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,<br />
Anblick meines Visums bleich vor<br />
Ehrfurcht und sagte: Da dürfen Sie<br />
sogar mit offenen schwarzen Pocken<br />
ins Land.<br />
Außer diesem kostbaren Visum<br />
hatte ich aber trotz Radiovorträgen<br />
und Kartenverkauf keine großen<br />
Schätze bei mir, Im Mädchenheim der<br />
Franziskanerinnen, wo ich in Beyrutll<br />
hätte mit meinem Geld zwei Monate<br />
gut auskommen können, in Dschidda<br />
aber kostet die bescheidenste Pension<br />
fünf Pfund täglich.<br />
"Sitta", die Stimme der alten Frau<br />
rurt mich in die Wirklichkeit zurück,<br />
Sie ruft mich zu sich, zum Fenster und<br />
durch die Jalousien sehe ich den Be·<br />
sitzer des braunen Cadillac, den Mann,<br />
der nach Lavendel duftet, weil er Kölnischwasser<br />
a. la Lavendel trinkt.<br />
Die Manner des Dorfes umringen<br />
ihn, mit einer Mischung von Respekt<br />
und Verachtung: tugendhafte Armut<br />
vor dem reichen Laster.<br />
Der Mann spricht lebhaft und immer<br />
wieder höre ich das Wort "Nasranija".<br />
Es spricht von mir, bestimmt sagt er,<br />
daß ich die Christin, die Feindin, die<br />
Heilige Stadt entweihen wollte.<br />
Dann fährt er in einer Staubwolke<br />
in die Wüste.<br />
1ch muß plötzlich an den jungen<br />
Schweden denken, der in Amman Moslem<br />
wurde, um nach Mekka zu kommen.<br />
Aber auch das hat ihm nicht geholfen,<br />
denn er wurde .auf dem Wege<br />
zur verbotenen Stadt mit durchschnittener<br />
Kehle tot aufgefunden. Geld und<br />
Waffen waren unberührt geblieben, es<br />
war also nicht ein Raubmord, sondern,<br />
wie die Leute hier sagen, ein Mekka<br />
Mord,<br />
Vor mehreren Jahren wurden sogar<br />
sieben reiche Touristen getötet, die<br />
von der Küste auch nach Mekka kommen<br />
wollten. Sie wurden alle niedergemetzelt,<br />
obwohl es sehr schwer war,<br />
sie als Europäer zu erkennen, denn sie<br />
waren als Beduinen verkleidet.<br />
Es sind eben besondere Menschen,<br />
die Mekka seit Jahrtausenden verteidigen,<br />
denen ein Menschenleben nicht<br />
viel gilt, wenn sie glauben, daß Mekka<br />
bedroht ist.<br />
Viele Männee haben sich auf dem<br />
kleinen Platz versammelt, und immer<br />
öfter höre ich das Wort "Nasranija",<br />
das hier am Rande der heiligen Zone<br />
auchmeinTodesurteil bedeuten könnte.<br />
Endlich kommt der Scheik des Dorfes<br />
auf unser Ilaus zu und klopft an<br />
der Türe.<br />
"Jalla, geh", sagen mir die Frauen,<br />
und ich muß das friedliche, schützende<br />
Haremszimmer verlassen und die Türe<br />
zur Straße öffnen.<br />
"Sitta", sagt mir der Scheik, "ft<br />
seyara", ein Auto ist da. Aus seiner<br />
sprechenden Bewegung verstehe ich<br />
dann, daß der Besitzer des Cadillac<br />
mir ein Taxi geschickt hat, das mich<br />
nach Dschidda führen wird. Damit ich<br />
keine Angst haben muß, wird ein kleiner<br />
Dorf junge mit mir fahren, Dcr I [cer<br />
hat schon alles für mich geregelt.<br />
Und er hat mit keinem Wort verraten,<br />
daß Ich nach Mekka wollte.<br />
An seine Verschwiegenheit werde<br />
ich zwei Stunden später zurückdenken,<br />
wenn in einer gewissen Hinsicht<br />
sein Schicksal in meinen Handen liegen<br />
wird.<br />
Denn ich bin kaum in mein Hotel<br />
zurückgekommen, als mir der Boy<br />
schon sagt, daß der Polizeipräsident<br />
von Dschidda mich in einer wichtigen<br />
Angelegenheit sprechen will.<br />
111.<br />
Ghalib H, Taufik, der Polizeiprä.sident<br />
von Dschidda, ist ein etwa fünfzigjähriger<br />
Mann, groß und hager mit<br />
feinen, leicht mongolischen Zügen.<br />
Er kommt recht liebenswürdig auf<br />
mich zu und spricht mit vollendeter<br />
Höflichkeit.<br />
"Wollen Sie bitte Ihren Paß nehmen<br />
und mir ins Polizeipräsidium folgen,<br />
mein Auto wartet draußen." Er weist<br />
mir den rückwärtigen Platz an und<br />
setzt sich selbst neben den Chauffeur.<br />
Die Polizeidirektion von Dschidda ist<br />
ein schloßartiges Gebäude mit mehreren<br />
Terrassen, die auf das Meer blikken.<br />
Im Parterre, hinter einigen malerischen<br />
Säulen, liegt der niedere fensterlose<br />
Raum, in dem die Gräfin d'<br />
Anduran als Gefangene leben mußte,<br />
weil sie ihren Mann vergiftet haben<br />
soll. Aber vielleicht war ihr einziges<br />
Verbrechen gewesen, daß sie nach<br />
Mekka wollte.<br />
"Bitte, 'nehmen Sie Platz", sagt der<br />
Chef der Polizei, der Mudir, wie er hier<br />
heißt.<br />
Der Raum, in dem wir jetzt sind, ist<br />
typisch für den Orient. Es ist ein Mejles-Zimmer,<br />
der Empfangsraum eines<br />
höheren Würdenträgers, wo täglich<br />
hunderte Menschen ihr Anliegen vor-<br />
GroßreInemachen im Haremsh of! Ohne Schellen und ohnelede Hast verrichten<br />
die Moslemfrauen Ibre Arbeit. Sie wascben, halten die \Vohnräume sauber und betreuen<br />
vorlJildUch ihre Kinder. Sie vertragen sich gut untereinander und sind sehr fromm.<br />
Die Haremsterrasse des •• Tayslr". einer alten Karawanserei, wird MarcelJa d'A rle<br />
für ein ige \Vochen zum Heim. Durch das gescbnih,te GItterwerk kann sie auf di e Straße<br />
blicken. Die geöffneten Fenster gehören turn Salamllk. der Herrenabteilung des Hauses.<br />
bringen. In einem Eck steht ein großer<br />
Schreibtisch und an den Wänden entlang<br />
reiht sich Stubl an Stuhl. Vor jedem<br />
Stuhl wartet gastlich ein kleines<br />
Teetischehen, Die Mitte des Raumes<br />
ist, wie immer im Orient, völlig leer,<br />
nur durch bunte Teppiche belebt.<br />
"Kaffee, Tee, Zigaretten?"<br />
"Nein, nichts, danke," Aber rechtzeitig<br />
erinnere ich mich, daß es im<br />
Orient Pflicht des Gastgebers ist, etwas<br />
anzubieten, aber auch des Gastes, irgendeine<br />
Kleinigkeit anzunehmen. Ich<br />
füge also rasch hinzu: "Bitte ein Glas<br />
Wasser oder eine Limonade,"<br />
"Jetzt möchte ich Sie bitten, mir<br />
einige Fragen zu beantworten. Besitzen<br />
Sie eine Melaia und einen Schleier?"<br />
"Ja."<br />
"Haben Sie diese arabische Kleidung<br />
heute getragen?"<br />
"Ja."<br />
"Warum ?"<br />
Das Spiel ist aus, ich muß die Wahrheit<br />
sagen.<br />
"leh wollte nach Mekka gehen, es<br />
ist IJlir aber nicht gelungen.<br />
Der Mudir lächelt zum ersten Male.<br />
"Es wird Ihnen auch nie gelingen,<br />
eher werden Sie den Mond als erste<br />
Frau betreten." Dann spricht er weiter<br />
nach einem Blick in sein Notizbuch.<br />
"Sie haben es heute sogar öfter versucht;<br />
um 11 Uhr morgens sind Sie in<br />
Scharra Abd el Aziz in ein Taxi gestiegen.<br />
, ."<br />
Es klingt wie Zauberei. Jedes Wort,<br />
das ich im Laufe des Vormittags gesprochen<br />
habe, weiß er. Daß ich in Bab<br />
el Makki zwischen einer dicken Negerin<br />
und zwei Hühnern gesessen bin,<br />
alles, jede Regung, jeden Atemzug<br />
wußte er, als wäre er die ganze Zeit<br />
mit mir gewesen. Und doch war ich<br />
den ganzen Vormittag nur ein schwarzer<br />
Schatten.<br />
"Dann", setzt er fort, "haben Sie zu<br />
Fuß Bab el Makki verlassen, Nach<br />
einer Weile ist ein Auto neben Ihnen<br />
stehengeblieben und Sie sind eingestiegen.<br />
Nach dem, was wir weiter wissen,<br />
waren Sie dann in großer Gefahr.<br />
Es ist jetzt meine Pflicht, jenen Mann<br />
unschädlich zu machen, Dieses Land"<br />
wird durch die Gesetze des Korans regiert,<br />
unsere Frauen müssen vielleicht<br />
auf manche Freiheit, auf manche Annehmlichkeit<br />
verzichten, Dafür sehen<br />
wir es aber als unsere heiligste Pflicht<br />
an, ihr Leben und ihre Ehre zu schützen.<br />
Wer sich bei uns an einer Frau<br />
vergreift, hat ein Kapitalverbrechen<br />
begangen und muß unter Umständen<br />
mit seinem Leben dafür büßen,"<br />
Mir wird schwarz vor den Augen<br />
Mein Gott, mein Gott!<br />
"Es ist aber nichts geschehen, außerdem<br />
weiß ich nicht, wie der Mann<br />
heißt."<br />
"Das werden wir bald herausbekommen,<br />
Was ich von Ihnen verlange, ist,<br />
daß Sie die Anzeige erstatten."<br />
"Nein, das will ich nicht tun."<br />
"Der Mann ist ein Verbrecher, der<br />
Sie in eine Falle gelockt hat. Er darf<br />
nicht ungestraft bleiben, sonst wird<br />
er sich an einer anderen Frau vergreifen,<br />
Darum brauche ich Ihre Anzeige."<br />
"Ich will aber nicht:' So geht es weiter,<br />
eine Stunde nach der anderen. Ich<br />
kann und will nicht nachgeben. Endlich<br />
begnügt sich der Mudir mit einer kurzen<br />
Erklärung, die ich unterschreiben<br />
muß, leb erkläre darin wörtlich, es ist<br />
mir nichts geschehen, und ich werfe<br />
dem Unbekannten nichts vor. Darauf<br />
wandert meine Erklärung ins Polizeiarchiv<br />
von Dschidda, wo sie vermutlich<br />
noch heute liegt.<br />
"Und jetzt", sagt der Mudir, "wollen<br />
wir von etwas anderem sprechen.<br />
Darf ich Ihren Paß sehen, Ich nehme<br />
an, daß Sie morgen sehr müde sein<br />
werden, aber übermorgen werden Sie<br />
wahrscheinlich schon imstande sein,<br />
das Land zu verlassen." Doch plötzlich<br />
hält er inne, er hat das berühmte Visum<br />
gesehen, das mir erlaubt hätte, sogar<br />
mit den schwarzen Pocken ins<br />
Land zu kommen.<br />
"Wie kommen Sie zu diesem Diplomatenvisum'?<br />
Wer hat übrigens für Sie<br />
garantiert?"<br />
"Für mich garantiert?"<br />
"Jeder Fremde, der in unser Land<br />
will, muß hier eine Persönlichkeit haben,<br />
die für ihn mit 600 Pfund bürgt."<br />
"Ich kenne aber niemanden hier. Ich<br />
habe nur telegrafiert, geschrieben und<br />
wieder telegrafiert.··<br />
" ... bis ein Wunder geschehen ist<br />
und die Regierung oder der König für<br />
Sie gebürgt hat. Das ändert natürlich<br />
Ihre Lage, so gern ich Sie auch aus<br />
dem Lande haben möchte, aus Angst,<br />
daß Ihnen einmal doch etwas zustoßen<br />
könnte, obwohl" er lächelte dabei fein,<br />
"Sie jetzt nicht gerade unternehmungslustig<br />
aussehen,"<br />
"Ich fürchte mich vor einer zweiten<br />
Nacht im Hotel Taufik."<br />
"Ja, im Taufik können nur Taube<br />
schlafen, aber auch in den anderen<br />
Hotels, auf der Hauptstraße, werden<br />
Sie wohl kaum Ruhe finden .. ," Daraufhin<br />
hält der Mudir Kriegsrat mit<br />
seinen Männern, bis sie gemeinsam<br />
das einzige ruhige Hotel in Dschidda<br />
finden.<br />
Der "Taysir" liegt am Rande eines<br />
stillen, weißen Platzes in meiner geliebten<br />
Altstadt, der schon um 8 Uhr<br />
abends tief und ruhig schläft.<br />
Dann stellt mir der Mudir für die<br />
Ubersiedlung noch sein Auto und<br />
zwei seiner Männer zu Verfügung, obwohl<br />
ich eigentlkh nur eine verhinderte<br />
Missetäterin bin. Was nur Tom<br />
Sawyers Wort bestätigen, daß in<br />
einem Verbrecher leben augenscheinlich<br />
Vorteile liegen.<br />
Der "Taysir" ist eine alte Karawanserei<br />
mit sieben Betten in jedem Zimmer,<br />
was erstens nicht gemütlich ist<br />
und zweitens den siebenfacben Preis<br />
kosten könnte. Aber ich entdeckte<br />
sofort eine entzückende Haremsterrasse,<br />
die von .allen Seiten mit geschnitzten<br />
Holzgittern geschützt ist<br />
und wohin ich kurz entschlossen Bett,<br />
Spiegel und Kleiderständer tragen<br />
lasse.<br />
Diese Terrasse, einsam, still und<br />
herrlich kühl in den Nachten, soll für<br />
einige Wochen mein Heim werden.<br />
Hierher werde ich einmal blaß, aber<br />
mit leuchtenden Augen aus Mekka<br />
zurückkommen.<br />
(Fortsetzung folgt)<br />
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