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KOLUMNE<br />

im Südwesten Japans. Dort fuhren 20 Autoenthusiasten<br />

in ihren Luxuskarossen auf regennasser<br />

Fahrbahn in einem Konvoi mit 160 km/h<br />

doppelt so schnell wie erlaubt war. Irgendwie<br />

kam <strong>de</strong>r erste Wagen ins Tru<strong>de</strong>ln und 14 „höherwertige“<br />

Fahrzeuge krachten schrottreif ineinan<strong>de</strong>r:<br />

darunter acht <strong>de</strong>r Marke Ferrari, ein<br />

Lamborghini und drei Merce<strong>de</strong>s. Ernsthaft zu<br />

Scha<strong>de</strong>n kam bei <strong>de</strong>m Unfall keiner <strong>de</strong>r Fahrer<br />

(außer finanziell vielleicht …). Die Scha<strong>de</strong>nssumme<br />

insgesamt belief sich schließlich auf<br />

knapp drei Millionen Euro. Also letztendlich<br />

international jenseits von Japan nicht wirklich<br />

rekordverdächtig.<br />

Es geht aber auch be<strong>de</strong>utend einfacher. Dies<br />

zeigte im Juli 2012 eindrucksvoll ein gewisser<br />

Christopher Cox, ein Geschäftsmann aus<br />

<strong>de</strong>n USA. Als sich auf <strong>de</strong>r Rennstrecke <strong>de</strong>r „Le<br />

Mans Classic“ mehrere Hun<strong>de</strong>rt Millionen Euro<br />

in Form von unwie<strong>de</strong>rbringlichen Oldtimern<br />

tummelten, „schrottete“ Herr Cox (mit Frau im<br />

Wagen) seinen Ferrari 250 GTO. Eigentlich war<br />

das Ganze <strong>als</strong> Jubiläumsfeier zum fünfzigsten<br />

Geburtstag dieses zwischen 1962 und 1964<br />

nur 39 Mal gebauten Dinosauriers gedacht. Der<br />

Wert dieses teuersten Autos <strong>de</strong>r Welt wur<strong>de</strong> anhand<br />

einer kurz zuvor stattgefun<strong>de</strong>nen Versteigerung<br />

auf min<strong>de</strong>stens 24 Millionen Euro geschätzt.<br />

Zu allem Überfluss brach sich bei <strong>de</strong>m<br />

Unfall seine Frau auch noch ein Bein …<br />

Das „O“ bei <strong>de</strong>r Typenbezeichnung <strong>de</strong>utet übrigens<br />

darauf hin, dass es sich bei <strong>de</strong>m Fahrzeug<br />

um die Rennversion eines Serienfahrzeugs han<strong>de</strong>lt<br />

(„omologato“, <strong>de</strong>utsch homologiert). Aber<br />

egal ob Straße o<strong>de</strong>r Rennstrecke, ich wür<strong>de</strong> mit<br />

so was nicht herumfahren wollen, <strong>de</strong>nn schon<br />

kleinste Kratzer an <strong>de</strong>r Außenhülle lassen die<br />

Herzen <strong>de</strong>r Fetischisten zerbrechen.<br />

Aber zurück zu <strong>de</strong>n Brücken, für die Feuer überhaupt<br />

eine Gefahr darstellt. Frisch in Erinnerung<br />

ist ja noch <strong>de</strong>r bis heute nicht aufgeklärte<br />

Fall eines Bran<strong>de</strong>s von Rohren unter <strong>de</strong>r A59 vor<br />

etwas mehr <strong>als</strong> einem Jahr, <strong>de</strong>r aufgrund <strong>de</strong>r<br />

erheblichen Rauchentwicklung zu einer Massenkarambolage<br />

von 21 Fahrzeugen mit einem<br />

To<strong>de</strong>sopfer und 13 zum Teil Schwerverletzten<br />

führte. Jugendliche stehen wohl nach wie vor<br />

im Verdacht, es gibt aber anscheinend nichts<br />

Belastbares. Die Brücke musste komplett abgerissen<br />

wer<strong>de</strong>n, und man baute innerhalb recht<br />

kurzer Zeit eine Behelfsbrücke.<br />

Belastbar ist jedoch, dass hier wie in vielen an<strong>de</strong>ren<br />

Fällen (die wir in Deutschland ja nun zur<br />

Genüge kennen) Zeitvorgaben, sagen wir mal<br />

vorsichtig, nur „mäßig“ eingehalten wer<strong>de</strong>n.<br />

Statt im zweiten Quartal dieses Jahres wird nun<br />

frühestens 2014 mit <strong>de</strong>m 5,5 Millionen Euro teuren<br />

Neubau begonnen, Fertigstellung irgendwann<br />

2016. Zuerst wird noch eine Behelfsbrücke<br />

gebaut und dann wird auch gleichzeitig auf<br />

sechs Spuren erweitert. Begründung in vielen<br />

Fällen für Zeitverzug: europaweite Ausschreibung.<br />

Schaut man mal genauer hin, kommt einem so<br />

manch gemeiner Gedanke. Beim letzten Blitzer-<br />

Marathon im Oktober vergangenen Jahres (für<br />

so etwas hat man in NRW ja regelrecht ein Faible)<br />

wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Presse „Tausen<strong>de</strong> Temposün<strong>de</strong>r<br />

an <strong>de</strong>r A57-Brücke“ gemel<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r Sieger fuhr<br />

mit 180 km/h in <strong>de</strong>r Tempo-60-Zone 120 km/h<br />

zu schnell (bringt übrigens bei Ersttätern 660<br />

Euro Spen<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Brückenbau plus drei Monate<br />

Radfahren). Vielleicht schwingt ja da ein<br />

neidischer Blick zum Bielefel<strong>de</strong>r Berg („Talbrücke<br />

Lämershagen“, ist die auch sanierungsbedürftig?)<br />

auf <strong>de</strong>r A2 mit, wo die „erfolgreichste<br />

Blitzanlage Deutschlands“ steht. Sie spülte<br />

2011 sage und schreibe 5,4 Millionen Euro in die<br />

leeren öffentlichen Kassen. Ja das wür<strong>de</strong> doch<br />

schon reichen …<br />

Allerdings sind das alles die bekannten Peanuts,<br />

schaut man sich das ganze Maß <strong>de</strong>r natürlichen<br />

Zerstörung an. Ein Großteil <strong>de</strong>r rund 38.800<br />

Brücken im Bun<strong>de</strong>sfernstraßennetz stammt<br />

aus <strong>de</strong>n Sechziger- und Siebzigerjahren, was<br />

auf erhebliche Alterserscheinungen schließen<br />

lässt. So startete letzten Dezember die SPD-<br />

Fraktion eine Kleine Anfrage an die Bun<strong>de</strong>sregierung<br />

(17/11729, die „17“ steht übrigens für<br />

die 17. Wahlperio<strong>de</strong>), welche dieser Brücken<br />

nun umgehend saniert wer<strong>de</strong>n müssten und wie<br />

groß <strong>de</strong>r finanzielle Aufwand für die nächsten<br />

15 Jahre sei.<br />

Die Bun<strong>de</strong>sregierung ließ sich nicht lumpen<br />

und antwortete binnen einer Woche mit Drucksache<br />

17/11924 (da sind im Bun<strong>de</strong>stag fast 200<br />

Drucksachen innerhalb einer Woche entstan<strong>de</strong>n,<br />

da soll noch mal einer etwas sagen …).<br />

Nach Durchsicht <strong>de</strong>r Unterlagen ist man nicht<br />

wirklich schlauer, da es weniger um Fakten <strong>als</strong><br />

mehr um Planungen geht. Und wie die aussehen<br />

können, sieht man ja bei Stuttgart 21, was<br />

nach jüngster Entscheidung <strong>de</strong>s Aufsichtsrates<br />

ja lustig weiter gebaut wird. Fertigstellung soll<br />

En<strong>de</strong> 2022 sein. Vielleicht sollte man das dann<br />

jetzt Stuttgart 22 nennen …<br />

Am wichtigsten ist aber die Klassifizierung von<br />

Brücken nach <strong>de</strong>m „Marodheitsgrad“. Das muss<br />

man sich so vorstellen wie Noten in <strong>de</strong>r Schule.<br />

Es gibt da auch sechs Stufen, von sehr gutem bis<br />

ungenügen<strong>de</strong>m Bauwerkszustand. Die Bezeichnungen<br />

sind <strong>als</strong>o dieselben bis auf „mangelhaft“,<br />

das klang dann wohl doch zu drastisch.<br />

So hat man einfach „nicht ausreichend“ daraus<br />

gemacht, das klingt doch wesentlich harmloser.<br />

Die Alarmglocken läuten <strong>de</strong>nn auch erst so richtig<br />

bei ungenügen<strong>de</strong>m Bauwerkszustand, <strong>de</strong>nn<br />

dann ist „umgehen<strong>de</strong> Instandsetzung bzw.<br />

Erneuerung“ erfor<strong>de</strong>rlich, <strong>als</strong>o kein Aufschub<br />

mehr möglich. Für diese Kategorie konnten<br />

sich bisher 221 Bauwerke qualifizieren, Ten<strong>de</strong>nz<br />

steigend, da immer weiter untersucht wird. Ein<br />

hektisches Treiben bun<strong>de</strong>sweit führte plötzlich<br />

zu Schreckensmeldungen aus allen Richtungen<br />

(o<strong>de</strong>r besser von allen Strecken). So wur<strong>de</strong> vermel<strong>de</strong>t,<br />

auf <strong>de</strong>r A45 („Sauerlandlinie“) müssten<br />

79 (!) Brücken saniert wer<strong>de</strong>n.<br />

Ja, man schreckte sogar nicht davor zurück,<br />

sensibelste Bereiche mit Maßnahmen zu belegen.<br />

Betroffen davon beispielsweise die<br />

Rheinquerung A1 bei Leverkusen o<strong>de</strong>r die A3<br />

am Leverkusener Kreuz. Dort ließ man sich was<br />

Autor<br />

Professor Michael Schreckenberg,<br />

geboren 1956 in Düsseldorf, studierte<br />

Theoretische Physik an <strong>de</strong>r Universität zu<br />

Köln, an <strong>de</strong>r er 1985 in Statistischer Physik<br />

promovierte. 1994 wechselte er zur Universität<br />

Duisburg-Essen, wo er 1997 die erste<br />

<strong>de</strong>utsche Professur für Physik von Transport<br />

und Verkehr erhielt. Seit mehr <strong>als</strong> 15 Jahren<br />

arbeitet er an <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>llierung, Simulation<br />

und Optimierung von Transportsystemen in<br />

großen Netzwerken, beson<strong>de</strong>rs im Straßenverkehr,<br />

und <strong>de</strong>m Einfluss von menschlichem<br />

Verhalten darauf.<br />

Seine aktuellen Aktivitäten umfassen Online-Verkehrsprognosen<br />

für das Autobahnnetzwerk<br />

von Nordrhein-Westfalen, die<br />

Reaktion von Autofahrern auf Verkehrsinformationen<br />

und die Analyse von Menschenmengen<br />

bei Evakuierungen.<br />

beson<strong>de</strong>rs Feines einfallen: Um die Brücke nicht<br />

über Gebühr zu belasten, sollten die Lkw immer<br />

min<strong>de</strong>stens 25 Meter Abstand halten, auch im<br />

Stau! Doch dann flog <strong>de</strong>r ganze Schwin<strong>de</strong>l auf:<br />

Für so eine Anordnung gibt es überhaupt keine<br />

Rechtsgrundlage, und das Nichteinhalten kann<br />

gar nicht geahn<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, <strong>als</strong>o ein Papiertiger.<br />

Im Sommer nun kommen neue Experimente<br />

hinzu. Das aktuelle Geheimrezept heißt Vollsperrung,<br />

und keiner merkt es. So wird die<br />

Ruhrtalbrücke <strong>de</strong>r A52 Richtung Essen vom 1.<br />

Juli bis 30. September voll gesperrt. Die Aktion<br />

letzten Sommer auf <strong>de</strong>r A40 hat Lust auf mehr<br />

gemacht. Und man wollte keine Kollision mit<br />

<strong>de</strong>r Sanierung <strong>de</strong>r 1,8 Kilometer langen Berliner<br />

Brücke <strong>de</strong>r A59 in Duisburg. Wenn <strong>de</strong>r Name da<br />

mal nicht eine schlechtes Omen ist. Daher hat<br />

man wohl das ganze Projekt direkt auf 20 Jahre<br />

angelegt.<br />

Mal sehen, was wir noch so alles erleben wer<strong>de</strong>n<br />

in <strong>de</strong>n nächsten zehn Jahren, die von verschie<strong>de</strong>nen<br />

Seiten <strong>als</strong> beson<strong>de</strong>rs „hart“ prognostiziert<br />

wer<strong>de</strong>n. Wer immer auf <strong>de</strong>m Laufen<strong>de</strong>n<br />

sein möchte, <strong>de</strong>m sei „brueckenweb.<strong>de</strong>“ empfohlen.<br />

Dort kann man sich je<strong>de</strong>rzeit über <strong>de</strong>n<br />

Gesundheitszustand von „Brückjen“ (alternativ:<br />

<strong>de</strong>r geschun<strong>de</strong>nen Patienten) informieren.<br />

<strong>Flotte</strong>nmanagement 2/2013 113

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