieht er<br />
ohne Probleme durch die Münsteraner<br />
Weltgeschichte. Jan ist kein Einzelfall.<br />
Warum also die Gründung eines Jugendtreffs,<br />
wenn es im KCM schon einen<br />
gibt? Die Spatzen und das Impressum von<br />
Track pfeifen es deutlich: Track als Außenstelle<br />
der AH. Die kommt 2012 erstmals in<br />
8
den Genuss einer Leistungsvereinbarung<br />
mit der Stadt Münster. Im Gegenzug<br />
musste sich die AH zur Kürzung ihrer<br />
sechs hauptamtlichen Stellen verpflichten<br />
(die kosteten die öffentliche Hand<br />
2012 251.000 Euro). Wohin also mit den<br />
Kürzungskandidaten? Ein Jugendtreff,<br />
scheinbar trägerübergreifend, faktisch<br />
ein AH-Ableger, vorbeugend gegründet<br />
durch die Selbstmorde, bietet sich an. Die<br />
künftige Besetzung der Stellen bei Track<br />
dürfte interessant werden. Leider stört<br />
noch der KCM-Jugendtreff, dazu später<br />
mehr, das angestrebte Monopol.<br />
Das taugt natürlich nicht als Bedarfsbegründung.<br />
Butter muss bei die Fische.<br />
Im Mai 2012 erscheint in der HALLO ein<br />
umfänglicher Artikel, der die Probleme<br />
eines 20-jährigen nach seinem Outing<br />
beschreibt. Er sei von seinem Vater aus<br />
der Wohnung geworfen worden, und<br />
auch der Bäcker habe ihm deshalb keine<br />
Brötchen mehr verkauft. Das alles sei “in<br />
einem kleinen Dorf im Kreis Warendorf”<br />
geschehen; der junge Mann wird in der<br />
HALLO mit geändertem Namen in der<br />
Rückenansicht gezeigt. Nur der Kontakt<br />
zu Track habe ihm, so der junge Mann<br />
im Beitrag, geholfen. Ein kleines Dorf<br />
im Kreis Warendorf, eine Rückenansicht,<br />
ein anderer Name – wie lässt sich das<br />
überprüfen? Auf Anruf bei der Redakteurin<br />
zeigt diese sich pikiert. Ja, sie<br />
habe den jungen Mann kennengelernt.<br />
Warum dann dieses Versteckspiel, das<br />
niemandem hilft? Recherchen des Autors<br />
bei der Landjugend im Kreis Warendorf<br />
und den Jugendfeuerwehren verlaufen<br />
negativ. Niemand kann die Geschichte<br />
bestätigen, die sich, sofern passiert, doch<br />
herum gesprochen haben dürfte. Zuzüglich<br />
des Bäckers, dessen Verhalten jede<br />
Zivilklage erfolgreich sein ließe. Doch<br />
nichts ist nachfolgend mehr zu hören von<br />
der Geschichte des jungen Mannes in der<br />
Rückenansicht und auch nichts von zivilrechtlichen<br />
Schadenersatzforderungen.<br />
Zu fragen wäre ebenso, warum die Stadt<br />
Münster Geld in die Hand nehmen soll für<br />
die Jugendarbeit in anderen Kreisen.<br />
Vermutlich deshalb geht die Variante<br />
zum CSD 2012 anders. Jetzt gebe es zwei<br />
Jugendliche in Münster, die ebenfalls zu<br />
Hause rausgeflogen seien und dringend<br />
Hilfe benötigen. Nein, Namen könne man<br />
zum Schutz der beiden nicht nennen, aber<br />
wenn Track großzügig gefördert würde...<br />
Dumm nur, dass der CDU-Ratsherr und<br />
damalige KCM-Beirat Richard Halberstadt<br />
sofort Hilfe anbietet. Keine Reaktion der<br />
Trackies, obwohl Halberstadt sein Angebot<br />
nach einigen Tagen wiederholt. Auf<br />
einmal scheint die Not doch nicht so groß<br />
gewesen zu sein. Man kann nicht sagen,<br />
diese Fälle seien Fälschungen. Aber es<br />
wird alles getan, Überprüfungen zu<br />
verhindern. Letztlich läuft es aufs Selbe<br />
hinaus.<br />
Noch ein Ansatz des 2012er CSD: Die<br />
Parteien werden zu einer “politischen<br />
Diskussion” geladen, und so stehen<br />
deren Vertreter wie die Orgelpfeifen auf<br />
der Bühne. Die vom Track-Vorstand Ulrich<br />
Thoden (heute außerdem KCM-Vorstand)<br />
geleitete “politische Diskussion” entpuppt<br />
sich als Abverlangung eines<br />
Statements: Wie haltet ihr es mit der<br />
Förderung von Track? Oben auf der Bühne<br />
gesagt, ließe es sich später nur schlecht<br />
widerrufen – so vielleicht das Kalkül. Bis<br />
zur Nötigung ist es nicht weit. Auf der<br />
Bühne herrschen gleichwohl wohlmeinende,<br />
doch leere Worthülsen vor, denn<br />
keiner der Politiker kann angesichts der<br />
städtischen Finanzlage bindende Zusagen<br />
machen. Später wird einer der Ratsherren<br />
zum Autor sagen, er wisse gar nicht, was<br />
das sollte - ihm sei eine sexualpolitische<br />
Debatte angekündigt worden. In der<br />
Debatte wärmen Trackies außerdem die<br />
Mär vom einzigen Homo-Jugendtreff in<br />
Münster auf. Der damalige KCM-Vorstand<br />
reagiert souverän, indem er Parteien und<br />
Medien sachlich wissen lässt, es gebe<br />
im KCM schon seit elf Jahren einen nach<br />
Paragraf 75 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes<br />
KJHG anerkannten Jugendtreff<br />
auf ehrenamtlicher Basis. Daneben verfüge<br />
Münster über ein dichtes Netz von<br />
Betreuungsstrukturen, auch speziell für<br />
Mädchens und Jungs mit Problemen zu<br />
Hause. Das ist im September 20<strong>13</strong> nicht<br />
anders als im Juni 2012.<br />
Ein Jahr später, jetzt im Rathausinnenhof,<br />
entfällt am 15. Juni 20<strong>13</strong> (siehe<br />
Bilder) die Debatte mit Politikern. Auf<br />
der Bühne stehen nun Lehrer, Sozialarbeiter,<br />
Trackies und KCM-Vorstände, die<br />
sich gegenseitig die Bedenklichkeit der<br />
Situation bescheinigen und einen geförderten<br />
Jugendtreff als einzige Lösung<br />
darstellen. Am Rande des Geschehens<br />
haben diverse Parteien ihre Infostände<br />
aufgebaut. Die CDU als größte Partei in<br />
Münster fehlt; auf mehrfache Anfragen<br />
reagiert der CSD-Verein nicht. Die Freien<br />
Wähler und Demokratischen Ökologen<br />
sind nicht eingeladen und auch die LINKE<br />
ist abwesend. Von den acht Parteien<br />
im Rat sehen sich somit viere mit fast<br />
der Hälfte der Ratsmandate außen vor.<br />
Auch der Austausch mit den Bürgern in<br />
den Straßen fehlt. Mittendrin und doch<br />
nicht dabei - ein bezeichnendes Bild von<br />
Selbstausgrenzung.<br />
Rücksprung in den 28. April 2012. Es ist<br />
Landtagswahlkampf. Auf einer kleinen<br />
Bühne in der Klemensstraße kämpfen<br />
die Grünen mit Münsters lesbischer Abgeordneten<br />
Josefine Paul, Partnerin von<br />
Anna Paul, diese zugleich Grünen-Chefin<br />
9
vorhandene Konzept wird dabei in diese<br />
Kooperation mit einfließen” (Wiedergabe<br />
wie im Original - M.H.). Sein Vorgänger<br />
Volker Wittig korrigiert ihn wie folgt: “Der<br />
Vertrag sah die Entwicklung eines Konzepts<br />
für den KCM-Jugendtreff vor. Eine<br />
Verwendung außerhalb des Vereins war<br />
ausdrücklich ausgeschlossen und wurde<br />
niemals, auch nicht indirekt, erörtert.”<br />
Auch die letzte Teamerin des Jugendtreffs<br />
Ireen Wienczien fühlt sich getäuscht: “Bis<br />
in den Spätherbst erreichten mich am<br />
in Münster, Konzeptentwicklerin und<br />
Vorstand bei Track. Obwohl weder Stadtnoch<br />
Landeswahlzeitung der Grünen<br />
“Homophobie” thematisieren, ist die für<br />
Josefine Paul das beinahe einzige Thema.<br />
Eine Dreiviertelstunde spricht sie über<br />
die schlimme Situation für homosexuelle<br />
Schüler und Track. Paul verspricht<br />
Förderung durch das Land im Falle des<br />
Wahlsieges, Anke Papenkort, in Personalunion<br />
Angestellte der AH und Vorstand<br />
bei Track, bedankt sich überschwänglich.<br />
Damit wirft sie die Frage nach der<br />
politischen Instrumentalisierung des<br />
Jugendtreffs auf. Darf man Track als<br />
grüne Vorfeldstruktur betrachten? Geht es<br />
neben Kochen und Quatschen vielleicht<br />
auch um eine politische Beeinflussung<br />
der Besucher? Auffällig viele Macher bei<br />
Track sind politisch grün verortet. In erster<br />
Linie Anna Paul. Kann man wirklich noch<br />
von politischer Neutralität sprechen?<br />
Was macht der 2001 gegründete und<br />
von wechselnden ehrenamtlichen Leitern<br />
(Teamer) in Abstimmung mit den<br />
jeweiligen KCM-Vorständen entwickelte<br />
Treff “Querbeet”? Ihn gibt es heute<br />
nicht mehr. Am 17. November 2012 wurden<br />
die heutigen Vorstände mangels<br />
alternativer Kandidaten gewählt. Deren<br />
Vorgänger machten noch Nägel mit<br />
Köpfen. Der beruflich bedingte Wegzug<br />
der letzten Teamerin Ireen Wienczien<br />
nach Süddeutschland veranlasste das<br />
Gremium um den Banker Volker Wittig<br />
in Übereinstimmung mit Frau Wienczien<br />
Anzeige<br />
„Was mich interessiert sind nicht bewegliche Körper,<br />
sondern bewegliche Gehirne. Was mich interessiert<br />
ist die Wiederherstellung der menschlichen Würde<br />
in jeder einzelnen Form.“<br />
Dr. Moshe Feldenkrais<br />
Feldenkrais-Praxis Vera Lämmerzahl<br />
Ludgeristraße 114 Tel.: 0251-796707<br />
zur Überarbeitung des Konzeptes: “Nach<br />
drei erfolgreichen Wahlperioden wollten<br />
wir im November 2012 nicht noch einmal<br />
kandidieren und an unsere Nachfolger<br />
ein geordnetes Haus übergeben.” Zentrales<br />
Moment war dabei die gesicherte<br />
Zukunft des eigenen Jugendtreffs. Mit der<br />
Erarbeitung des Relaunchs wurde die Mitarbeiterin<br />
des Dortmunder Jugendtreffs<br />
“Sunrise” Anke Wiemann beauftragt. Paragraf<br />
1 des Vertrags vom 7. März 2012 sah<br />
vor: “Frau Wiemann erarbeitet ein Arbeitskonzept<br />
für den Jugendtreff des KCM<br />
e.V. Das Konzept umfasst die juristischen,<br />
sozialpädagogischen und vereinsrechtlichen<br />
Aspekte der künftigen Jugendarbeit<br />
unter Beachtung der Besonderheiten des<br />
Standortes Hawerkamp.” Abgabefrist war<br />
der 30. April, konnte jedoch einmalig<br />
verlängert werden. Bei der Konzepterstellung<br />
sollte Frau Wiemann durch den<br />
Mitarbeiter des KCM Martin Enders (heute<br />
Vorstand) zugearbeitet werden. Bis zum<br />
Ende der Wahlperiode im November<br />
2012 kam es aber nicht zur Vorstellung<br />
der Arbeitsergebnisse vor Vorstand und<br />
Beirat, wie ebenfalls im Paragrafen 1 formuliert.<br />
Klare Worte findet Volker Wittig:<br />
“Immer wieder wurde ich durch Herrn<br />
Enders vertröstet, da noch einige Aspekte<br />
einzuarbeiten seien.” Im November 2012<br />
kandidieren vier Vereinsmitglieder um<br />
den Versicherungsangestellten Stefan<br />
Schmidt sowie Martin Enders; ihre Absicht<br />
gaben sie zuvor nicht bekannt. Noch auf<br />
der Versammlung stellen sie den Jugendtreff<br />
offen in Frage. Man leistet sich<br />
in Münsters ca. 50-köpfiger<br />
Homofunktionärsszene gerne<br />
Gefälligkeiten. Klüngel nennt<br />
man es in Köln, Filz woanders.<br />
Mit einem Schreiben vom<br />
3. Mai teilt Enders dem Autor<br />
lapidar mit, die Jugendarbeit<br />
werde “künftig vereinsübergreifend<br />
mit anderen<br />
Trägern zusammen gemeinsam<br />
mit Track geleistet. Das<br />
neuen Wohnort Anfragen von Besuchern,<br />
wann es denn weitergehe mit Querbeet.”<br />
Durch den neuen Vorstand werde man,<br />
so Frau Wienzcien über die Mails und<br />
Telefonate mit ihren früheren Schützlingen,<br />
laufend hingehalten. Überhaupt<br />
habe sich KCM-Mitarbeiter Martin Enders<br />
schon in den Vorjahren kaum um den<br />
Jugendtreff gekümmert: “Wir hatten bei<br />
Querbeet durchaus das Gefühl, dass wir<br />
ihm egal waren.”<br />
Im März 20<strong>13</strong> ist der KCM-Jugendtreff<br />
Querbeet gegen die Bestimmungen des<br />
Vertrags vom 7. März 2012, gegen den<br />
ausdrücklichen Willen von Altvorstand<br />
und -beirat und gegen die Wünsche der<br />
Kids im Jugendtreff Geschichte. Dennoch<br />
zahlt der Neuvorstand am Ende <strong>60</strong>0 Euro<br />
Honorar an Frau Wiemann im erklärten<br />
Willen, die Ergebnisse nicht umzusetzen.<br />
Der Autor sortiert die Fakten und folgert,<br />
der KCM-Vorstand habe seinen eigenen<br />
Jugendtreff vorsätzlich zu Gunsten des<br />
Konkurrenzproduktes Track aufgelöst.<br />
Siehe die Äußerungen auf der MV im<br />
November 2012. Er bittet den Vorstand um<br />
eine Stellungnahme oder um Mitteilung<br />
entkräftender Umstände. Die Antwort<br />
steht bis heute aus. #<br />
Der Autor war von 2006 bis 2012<br />
Finanzvorstand des KCM e.V. sowie<br />
20<strong>09</strong> Ideengeber zum CSD Münster<br />
e.V. und dessen Mitbegründer<br />
10
Bericht | Text:<br />
Wir kriegen sie alle!<br />
Am Rande der Gegendemo zur<br />
NPD-Kundgebung gibt Ingo Knollmann,<br />
Frontmann der Band Donots, den Löffel ab.<br />
11
Bericht | Text und Foto: Michael Heß<br />
„Das sind ja nur 200 Kilometer”<br />
Der Münsteraner Patrick Pohl ist auf langen Strecken zu Hause<br />
12<br />
Mit der Leeze kann man vom Ludgeriplatz<br />
zum Prinzipalmarkt radeln. Oder<br />
nach Kinderhaus. Wer längere Strecken<br />
mag, radelt auch schon mal nach Telgte<br />
oder Osnabrück. Für den Münsteraner<br />
Patrick Pohl (im Bild) sind das keine Entfernungen.<br />
Mit dem Langstreckenradler<br />
traf sich ~-Redakteur Michael Heß<br />
auf ein Eis.<br />
~: Wer ist Patrick Pohl?<br />
Patrick Pohl: Ich bin 37 Jahre jung und<br />
kam 1996 aus dem friesischen Jever nach<br />
Münster. Hier wohne und arbeite ich<br />
als Krankenpfleger und lebe mit meiner<br />
Freundin zusammen.<br />
~: Vor einigen Jahren warst Du<br />
bereits Zeitungsheld.<br />
Patrick Pohl: Das war 2007, als ich in 17<br />
Tagen alleine nach Münsters russischer<br />
Partnerstadt Rjasan radelte. Es war ein<br />
schönes Foto: Patrick Pohl am Ortseingangsschild<br />
von Rjasan.<br />
~: Es gab noch andere lange Touren.<br />
Patrick Pohl: Mittlerweile ist eine Menge<br />
dazu gekommen. Den ersten Versuch<br />
einer Weltumradlung 2004 brachen wir<br />
in Australien wegen eines Autounfalls ab.<br />
Dafür durchquerte ich den australischen<br />
Outback 2008 von Nord nach Süd. 2010<br />
klappte der zweite Versuch einer Weltumradlung<br />
durch die USA, Neuseeland,<br />
wieder Australien, China, Kasachstan,<br />
Russland, die Ukraine und Polen.<br />
~: Dafür waren bestimmt mehr als<br />
17 Tage nötig.<br />
Patrick Pohl: Jo. Es waren 32.000 Kilometer<br />
in <strong>13</strong> Monaten.<br />
~: Du warst auch im Frühjahr<br />
unterwegs.<br />
Patrick Pohl: Stimmt. Mit sieben Leuten<br />
als Etappenfahrt. Ursprünglich wollten<br />
wir nach Rjasan, aber das zerschlug sich.<br />
Zu viel Bürokratie. Als Ersatz radelten wir<br />
die 3.000 Kilometer wie nach Rjasan in<br />
andere Partnerstädte. Nach Lublin in<br />
Polen und dann über Mühlhausen in<br />
Thüringen zurück. Alle Teilnehmer, der<br />
älteste 67 Jahre alt, waren begeistert.<br />
~: Wie können unsere Leser daran<br />
teilhaben?<br />
Patrick Pohl: Über die Bilder auf meiner<br />
Website (siehe Infokasten - M.H.) - und<br />
manchmal halte ich Vorträge über die<br />
Touren.<br />
~: Wie bist Du zum Radeln gekommen?<br />
Patrick Pohl: Das kam erst in Münster.<br />
Nach dem Umzug aus Jever merkte ich<br />
rasch, dass Radfahren hier schneller und<br />
kostengünstiger ist. Irgendwann war das<br />
Auto abgegeben, und ich begann mit<br />
längeren Radtouren. Zum Beispiel nach<br />
Jever zu den Eltern. Das sind ja nur 200<br />
Kilometer. Später dann nach Berlin, auf<br />
den Brocken und so weiter.<br />
~: Wieviel Gepäck schleppst Du auf<br />
den Weltreisen mit?<br />
Patrick Pohl: Ohne Proviant etwa <strong>60</strong> Kilogramm<br />
auf mehrere Reisetaschen verteilt.<br />
In Wüstengegenden kommen an die 20<br />
Liter Wasser dazu. Wenn ich schon dort<br />
bin, probiere ich neben Wasser gerne die<br />
lokalen Biersorten aus. Gutes Bier braut<br />
man nicht nur in Deutschland.<br />
~: Gibt’s einen Geschmacksfavoriten?<br />
Patrick Pohl: Natürlich, und der heißt Vi<br />
Bi.<br />
~: ???<br />
Patrick Pohl (lacht): Klar, Victoria Bitter<br />
heißt es ausgeschrieben, und das gibt<br />
es da unten in New South Wales. Sehr<br />
lecker. Zurück in Münster ließen wir uns<br />
noch etwas liefern. Aber hier schmeckte<br />
es dann doch nicht so gut wie vor Ort<br />
im australischen Busch. Das Klima spielt<br />
beim Geschmack immer mit.<br />
~: Gab es Begegnungen der gefährlichen<br />
Art?<br />
Patrick Pohl: Die gab es. Eine Giftspinne<br />
im Vorzelt und zweimal Attacken von<br />
Schlangen. Die liegen auf dem warmen<br />
Asphalt zum Aufwärmen. Und wenn<br />
dann ein Radfahrer verträumt ankommt,
Bericht | Text und Foto: Sr Klara-Maria Breuer<br />
attackieren sie. Einmal in den Alleghenies<br />
in Amerika und einmal in Australien.<br />
Oben schwarz und unten rot. Die sei sehr<br />
giftig, sagten mir die Aussies. Und in der<br />
Ukraine wurden mir von betrunkenen<br />
Jugendlichen das Zelt gestohlen. Mehr ist<br />
nicht passiert.<br />
~: Zieht das einsame Radeln Spitzbuben<br />
an?<br />
Patrick Pohl: Ganz im Gegenteil, denn<br />
Radler haben in weiten Teilen der Welt<br />
anscheinend ein Arme-Leute-Image. Bei<br />
denen gibt es nichts zu holen.<br />
~: Bereitest Du Dich auf die Touren<br />
besonders vor?<br />
Patrick Pohl: Nein. Klar, man hält sich<br />
körperlich normal fit. Auch durch Radeln.<br />
Wichtiger ist die mentale Vorbereitung,<br />
dass der Kopf mitmacht: Wenn man<br />
etwas wirklich will, schafft man es auch.<br />
Auch die Ernährung ist unspektakulär.<br />
Viel Pasta und dazu gerne ein gutes Stück<br />
Fleisch.<br />
~: Wieviel Kilometer auf dem Rad<br />
kommen im Jahr zusammen?<br />
Patrick Pohl: Etwa dreitausend Kilometer<br />
dürften es im Alltag sein.<br />
~: Gibt es außer dem Radeln noch<br />
andere Hobbies?<br />
Patrick Pohl (lacht): Unseren Schrebergarten!<br />
Den haben wir seit dem Frühjahr<br />
und genießen das Gärtnern als beruflichen<br />
Ausgleich sehr. Auf fünfhundert<br />
Quadratmetern gibt es viel zu tun.<br />
Löffel vom Schwarzen Kontinent<br />
Auf dem kleinen Holzlöffel steckt zur Zierde eine Giraffe. In einem Souvenir-<br />
Laden auf dem Flughafen Johannesburg habe ich ihn entdeckt. Hatte ich doch<br />
vor einer Abreise gen Mosambik den ~-Auftrag: „Bring bitte einen Löffel<br />
mit.“ Den zweiten Löffel erstehe ich in Mosambik, in einem Künstleratelier in<br />
der Stadt Nampula. Aus Schwarzholz schnitzen Künstler dort unter freiem Himmel<br />
Masken, religiöse Gegenstände, Ahnenbäume, große und kleine Andenken,<br />
wie auch Löffel. Der kleine handgeschnitzte Schwarzholzlöffel erinnert mich an<br />
andere Löffel, die ich beim Besuch meiner Mitschwestern in Metarica, Nordmosambik<br />
gesehen habe. Reiseanlass war meine Teilnahme an der Einweihung des<br />
Neubaus der „Kleinen Schule“ der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel.<br />
Am 6. Juli fand sie in Metarica statt. Ein Kindergarten mit Vorschule ist entstanden,<br />
der künftig etwa 200 Kinder zwischen 3 bis 6 Jahren aufnehmen kann.<br />
Am 5. August sind Kinder und Erzieher feierlich von den bisherigen, 5 Jahre<br />
genutzten, zwei Räumen des Pfarrzentrum in die neuen Klassen umgezogen.<br />
Die Kinder, die in die „Kleine Schule“ gehen, bekommen täglich etwas Kräftiges<br />
zu löffeln. Für manche mag es die einzige warme Mahlzeit am Tag sein. Das ist<br />
ihnen anzumerken, wenn sie andächtig ihren Teller bis auf den letzten Rest<br />
Maisbrei oder Milchsuppe verspeisen. Der Löffel in der Kinderhand ist für mich<br />
ein Hoffnungszeichen: Kinder, die eine nahrhafte Mahlzeit bekommen, haben<br />
einen besseren Start ins Leben. Das wirkt sich aufs Lernen aus und auf ihre<br />
gesundheitliche Entwicklung. Es berührt mich, wie beim Verteilen des Essens<br />
alle warten, bis auch die und der letzte den Teller vor sich stehen hat. Erst dann<br />
wird die Mahlzeit gemeinsam begonnen. Das Händewaschen vor dem Essen<br />
ist ein eingeübtes Ritual. Wenn dann nach dem Waschen trotzdem der Sand<br />
weiter zum Spielen lockt, heißt es eben: Noch einmal ans Wasser... Der kleine<br />
Schwarzholzlöffel – er erzählt von Kindern aus Mosambik. Von ihrer Freude und<br />
Kreativität beim Spiel. Und von der „Kleinen Schule“, in der sie lernen und<br />
löffeln können.<br />
Übrigens war am 14. August die Gattin des Präsidenten der Republik Mosambik<br />
in Metarica und auch in der neuen „Kleinen Schule“ zu Gast. Doch das ist eine<br />
neue Geschichte ... #<br />
~: Wie geht es nun weiter?<br />
Patrick Pohl: Wir planen die nächste<br />
Etappenfahrt. Wahrscheinlich geht es<br />
im nächsten Jahr in Münsters englische<br />
Partnerstadt York. Aber auch nach Rjasan<br />
möchte ich unbedingt nochmals radeln.<br />
~: Danke fürs Gespräch, viel Erfolg<br />
im Voraus, und wir bleiben in Kontakt?<br />
Patrick Pohl: Ja, ich freue mich auch. #<br />
www.leezenpower.com<br />
<strong>13</strong>
Bericht | Text und Foto: Hannes Hennemann<br />
Nicht alle Bettler in einen Topf werfen<br />
Interview mit CDU-Ratsherr Richard Halberstadt<br />
Bettler in Münsters Innenstadt sind ein<br />
umstrittenes Thema. ~-Autor<br />
Hannes Hennemann hat mit Richard Halberstadt<br />
über Perspektiven im Umgang<br />
mit den Bettlern in der Stadt gesprochen.<br />
~: Herr Halberstadt, das Interview<br />
beschäftigt sich mit der Verschärfung des<br />
Bettelgesetzes. Was genau kann man sich<br />
darunter vorstellen?<br />
Halberstadt (CDU): Wir haben eine sogenannte<br />
Grünflächenverordnung oder<br />
Straßenverordnung, die sagt, dass das<br />
aggressive Betteln in der Öffentlichkeit<br />
nicht erlaubt oder auch nicht erwünscht<br />
ist. Das Gesetz wurde vor Jahren einmal<br />
im Rat verabschiedet. Wir wollen noch<br />
einmal drüber gucken, ob es überarbeitet<br />
werden muss oder ob es bestehen<br />
bleiben kann. Hier möchten wir noch<br />
einmal eine Diskussion anstoßen.<br />
sollen nicht mit Bettelbanden in einen<br />
Topf geworfen werden.<br />
~: Sie sprechen die Kriminalisierung<br />
des Bettelns an. Die einheimischen<br />
Bettler sind auf Almosen im Zentrum angewiesen.<br />
Eine Verschärfung würde ihre<br />
Lage verschlechtern, indem sie weniger<br />
Einnahmen haben und auch nicht mehr<br />
Anlaufstellen als zuvor haben – oder<br />
sehen Sie das anders?<br />
Halberstadt: Klar, eine Verschärfung würde<br />
die Leute in die Außenbezirke treiben,<br />
oder auch in andere Städte. Ähnlich wie<br />
die organisierten Bettler, die nicht von<br />
hier kommen, wie wir festgestellt haben.<br />
Das ist keine Lösung. Wir leben in Münster<br />
gemeinsam mit Bettlern. Viele kommen<br />
aus unseren sozialen Einrichtungen. Es ist<br />
~: Wie stehen Sie zur Verschärfung?<br />
Halberstadt: Ein Gesamtverbot würde<br />
den Betroffenen sowieso nicht helfen.<br />
Ich glaube, dass Probleme nur dadurch<br />
gelöst werden können, indem man<br />
genauer hinschaut: Welche Personen<br />
sitzen auf der Straße? Welche Gruppen<br />
sind das? Ist das eine Gruppierung,<br />
die wie eine Mafia strukturiert ist? Wir<br />
müssen direktere Hilfe anbieten, wie<br />
durch soziale Anlaufstellen. Wir haben<br />
das Haus für Wohnungslose, wir haben<br />
die Kleiderkammer und mehr, wo Bettler<br />
hingehen können. Sie brauchen nicht zu<br />
hungern. Dass darüber hinaus jeder sein<br />
eigenes Geld zum Selbstverfügen haben<br />
will, kann ich auch verstehen. Wir haben<br />
dennoch immer mehr Probleme mit<br />
organisierten Bettelbanden, die am Dom<br />
sitzen oder mittlerweile auch verstärkt<br />
in Fußgängerzonen. Diese sind meistens<br />
Frauen, mittlerweile auch kleine Kinder<br />
oder auch Jugendliche. Da muss man<br />
den Akteuren dahinter das Handwerk<br />
legen. Unsere einheimischen Bettler<br />
14
in Ordnung, dass sie persönlich auch etwas<br />
in der Hand haben wollen. Das sollte<br />
auch so sein. Wir müssen gucken, ob wir<br />
neue Strukturen aufmachen und so grade<br />
jungen Bettlern versuchen, Arbeit und<br />
Brot zu geben.<br />
~: Haben Sie da konkrete Pläne?<br />
Halberstadt: Wenn man sich mal den<br />
Arbeitsmarkt anguckt, ist das immer<br />
schwierig. Wer nimmt Menschen auf,<br />
die eine sozial geschädigte Struktur oder<br />
Lebensbiografie haben? Gut ist, wenn<br />
wir es schaffen, die Bettler mehr einzubinden,<br />
beispielsweise durch Mithilfe in<br />
allgemeinnützigen Projekten. Das löst<br />
leider nicht das allgemeine Problem;<br />
eine soziale Absicherung und ein eigener<br />
Ertrag wären natürlich wünschenswert,<br />
sind aber leider nicht einfach zu bekommen.<br />
Daher brauchen wir Hilfestellung,<br />
die auch durch soziale Einrichtung,<br />
Streetworker und Sozialarbeiter da ist.<br />
Man muss genauer hinschauen, wie<br />
resozialisierend geholfen werden kann,<br />
das ist nicht leicht. Das ~-Magazin<br />
geht in die Richtung. Es muss also<br />
eine Kommunikation auf Augenhöhe<br />
stattfinden, und es muss auch über den<br />
Tellerrand geschaut werden. Wichtig ist,<br />
dass das Geld auch da ankommt, wo es<br />
gebraucht wird.<br />
~: Inwiefern trägt die Verschärfung<br />
des Bettelgesetzes dazu bei?<br />
Halberstadt: Eine richtige Lösung wird<br />
damit nicht gefunden. Vielmehr geht<br />
es darum, noch mal die Diskussion zum<br />
Bettelgesetz anzuregen. Wir müssen uns<br />
fragen, ob dieses Gesetz noch richtig ist.<br />
Die Stadt – also Ordnungsamt und Polizei<br />
– greift auch jetzt schon ein: Wenn<br />
Minderjährige betteln, ist beispielsweise<br />
eine Grenze erreicht.<br />
~: Wie stellen Sie sich das genau<br />
vor?<br />
Halberstadt: Ich möchte– das hört sich<br />
doof an – das Betteln eher modernisieren.<br />
Beispielsweise können Streetworker,<br />
die in den Dialog mit Bettlern treten,<br />
auch fragen, ob diese auf das Betteln angewiesen<br />
sind. Ist es nötig, dass trotz der<br />
Möglichkeiten von drei warmen Mahlzeiten<br />
und evtl. kleinen Nebenverdiensten<br />
noch gebettelt werden muss?<br />
~: Wird dadurch nicht eher das<br />
Problem Armut verschleiert?<br />
Halberstadt: Nein, es gibt auch viele<br />
Bürger und Bürgerinnen, die gezielt<br />
Stammbettler – zum Beispiel auf dem<br />
Prinzipalmarkt, oder auch den Kirchen –<br />
unterstützen. Diese Unterstützung findet<br />
oft nicht nur finanziell statt, sondern<br />
auch durch das Geben von Kleidung oder<br />
Decken. Ich möchte nicht, dass etwas<br />
verschleiert wird. Mir geht es darum,<br />
dass man noch mal schaut, wem man<br />
etwas gibt: Erreicht das auch die wirklich<br />
Hilfebedürftigen? Das gilt es zu klären.<br />
~: Wieso rückt dieses Thema jetzt<br />
wieder in den Vordergrund?<br />
Halberstadt: Angestoßen wurde diese<br />
Diskussion in den letzten Wochen, in<br />
denen wir mehr jugendliche Bettler auf<br />
den Straßen wahrgenommen haben, die<br />
nicht in den sozialen Einrichtungen sind.<br />
Hier muss man dafür sorgen, dass diese<br />
Anzeige<br />
Ökologisch-Demokratische Partei<br />
Halberstadt: Die Verschärfung würde<br />
hier nicht helfen. Die Kriminalisierung<br />
wandert jedoch in eine Grauzone ab,<br />
in die wir auch gar nicht mehr schauen<br />
können. Die Kriminalisierung ist für mich<br />
der Anstoß gewesen, nochmals genauer<br />
zu gucken, wer sitzt auf den Straßen.<br />
Eine Verschärfung muss so stattfinden,<br />
dass Bettler nicht in die Anonymität<br />
getrieben werden, aber das organisierte<br />
Betteln verhindert wird. Wir erfahren<br />
immer wieder von hierarchischen und<br />
organisierten Bettelbanden – oft osteuropäisch<br />
– in denen die einzelnen Bettler<br />
alle halbe Stunde von einem Einsammler<br />
besucht werden. Die Bettler selbst sind<br />
hier noch ärmer dran als die Ärmsten,<br />
da sie von ihrem Erbettelten das meiste<br />
abgeben müssen.<br />
~: Sie sprachen dennoch das Thema<br />
Verschärfung des Bettelgesetzes an.<br />
Das würde alle Bettler betreffen, aber<br />
nicht ihre Probleme lösen.<br />
Unzufrieden?<br />
Nicht<br />
meckern –<br />
mitmachen!<br />
Mehr Informationen und Hintergründe: www.oedp-muenster.de | Tel. 0251 / 20 380 79<br />
15
C<br />
M<br />
Y<br />
CM<br />
MY<br />
CY<br />
CMY<br />
K<br />
in Kontakt mit sozialen Institutionen<br />
kommen und dass der Kontakt auch<br />
erhalten bleibt. Wenn darunter noch<br />
Minderjährige sind, dann müssen wir<br />
zweimal hingucken, wer auf der Straße<br />
sitzt. Darüber hinaus sind in letzter Zeit<br />
am Hauptbahnhof viele junge Bettler<br />
durch Musik, Alkohol und aggressives<br />
Trittbrettfahrer gibt, ist uns bewusst. Das<br />
Problem lässt sich wahrscheinlich auch<br />
nicht lösen. Die Stadt muss gucken, was<br />
sie von oben herab verbietet. Auf der<br />
einen Seite haben wir Armut, auf der<br />
anderen Seite muss auch ein Schutz für<br />
Bürger und Bürgerinnen gewährt werden.<br />
Wir tun viel durch Institutionen, und einige<br />
auch schützen, nicht in eine Schlingfalle<br />
des organisierten Bettelns zu fallen. Die<br />
organisierten Bettler kommen morgens<br />
in die Stadt gefahren. Das Ordnungsamt<br />
muss dagegen vorgehen, und die Politik<br />
muss klar sagen, dass organisiertes Betteln<br />
verboten ist. Durch die europäischen<br />
Grenzöffnungen wird sich das Problem<br />
Auftreten aufgefallen. Dabei werden<br />
Bettler nehmen die Optionen wahr. in nächster Zeit noch weiter verschärfen.<br />
sowohl Passanten als auch die Anlieger<br />
in ihren Wohnungen oder Geschäften<br />
belästigt. In solchen Fällen ist dann auch<br />
langsam die Schwellstelle erreicht an der<br />
man sagt: bis dahin und nicht weiter.<br />
~: Verständlich, eine Verschärfung<br />
umfasst jedoch alle Bettler. Das ist problematisch.<br />
Halberstadt: Ja, da muss man genau<br />
trennen. Dass es in diesem Bereich<br />
Es gibt natürlich auch Fälle, die sich nicht<br />
von Institutionen helfen lassen möchten<br />
und sagen, dass sie ihr eigenes Leben<br />
führen. Das muss man akzeptieren, aber<br />
dabei müssen auch Grenzen aufgezeigt<br />
werden, in denen das Betteln stattfinden<br />
darf. Ein öffentlicher Raum ist für alle<br />
da. Solange sich alle so benehmen, dass<br />
sich jeder frei bewegen kann, ist alles in<br />
Ordnung. Werden das durch aggressives<br />
Betteln – wie Hinterherlaufen oder Anfassen<br />
–Passanten gestört, dann muss<br />
Jeder hat natürlich das Recht, seine Lebensgrundlage<br />
zu erwerben. Wir wollen<br />
jedoch nicht, dass ein Kampf oder ein<br />
Konflikt zwischen Bettlerbanden und den<br />
heimischen Bettlern entsteht. Bei Jugendlichen<br />
und Kindern ist das noch ein<br />
schwerwiegenderes Problem. Politik und<br />
Gesetzgebung müssen hier klar machen,<br />
dass die nicht auf die Straße gehören. Das<br />
allgemeine Betteln wird es immer geben<br />
und wir haben auch nichts gegen Bettler.<br />
Wir haben soziale Anlaufstellen,und wir<br />
MS_Anz_draußen_42,7x126_sw_RZ.pdPage man auch Einhalt 1 gebieten. 31.08.20<strong>09</strong> 14:29:31 wollen Uhr den Bedürfnissen gerecht werden,<br />
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wo wir können.<br />
~: Sie nennen jetzt ein Beispiel für<br />
aggressives Betteln. Der Ausdruck ist problematisch,<br />
weil er sehr schwammig ist.<br />
Unklar ist, wo aggressives Betteln genau<br />
anfängt. Haben Sie keine Sorge, dass solch<br />
eine Einschränkung missbraucht werden<br />
könnte? Beispielsweise durch Vertreiben<br />
von Bettlern vom Ordnungsamt?<br />
Halberstadt: Wenn wir solche Fälle<br />
hätten, würden wir Politiker den Leuten<br />
von der Stadt – beispielsweise dem<br />
Ordnungsamt – regelrecht auf die Hände<br />
treten. Wir versuchen mit Zuständigen<br />
auf Augenhöhe zu klären, was erlaubt<br />
ist, und was nicht erlaubt ist. Wenn ein<br />
Inhaber möchte, dass der vor seiner Filiale<br />
sitzende Bettler geht, weil dieser die<br />
Kunden hindert einzutreten, dann kann<br />
man höflich auffordern, dass er ein Stück<br />
weitergeht. Als Politiker müssen wir da<br />
genau hingucken. Wenn Verantwortliche<br />
Missbrauch treiben, sei es durch Diskriminierung<br />
von Bettlern jeglicher Art,<br />
dann muss die Politik klar sagen: hier<br />
sind Schranken, keine Diskussion.<br />
~: Schlagen wir an dieser Stelle<br />
noch mal die Brücke zum Anfang. Wie<br />
genau wollen Sie differenzieren zwischen<br />
Bettlern, die friedlich betteln, und<br />
solchen, die das Betteln missbrauchen<br />
– durch beispielsweise organisiertem<br />
Betteln?<br />
Halberstadt: Wir kommen in Münster<br />
seit Jahren gut mit den einheimischen<br />
Bettlern aus. Diesen lassen wir ein<br />
Hausrecht und wir gucken, dass wir diese<br />
~: Sie sind also der Meinung, dass<br />
eine Verschärfung den Problemen nicht<br />
gerecht wird?<br />
Halberstadt: Eine Verschärfung löst<br />
nichts, sondern treibt die Bettler nur<br />
in eine Grauzone. Dadurch verlieren<br />
wir die Bettler als Ansprechpartner. Die<br />
Verschärfung des Bettelgebots haben<br />
wir alle fünf Jahre oder weniger auf dem<br />
Tisch. Viele Leute treten da an mich ran<br />
und fragen, ob das Gesetz nicht modernisiert<br />
werden soll. Die Frage ist, was<br />
will man da lösen. Man kann das Betteln<br />
nicht verbieten. Ist ein Mensch arm, dann<br />
bettelt er sich was zusammen, und bevor<br />
er sogar in Müll greifen muss, möchte ich<br />
doch lieber einen friedlichen Bettler vor<br />
meiner Haustür. In Münster ist das Betteln<br />
überschaubar, und wir haben viele<br />
Fälle, in denen Bettler wieder es in die<br />
Selbstständigkeit geschafft haben.<br />
~: Was wäre die Alternative?<br />
Halberstadt: Ich möchte mehr die sozialen<br />
Bereiche stärken und den Dialog auf<br />
Augenhöhe vorantreiben. Dabei sollte<br />
nicht von oben durch die Stadt diktiert<br />
werden. Gleichzeitig wollen viele nicht<br />
soziale Angebote wahrnehmen, die wir<br />
bieten. Man kann nur gucken, wo ist<br />
Betteln im vernünftigen Rahmen, wo ist<br />
es aggressiv und wo wird es missbraucht<br />
durch Organisationen. Grade das organisierte<br />
Betteln muss verhindert werden.<br />
~: Vielen Dank für das Interview. #<br />
16
Bericht | Text: Michael Heß | Foto: Sammlung Möllenhoff/Schlautmann<br />
Der junge Zeuge<br />
Ein junger Münsteraner Jude ist der früheste Zeuge der Shoa<br />
Nach dem Beitrag zur Erinnerungstafel<br />
an der Warendorfer Straße wollten einige<br />
Leser noch mehr über die Deportation<br />
sowie den jungen Zeitzeugen Siegfried<br />
Weinberg erfahren. ~-Redakteur<br />
Michael Heß trug weitere Details zusammen.<br />
Siegfried Weinberg (im Bild ganz links)<br />
wird im Oktober 1919 in Münster geboren.<br />
Die Eltern Lisette Weinberg, geb. Siegmann,<br />
und Josef Weinberg sind als Trödler<br />
tätig. Der junge Weinberg ist Gymnasiast<br />
und Mitglied im “Bund Deutsch-Jüdischer<br />
Jugend”. Nach dem Abitur arbeitet er<br />
anderthalb Jahre in einer Frankfurter<br />
Seifenfabrik, kehrt nach Münster zurück<br />
und wird im Sommer 1939 zur Zwangsarbeit<br />
verpflichtet. Eine ordentliche Lehre<br />
wird ihm verweigert, ein Fluchtversuch<br />
in die Niederlande am 3. September 1939<br />
scheitert ebenso wie die Emigration in<br />
die USA oder nach Großbritannien. Seine<br />
Lage ist aussichtslos.<br />
Wer die Zeitzeichen sieht, macht sich<br />
keine Hoffnungen. Die Vernichtung der<br />
europäischen Juden war erklärtes Ziel<br />
der Nazis. Schon das erste dezidiert<br />
politische Dokument Hitlers (ein Brief<br />
vom 16. September 1919 an einen Ulmer<br />
Reichswehrangehörigen) bezeichnet die<br />
Juden als “Rassentuberkulose der Völker”<br />
und fordert als letztes Ziel “unverrückbar<br />
die Entfernung der Juden überhaupt”.<br />
Zweiundzwanzig Jahre später erfahren <strong>13</strong>5<br />
Münsteraner Juden diese Gewaltphantasien<br />
am eigenen Leib. Am <strong>13</strong>. Dezember<br />
1941 bilden sie den ersten Transport<br />
zur “Judenfreimachung”, unter ihnen<br />
Siegfried Weinberg. Bis zum Juli 1942<br />
kommt es zu drei weiteren Transporten;<br />
am 31. Juli meldet Gauleiter Wagner den<br />
“Gau Westfalen-Nord” als “judenfrei”.<br />
Sogenannte “Mischlinge” sowie jüdische<br />
Ehepartner werden dann 1944 deportiert,<br />
doch gibt es über die Zielorte dieser<br />
Transporte keine Unterlagen mehr.<br />
Einen knappen Monat vor der ersten<br />
Deportation legt eine Geheimkonferenz<br />
lokaler Nazichargen am 20. November<br />
1941 die Details fest. Anwesend sind<br />
unter anderem der Oberbürgermeister,<br />
der Polizeipräsident sowie Vertreter des<br />
Fiskus. Nach den Arisierungen, der Besteuerung<br />
von Auswanderern sowie der<br />
Vermögensbeschlagnahme geflüchteter<br />
Reichsbürger will sich der Nazistaat noch<br />
am jämmerlichen Restvermögen der<br />
Opfer bereichern. Den zu Deportierenden<br />
ist in der Konsequenz die Mitnahme von<br />
Vermögenswerten aufs Strengste untersagt.<br />
Erlaubt sind lediglich 50 Reichsmark<br />
pro Kopf sowie die Eheringe. Von<br />
diesen 50 Mark sind allerdings noch die<br />
“Transportkosten” zu bezahlen. Siegfried<br />
Weinberg: “Am 11. Dezember 1941 wurden<br />
meine Schwester und ich wie auch alle<br />
anderen Juden von Beamten der Gestapo<br />
verhaftet. Wir wurden<br />
visitiert und Wertsachen<br />
wie Uhren, Schmuck usw.<br />
abgenommen, die Möbel<br />
und zurückgebliebenen<br />
Sachen beschlagnahmt<br />
sowie die Wohnung versiegelt.“<br />
Die Sammlung<br />
der Verhafteten fand im<br />
nicht mehr existenten<br />
Lokal Gertrudenhof an<br />
der Warendorfer Straße<br />
statt. Nochmals Siegfried<br />
Weinberg: “Hier fand nun<br />
eine große Gepäck- und Leibesvisitation<br />
statt. Messer, Scheren, Rasierklingen,<br />
Toilettenartikel, Lebensmittel und Wäsche<br />
wurden bis auf etwas (das Nötigste?)<br />
abgenommen.” Aber selbst das wenige<br />
Verbliebene war nicht sicher. Bei der<br />
Ankunft im lettischen Skirotawa am 16.<br />
Dezember fehlte das in einem eigenen<br />
Waggon transportierte Gepäck. Viel Zeit<br />
zum Protest hatten die Ankömmlinge<br />
nicht, denn sofort nach dem Ausladen<br />
marschierten sie ins etwa fünf Kilometer<br />
entfernte Getto. Der 17. Dezember ist der<br />
erste Arbeitstag, der Folgetag sieht den<br />
ersten Toten. Von da an war der Tod<br />
ständiger Begleiter der Insassen bis zur<br />
Auflösung des Gettos im Sommer 1944<br />
angesichts der näher rückenden Roten<br />
Armee. Während dieser Arbeiten gelingt<br />
Siegfried Weinberg im Juli 1944 die Flucht<br />
samt Versteck; die sowjetischen Befreier<br />
stecken ihn aber bis zur Ausweisung nach<br />
Münster im August 1948 in den Gulag,<br />
den er glimpflich übersteht. In dieser<br />
Zeit entsteht aus seinen Erinnerungen<br />
der sog. “Weinberg-Report” als frühestes<br />
Zeugnis der Shoa.<br />
Zu Beginn des Jahres 1933 leben in<br />
Münster etwa 710 Juden. 280 von ihnen<br />
werden in den KZ ermordet, 77 versterben<br />
eines natürlichen Todes (wobei die Grenze<br />
zum Mord fließend ist), sieben wählen<br />
den Freitod. Nur 24 jüdische Münsteraner<br />
überleben die Shoa. Noch weniger kehren<br />
1945 an die Aa zurück - unter ihnen Siegfried<br />
Weinberg, der im September 1949<br />
in die USA auswandert. Dort engagiert<br />
er sich unter anderem in der “Society of<br />
Survivors of the Riga Ghetto”, heiratet<br />
eine Amerikanerin, wird zweifacher Vater<br />
und verstirbt im September 1994. Seine<br />
Eltern Lisette und Josef Weinberg sah er<br />
nach dem <strong>13</strong>. Dezember 1941 nie wieder.<br />
Beide werden später nach Theresienstadt<br />
deportiert und erliegen 1942 bzw. 1944<br />
den Haftbedingungen. #<br />
17
Bericht | Text und Fotos: Kevin Beckschäfer<br />
Viele faule Eier für einen Apfel<br />
Adolfs Hampelmänner im Hexenkessel<br />
Der Wahlkampf zu den anstehenden<br />
Bundestagswahlen ist in vollem Gange,<br />
auch für die NPD. Dabei scheint schon<br />
vor der Wahl klar, dass die NPD von<br />
den bevorstehenden Wahlen nicht viel<br />
zu erwarten hat. Für den Einzug ins<br />
Parlament wird es wohl auch dieses Mal<br />
nicht reichen. Daran wird wohl auch<br />
das Konzept „seriöse Radikalität“ von<br />
Parteiführer Holger Apfel nichts ändern.<br />
Das Propagandaprogramm der NPD<br />
besteht in erster Linie aus<br />
rassistischen Plakaten und der<br />
„Deutschlandtour“ mit ihrem<br />
„Flagschiff“. Der LKW eines<br />
französischen Herstellers ist mit<br />
großen Werbebannern der Partei<br />
beklebt. Wie eine Litfaßsäule<br />
wirkt das große, rote Auto mit den<br />
Hetzparolen. Mit diesem Gefährt<br />
ziehen die rechten Wahlkämpfer<br />
durchs Land und versuchen in<br />
ganz Deutschland Kundgebungen<br />
durchzuführen. Manchmal gleich<br />
in mehreren Städten an einem<br />
Tag. Das Ergebnis ist fast an jedem<br />
Ort das gleiche: Eine Hand voll<br />
NPD-Rednern steht einer vielfach<br />
größeren Zahl von Gegendemonstranten<br />
gegenüber, getrennt von<br />
einer oder mehrerer Hundertschaften<br />
der Polizei. Meistens ist<br />
der Spuk dann nach einer halben<br />
Stunde wieder vorbei. Nicht so in<br />
Münster!<br />
Kurz vor zwölf Uhr ziehen langsam<br />
erste Gegendemonstranten zum Kundgebungsort<br />
an der Klemensstraße. Sie<br />
tragen Fahnen von Jusos, Antifa oder<br />
auch Verdi bei sich und auch alle anderen<br />
Münsteraner Parteien zeigen Flagge.<br />
Rund 1500 werden an diesem Donnerstagnachmittag<br />
kommen, um gegen die<br />
NPD zu demonstrieren. Um 15 Uhr soll<br />
der NPD-Konvoi in Münsters Innenstadt<br />
ankommen. Um diese Zeit ist der Platz<br />
an der Stubengasse/Klemensstraße<br />
bereits übersät mit Menschen jeden<br />
Alters, jeder Nation. Der Sprecher des<br />
Bündnis „Keinen Meter den Nazis“<br />
Carsten Peters ist überwältigt von der<br />
Resonanz. „Wir wollen deutlich machen,<br />
dass für Nazi-Parolen, Rassismus und<br />
völkische Ideologie in Münster kein Platz<br />
ist.“ Für das Nazi-Flagschiff allerdings ist<br />
kein Durchkommen. Kurzerhand verlegt<br />
die Polizei den Kundgebungsort an den<br />
Schlossplatz. Unter lautem Protest-<br />
Gepfeife, „Nazis raus“-Gebrülle und der<br />
Unterstützung eines Trommeltrupps setzt<br />
sich der Menschenwust ist Bewegung.<br />
Quer über den Domplatz geht es durch die<br />
Frauenstraße zügig zum neuen Versammlungsort.<br />
Schon von Weitem sieht man<br />
den roten LKW der NPD, eingekreist von<br />
ca. 100 Polizisten, mitten auf dem Platz.<br />
Abgetrennt ist das Ganze lediglich durch<br />
ein weiß-rotes Flatterband. Die Protest<br />
Lautstärke schwillt zu einem ohrenbetäubenden<br />
Lärm. Einen kurzen Moment<br />
überlegen die Gegendemonstranten das<br />
kleine Häuflein NPDler einfach zu überrollen…<br />
Doch es bleibt friedlich. Dennoch<br />
nutzen die lauthals Protestierenden die<br />
Möglichkeit, das Fahrzeug inklusive der<br />
NPD-Funktionäre einzukreisen. Unter<br />
den dunkel gekleideten, Sonnenbebrillten<br />
parteieigenen Sicherheitsleuten<br />
finden sich Neonazis aus der Kameradschaftsszene,<br />
sie schützen die Redner mit<br />
Regenschirmen bewaffnet, vor dem Feuerwerk<br />
aus Tomaten und Eiern. Der dabei<br />
entstehende Geruch lässt erahnen, dass<br />
sich einige Nazigegner durchaus auf das<br />
Treffen mit ihren Feindbildern vorbereitet<br />
haben. Jedes Geschoss das sein<br />
Ziel erreicht wird heftig von den<br />
Gegendemonstranten umjubelt.<br />
Trotz der Abschirmung seiner Kameraden<br />
wird auch Holger Apfel<br />
am Appel getroffen. Seine vorbereitete<br />
Rede verhallt im Gebrüll.<br />
Nach ca. ½ Stunde geben die NPD<br />
Funktionäre auf und wollen den<br />
Schlossplatz verlassen. Doch diese<br />
Rechnung geht nicht auf. Man<br />
befürchtet, dass der NPD-Tross<br />
sich nochmal auf den Rückweg<br />
zur Klemensstraße macht. Diesen<br />
Platz hatte man sich bis 18 Uhr<br />
reserviert. Kurzerhand schließt<br />
sich der Kreis der Demonstranten<br />
um das rote Fahrzeug. Mit Sitzblockaden<br />
wird der Rückzug der wenigen<br />
NPD Anhänger verhindert,<br />
was zu Unverständnis bei einigen<br />
vorbei laufenden Passanten führt,<br />
da gleichzeitig weiter „Nazis raus“<br />
aus den Sprechchören und Trommelwirbeln<br />
zu hören ist. Die Polizei nimmt´s<br />
mit Humor: Das sitzen wir jetzt mit euch<br />
gemeinsam aus!<br />
Die NPDler scheinen zermürbt. Kein<br />
warmes Abendbrot und keine Füße hoch,<br />
stattdessen nervöses Rumrutschen auf<br />
Fahrer und Beifahrerseite. Erst gegen 19<br />
Uhr geben die letzten Protestler den Weg<br />
für die Abfahrt frei. Münster hat sich tapfer<br />
geschlagen und wieder einmal bewiesen,<br />
dass in der Westfälischen Metropole kein<br />
Platz für die braune Gesinnung ist! #<br />
18
Bericht | Text und Fotos: Susanne Wasielewski<br />
Über 4 Klimazonen: Garten in Coerde<br />
Auch Lambertuskraut wächst hier<br />
Bei über 30 Grad Hitze ruft mich Mitte<br />
Juni Frau H. aus Coerde an. Zehn Minuten<br />
später sitze ich auf meinem Fahrrad<br />
und brauche dann doch noch eine Weile,<br />
bis ich das Reihenendhaus finde.<br />
Als ich mit Frau H. auf die Terrasse<br />
trete, bin ich überrascht, wie groß der<br />
Garten ist. Und was er alles beherbergt:<br />
jede Menge Blumen, aber auch liebevoll<br />
arrangierte Windspiele, Tierfiguren,<br />
Laternen, Lampions, Obststräucher und<br />
sogar einen kleinen Teich!<br />
Bei einem kühlen Mineralwasser und<br />
sommerlicher Radiomusik erfahre ich<br />
von der gartenbegeisterten Frau in den<br />
50ern, dass sie mit ihrer Familie seit 17<br />
Jahren hier wohnt. Die drei großen Bäume<br />
– eine Birke, eine Hasel und einen<br />
Apfelbaum – haben sie in dem etwa<br />
350 Quadratmeter großen Garten schon<br />
vorgefunden. Alle drei sind vermutlich<br />
schon kurz nach dem Bau des Hauses vor<br />
über 45 Jahren gepflanzt worden. Der<br />
Rest hat sich durch behutsame Eingriffe,<br />
zum Beispiel das Umsetzen von Rosen zur<br />
Terrasse hin, und durch Neupflanzung,<br />
aber auch durch den Lauf der Natur so<br />
entwickelt. So stammen die zartrosanen<br />
Nelken, die sich wie ein Teppich zu Füßen<br />
der blauen Glockenblumen ausbreiten,<br />
aus einem Ableger aus Mutters Garten.<br />
Die rosa-weißen Fuchsien in zwei Kübeln<br />
auf der Terrasse hat Frau H. in einem Gartencenter<br />
erworben; sie gefallen ihrem<br />
Mann besonders.<br />
Die orangefarbene Hollywoodschaukel<br />
mit passendem Kissen verbreitet fröhliche<br />
Sommerlaune und passt zu der pragmatischen<br />
Frau, die zwei Arbeitsstellen hat<br />
und sich am Garten vor allem erfreuen<br />
möchte. Ein bequemer Liegestuhl steht<br />
im Schatten; hier geht durch die Buchenhecke,<br />
die das Grundstück umgibt, ein<br />
angenehmer Lufthauch.<br />
Frau H. liebt ihren Garten so<br />
wildromatisch, wie er ist. Da darf auch<br />
mal ein Unkraut wachsen, und die Engelstrompete,<br />
die im letzten Jahr noch nicht<br />
geblüht hat, kriegt auch dieses Jahr noch<br />
eine Chance. Mit der Nagelschere geht<br />
sie jedenfalls nicht an ihren Rasen, der<br />
nur eine Wiese sein will und mit Klee und<br />
Gänseblümchen getupft ist.<br />
Bei unserem Rundgang durch den<br />
Familiengarten fallen mir vier (Klima-)<br />
Zonen auf:<br />
■■<br />
■■<br />
■■<br />
Die heiße, windstille Holzterrasse<br />
und Kiesfläche mit Sitzplatz,<br />
Hollywoodschaukel und Pflanzenkübeln,<br />
weißen Pfingstrosen und<br />
Rosen<br />
Die mittlere gemäßigte Zone aus<br />
Wiese, Stauden und Trauerbirke<br />
Die feuchtwarme Teichzone mit<br />
wasserliebenden Pflanzen, umgeben<br />
von Johannisbeersträuchern<br />
und einem alten Apfelbaum<br />
■■<br />
Der nahezu undurchdringliche<br />
Dschungel aus Korkenzieherhasel<br />
und dahinterliegendem Stachelbeerstrauch<br />
Von der Terrasse aus geht mein<br />
Blick auf ein blau gestrichenes Stück<br />
Lamellenzaun. Der Stamm eines Trompetenstrauchs<br />
aus Spanien windet sich<br />
durch ihn hindurch und droht das Holz<br />
beinahe zu zersprengen. Dennoch darf er<br />
bleiben, denn bald entschädigen wieder<br />
schöne orangefarbene trompetenartige<br />
Blüten für sein zerstörerisches Werk. Die<br />
Magnolie daneben blüht so früh, dass<br />
ihr der Frost häufig zusetzt, berichtet die<br />
Gartenbesitzerin. Die Trauerbirke lässt<br />
ihre Zweige tief herunterhängen, darunter<br />
wachsen die Herbstastern prächtig.<br />
Zwei hohe Fingerhüte unterstreichen<br />
die Wald-Atmosphäre dieses Bereiches.<br />
Über einen Johannisbeerstrauch ist ein<br />
Netz ausgebreitet. Zusätzlich soll eine<br />
lebensgroße täuschend echte Uhu-Figur<br />
Vögel vertreiben. Frau H. zieht an einem<br />
20
Band unten am Uhu, worauf dieser wild<br />
mit den Flügeln schlägt. Ich bin beeindruckt,<br />
merke aber an, dass sie das Band<br />
mindestens um 10 m verlängern muss,<br />
damit sie von der Terrasse aus unauffällig<br />
den Uhu aktivieren kann.<br />
Im Apfelbaum sitzen in diesem Jahr<br />
viele Raupen, die ein feines Gespinst bilden.<br />
Die Gartenbesitzerin entfernt immer<br />
wieder solche Gebilde und hofft auf eine<br />
gute Ernte.<br />
Am kleinen Teich steht Goldfelberich<br />
mit seinen gelben sternförmigen Blüten.<br />
Auf der anderen Seite ergänzt der hoch<br />
wachsende blau-weiße Rittersporn das<br />
Farbspektrum charmant. Die gebürtige<br />
Münsteranerin zeigt mir Lambertuskraut.<br />
Ist nicht nur die Gärtnerin, sondern<br />
auch ihre mir unbekannte Staude eine<br />
waschechte Münsteranerin? Und wurde<br />
die Pflanze eigens zum munteren Fest<br />
im September gezogen? Nein, im übrigen<br />
Deutschland ist die Pflanze als<br />
Goldrute bekannt, wird aber in Münster<br />
wegen ihrer schönen gelben Blüten im<br />
September für die Blumenpyramide bei<br />
Lambertusfeiern verwendet, erfahre ich<br />
von der Lambertus-erfahrenen Frau.<br />
Die Korkenzieherhasel am Ende des<br />
Grundstücks sieht etwas kränklich aus.<br />
Darunter steht eine gelb blühende namenlose<br />
Schönheit, die Frau H. eigentlich<br />
direkt an den Teich gepflanzt hat. Auf<br />
mysteriöse Weise ist sie weitergewandert.<br />
Hinter der Hasel erkennt man im Dickicht<br />
einen Stachelbeerstrauch, doch ohne<br />
eine Machete wird man hier kaum ernten<br />
können. Frau H. nimmt es gelassen wie<br />
auch die Tatsache, dass ihre Westerland-<br />
Rose nur noch einen einzigen Trieb<br />
besitzt. „Es wächst wohl zu viel drum<br />
herum“, stellt sie ehrlich fest. Sie weist<br />
mich auf eine andere, hellorangefarbene<br />
Rose hin: Bald wird sich der Farbton ins<br />
Weiße verändern, mit feinen rosa Sprenkeln,<br />
schwärmt sie. Am Zaun rankt sich<br />
eine Clematis mit großen violetten Blüten<br />
hoch. Sommerblumen in kräftigen und<br />
leuchtenden Farben runden das üppige<br />
Sommerbild dieses Gartens ab: Geranien<br />
in rot-rosa und rosa-weiß sowie Petunien<br />
in rot mit gelben Streifen und dunkelpink<br />
setzen schöne Farbakzente. Einige dieser<br />
Pflanzen hat Frau H. preiswert in einem<br />
Restposten-Geschäft gekauft und ist mit<br />
der Wirkung sehr zufrieden.<br />
Eine Möwe, deren Flügel im Wind<br />
kreisen, hat sie von einem Urlaub an der<br />
Ostsee mitgebracht. Viele Windlichter<br />
und Laternen mit Kerzen beleuchten den<br />
Garten am Abend stimmungsvoll. Dies ist<br />
ein Ort zum Wohlfühlen, wo vieles schön<br />
ist, aber nichts perfekt sein muss! #<br />
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Sicherheit zu erhöhen<br />
verliert am Ende beides.<br />
sagte Benjamin Franklin<br />
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21
Berichte | Texte und Foto: Christine Dedeck<br />
Wie Bienen deutsche Städte erobern<br />
Imkern in der Stadt<br />
Monokulturen auf den deutschen<br />
Feldern machen unseren Bienen das<br />
Leben schwer. Es gibt immer weniger<br />
blühende Nahrung für sie. Dazu Pestizide,<br />
die man in Verdacht hat, für<br />
das Bienensterben verantwortlich zu<br />
sein. Wie viele andere Wildtiere zieht<br />
es daher auch die Bienen in unsere<br />
Städte. Hier ist das Nahrungsangebot<br />
auf Balkonen, in Parks und in Gärten<br />
reichhaltig und abwechslungsreich.<br />
Es gibt viele Städter, die sich über<br />
diese Bienenwanderung freuen:<br />
Urban Imkering, also Imkern mitten<br />
in der Großstadt, ist das neue Hobby<br />
von Stadtbewohnern von Berlin bis<br />
Gelsenkirchen.<br />
Das Bundesministerium für Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />
(BMELV) gibt an, dass 63 Prozent der<br />
Deutschen regelmäßig Honig essen. Mit<br />
einem Pro-Kopf-Verbrauch von einem<br />
Kilo Honig im Jahr sind die Deutschen<br />
damit sogar Weltmeister im Honigessen.<br />
In einer Forsa-Umfrage im Auftrag des<br />
BMELV gaben fast zwei Drittel der Befragten<br />
an, dass sie am liebsten Honig<br />
aus heimischen Regionen naschen.<br />
Doch den deutschen Honig-Verbrauch<br />
können die heimischen Bienen nicht<br />
allein produzieren. Nur etwa 20 Prozent<br />
des in Deutschland angebotenen Honigs<br />
stammt auch von hier. Die hohe Nachfrage<br />
wird mit Importen aus anderen<br />
Staaten befriedigt. Fast die Hälfte der von<br />
Forsa Befragten ist aber der Meinung,<br />
dass man auch in deutschen Städten<br />
die Honigproduktion ankurbeln kann.<br />
Und einige sprechen nicht nur darüber,<br />
sie beginnen auch damit, Bienenvölker<br />
auf Hausdächern und in ihren Gärten zu<br />
halten. So gibt es inzwischen in vielen<br />
deutschen Großstädten Imker: Zum<br />
Beispiel in Berlin, Hamburg, Frankfurt,<br />
Stuttgart oder Gelsenkirchen.<br />
Es mag auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich<br />
sein, zum Beispiel das bunte<br />
Bienen-Treiben auf dem Dach eines Hotels<br />
oder einer Garage zu beobachten. In der<br />
Stadt lebt es sich für die Biene aber viel<br />
angenehmer: Keine Monokulturen, keine<br />
Pestizide oder Parasiten. Mit dem mysteriösen<br />
Bienensterben, für das vermehrt<br />
Pestizide verantwortlich sein sollen, ist<br />
hier in der Stadt nicht zu rechnen. Zudem<br />
ist es in urbanen Gebieten etwas wärmer,<br />
nur ein paar Grad, aber das ist unseren<br />
Bienen nur recht. Unbeschwert können<br />
die Arbeiterinnen Tag für Tag ausschwärmen<br />
und auf Pollen-Beutezug gehen.<br />
Gräser, Beerensträucher, Linden - die<br />
Bienen suchen in Parks, Schrebergärten<br />
und auf Balkonen zusammen, was sie für<br />
ihren Honig brauchen. Das Einzugsgebiet<br />
eines Bienenvolkes ist in etwa so groß wie<br />
das Stadtgebiet von Köln. Für ein Pfund<br />
des leckeren Stadthonigs muss die Biene<br />
zunächst weite Strecken fliegen: Sie legt<br />
in etwa drei Erdumrundungen zurück.<br />
Aus der vielfältigen Pollenauswahl entsteht<br />
dann ein aromatischer Mischhonig.<br />
Für die Qualität des Honigs sorgen<br />
die Bienen und Imker zusammen. Und<br />
Schadstoffe durch Abgase? Kein Problem,<br />
sagt Ulrich Kinkel, Präsident des Landesverbandes<br />
Württembergischer Imker<br />
(LVWI) in einem Bericht „Der Welt“. Falls<br />
die Biene überhaupt Schadstoffe aufnehme,<br />
könne sie diese herausfiltern. Na<br />
dann, guten Appetit!<br />
Nach Angaben des Deutschen Imkerbundes<br />
(D.I.B.) gibt es zurzeit etwa<br />
88.500 Imker in Deutschland. 2011 waren<br />
es nach Angaben des Magazins „Der<br />
Spiegel“ nur 87.000, damit ist ein leichter<br />
Aufwärtstrend bemerkbar.<br />
Neugierig auf Bienen geworden? Man<br />
muss nicht gleich Imker werden und einen<br />
Imkerkurs besuchen. Jeder Bienenfreund<br />
kann seinen Garten oder Balkon so gestalten,<br />
dass die schwarz-gelben Insekten<br />
regelmäßig zu Besuch kommen. Wem<br />
noch das nötige Bienen-Wissen fehlt,<br />
bekommt Hilfe vom Bundesministeriums<br />
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />
(BMELV). Mit der „Bienen<br />
App“ möchte das BMELV „dazu beitragen,<br />
einer breiten Bevölkerung die Bedeutung<br />
der Bienen ins Bewusstsein zu rufen“. Es<br />
gibt ein Pflanzenlexikon, Bienen-Wissen<br />
und zwei Mini-Spiele, einen Bienen-Quiz<br />
und den Bienen-Balkon. 100 Pflanzenarten<br />
sind im Lexikon gespeichert. Dabei<br />
handelt es sich ausschließlich um Blühpflanzen,<br />
die für Bienen nützlich sind,<br />
also viele Pollen und viel Nektar haben.<br />
Dazu gibt es kurze Beschreibungen zu<br />
den deutschen Bienenarten. Mit der App<br />
kann man sich gut an das unbekannte<br />
Wesen, die Honigbiene, herantasten.<br />
Wer doch direkt loslegen möchte, dem<br />
sei zunächst ein Imkerkurs empfohlen.<br />
Die können auch hier in Münster in einer<br />
Imkerschule besucht werden. Viel Information<br />
rund um die Bienenhaltung gibt<br />
es auch beim Projekt „Die Bienenkiste“<br />
(www.bienenkiste.de): Dort finden Jungimker<br />
zum Beispiel auch eine Anleitung<br />
für eine praktische Bienenkiste, um ein<br />
Bienenvolk artgerecht zu halten. Mit der<br />
Bienenkiste könne man mit wenig Aufwand<br />
etwas Honig für den Eigenbedarf<br />
produzieren. Also: Bienchen summ in<br />
meinem Garten gern herum. #<br />
22
Fußballberber in Maria Veen<br />
Dabei ist alles!<br />
Bericht | Text: Werner Rump | Foto: Sigi Nasner<br />
Nach der verpassten Teilnahme im<br />
letzten Jahr haben wir es in diesem<br />
wieder geschafft, ein Fußball Team<br />
für das Obdachlosen Fußballturnier<br />
in Maria Veen zu melden. Los ging die<br />
Fahrt am Samstag bereits um 9.30 Uhr<br />
vom Busbahnhof Münster, unsere ca. 20<br />
Personen umfassende Gruppe erreichte<br />
das Tagesziel etwa eine Stunde später.<br />
Nach einer kurzen Begrüßung der Organisatoren<br />
begann das Turnier pünktlich<br />
um 10.30 Uhr. Die Mannschaften waren<br />
in zwei Vierergruppen eingeteilt. Die<br />
anderen Teams bestanden aus reinen<br />
Männermannschaften, wir traten mit<br />
einer bunt gemischten Truppe an, so das<br />
unsere Erwartungen von vornherein nicht<br />
all zu hoch waren. Im ersten Gruppenspiel<br />
bekamen wir es mit den Dirty Devils<br />
Gifhorn zu tun. Der Gegner hatte jede<br />
Menge aktive Fußballer in seinen Reihen,<br />
wir mussten deshalb im beim ersten<br />
Auftritt leider noch Lehrgeld bezahlen<br />
und unterlagen verdient mit 0:5. Nach<br />
nur einem Spiel Pause und mit etwas Wut<br />
im Bauch traten wir im zweiten Spiel gegen<br />
den Gastgeber, die Arbeiterkolonien<br />
Maria Veen, deutlich verbessert auf. Die<br />
Spielzeit eines Spieles betrug <strong>13</strong> Minuten,<br />
wir führten bis drei Minuten vor Ende 2:1,<br />
um dann in den letzten Sekunden der<br />
Partie noch zwei dumme Gegentore zu<br />
fangen.<br />
So ein Rückschlag schmerzt natürlich,<br />
damit hatten wir keine Chance mehr<br />
auf den Halbfinaleinzug, im letzten<br />
Gruppenspiel gaben wir dann unseren<br />
Ergänzungsspielern die Gelegenheit, es<br />
besser zu machen. Da der dritte Gegner,<br />
das Friedrich Naumann Haus Düsseldorf,<br />
wieder sehr stark auftrat, mussten sich<br />
unsere Reservisten nach einem zumindest<br />
kämpferischen Auftritt dann aber<br />
doch relativ deutlich mit 0:5 geschlagen<br />
geben. Unser Dutzend Fans hatte nun<br />
Aufbauarbeit zu leisten, das Ziel jedoch<br />
war nun glasklar: Auf keinen Fall den<br />
letzten Platz belegen. Nach einer Stärkung<br />
am Grill und einer halben Stunde<br />
Pause motivierten wir uns dann für die<br />
Partie um Platz 7.<br />
Nun also alles geben gegen Gleis 51<br />
aus Oberhausen. Unsere Führung hielt<br />
wieder einmal nur bis zwei Minuten vor<br />
Ende, dieses mal allerdings konnten wir<br />
nachlegen und erzielten nach einer sehr<br />
schönen Kombination 30 Sekunden vor<br />
Ende das viel umjubelte 2:1 für uns. Damit<br />
war das Minimal Ziel erreicht, mehr war<br />
allerdings auch kaum drin, da die anderen<br />
Teams im Schnitt doch stärker waren.<br />
Der 1. Platz holte sich der Werkheim e.V.<br />
aus Hannover durch ein 2:0 in Endspiel<br />
gegen das Friedrich Naumann Haus Düsseldorf.<br />
Nach einer Dusche und einer erneuten<br />
Stärkung am Grill wurde dann natürlich<br />
der ganze Verlauf des Turnieres noch<br />
ausgiebig diskutiert. Einige Spieler waren<br />
noch etwas enttäuscht, doch nach einigen<br />
Getränken stieg die Stimmung dann<br />
wieder deutlich. Insgesamt muss man<br />
sagen, ein sehr schöner Tag bei recht<br />
gutem Wetter und im Fußball zählt auch<br />
nicht nur der Sieg. Wer alles gegeben hat,<br />
braucht sich garantiert nichts vorzuwerfen.<br />
Gegen 20 Uhr waren wir dann alle gesund<br />
und munter wieder am Hauptbahnhof<br />
in Münster, einige Akteure kamen<br />
zwar recht schwer aus ihren Sitzen, das<br />
ist aber ja bei nur gelegentlichen sportlichen<br />
Einsätzen nicht verwunderlich. Wir<br />
hoffen, dass wir bei dieser sehr schönen<br />
Veranstaltung auch im kommen Jahr<br />
wieder teilnehmen können. #<br />
Veranstaltungshinweis<br />
Der Tenor BJÖRN CASAPIETRA<br />
kommt mit seinem Programm<br />
„SUMMER LOVE SONGS“ - LIEDER<br />
DER SEHNSUCHT nach Münster.<br />
Er verspricht, mit leichter Klassik,<br />
temperamentvoll oder auch<br />
mit leiser Melancholie, sein<br />
Publikum in einen stimmungsvollen<br />
Abend voller Romantik<br />
zu entführen.<br />
Wann 20.<strong>09</strong>.20<strong>13</strong><br />
19.30 Uhr<br />
Wo<br />
Münster/NRW,<br />
Petrikirche<br />
Tickets 01806 570070<br />
01805 4470000<br />
23
Bericht | Text: Christoph Tiemann | Foto: Hanno Endres<br />
Columne: „~“ auf Cuba<br />
BILDUNGSAPARTHEIT<br />
Es gibt viele Dinge, die sehen ähnlich aus,<br />
sind in Wirklichkeit aber grundverschieden.<br />
Wurst und Scheiße zum Beispiel.<br />
Wenn uns jemand aber Scheiße als Wurst<br />
verkaufen will, so wird er sich gewählt<br />
ausdrücken, denn manchmal macht ein<br />
guter Name schon die halbe Miete.<br />
Wissen Sie zum Beispiel, was Kajal bedeutet,<br />
meine Damen? Seit über 5.000<br />
Jahren ist das „Kohle aus verbranntem<br />
Butterschmalz“. Würden Sie das unter<br />
diesem Namen kaufen, geschweige denn<br />
es unter Ihre Augen schmieren? „Boris<br />
Entrup von Maybeline Jade Paris gibt<br />
Schminktipps für Kohle aus verbranntem<br />
Butterschmalz.“ Klingt einfach nicht sexy.<br />
„Kaviar“ verkauft sich so bezeichnet auch<br />
viel besser als unter seinem alten Namen:<br />
„Juri Poppows verzehrfertig abgetriebene<br />
Fischembryonen“, und auch Chicken<br />
McNuggets sind erst ein Verkaufsschlager,<br />
seitdem man auf den eigentlichen Namen<br />
verzichtet hat: „pürierte Kückenreste in<br />
Panade.“<br />
Vor allem die Politik bedient sich der<br />
Sprachkosmetik und greift tief ins<br />
Schminktäschchen, um uns hässliche<br />
Ideen nett zurechtgemacht zu präsentieren<br />
– alles unter dem Deckmantel von<br />
politischer Korrektheit, versteht sich.<br />
Nicht dass Sie mich falsch verstehen –<br />
politische Korrektheit ist wichtig! Es ist<br />
gut, dass wir Randgruppen nicht mehr<br />
mit Schimpfwörtern benennen, dass wir<br />
nicht mehr Worte benutzen wie Neger<br />
oder Schwuchtel oder Frau. Aber die<br />
Politik benutzt sprachliche Nebelwerfer,<br />
hinter denen man die wahre Tragweite<br />
des eigentlichen Sachverhalts, wenn<br />
überhaupt, nur noch schemenhaft<br />
erahnen kann. Manchmal sind Begriffe,<br />
die als „politcally correct“ gelten, eben<br />
„facutally äußerst inaccurate“.<br />
Mein Nachbar, der Fiese mit der Glatze<br />
und der dicken Nase aus dem Nachbarhaus,<br />
der ist nicht „in seinen Softskills<br />
sozial defizitär“ – der ist ein Arschloch!<br />
Und das muss man manchmal auch genau<br />
so sagen, sonst versteht mich ja keiner.<br />
Bildungsfern, finde ich, ist auch so ein<br />
sprachlicher Nebelwerfer. Bildungsfern<br />
– das klingt so… schön. Das klingt nach<br />
Blumenkindern, die sich ihre Lerninhalte<br />
noch selber suchen, bildungsfern klingt<br />
nach selbstbestimmter, freier Jugend,<br />
die an einem tropischen Strand fernab<br />
von den moralischen Vorgaben des<br />
Bürgertums ein freies Leben lebt. Die auf<br />
einem Ast schlafen und mit den Drachen<br />
reden, weil sie die Drachen noch sehen<br />
können!<br />
Gemeint sind aber: Assis.<br />
Klar ist das nicht nett, wenn wir das<br />
Prekariat Assis nennen. Aber wenn ich<br />
im Fernsehen „bildungsfern“ höre, dann<br />
denk ich: „Naja, sollen die doch näher<br />
rangehen an die Bildung – sind ja offensichtlich<br />
selber schuld. Man muss auch<br />
ein bisschen wollen!“ „Bildungsfern“<br />
klingt nach freiwilligem Urlaub von der<br />
Bildung mit Tui oder Neckermann. Aber<br />
diese Menschen sind nicht bildungsfern.<br />
Die Bildung ist bei uns ja um die Ecke,<br />
das ist ja die Tragödie. Unsere Bildung<br />
ist nicht versteckt in Hogwarts, wo Du<br />
zunächst das magische Gleis neundreiviertel<br />
finden musst, um an die Bildung<br />
ran zu kommen. Würde auch gar nicht<br />
funktionieren bei uns, wer kann heute<br />
noch richtig Bruchrechnung?<br />
Diese Leute sind nicht bildungsfern,<br />
die sind bildungsausgesperrt! Diese<br />
Menschen sind Opfer der deutschen<br />
Bildungsapartheit. Wenn es stimmt, dass<br />
die Schule ein Spiegel der Gesellschaft<br />
ist, dann leben wir immer noch in einer<br />
mittelalterlichen Ständegesellschaft.<br />
Da haben wir das Gymnasium für die<br />
Patrizier, die Realschule für die Bürger<br />
und die Hauptschule für den Pöbel. Und<br />
die mit den Pestbeulen, für die gibt<br />
‘s die Gesamtschule. Absolutistischen<br />
Herrschern gleich thronen über allem<br />
die Kultusministerien, letzte Bastion der<br />
deutschen Kleinstaaterei, die entscheiden,<br />
was wer im Volk zu lernen habe,<br />
welches Wissen nützt und welches doch<br />
eher belastet bei der Arbeit an Fritteuse,<br />
Feudel und Frisiertisch.<br />
„Also,“ spricht der Bildungsfürst, „heilig<br />
sei uns das Gymnasium! Ein geborgener<br />
Hort der Bessergestellten sei es, auf dass<br />
die jungen Liberalen einen Schulhof haben,<br />
auf dem sie sich treffen können und<br />
nicht wie an anderen Schulen direkt einen<br />
auf die 12 bekommen. Ein Ort für die<br />
deutsche Elite sollst Du sein, Gymnasium,<br />
denn unserer Elite, sie soll nicht belastet<br />
werden mit Bildungsinhalten wie Mitgefühl<br />
und Rücksicht. Denn die Elite, sie soll<br />
beim Vorwärtslaufen nicht nach links und<br />
rechts oder Gott bewahre nach hinten<br />
gucken. Denn unsere Bildung sei kein<br />
Mannschaftssport, unsere Bildung sei<br />
ein Wettrennen.“ Eigentlich können wir<br />
nur darauf warten, dass die Gentechnik<br />
endlich soweit ist, unser Bildungssystem<br />
zu retten: Prä-Implantationsunterricht!<br />
Abitur nach 12 Wochen in der Petrischale.<br />
Obwohl – da wird es sicher auch wieder<br />
Vorbehalte geben. Ich kenn da eine<br />
Partei, die würd sicher sagen: „Mit den<br />
Assis sollen unsere Kinder aber nicht<br />
zusammen in die gleiche Petrischale.“ #<br />
Christoph Tiemann, Schauspieler und<br />
Kabarettist, ist Gastgeber von Münster<br />
Kabarettbühne CUBARETT. Mit seinem<br />
ersten Soloprogramm „Kabarettverbot“<br />
gewann er den Reinheimer<br />
Satirelöwen und wurde in München<br />
mit der „Silbernen Weisswurscht“ ausgezeichnet.<br />
Sein neues Soloprogramm<br />
„Jetzt wird‘s gewöhnlich“ feiert am 14.<br />
September im Kreativhaus in Münster<br />
Premiere. www.tiemann.tv<br />
24
Bericht | Text: RA Annette Poethke<br />
§<br />
Neues aus dem Erbrecht<br />
Kein „lichter Moment“ bei fortschreitender Demenz<br />
Das OLG (Oberlandesgericht) München hatte im Juli 20<strong>13</strong> folgenden<br />
Fall zu entscheiden: Die Erblasserin Erna hatte mit ihrem<br />
Mann Manuel mehrere verschiedene letztwillige gemeinschaftliche<br />
Verfügungen verfasst, in denen sie zum Schlusserben ihren<br />
gemeinsamen Sohn Siegfried bestimmten. Der überlebende<br />
Ehegatte sollte berechtigt sein, einseitig das Testament beliebig<br />
zu ändern.<br />
Nach Erkrankung von Manuel wurde Erna aufgrund einer<br />
notariellen General- und Vorsorgevollmacht für ihren Mann<br />
Manuel tätig. Durch notarielle Urkunde widerrief sie sämtliche<br />
ursprünglichen Testamente und nahm als Vertreterin von Manuel<br />
die Widerrufserklärung entgegen. Sie setzte mit notariellem<br />
Testament den gemeinsamen Sohn Siegfried als Alleinerben<br />
ein, obwohl in einem früheren Testament der Eheleute Erna<br />
und Manuel eine gemeinnützige Organisation zum Alleinerben<br />
eingesetzt gewesen war. Gerade dies wollte Erna ändern. Der<br />
beurkundende Notar stellte Testierfähigkeit von Erna bei diesem<br />
neuen Testament fest.<br />
Als Erna Mitte Mai 2011 im Alter von 65 Jahren verstarb – Manuel<br />
war bereits im September 2010 vorverstorben –, beantragte<br />
der gemeinsame Sohn Siegfried einen Alleinerbscheinsantrag<br />
beim Nachlassgericht. Das Nachlassgericht wies diesen Erbscheinsantrag<br />
zurück; Siegfrieds Beschwerde beim OLG wurde<br />
ebenfalls zurückgewiesen. Das Nachlassgericht wie auch die Beschwerdeinstanz<br />
haben Testierunfähigkeit bei Erna als gegeben<br />
angenommen. Deshalb seien die von ihr einseitig errichteten<br />
Testamente nichtig. Erna litt nämlich an der Creutzfeldt-Jakob-<br />
Erkrankung mit progredienter (fortschreitender) Demenz. Nach<br />
gerichtlich eingeholten Gutachten wurde festgestellt, dass Erna<br />
zu Ort, Zeit und Situation nicht orientiert war und einfache<br />
Handlungen nicht durchführen konnte. Der Sohn Siegfried hatte<br />
bei seinem Alleinerbscheinsantrag argumentiert, dass Erna in<br />
einem „lichten Moment“ testiert habe. Allerdings habe der<br />
Gutachter festgestellt, dass bei einer chronisch-progredienten<br />
Störung „luzide Intervalle“ (lichte Momente) mit Wiedererlangung<br />
der Urteilfähigkeit praktisch ausgeschlossen sind. Auch die<br />
Einschätzung des Notars bei Aufnahme des Testaments, in dem<br />
er Erna als „testierfähig“ einschätzte, und die Tatsache, dass<br />
sie Dritten gegenüber „normal“ kommunizierte, stehen dieser<br />
Bewertung nicht entgegen. Das OLG stellt fest, dass allein der<br />
Wunsch, ihren Sohn Siegfried zum Alleinerben einzusetzen, nicht<br />
genüge und nicht gleichzusetzen sei mit der für die Testierfähigkeit<br />
notwendigen Frage, ob sie den Inhalt des Testaments<br />
von sich aus bestimmen und sich aus eigener Überzeugung<br />
hierzu ein klares Urteil bilden könne. Die Äußerung des Willens,<br />
jemanden zum Erben einzusetzen, sei nicht mit der Fähigkeit<br />
zur entsprechenden Willensbildung gleichzusetzen.<br />
Diese Entscheidung berücksichtigt die neue Tendenz der wissenschaftlichen<br />
Forschung zur Frage des Zusammenhangs zwischen<br />
chronischer Demenzerkrankung und Testierfähigkeit.<br />
OLG München, Beschluss vom 01.07.20<strong>13</strong> –31 Wx 266/12 = BeckRS<br />
20<strong>13</strong>, 11657 #<br />
George ist ein wunderschöner,<br />
verschmuster und sehr zutraulicher<br />
Kater von 9 Monaten. Er ist ein ausgeglichener<br />
Vertreter und kommt mit der<br />
Berufstätigkeit seiner Leute gut klar.<br />
Wenn seine Pflegeeltern von der Arbeit<br />
nach Hause kommen, erzählt er ihnen<br />
zuerst, wie sein Tag war und braucht<br />
dann ganz viele Schmuseeinheiten und<br />
Aufmerksamkeit. Wenn er die nicht<br />
bekommt, zeigt er deutlich, dass jetzt<br />
„seine“ Spiel- und Beschäftigungszeit<br />
ist! George fühlt sich in der Wohnung<br />
durchaus sehr wohl und erweckt nicht<br />
den Anschein, dass er nach draußen<br />
möchte. Das liegt sicher daran, weil<br />
der arme Kerl mit einem dreifachen<br />
Beckenbruch aufgefunden wurde. Eine<br />
bleibende Behinderung hat er aber<br />
nicht zurückbehalten und würde sich<br />
daher bestimmt über einen Balkon<br />
freuen! Wir denken, dass George ein<br />
Zuhause braucht, in dem er ganz viel<br />
Aufmerksamkeit und Zuneigung bekommt<br />
- gerne mit größeren Kindern.<br />
Ob er als Zweittier geeignet ist, konnten<br />
wir leider noch nicht ausprobieren.<br />
Auf andere Katzen, z. B. beim Tierarzt,<br />
reagiert er aber eher entspannt und<br />
neugierig.<br />
Kontakt: Tel. 0251/8469757 oder www.katzenhilfe-muenster.de<br />
25
Buchtipp | Text: Michael Heß<br />
Lesen<br />
Christian Steinhagen: „Münster im Dritten Reich”<br />
Wenn charakterschwache Personen<br />
Macht bekommen, wird es gefährlich.<br />
Treffend charakterisiert der Autor Christian<br />
Steinhagen den damaligen Leiter<br />
des Münsterischen Rechtsamtes Wilhelm<br />
Sasse. Der war in seiner Funktion<br />
der oberste lokale Arisierer und<br />
meldete schon im Frühjahr 1939<br />
den vollständigen Übergang<br />
jüdischen Eigentums in “arische<br />
Hände”. Nicht nur Rechtsrat<br />
Sasse “arisierte” eifrig, sondern<br />
eine Hierarchiestufe tiefer auch<br />
Assessor Heinrich Austermann.<br />
Die Arisierungen, den Krieg und<br />
die Gefangenschaft überstanden<br />
beide unversehrt und avancierten<br />
anschließend zu Oberstadtdirektoren:<br />
Sasse in Paderborn (bis<br />
1971), Austermann in Münster (bis<br />
1973). Noch 1989 benannte die<br />
Stadt eine größere Straße nach<br />
dem Handlanger der Nazis.<br />
Es sind nur zwei Beispiele unter<br />
vielen, die in der Summe eine<br />
überaus interessante Lektüre<br />
garantieren. Mehr als 100 Verknüpfungen<br />
der Münsterischen<br />
Gesellschaft mit den Funktionseliten<br />
des Dritten Reiches zwischen<br />
Anpassung, Mitläufertum und<br />
Widerstand beschreibt der Autor detailliert.<br />
Wer wissen möchte, was das Portal<br />
der Lambertikirche mit Görings Landsitz<br />
Karinhall bei Berlin zu tun hatte, was<br />
den Zwinger so attraktiv für die Gestapo<br />
machte, wie es kam, dass der Münsteraner<br />
Kapitänleutnant Wilhem Dege als<br />
letzter deutscher Soldat kapitulierte (am<br />
4. September 1945) oder wie das prächtige<br />
neobarocke Portal am Haus Salzstraße 57<br />
durch die Bombennächte erhalten blieb,<br />
wird in den mehr als 100 Beiträgen dieses<br />
Buches fündig.<br />
Münster galt den Nazis als schwieriges<br />
Pflaster, weil katholisch geprägt<br />
und westfälisch renitent. Größen wie<br />
Hitler und Goebbels waren nur einmal<br />
als Pflichterfüllung an der Aa - was die<br />
lokalen Funktionäre wie Gauleiter Meyer,<br />
NSDAP-Kreisleiter Schmidt-Münster,<br />
Oberbürgermeister Hillebrand (er legte<br />
Aschendorff Verlag Münster 20<strong>13</strong><br />
232 Seiten | Preis 19,80 EUR.<br />
ISBN 978-3-402-<strong>13</strong>011-7<br />
nach 1945 noch eine bescheidene Sportskarriere<br />
hin und starb 1961 in Münster)<br />
oder den schmierigen Landeshauptmann<br />
Kolbow nicht weniger gefährlich macht.<br />
Erst recht gilt das für diejenigen Täter,<br />
für die Münster eine Karrierestation<br />
bildete, wie den späteren Vernichter des<br />
Warschauer Gettos Jürgen Stroop (1946<br />
hingerichtet) oder den Gestapobeamten<br />
Ludwig Hahn (untergetaucht, 19<strong>60</strong> verhaftet,<br />
zwei Prozesse 1973/75). Schließlich<br />
gibt es noch die wissenschaftlichen<br />
Mittäter wie den Eugeniker Professor<br />
Otmar von Verschuer, dessen Schuld<br />
die Debatte um die Paul-Wulf-Skulptur<br />
gründlich ausleuchtete. Wulf und auch<br />
Bischof Galen betreffend, verzichtete der<br />
Autor bei Personen, die schon vor<br />
dessen Recherchen hinreichend<br />
dokumentiert waren, auf gesonderte<br />
Beiträge. Dem Ekenntnisgewinn<br />
kommt das durchaus zugute.<br />
Auch den Opfern widmet der<br />
Autor eigene Beiträge. Wer weiß<br />
schon, dass der spätere langjährige<br />
senegalesische Präsident<br />
Leopold Sedar Senghor als französischer<br />
Kriegsgefangener am<br />
Hohen Heckenweg inhaftiert war<br />
(Münster gefiel ihm übrigens gut)?<br />
Wer kennt die Intrigen gegen den<br />
ebenso verdienten wie arglosen<br />
Direktor des Naturkundemuseums<br />
Hermann Reichling, der<br />
1948 an den Spätfolgen seiner<br />
KZ-Inhaftierung starb? Oder den<br />
Juristen Paulus von Husen, der ab<br />
1941 dem Kreisauer Kreis angehörte,<br />
1944/45 viermal nur knapp<br />
dem Tode entkam und der mit der<br />
lauen Entnazifizierung nach 1945<br />
sarkastisch abrechnete?<br />
Münsters historisch interessierte Bürgerschaft<br />
hat dem Autor sehr zu danken.<br />
Ein Punkt dürfte indessen für Diskussionen<br />
sorgen: der zeitgeistig launige<br />
Schreibstil des Autors. Den Einen wird er<br />
unzulässige Veharmlosung der Täter sein,<br />
den Anderen allerdings eine Annäherung<br />
an die braune Lokalgeschichte ermöglichen.<br />
Letztlich düfte aber der zweite<br />
Aspekt überwiegen. Christian Steinhagen<br />
arbeitet eine lange verdrängte Facette<br />
der jüngeren Lokalgeschichte informativ<br />
auf. Und mit Blick auf dem fleißigen<br />
Arisierer Heinrich Austermann dürfte die<br />
Zukunft der nach ihm benannten Straße<br />
interessieren. #<br />
26
Rezepte | Text: Elmo | Foto: Rainer Sturm / pixelio.de<br />
Back to the roasts<br />
Der sunday roast ist traditionell das sonntägliche Mittagessen<br />
auf den britischen Inseln. Seine Wurzeln sollen bis ins 18.<br />
Jahrhundert zurückreichen, als der Beginn der modernen<br />
Landwirtschaft in der Grafschaft Yorkshire für bessere Erträge<br />
sorgte. Das Fleisch wurde vor dem Kirchgang in den Ofen<br />
geschoben, um nach der Rückkehr im Kreise der Familie<br />
mit zahlreichen Beilagen verzehrt zu werden. „Zurück zum<br />
Sonntagsbraten“, erhebt sich hier und da auch eine Stimme<br />
im Zuge der aktuellen Debatte um den Fleischkonsum. Laut<br />
einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Vegetarierbundes<br />
Deutschland verzichten knapp über die Hälfte der<br />
Deutschen (52%) nach eigenen Angaben an drei oder mehr Tagen<br />
in der Woche auf Fleisch. Eine Online-Befragung der Universitäten<br />
Göttingen und Hohenheim verzeichnet immerhin<br />
11,6 % Flexitarier und 9,6 % reduktionswillige Fleischesser.<br />
Klasse statt Masse - gegen den Sonntagsbraten in Bioqualität<br />
ist für alle Teilzeitvegetarier bestimmt nicht viel einzuwenden.<br />
#<br />
Lammkeule mit Kräuterkruste<br />
Gefüllter Hackbraten<br />
im Speckmantel<br />
Krustenbraten<br />
Zutaten<br />
• ca. <strong>60</strong>0 g Lammkeule<br />
• Olivenöl<br />
• 3-4 Knoblauchzehen<br />
• 3-4 EL Rosmarin, Thymian, Estragon<br />
• 4-5 EL Semmelbrösel<br />
• 2 EL Senf<br />
• 1 Eigelb<br />
• 1 TL Honig<br />
• 1/4 L Rotwein<br />
• Salz und Pfeffer<br />
• Alufolie<br />
Zubereitung<br />
Lammkeule mit Senf, Salz und Pfeffer gut<br />
einreiben und in einer heißen Pfanne<br />
mit Öl von allen Seiten scharf anbraten.<br />
Danach die Hitze reduzieren, mit Rotwein<br />
ablöschen und die Lammkeule bei<br />
halbgeschlossenem Deckel 50 Minuten<br />
weitergaren. Gelegentlich mit dem Eigenfett<br />
begießen und bei Bedarf Rotwein<br />
nachgießen. Anschließend das Lamm<br />
mit den Kräutern und dem Knoblauch in<br />
Alufolie einwickeln und 10 Minuten ruhen<br />
lassen. Den Backofen auf 1<strong>60</strong>°C vorheizen.<br />
Für die Kruste die Semmelbrösel, den<br />
Honig, 2 EL Kräuter und 1 Knoblauchzehe<br />
(feinzerhackt) vermischen. Das Lamm<br />
aus der Alufolie nehmen, mit der Krustenmischung<br />
dick bestreichen und zum<br />
Abschluss nochmal 12-15 Minuten im Ofen<br />
backen. #<br />
Zutaten<br />
• 250 g Frühstücksspeck<br />
• 1 kg Hackfleisch gemischt<br />
• 3 Eier<br />
• 1 Tasse Semmelbrösel<br />
• 1 Zwiebel, fein gewürfelt<br />
• 2 Knoblauchzehen, fein gehackt<br />
• 2 EL Senf scharf<br />
• 2 EL Majoran, fein gehackt<br />
• 3 Elf Petersilie, fein gehackt<br />
• 1 Paprika (rot), klein gewürfelt<br />
• 75 g Fetakäse<br />
• 50 g Bergkäse (oder eine ähnliche<br />
Käsesorte)<br />
• Alu- oder Frischhaltefolie<br />
Zubereitung<br />
Den Hackepeter mit den Eiern, den<br />
Semmelbröseln, der Zwiebel, dem Senf<br />
und den Kräutern vermischen. Das Ganze<br />
erst mal kalt stellen. Ein großes Stück<br />
Alu- oder Frischhaltefolie nehmen und<br />
auf dem Tisch ausbreiten. Den Speck auf<br />
der Folie in Form eines Gitters auslegen.<br />
Darauf das Hackfleisch ca. 1-2 cm dick<br />
auftragen, am Rande des Specks aber 1-2<br />
cm Platz lassen. Den Käse und die Paprika<br />
in der Mitte verteilen. Das Ganze vorsichtig<br />
aufrollen und alles schön festdrücken.<br />
Backofen auf 1<strong>60</strong>°C vorheizen, den Braten<br />
in den Ofen geben und 40 Minuten garen<br />
lassen. Ca. 5 Minuten vor Ende der Garzeit<br />
die Temperatur auf 220°C hochstellen,<br />
damit der Speck schön knusprig wird. #<br />
Zutaten<br />
• 1,5 kg Schweinekrustenbraten mit<br />
Schwarte<br />
• eine kleine Hand voll Kräuter der<br />
Provence<br />
• 3 große Möhren in Scheiben<br />
• 4 große Zwiebeln, gewürfelt<br />
• 4 Knoblauchzehen in Stücken<br />
• 1l Rinderbrühe<br />
• Senf<br />
Zubereitung<br />
Die Schwarte rautenförmig einschneiden<br />
und den Braten mit Senf, Salz und<br />
Pfeffer gut einreiben. Backofen auf 200°C<br />
(Umluft 180°C) vorheizen. Öl im Bräter<br />
heiß werden lassen, den Braten mit der<br />
Schwarte nach unten ca. 20 Minuten braten,<br />
dann umdrehen. Die Temperatur auf<br />
180° (Umluft 1<strong>60</strong>°C) senken, das Gemüse<br />
mit in den Bräter geben und nochmal 20<br />
Minuten braten. Den Bräter nun soweit<br />
mit Brühe füllen, dass das Gemüse zur<br />
Hälfte bedeckt ist. Den Braten alle 10-15<br />
Minuten mit Schmorflüssigkeit begießen,<br />
Brühe gegebenenfalls nachfüllen. Für<br />
die Menge an Fleisch empfiehlt sich<br />
eine Garzeit von 1,5 bis 2 Std. Wer die<br />
Schwarte richtig knusprig mag, schaltet<br />
eine halbe Stunde vor Ende der Garzeit<br />
den Grill dazu. Für eine leckere Soße den<br />
Braten aus dem Bräter nehmen und den<br />
ganzen Bratensatz mit Gemüse in einen<br />
großen Topf füllen, erhitzen und das<br />
Ganze pürieren. Falls die Soße zu dick<br />
ist, einfach mit Brühe auffüllen, ist die<br />
Soße zu dünn, dann kann man dunklen<br />
Soßenbinder hinzufügen. #<br />
27
Bericht | Text: Horst Gärtner<br />
Ihr ~ - Verkäufer hat die Nummer:<br />
Schlussakkord<br />
Liebe Leserinnen und Leser, bei meiner Suche nach der heilen<br />
Welt bin ich zwei Menschen begegnet, vor denen ich große Achtung<br />
habe. Wenn Sie den Schlussakkord gelesen haben, werden<br />
Sie mich verstehen.<br />
Steinfurt. „Das Schönste ist, dass wir helfen konnten, den Kindern<br />
Brücken zu bauen, angefangen bei den ersten Schritten<br />
in der Schule bis hin zu gelungenen Schulabschlüssen und zu<br />
einem beruflichen Einstieg, der ihrem Leben eine richtige Spur<br />
gibt.“ Das betonen Maria* und Franz*, sie schwerstbehinderte<br />
Rollstuhlfahrerin, er, der immer wieder betont, dass auch ein<br />
Schwerbehinderter die Hände nicht in den Schoß legen muss,<br />
sondern zupacken kann. *Name von der Redaktion geändert<br />
Nach ihrer Pensionierung half Maria zunächst bei Gemeinschaftsveranstaltungen<br />
bei Mobile. Dort besprach sie mit<br />
jemanden, dass sie gerne eine weitere Aufgabe übernehmen<br />
würde, und es kam wie aus der Pistole geschossen: „Ich habe<br />
eine für Sie.“<br />
So begannen vor mehr als 15 Jahren erste Kontakte zu einer<br />
tamilischen Familie: vier Kinder, das jüngste lag noch im Kinderwagen,<br />
das älteste ging zur Grundschule und wurde schon<br />
betreut. Aber der nächst ältere Sohn stand kurz vor der Grundschule,<br />
und die Eltern konnten ihm nicht helfen, da sie selbst<br />
kein Deutsch sprachen. Nach einem Kontaktgespräch kam die<br />
Mutter mit dem Fünfjährigen, der auf die Grundschule vorbereitet<br />
werden musste. In der ersten Zeit blieb sie dabei, wenn<br />
Maria versuchte, sich mit dem Jungen zu unterhalten, und es<br />
dauerte schon eine geraume Zeit, bis er „warm geworden war“<br />
und alleine kommen konnte. Nach Schulbeginn kam er dreimal<br />
die Woche, blieb eine oder auch eineinhalb Stunden, später<br />
viermal, weil eine intensive Unterstützung bei der Sprachförderung<br />
und bei Schulaufgaben einfach notwendig war. Zur „Erholung“<br />
wurden nach der Hilfestellung bei den Schulaufgaben<br />
Lernspiele gemacht. Durch den Kontakt mit dem Fünfjährigen<br />
lernten auch die beiden anderen Kinder Maria kennen und<br />
fassten Vertrauen zu ihr. Als sie im Vorschulalter waren, dauerte<br />
das „Kennenlernen“ nicht mehr lange; sie wussten ja, wie gut<br />
ihr Bruder betreut worden war.<br />
Im Ergebnis haben Maria und Franz die drei Kinder die ganze<br />
Schulzeit hindurch intensiv begleitet, haben an Elternversammlungen<br />
teilgenommen und zusammen mit den Eltern<br />
Lehrerentscheidungen für künftigen Schulbesuch konterkariert.<br />
Sie sind glücklich und stolz darauf, dass der Älteste sein Abitur<br />
mit 2,2 gemacht hat, dass die „Kleine“, die damals noch im Kinderwagen<br />
lag, mittlerweile mit guten Zeugnissen die Realschule<br />
durchläuft und vom Beruf „Designerin“ träumt - und dass sie<br />
von den Kindern bei wichtigen Entscheidungen immer wieder<br />
zu Rate gezogen werden. Wenn die Schule vor dem Abschluss<br />
steht und sie sich Gedanken über eine Berufswahl machen,<br />
verbringen sie ganze Tage miteinander, um den richtigen Weg<br />
zu finden.<br />
Wie aus einem Munde sagen Maria und Franz: „Wir haben uns<br />
um sie gekümmert, als wenn es unsere eigenen Kinder wären,<br />
und es ist uns nicht zuviel geworden. Wir haben nicht nur<br />
geschenkt, sondern wir wurden auch immer wieder beschenkt,<br />
wenn sie mit guten Klassenarbeiten kamen oder wenn sie sonst<br />
Grund zur Freude hatten.“<br />
Franz, der Maria bei den Hilfen aktiv unterstützt, vor allem<br />
in der Außenrepräsentation, engagiert sich außerdem in der<br />
Hospizarbeit, gehört der Bewegung seit ihrer Gründung hier<br />
an und ist mittlerweile im Vorstand. Diese Arbeit führt ihn zu<br />
Schwerkranken, Sterbenden, mit denen er ebenso spricht wie<br />
mit den Angehörigen - in manchen Fällen wochenlang. „Wichtig<br />
ist, dass man zuhören kann und dass man dann die richtige<br />
Brücke findet!“<br />
Ich habe zwei Menschen getroffen, die sich trotz schwerster<br />
Behinderung nicht nur vorübergehend, sondern jahrelang an<br />
andere verschenken und glücklich dabei sind.<br />
Horst Gärtner<br />
Erster Vorsitzender ~ e.V.<br />
Emi ist eine der fünf Katzen eines<br />
Haushaltes, die ins Tierheim umziehen<br />
mussten. Anfangs hat sich<br />
immer unter einer Decke versteckt,<br />
was ihr den Spitznamen „Beule“<br />
eingebracht hat. Selbst zu den<br />
Fütterungszeiten traute sie sich<br />
aus ihrem Versteck nicht heraus,<br />
nur mit viel gutem Zureden und<br />
Streicheln konnte man ihr das<br />
Futter servieren. Mittlerweile ist<br />
Kontakt: katzen@tierfreunde-ms.de oder Tel: 32 50 58<br />
Emi deutlich aufgetaut und traut<br />
sich im Beisein eines Menschen<br />
heraus, um ihre Umgebung zu<br />
erkunden oder und um sich Streicheleinheit<br />
abzuholen. In ihrem<br />
neuen Zuhause sollte es eher ruhig<br />
zugehen. Emi ist Freigang gewohnt<br />
und möchte diesen natürlich auch<br />
zukünftig wieder genießen. Emi ist<br />
2007 geboren. #<br />
28
Das Beste kommt zum Schluss<br />
Eine Frau wird unheilbar krank.<br />
Der Arzt teilt ihr mit, dass sie nur<br />
noch drei Monate zu leben hat. Nach<br />
dem ersten Erschrecken beginnt sie,<br />
ihre Angelegenheiten zu ordnen und<br />
sich auf das Sterben vorzubereiten.<br />
Schließlich bittet sie auch den Pfarrer<br />
um ein Gespräch. Sie sagt ihm, welche<br />
Lieder bei ihrer Beerdigung gesungen<br />
werden sollen und welchen Bibeltext<br />
sie sich wünscht. Zum Schluss hat die<br />
Frau noch eine besondere Bitte: »Ich<br />
will mit einem kleinen Löffel in der<br />
rechten Hand aufgebahrt werden.«<br />
Dem Pfarrer ist seine Verwunderung<br />
deutlich anzusehen. Daraufhin erklärt<br />
sie: »In meinem Leben war ich oft zu<br />
Festessen und Empfängen eingeladen.<br />
Wenn das Geschirr abgeräumt wurde,<br />
dann hieß es meistens, man solle den<br />
Löffel behalten. Das hat mich gefreut,<br />
weil ich wusste, dass noch etwas Gutes<br />
kommt. Eiscreme, ein Stück Torte,<br />
Schokoladenmousse oder eine andere<br />
Köstlichkeit, die das Mahl abrundet.«<br />
Die Frau fuhr fort: »Ich möchte, dass<br />
sich die Leute wundern, wenn sie mich<br />
mit dem Löffel in der Hand im Sarg sehen.<br />
Und dann sollen Sie Ihnen sagen:<br />
„Behalten Sie Ihren Löffel – das Beste<br />
kommt noch!“«<br />
Foto: uschi dreiucker / pixelio.de<br />
29
Zur Erinnerung<br />
Vom 02. bis zum 18.<br />
Dezember 20<strong>13</strong> im Foyer<br />
des Stadthauses I an der<br />
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Paul Demel<br />
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Auch Fachanwalt für<br />
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Miet- und Wohnungseigentumsrecht<br />
§ § § § § § § § §<br />
weitere Schwerpunkte:<br />
§ § §<br />
•<br />
§<br />
Baurecht<br />
§ § § § §<br />
• Sozialrecht<br />
§ § § • § Nachbarschaftsrecht § § § § §<br />
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Bahnhofsstr. 7<br />
48143 Münster<br />
§ § §<br />
Tel.:<br />
§(02 51)<br />
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05 05<br />
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Fax: (02 51) 414 05 06<br />
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