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TheaterCourier - Ausgabe 8 - 01. März 2014

Die Theaterzeitung für Dresden und das Umland.

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SEITE 18<br />

PERSPEKTIVEN<br />

WWW.THEATERCOURIER.DE<br />

SEMPEROPERNBALL / OPERETTE<br />

Dresden glitzerte!<br />

Am 07. Februar fand der diesjährige<br />

Semperopernball statt.<br />

Glückwunsch an die ausgezeichneten<br />

Dresdner und die Organisatoren um<br />

Hans-Joachim Frey - der Semperopernball<br />

wird von Jahr zu Jahr immer erfolgreicher<br />

und Dresden streift zu diesem<br />

Anlass auch einmal seine Provinzialität<br />

gänzlich ab und sonnt sich im Licht von<br />

Weltstars.<br />

<strong>2014</strong> brachte Sylvia von Schweden<br />

Glanz und Gloria. Catherine Deneuve,<br />

Manuel Baroso, Udo Jürgens und Thomas<br />

Gottschalk sind weitere St. Georgs-<br />

Ordenträger, die dem Fest mit dem<br />

Motto „Dresden glitzert“ durch ihre<br />

Persönlichkeit Glanz verliehen haben<br />

und so auch ihren Beitrag zum Glanz<br />

Dresdens geleistet haben. Sagt man uns<br />

Deutschen die Sehnsucht zum Royalen<br />

nach, am 07. Februar durfte sie ausgelebt<br />

werden und wurde durch den Auftritt<br />

der Debütantenpaare, die Auszeichnung<br />

der Dresdner als „bestes Publikum der<br />

Feuerwerk zum Abschluss des SemperOpernballs.<br />

Welt“ und natürlich durch die Königin<br />

von Schweden gekrönt.<br />

Es geht in so einer Nacht nicht um<br />

die Qualität der musikalischen Darbietungen<br />

oder noch nie da gewesene<br />

Foto: Kongressbild.de<br />

Dekorationen, es soll einfach gefeiert<br />

und geschwelgt werden. Auch der bewegende<br />

Spendenaufruf von UNICEF<br />

Botschafterin Sabine Christiansen, die<br />

gewohnt souveräne Moderation von<br />

Wer braucht heute noch eine Operette?<br />

Eine Frage, die sich der Dresdner<br />

Politikwissenschaftler Werner J.<br />

Patzelt stellt.<br />

Manche Fragen sind so gestellt, dass die<br />

Antwort auf eine falsche Fährte führt. Die<br />

in der Überschrift ist eine davon. Nur wird<br />

sie – leider – oft genau so formuliert, und<br />

zwar nicht nur im normalen Alltag, sondern<br />

auch in kulturpolitischen Kreisen.<br />

Was braucht man denn wirklich – außer<br />

Nahrung, Kleidung und Obdach? Braucht<br />

man Urlaub am Mittelmeer, öffentlich zugängliche<br />

Parks, Konzertsäle? Den Unterschied<br />

macht, dass die einen Dinge zum<br />

Leben nötig sind – und die anderen es<br />

schöner machen. Und was unterscheidet<br />

beim Schönermachen das Heute so sehr<br />

vom Gestern, dass es jetzt um ganz andere<br />

Dinge gehen würde? Neben wechselnden<br />

Moden im Grunde nur, dass manches, was<br />

gestern als Luxus galt, heute zum erwarteten<br />

Minimum an Lebensqualität zählt. Mit<br />

dem Selbsverständlichwerden von früherem<br />

Luxus entsteht aber Raum für neue<br />

Glanzlichter auf dem Alltagsleben. Etwa<br />

für die Stunden mit Musiktheater – von<br />

Monteverdis „Orfeo“ bis zu „Sister Act“.<br />

Gleich geblieben ist jedenfalls, worin das<br />

Leben schöner werden kann: Festtagszeiten<br />

geleiten hinaus über die Tretmühle des<br />

Berufs, Erfahrungen lassen sich in besseren<br />

Lebenswelten machen als der eigenen,<br />

auf die Käfigstangen seiner Routine blickt<br />

man von außerhalb und kann dann wieder<br />

wachsen.<br />

Kulturkraftwerk Mitte<br />

Copyright: pfp Architekten, Prof. Jörg Friedrich<br />

Wer aber braucht das wirklich – oder<br />

meint wenigstens, derlei zu brauchen? In<br />

seinen Träumen gewiss mancher mehr, als<br />

er offen zugibt. Und gut tun schöne Erlebnisse<br />

abseits der Alltagsbahnen bestimmt<br />

vielen mehr, als sie nach Lust und Laune<br />

erleben können. Muss aber wohl die öffentliche<br />

Hand für solchen Luxus – von<br />

Bällen über das Theater bis hin zu Sportplätzen<br />

– die Gelegenheiten schaffen? Da<br />

drängen sich Rückfragen auf. Muss wohl<br />

erst jeder zum Fußball gehen, bevor es<br />

angemessen ist, ein Stadion zu bauen?<br />

Was spricht dagegen, auch Minderheiten<br />

ihre Wünsche nach Schönem jenseits des<br />

Alltags erfüllbar zu machen – solange das<br />

der Mehrheit nichts Unverzichtbares wegnimmt<br />

und die neuen Möglichkeiten jedem<br />

offenstehen, ja jedem sogar mit Fleiß<br />

angeboten werden?<br />

Schön, das überzeugt! Aber warum muss<br />

es bei solchen den Alltag verschönernden<br />

Dingen ausgerechnet die Operette sein?<br />

Wäre statt der „Operette im Zentrum“<br />

nicht besser eine Halle für Popkonzerte<br />

oder Volksmusik geeignet, neue Farben ins<br />

Leben der Dresdner zu bringen? Reicht<br />

denn für bildungsbürgerliches Publikum<br />

nicht ein Opernhaus? Und kann die Operette<br />

überhaupt eine Zukunft haben – mit<br />

ihren dem heutigen Leben so fremden<br />

Stoffen („Zigeunerbaron“ – wie unkorrekt<br />

schon der Titel!), mit ihrer unpolitischen<br />

Eindudelei des Verstandes („Fledermaus“),<br />

mit ihrem ohnehin wegsterbenden<br />

Rentnerpublikum?<br />

Treffer. Was will man da noch sagen? –<br />

Am besten wird man weiterfragen. War<br />

die Musik von Schütz oder Bach wohl<br />

wertlos geworden in den Jahrzehnten vor<br />

ihrer Wiederentdeckung – oder bestand<br />

die Schwäche nicht eher darin, dass einige<br />

Generationen sie nicht hören wollten?<br />

Und wenn die Nazis aus jenem populären,<br />

zeitkritischen Musiktheater, das die<br />

Operette seit jeher war, eine Oase politikverdrängenden<br />

Amüsements machten:<br />

Müssen wir dann wirklich jene leere Hülle,<br />

zu der die Nazis die Operette schrumpfen<br />

ließen, weiterhin für deren Ganzes halten<br />

und nicht wieder darüber hinauswachsen<br />

lassen? Hätten nicht jene – oft jüdischen<br />

– Librettisten und Komponisten neue Beachtung<br />

verdient, denen die Operette ihre<br />

bislang letzte Blüte verdankte? Und wenn<br />

in den USA des frühen 20. Jahrhundert<br />

amerikanische Komponisten das europäische<br />

Musiktheater zum stilistisch und<br />

dramaturgisch neu ansetzenden „musical<br />

play“ umformten und dieses dann, zusammen<br />

mit dem Kulturimperialismus der in<br />

wichtigen Kriegen siegreichen USA, als<br />

„Musical“ einen Siegeszug über die das<br />

Gunter Emmerlich (dieses Jahr begleitet<br />

von Collien Ulmen-Fernandes), die<br />

beliebten Theaterplatz-Anheizer Anja<br />

Köbel und René Kindermann und natürlich<br />

die Unterstützung der Wirtschaft<br />

(Gläserne Manufaktur, Juwelier Leicht,<br />

Feldschlösschen u.a.) haben für ein warmes,<br />

wohliges Gefühl und eine rundum<br />

gelungene Ballnacht gesorgt.<br />

Am schönsten sind bei perfekt geplanten<br />

Events wie dem Semperopernball<br />

aber immer wieder die kleinen Pannen,<br />

die dem Abend erst Leben einhauchen:<br />

der nicht funktionierende Blinkorden<br />

von OB Helma Orosz etwa, oder wenn<br />

eine sehr distinguiert zurecht gemachte<br />

Dame ihrem Herrn energisch zuraunt,<br />

„wir gehen jetzt hier lang, Peter!“, um<br />

dann in der Sekunde beim Aufstieg in<br />

den Rang über die zweite Treppenstufe<br />

zu stolpern und von einem ebenso unbekannt<br />

bleibenden Kavalier aufgefangen<br />

wird. Dresden steht der Dreivierteltakt<br />

hervorragend und die Vorfreude auf<br />

den X. Semperopernball am 30. Januar<br />

2015 wächst schon.<br />

deutschsprachige Europa, überhaupt über<br />

die „alte Welt“ und den Rest des Globus<br />

antrat: Müssen wir dann die Augen und<br />

Ohren – oder gar den Verstand – vor alledem<br />

verschließen, was die so reiche, so<br />

kennenswerte Vorgeschichte jenes Neuen<br />

war? Oder sollten wir, denen die Neuerrichtung<br />

kriegszerstörter Kirchen und<br />

Schlösser so sehr ein Anliegen ist, nicht<br />

besser die auch heute noch ansehnlichen<br />

Bühnenwerke früherer Zeiten zu einer<br />

Quelle von zeitgenössischer Freude, Inspiration<br />

und Gesellschaftskritik machen?<br />

Natürlich setzen auch diese Fragen auf<br />

Fährten. Es sind freilich die richtigen. Sie<br />

führen zu einem Musiktheater, in dem,<br />

vom Musical zurück über die Operette bis<br />

hin zur Spieloper, das populäre, das nichthöfische,<br />

das – innerhalb einer nun einmal<br />

hier und jetzt nicht zu ändernden Ordnung<br />

– die bestehenden Umstände kritisierende<br />

Bühnenspiel gepflogen wird. Sie<br />

führen zu einer Spielstätte für Leute auch<br />

ohne großen Geldbeutel und ohne Bedarf<br />

an Zurschaustellung ihrer selbst. Und sie<br />

führen zu einer „Volksoper“ für jene, die<br />

sich Regiearbeiten wünschen, die eher dem<br />

inszenierten Werk dienen als den kontrapunktischen<br />

Künsten des Inszenierenden.<br />

Das alles ist gut. Das alles ist Kunst,<br />

die nicht ihrer selbst, sondern der Zuhörer<br />

und Zuschauer willen hervorgebracht<br />

wird. Und es macht eine Stadt viel reicher,<br />

wenn sie ein Theater in ihrem Zentrum<br />

hat, das der so reichhaltigen Kunstform<br />

der Operette gewidmet ist. In Dresden<br />

darf große Vorfreude aufkommen.

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