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SELBST und VERSTÄNDLICH - Kreis Unna

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4 Titelthema<br />

Leben mit einem künstlichen Darmausgang | ILCO setzt sich für positive Aufklärung ein<br />

»Das Stoma bedeutet für mich eine Riesenerleichterung«<br />

Die ILCO Gruppen <strong>Unna</strong> <strong>und</strong> Lünen auf einem Tagesseminar mit anschließender<br />

R<strong>und</strong>fahrt durch den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> | (Foto: privat)<br />

Mit einem künstlichen Darmausgang, einem Stoma leben zu<br />

müssen, ist eine unangenehme Vorstellung. Doch den Menschen,<br />

die ein Stoma tragen, blieb keine Wahl. Die meisten litten<br />

unter Darmkrebs. Bei jüngeren Menschen sind die chronisch<br />

entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn <strong>und</strong> Colitis Ulcerosa<br />

die Hauptursachen für einen künstlichen Darmausgang.<br />

Die Verunsicherung <strong>und</strong> manchmal Verzweiflung von Betroffenen<br />

kennt Michael Kampmann nur zu gut. Er ist Gruppensprecher<br />

der »Selbsthilfegruppe für Stomaträger <strong>und</strong> Menschen<br />

mit Darmkrebs« in Lünen, die vom Deutschen ILCO e. V., einer<br />

Selbsthilfevereinigung für Stomaträger <strong>und</strong> Menschen mit<br />

Darmkrebs in Kooperation mit dem St.-Marien-Hospital Lünen<br />

angeboten wird. Michael Kampmann trägt seit einigen Jahren<br />

einen künstlichen Darmausgang. Er bekam ihn in Folge einer<br />

schweren Erkrankung: Mit Anfang 20 musste er plötzlich ständig<br />

auf die Toilette, hatte dauernd Durchfall <strong>und</strong> fühlte sich<br />

schlecht. Die Ärzte diagnostizierten Morbus Crohn, eine chronische,<br />

schubweise verlaufende Entzündung aller Schichten der<br />

Darmwand. Medikamentös ließen sich die Entzündungen nur<br />

schwer dämpfen. Sechs Mal wurden chirurgische Eingriffe erforderlich,<br />

bei denen die Operateure verengte Stellen im Darm<br />

dehnten, Fisteln verschlossen <strong>und</strong> Abszesse entfernten.<br />

Eine dauerhafte Linderung der Beschwerden gab es leider nicht<br />

<strong>und</strong> damit ging im Laufe der Jahre eine deutliche Verschlechterung<br />

der Lebensqualität einher: »Ges<strong>und</strong>e können es sich gar<br />

nicht vorstellen, wie es ist, wenn man 30 bis 40 Mal am Tag eine<br />

Toilette aufsuchen muss <strong>und</strong> dazu ständig unter Bauchschmerzen<br />

leidet«, berichtet er. Wenn der begeisterte Borussia Dortm<strong>und</strong>-Fan<br />

<strong>und</strong> Dauerkarteninhaber ins Stadion wollte, hat er<br />

schon am Abend zuvor nichts mehr gegessen, damit der Darm<br />

einigermaßen entleert war. »Ansonsten hätte ich statt des Spiels<br />

die Tür der Toilette anschauen können«, erzählt er. Unternehmungen,<br />

egal ob Einkaufsbummel oder Ausflug - spontan war<br />

gar nichts mehr möglich. Und dann kam der Tag, als<br />

ihm die Ärzte dringend zu einer weiteren Operation,<br />

der kompletten Entfernung des Dickdarms rieten.<br />

Ihm war klar, dass dann auch der Schließmuskel<br />

nicht mehr funktioniert <strong>und</strong> er nach der OP zu einem<br />

dauerhaften Stoma-Träger wird.<br />

»Das Stoma bedeutet für mich eine Riesenerleichterung«,<br />

sagt Michael Kampmann heute, r<strong>und</strong> drei Jahre<br />

nach der OP. »Das ist vielleicht schwer nachzuvollziehen,<br />

doch das Entscheidende ist, dass ich es mir<br />

endlich wieder richtig gut geht, ich keine Schmerzen<br />

mehr habe <strong>und</strong> wieder am Leben teilhaben kann wie<br />

jeder andere auch.« Aktiv Fußballspielen darf er als<br />

Stomaträger zwar nicht mehr, aber »Schach, Skat<br />

<strong>und</strong> Dart sind doch auch klasse«, sagt der 56-jährige<br />

optimistisch. Er geht ganz offen mit seiner Krankheit<br />

bzw. dem Tragen des Stomas um, obwohl oder<br />

gerade weil sie immer noch ein Tabuthema ist. In einem kleinen<br />

Stoffbeutel trägt er das Stoma sogar über der Kleidung.<br />

»Manchmal sprechen mich Leute darauf an, dann erkläre ich,<br />

wozu das gut ist <strong>und</strong> die meisten zeigen sich sehr interessiert.«<br />

Der Weg, sich der Selbsthilfegruppe anzuschließen, war für ihn<br />

der richtige: »Die positive Aufklärung über das Leben mit Stoma,<br />

Betroffenen beizustehen <strong>und</strong> Mut zu machen, sehe ich als<br />

meine Aufgabe an«.<br />

So sieht es auch Heinz Uwe Eickhoff, der als Regionalsprecher<br />

der Deutschen ILCO tätig ist <strong>und</strong> viele Menschen aus den sechs<br />

Selbsthilfegruppen in der Region Hamm-Hellweg-Lippe kennt.<br />

Auch er hat einen künstlichen Darmausgang, seit er mit knapp<br />

50 Jahren an Darmkrebs erkrankte. Die Diagnose schockierte<br />

den lebensfrohen Mann sehr. »Damals bin ich in ein tiefes<br />

Loch gefallen, aus dem ich nur mühsam wieder herauskam«,<br />

so Eickhoff. Doch mit großer Unterstützung seiner Familie <strong>und</strong><br />

des behandelnden Arztes sei es ihm gelungen. Schnell fand er<br />

auch den Kontakt zur ILCO – die ihn bis heute nicht mehr »losgelassen«<br />

hat. Einen großen Teil seiner Zeit stellt der 72jährige<br />

in den Dienst der Selbsthilfegruppen. Dazu kommen Besuchsdienste<br />

im Krankenhaus, bürokratische Arbeit, Pressearbeit <strong>und</strong><br />

Tätigkeiten für den Verband.<br />

»Wer unterstützt mich im Alltagsleben?«, »Was muss ich bei<br />

meiner Ernährung beachten?«, »Kann ich noch verreisen?« Es<br />

sind nicht nur Fragen wie diese, auf die die ILCO Betroffenen<br />

Antwort gibt. Ebenso entscheidend sei das positive Erlebnis in<br />

der Gruppe, das Treffen mit Menschen, denen es genauso geht<br />

<strong>und</strong> der Erfahrungsaustausch mit ihnen, so Eickhoff. »Bei uns<br />

wird aber nicht nur über Krankheiten geredet«, fügt Michael<br />

Kampmann an. »Wir unternehmen viel zusammen, gehen essen,<br />

treffen uns zu Ausflügen oder zum Grillabend.« Positiv<br />

denken sei das Wichtigste, meinen beide Männer übereinstimmend.<br />

Und wenn sich irgendwo eine Tür schließe, öffne sich<br />

anderswo ein Fenster.

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