Die Architektur der Werkbund-Ausstellung.
Die Architektur der Werkbund-Ausstellung.
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<strong>Die</strong> <strong>Architektur</strong> <strong>der</strong> <strong>Werkbund</strong>-<strong>Ausstellung</strong>.<br />
Als die Englän<strong>der</strong> für die erste Weltausstellung in London 1851 den Kristallpalast<br />
bauten, hatten sie klar erkannt, daß die <strong>Ausstellung</strong> ein rein mo<strong>der</strong>nes Bauproblem ist.<br />
Sie wählten in Eisen und Glas neues — wenn man sich in ihre Zeit versetzt, muß man<br />
fast sagen: künftiges — Material und ließen die Formen, die sich logisch ergaben, unverän<strong>der</strong>t<br />
und ungeschmückt stehen, so daß das Haus an kein an<strong>der</strong>es Bauwerk erinnerte.<br />
Es war ja noch die Zeit, in <strong>der</strong> die Einfachheit des Klassizismus herrschte, eine Einfachheit,<br />
von <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Übergang in die mo<strong>der</strong>ne so leicht und selbstverständlich war, wie<br />
auch Schinkels glorreiches Beispiel beweist- Damals konnte ohne Schwierigkeit und Wi<strong>der</strong>stand<br />
für die neue Epoche eine neue Baukunst entstehen.<br />
Aber es herrschte ein seltsamer Wi<strong>der</strong>spruch. <strong>Die</strong>selbe <strong>Ausstellung</strong>, für <strong>der</strong>en Gestalt<br />
man aus <strong>der</strong> Zeitgesinnung Künftiges so glücklich entwickelte, bedeutete in ihrem Inhalt<br />
das Ende dieser Zeitgesinnung, ja, war eigentlich aus dem Überdruß an <strong>der</strong> klassizistischen<br />
Einfachheit entstanden. <strong>Die</strong> Geschichte des Geschmacks im neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>t ist<br />
noch nicht geschrieben. <strong>Die</strong> verbreiteten Meinungen sind zum großen Teile falsch. Eine<br />
dieser Meinungen sagt, daß die Englän<strong>der</strong> immer die einfache Art vertreten und den Kontinent<br />
in diesem Sinne beeinflußt haben. <strong>Die</strong> Wahrheit ist, daß die übertrieben ornamentale<br />
Weise des dritten Viertels des Jahrhun<strong>der</strong>ts und <strong>der</strong> Historizismus, <strong>der</strong> alte Stile nachahmte,<br />
ebenso aus England stammen wie <strong>der</strong> verständig konstruktive Stil- Das second<br />
empire war nicht selbständig, son<strong>der</strong>n folgte nur <strong>der</strong> englischen Mode <strong>der</strong> Zeit, die es<br />
dann sehr wirkungsvoll von Paris aus propagierte* Das reich geschnitzte Mahagonimöbel<br />
mit all dem bunten Beiwerk von Stoffen und Tapeten, das dazu gehörte, trat seinen Siegeszug<br />
aus dem Kristallpalast an und schlug die Gesinnung tot, die ihn geschaffen hatte.<br />
Es kam die dekorative Epoche, eine Zeit, die den Schmuck, den reichen Schmuck,<br />
den sie wünschte, nicht aus <strong>der</strong> Konstruktion und dem Material zu entwickeln und nicht<br />
einmal aus Eigenem zu schaffen vermochte. Der äußerliche Effekt wurde Trumpf, das<br />
handwerkliche Gewissen schlief vollständig ein. Man schwelgte in Ornament, dessen Motive<br />
aus irgendeiner alten Epoche entnommen und fast immer von <strong>der</strong> Zeichnung historischer<br />
Stücke in den Entwurf eines neuen übertragen wurden. <strong>Die</strong>ser polytechnischen Gesinnung<br />
konnte sich auch die <strong>Ausstellung</strong> nicht entziehen. Ja, die Versuchung, in reichen alten<br />
Formen zu schwelgen, war da beson<strong>der</strong>s groß, weil das Material für die improvisierten<br />
Städte, die bald für die <strong>Ausstellung</strong>en nötig waren, beson<strong>der</strong>s billig und charakterlos war,<br />
und <strong>der</strong> Zweck den verblüffenden Effekt fast zu for<strong>der</strong>n schien. <strong>Die</strong> <strong>Ausstellung</strong>en <strong>der</strong><br />
ganzen Periode waren in ihrem geschmacklichen Wert sehr verschieden; <strong>der</strong> Eindruck <strong>der</strong><br />
weißen Stadt in Chicago wurde auch von Künstlern gerühmt, die Pariser Weltausstellung<br />
1900 war eine Scheußlichkeit, Das falsche Prinzip war ihnen gemeinsam. Und man braucht<br />
nur die Pavillons <strong>der</strong> fremden Nationen auf <strong>der</strong> Leipziger Bugra anzusehen, um zu erkennen,<br />
daß überall außer in Deutschland diese Gesinnung noch in ihrer Sünden Maienblüte steht.<br />
England baut einen alten Herrensitz in Gips auf und stellt ein paar hun<strong>der</strong>t Meter gotische<br />
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geschnitzte Holzregale aus bemaltem Gips hinein- Man denke: England, das uns doch zu<br />
gutem Handwerk führte und sich in dem Inhalt dieses monströsen Hauses als heute noch<br />
führend auf dem Gebiete des Buchgewerbes erweist! Über die an<strong>der</strong>en Völker wun<strong>der</strong>t<br />
man sich nicht; Frankreich und alle Län<strong>der</strong>, die von ihm abhängen, bleiben bewußt in<br />
<strong>der</strong> Ablehnung mo<strong>der</strong>ner Erkenntnisse stehen, weil Deutschland sie annimmt<br />
Man weiß, daß das werkliche Gewissen zuerst in England erwacht ist. Aber Deutschland<br />
ist <strong>der</strong> rechte Schüler gewesen, <strong>der</strong> die Ideen seines Meisters nicht nur aufnimmt,<br />
son<strong>der</strong>n weiter denkt. <strong>Die</strong> prinzipielle Strenge, die englische Führer nur für das Handwerk<br />
und etwa noch für die private Baukunst anwandten, wurde von den deutschen<br />
Künstlern auf alle Schaffensgebiete ausgedehnt. Und so wurde es unmöglich, auch nur<br />
in den flüchtigen <strong>Ausstellung</strong>sstädten die traditionelle Vortäuschung einer monumentalen<br />
<strong>Architektur</strong> bestehen zu lassen. Zum zweiten Male kam man zu <strong>der</strong> Erkenntnis, daß die<br />
<strong>Ausstellung</strong> ein rein mo<strong>der</strong>nes Bauproblem ist, vielleicht das reinste, weil es gar keine<br />
historische Form gibt, die man als ihre Vorbereitung bezeichnen könnte. Es kam nur<br />
darauf an, sie als das zu gestalten, was sie ihrer Natur nach ist, als eine Gruppe provisorischer<br />
Zweckbauten, die sich als solche gestehen- Das bedeutete allerdings, auf alte<br />
Effekte zu verzichten, um eine neue Wirkung zu suchen. Aber das ist ja nur dasselbe,<br />
was wir im Einzelbau wie im Städtebau fortwährend tun müssen.<br />
<strong>Die</strong> Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Werkbund</strong>-<strong>Ausstellung</strong> besteht darin, daß hier zum ersten Male<br />
nach dieser Erkenntnis verfahren wurde. Das Programm schloß streng alles aus, was die<br />
traditionellen <strong>Ausstellung</strong>en so odiös gemacht hat. Das ist schon vorher hier und da versucht<br />
worden, aber München, das seine <strong>Ausstellung</strong> <strong>der</strong> Stadt anglie<strong>der</strong>te, war ein beson<strong>der</strong>er<br />
Fall, und die deutsche Abteilung in Brüssel hatte, außer in den Maschinenhallen, einen<br />
idyllischen Charakter bekommen, <strong>der</strong> am Ende auch eine Verkleidung bedeutete.<br />
Das Programm ist nicht so streng durchgeführt worden, wie es aufgestellt war- Allerlei<br />
Rücksichten haben doch wie<strong>der</strong> Bauten eingelassen, die nicht in diesem Sinne gedacht<br />
sind: gleich am Eingang stehen das Verwaltungsgebäude und das Kölner Haus, Aber<br />
trotzdem bedeutet sie als Ganzes eine Probe, die das Exempel bejaht. Daran wird durch<br />
kritische Einwände gegen Einzelheiten nichts geän<strong>der</strong>t- <strong>Die</strong> Möglichkeit, eine <strong>Ausstellung</strong><br />
ganz wahr in Aufbau und Material zu gestalten und doch zu einer wirkungsvollen Form<br />
zu kommen, ist unzweifelhaft geworden. An diesem Resultat kann die Leitung keines<br />
künftigen Unternehmens vorübergehen, wenn sie nicht rückständig sein will. So ist die<br />
Kölner <strong>Ausstellung</strong> auch eine Vorarbeit für die deutsche Weltausstellung, die doch einmal<br />
kommen muß und natürlich mit ganz an<strong>der</strong>en Formaten zu rechnen haben und über ganz<br />
an<strong>der</strong>e Mittel verfügen wird.<br />
Wer die <strong>Ausstellung</strong> so sieht, wird erst das Positive <strong>der</strong> baulichen Leistung darzustellen<br />
versuchen. Das tritt lei<strong>der</strong> den meisten Besuchern nicht in unmittelbarer Wirkung<br />
entgegen. Das Terrain zieht sich in einem sehr langen und schmalen Streifen am Rhein<br />
hin. <strong>Die</strong> meisten Besucher kommen auf dem Landwege und gelangen zunächst an sein<br />
rechtes Ende- Da passiert man zuerst den Zaun des Vergnügungsparkes, sieht dann ein<br />
übles Eingangsgebäude, dessen erster Teil als Straßenüberbrückung zu diesem Anhängsel<br />
<strong>der</strong> <strong>Ausstellung</strong> ausgebildet ist, geht an unkontrollierten Einzelbauten vorbei, wie sie auf<br />
allen <strong>Ausstellung</strong>en zu finden sind, passiert Verwaltungsgebäude und Kölner Haus, die<br />
nichts mit dem Programm und Plan dieser Veranstaltung zu tun haben, und gelangt dann<br />
erst zu den ersten Bauten, die den Ton des Hauptplatzes anschlagen. Wie soll da <strong>der</strong><br />
Eindruck des Beson<strong>der</strong>en entstehen?! Es ist eben <strong>Ausstellung</strong> wie alle nicht guten. Ja,<br />
es ist sogar ein beson<strong>der</strong>s unglücklicher Eingang, <strong>der</strong> nicht einmal den theatralischen Effekt<br />
hat, den die Masse von <strong>der</strong> <strong>Ausstellung</strong> erwartet. Er hat bei <strong>der</strong> Eröffnung, da er damals<br />
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<strong>der</strong> einzige war, die <strong>Ausstellung</strong> schwer geschädigt. Auch Besucher, denen man Verständnis<br />
für die Absicht des Hauptteiles zuschreiben konnte, wurden durch die öde und schwierige<br />
Wan<strong>der</strong>ung zu stumpf, um noch eine Wirkung stark zu empfinden.<br />
Nur wenn man vom Rhein aus kommt, kann man die Absicht <strong>der</strong> <strong>Werkbund</strong>-<strong>Ausstellung</strong><br />
fühlend erkennen, Da sieht man die provisorische Stadt nicht nur bescheiden in<br />
<strong>der</strong> Form, son<strong>der</strong>n auch mit feinem Takt in den schönen alten Baumbestand hineingestellt.<br />
Hier kann niemand, <strong>der</strong> weiß, wie frech sonst <strong>Ausstellung</strong>en auftreten, die ganz an<strong>der</strong>e<br />
und entgegengesetzte Gesinnung verkennen. Flach ziehen sich die glatten weißen Hallen<br />
in geraden Linien hin, von einfachen Giebeldächern gedeckt- Hier und da ragt eine Kuppel,<br />
aber auch die höchste durchschneidet nicht die feine Silhouette <strong>der</strong> leichten und wehenden<br />
Baumkronen. Und von hier sieht man auch, wie die einzelnen Künstler verzichtend ihre<br />
Bauten dem Gesamtplan eingefügt haben, wie Muthesius in <strong>der</strong> kleinen Kuppel <strong>der</strong> Farbenschau<br />
die große Kuppel von Theodor Fischers Haupthalle nachklingen läßt, so daß sie, je<br />
nach <strong>der</strong> Richtung des Besuchers, vorbereitet o<strong>der</strong> erinnert, die beiden räumlich getrennten<br />
Gruppen <strong>der</strong> <strong>Ausstellung</strong>sbauten dadurch verbindend.<br />
Durch diesen Eindruck vorbereitet und günstig voreingenommen, betritt man das<br />
Dampfschiff, das zu dem Hauptplatz hinüberfährt- Man sieht diesen Platz sich allmählich<br />
als geschlossene architektonische Form entwickeln. Freilich kann man diese Form nur<br />
ahnen, denn ein unglücklicher Musikpavillon, unglücklich gerade <strong>der</strong> Anlegestelle gegenüber<br />
placiert, stört dem Fahrenden und dem Landenden den freien Blick,<br />
<strong>Die</strong>ser Hauptplatz war sehr gut gedacht- Da ein Gesamteindruck <strong>der</strong> <strong>Ausstellung</strong><br />
wegen <strong>der</strong> Form des Terrains unmöglich war, so sollte ein wirkungsvolles Forum<br />
ihren repräsentativen Mittelpunkt bilden- Seine Ausgestaltung war nicht einem Künstler<br />
übertragen. Nur seine Grundidee war festgestellt, <strong>der</strong> architektonische Rahmen<br />
sollte aus einer Reihe einzelner Bauten verschiedener Urheber sich zusammenfügen. Das<br />
herrschende Bauwerk ist die Haupthalle Theodor Fischers, <strong>der</strong>en Fassade mit <strong>der</strong> halb<br />
offenen Kuppelhalle in <strong>der</strong> Mitte und den zweigiebligen Flügelbauten den ganzen Hintergrund<br />
des Platzes einnimmt. An <strong>der</strong> linken Seite liegt die Festhalle, ein Bau von Peter<br />
Behrens, zu dem an <strong>der</strong> rechten Seite Josef Hoffmanns Österreichisches Haus das verschiedene,<br />
aber gleichgewichtige Gegenstück bildet. Bis hierher ist <strong>der</strong> ursprüngliche<br />
Plan durchgeführt worden. Für den Abschluß an <strong>der</strong> Rheinseite hatte Bruno Paul ein<br />
schönes Projekt aufgestellt. Er schloß sich links <strong>der</strong> Festhalle mit einem Weinrestaurant<br />
an, das sehr taktvoll ein kleineres Format und bescheidenere Formen zeigt. Er stellte<br />
rechts ein Bierrestaurant in demselben Stil eines Pavillons mit Hallen von glatten Säulen<br />
auf und verband es durch eine gleiche Halle mit dem Österreichischen Hause- Und er<br />
führte immer dieselbe Kolonnade von <strong>der</strong> linken zur rechten Baugruppe herüber und schloß<br />
eine Terrassenanlage nach dem Rhein an. Eine Art Wappensäule betonte die Mitte dieses<br />
unteren Platzendes und stellte in den flachen Verlauf ihrer Linien einen starken senkrechten<br />
Akzent- <strong>Die</strong> Abbildungen dieses Projektes zeigen deutlich, wie künstlerisch es gefühlt<br />
war. <strong>Die</strong> Kolonnade mit <strong>der</strong> Säule vor ihrer Mitte schloß den Platz für den Blick von<br />
oben her ab und gab ihm dadurch überhaupt erst den Charakter eines architektonischen<br />
Platzes, Dabei hob sie den Blick über den Rhein und auf die Stadtsilhouette, <strong>der</strong> zu den<br />
besten Reizen <strong>der</strong> <strong>Ausstellung</strong> gehört, nicht auf. Für den, <strong>der</strong> am Rhein landete, gab die<br />
Anlage einen guten Empfang. Er fühlte sie als Rahmen des Platzes, in den <strong>der</strong> Blick<br />
durch die weitgestellten Säulen dringen konnte. Es ist ganz unverständlich, daß die <strong>Ausstellung</strong>sleitung<br />
diesen genehmigten Plan schließlich nicht ausführte. <strong>Die</strong> ganze Anlage am<br />
Rhein wurde gestrichen und damit <strong>der</strong> Abschluß um seine Pointe gebracht. Der Platz<br />
wirkt nicht mehr als Platz, da eine Seite des Rahmens fehlt. Und wo die im Zusammenhang<br />
mit dem Ganzen geschaffene Säulenhalle den Platz schließen sollte, ohne den Blick<br />
aufzuhalten, steht jetzt ein zusammenhangloser Musikpavillon, <strong>der</strong> keine Funktion in <strong>der</strong><br />
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<strong>Architektur</strong> des Platzes erfüllen kann, aber gerade groß genug ist, um dem Landenden<br />
eine umfassende Ansicht des Forums unmöglich zu machen*<br />
Das städtebauliche Experiment, einen Platz nur in seiner Grundidee, in Proportion<br />
und Bauelementen festzulegen, sonst aber <strong>der</strong> Persönlichkeit <strong>der</strong> einzelnen Künstler freien<br />
Spielraum zu lassen, darf durchaus als gelungen bezeichnet werden, <strong>Die</strong> Haupthalle Theodor<br />
Fischers, bestimmt, die ragenden und kräftigen Bauten <strong>der</strong> Peter Behrens und Josef Hoffmann<br />
als Zentrum zu verbinden, nimmt in den Flügeln ihr Motiv des geraden Giebels auf<br />
und betont die Mitte durch eine Kuppel- <strong>Die</strong> Silhouette, die am Kopfe des Platzes entsteht,<br />
hat einen guten Rhythmus, Aber Fischers Eigenart ist nicht Kraft, son<strong>der</strong>n Anmut,<br />
sein Bau hätte mehr Wucht in <strong>der</strong> Masse, mehr Schärfe in <strong>der</strong> Linie haben müssen, um<br />
seine Funktion ganz zu erfüllen- Sehr gut stehen einan<strong>der</strong> die Festhalle und das Österreichische<br />
Haus gegenüber, gleich als Masse und Ton und doch ganz verschieden in <strong>der</strong><br />
Form- Behrens hat nur das Klassizistische zu sehr betont, beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Fassade, die<br />
beinahe historisiert- <strong>Die</strong> Rückseite, die man als Abschluß <strong>der</strong> Fabrikstraße sieht, wenn<br />
man vom Dorf her kommt, wirkt als Bauform viel stärker, weil sie auf Reminiszenzen<br />
verzichtet und sich nur als lebendiger Aufbau kubischer Massen darstellt- So kommt man<br />
zu Klassischem, das wir doch erstreben; das Klassizistische ist doch nur imitativer Stil<br />
wie an<strong>der</strong>e auch, wenn es sich auch etwas besser mit Mo<strong>der</strong>nität verträgt- Deshalb ist<br />
Josef Hoffmanns Österreichisches Haus das bedeutsamste Bauwerk <strong>der</strong> <strong>Ausstellung</strong>, weil<br />
in ihm ohne jede antikisierende Form, ohne Säulen und ohne Rundbogen, ohne auch nur<br />
tüncherische Verkleidung des Materials, eine monumentale Wirkung erreicht ist, die man<br />
als klassisch bezeichnen kann- <strong>Die</strong>se Wirkung schien bisher <strong>der</strong> ausgesprochen mo<strong>der</strong>nen<br />
Baukunst versagt zu sein. Immer wenn die Künstler über den schönheitlich gestalteten<br />
Zweckbau hinausgehen wollten, haben sie doch wie<strong>der</strong> die Anleihe bei den Werken <strong>der</strong><br />
alten Kunstepochen gemacht- Es glaubte auch wohl niemand mehr recht an eine an<strong>der</strong>e<br />
Möglichkeit, wenn auch die prinzipielle For<strong>der</strong>ung immer wie<strong>der</strong> erhoben wurde, wie zuletzt<br />
noch in <strong>der</strong> Diskussion über das neue königliche Opernhaus in Berlin- Hoffmanns Haus<br />
gibt eine neue Hoffnung. Es scheint eher leichter, dieselbe Wirkung in einem Material zu<br />
erreichen, das für einen Monumentalbau verwendet wird, Man muß wünschen, daß <strong>der</strong><br />
Künstler bald Gelegenheit hat, das zu erweisen, Er müßte das städtische Museum bauen,<br />
das Wien errichten will, Daß es noch niemals ein <strong>Ausstellung</strong>shaus gegeben hat, das mit<br />
diesem verglichen werden kann, steht zweifellos fest. Von <strong>der</strong> meisterhaften Lösung dieses<br />
Problems zu <strong>der</strong> des Problems <strong>der</strong> <strong>Ausstellung</strong>sstadt ist nicht einmal ein Schritt, das größere<br />
Problem ist mit dem kleineren tatsächlich schon gelöst: die provisorische Stadt von großartiger<br />
Gesamtwirkung ohne die Eselsbrücken <strong>der</strong> Imitation und <strong>der</strong> Reminiszenz als Möglichkeit<br />
bewiesen.<br />
<strong>Die</strong>selben Eigenschaften wie das Haus Hoffmanns hat auch <strong>der</strong> Hof, den Oskar Strnad<br />
geschaffen hat. <strong>Die</strong> Anregungen, die er gibt, sind nicht auf die <strong>Ausstellung</strong>sarchitektur<br />
beschränkt, die geistreiche Verwendung des allereinfachsten Materials zu einer reichen und<br />
lebhaften Schmuckwirkung ist gewiß eine Neuheit, die gerade zur Lösung dieses Problems<br />
einen noch nicht begangenen Weg zeigt, aber auch für die bürgerliche Baukunst sehr<br />
fruchtbar werden kann. <strong>Die</strong> ganze Glie<strong>der</strong>ung des Raumes ist mit Backstein und Mörtel<br />
bestritten- <strong>Die</strong> Blenden <strong>der</strong> Wände, <strong>der</strong> Zierbrunnen in all seinen Teilen, die Decken <strong>der</strong><br />
Umgänge bestehen nur aus diesen beiden Stoffen, die eine schöpferische Phantasie in<br />
immer wechselndem Spiel zusammengeordnet hat- Das bezeichnendste Beispiel ist ja die<br />
Nische mit dem Brunnen- Sogar die Wasserführungen an <strong>der</strong> Nischenwand sind nichts<br />
an<strong>der</strong>es als Dachtüllen. Und wieviel Bewegung ist in den ruhigen Aufbau nur durch die<br />
Führung <strong>der</strong> Fugen gebracht!<br />
Das Backsteinmaterial verdient, sehr genau angesehen zu werden, Es hat zunächst<br />
einmal eine sehr gute Farbe, die an den holländischen Klinker erinnert und mit <strong>der</strong> ein<br />
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nicht zu weißer Mörtel — gewöhnlich ist das Weiß dieses Bindemittels zu grell, beson<strong>der</strong>s<br />
für sehr rote Ziegel — sich fein verbindet. Dann aber sind neue Formen gezeigt, Fliesen<br />
mit eingepreßtem leichten Ornament, Platten zur Verkleidung des Gebälkes, die eine entschiedene<br />
Bereicherung des Materials bedeuten.<br />
<strong>Die</strong> Architekten des Verwaltungsgebäudes und des Kölner Hauses, Carl Moritz und<br />
Ludwig Pfaffendorf, haben das Prinzip <strong>der</strong> <strong>Werkbund</strong>-<strong>Ausstellung</strong> nicht angenommen. Sie<br />
haben es für richtig gehalten, <strong>der</strong> Gemeinschaft absichtlich fremdes Einzelnes gegenüberzustellen,<br />
ihren Bauten das <strong>Ausstellung</strong>shafte zu geben, das zu vermeiden die wichtigste<br />
Tendenz dieser Veranstaltung war. <strong>Die</strong>ser Wi<strong>der</strong>willen, sich in einen Rahmen zu fügen,<br />
sein Werk in die Reihe zu stellen, ist einer <strong>der</strong> charakteristischen Züge <strong>der</strong> polytechnischen<br />
<strong>Architektur</strong>- <strong>Die</strong> Eigenbrödelei, die mit <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts begann, hat nicht<br />
nur in Deutschland, aber doch bei uns stärker als an<strong>der</strong>swo, alle alten Städte verdorben<br />
und keine anständigen neuen Plätze und Straßen entstehen lassen, von Vierteln o<strong>der</strong> gar<br />
Städten gar nicht zu reden. So wun<strong>der</strong>t man sich nicht über den zerstörerischen Eigenwillen<br />
<strong>der</strong> Kölner Architekten, aber um so mehr freilich über die Vertreter des Gesamtwillens<br />
<strong>der</strong> <strong>Ausstellung</strong>, die sich dieses Tun, und gerade am Eingang des eigentlichen <strong>Ausstellung</strong>sgeländes,<br />
also an einer bedeutsamen Stelle, gefallen ließen. Wie übrigens manchen<br />
an<strong>der</strong>en Verstoß gegen die Idee, die <strong>der</strong> <strong>Werkbund</strong> vertritt, und die hier sinnfällig und<br />
werbekräftig in Erscheinung treten sollte.<br />
So beginnt, wenn man auf dem Landwege von <strong>der</strong> Stadt kommt, die <strong>Werkbund</strong>-<br />
<strong>Ausstellung</strong> erst, wenn man diese beiden Häuser passiert hat. <strong>Die</strong>ser Teil, <strong>der</strong> rechts vom<br />
Hauptplatze liegt, ist nicht so einheitlich gedacht, er hat ja auch keine Gesamtwirkung zu<br />
üben. Seine Aufgabe ist, in bescheidener Art sich zurückzuhalten, damit <strong>der</strong> Hauptplatz<br />
eine Steigerung bedeute, und den Ton <strong>der</strong> zentralen Anlage vorklingen zu lassen. <strong>Die</strong>se<br />
Aufgabe erfüllt er sehr gut.<br />
Man muß hier übrigens ein Lob <strong>der</strong> Grundrißentwicklung <strong>der</strong> ganzen <strong>Ausstellung</strong><br />
einschieben, die das Werk Carl Rehorsts, des Beigeordneten <strong>der</strong> Stadt Köln und Leiters<br />
<strong>der</strong> <strong>Ausstellung</strong>, ist. Der Grundriß ist so klar, daß fast ein Blick zur Orientierung genügt.<br />
Er gibt dem Besucher Abwechslung durch die Folge von schmalen und breiteren Straßen<br />
und verschieden gestalteten Plätzen und sorgt überall dafür, daß sich gute Perspektiven<br />
ergeben, daß <strong>der</strong> Blick nicht schweift, son<strong>der</strong>n zu abschließenden Bauten gelenkt wird und<br />
dadurch überall Raum fühlt. Soweit ich mich erinnere, ist es das erstemal, daß in dieser<br />
Weise städtebauliche Grundprinzipien für die <strong>Ausstellung</strong> angewandt worden sind.<br />
Zu den Vorzügen des Grundrisses gehört auch die Schonung des alten Baumbestandes<br />
und die Art, wie die Bastion, ein Rest <strong>der</strong> alten Befestigung Kölns, die als ein Hauptstück<br />
des künftigen Parkes erhalten bleiben soll, in die provisorische Stadt hineingezogen<br />
worden ist.<br />
Wenn man das Verwaltungsgebäude durchschritten hat, hat man in <strong>der</strong> Achse des<br />
Weges das Haus <strong>der</strong> Farbenschau vor sich, das Hermann Muthesius gebaut hat. <strong>Die</strong><br />
kuppelgekrönte Fassade öffnet sich in einer Halle, <strong>der</strong>en Wand mit sehr farbigen Mosaiken<br />
von Harold Bengen geschmückt ist. Vor dem Hause ist in einer vertieften Gartenanlage<br />
ein Bassin angeordnet. Von dieser Vertiefung aus gesehen wirkt das Haus, das ein w©hig<br />
zu niedrig gehalten ist, am besten. <strong>Die</strong> klaren Linien, die Muthesius liebt, zeichnen auch<br />
diesen Bau aus, <strong>Die</strong> Kuppel schließt sich an die Kuppel <strong>der</strong> Haupthalle als bescheidenere<br />
Schwester an. Muthesius zeigt mit sicherem Geschmack, wie <strong>der</strong> Eingang zu dieser <strong>Ausstellung</strong><br />
aussehen mußte. Für jeden, <strong>der</strong> überhaupt eine Anlage als bauliches Ganzes<br />
fühlen kann, war <strong>der</strong> Charakter gegeben. Und vielleicht hat <strong>der</strong> Künstler hier gezeigt,<br />
was er eigentlich mit <strong>der</strong> viel berufenen „Typisierung" meint, nämlich, daß es Dinge gibt,<br />
27<br />
157
ei denen die sogenannte persönliche Note verfehlt ist, weil sie durch ihren Anspruch<br />
stört und ein einzelnes ungebührlich sich vordrängen läßt. <strong>Die</strong>sem Beispiel haben dann<br />
die Kölner Architekten unabsichtlich das bestätigende Gegenbeispiel gerade gegenübergestellt.<br />
Links von dem Hause <strong>der</strong> Farbenschau führt die Ladenstraße gerade auf den Hauptplatz<br />
zu, Es ist eine mo<strong>der</strong>ne Laubenstraße, <strong>Die</strong> Hallen, von Oswin Hempel gebaut,<br />
schließen sich dem Hause <strong>der</strong> Farbenschau in Proportion und Form gut an. Ladenausbau<br />
und Dekoration, die als Muster dienen sollten, sind wenig erfreulich. Man hat hier Dinge<br />
gewollt, für die we<strong>der</strong> die Stadt Köln noch die <strong>Ausstellung</strong> Mittel und Kräfte aufbringen<br />
konnten- <strong>Die</strong> Straße selbst ist nicht übel- In <strong>der</strong> Mitte unterbricht sie ein Platz, hinter<br />
dessen linker Seite zwischen alten Bäumen am Rhein das anmutige Cafehaus des Müncheners<br />
Adalbert Niemeyer liegt, Auch aus <strong>der</strong> Wirkung dieses Hauses, das nur durch<br />
die Linien seiner Mauern und seines Daches wirkt, kann man eine Lehre ziehen, die nicht<br />
nur für den <strong>Ausstellung</strong>sbau wichtig ist- Wäre die Straßenzeile nicht so letzt einfach, so<br />
könnte ein Haus nicht bloß durch diese Mittel sich wirkungsvoll und als Pointe hinstellen.<br />
Je<strong>der</strong> Schmuck, ja nur jede beson<strong>der</strong>e Form an den Bauten <strong>der</strong> Reihe würde den Architekten<br />
des Einzelhauses, das sich aus ihr herausheben soll, dazu zwingen, stärker zu<br />
akzentuieren und unter Umständen gewaltsam zu werden.<br />
<strong>Die</strong> Straße rechts vom Hause <strong>der</strong> Farbenschau, <strong>der</strong>en an<strong>der</strong>e Seite die Verkehrshalle<br />
einnimmt, läuft nach <strong>der</strong> Bastion, In ihrer Achse liegt <strong>der</strong> Mittelbau des Teehauses, das<br />
Wilhelm Kreis als massiven und bleibenden Bau vor die schöne Baumreihe auf <strong>der</strong> Höhe<br />
des alten Festungswerkes gestellt hat. Der Grundriß dieses Hauses war durch die Situation<br />
gegeben, Mit einem runden Mittelbau und stumpfwinklig angesetzten Flügeln folgt es genau<br />
<strong>der</strong> Linie <strong>der</strong> Bastion. Es stellt eine ruhige Silhouette gegen die Baumkulisse, <strong>der</strong>en Mitte<br />
ein Lüftungstürmchen — durch einen Irrtum des ausführenden Eisenwerkes etwas zu breit<br />
und zu hoch geworden — gut markiert. Der Bau wird sich, wenn einmal die großen <strong>Ausstellung</strong>shallen,<br />
die seinen Maßstab drücken, gefallen sein werden, sehr gut ausnehmen.<br />
Er ist natürlich auf die Wirkung berechnet, die er in <strong>der</strong> dauernden Situation haben soll,<br />
nicht in <strong>der</strong> provisorischen. Wäre er in die richtige Proportion zu den <strong>Ausstellung</strong>sbauten<br />
gebracht worden, so würde er spater unverhältnismäßig groß wirken, Und ebenso sind<br />
Form und Schmuck diskret gehalten, während im Verhältnis zu dem ziemlich starken Relief<br />
<strong>der</strong> Verkehrshalle stärkere Akzente am Platz gewesen wären, die aber später dann plump<br />
gewirkt hätten. Man kann darüber streiten, ob die ausgesprochene Tempelfront, die für<br />
die Flügel verwendet worden ist, nicht zu feierlich für den Zweck des Hauses ist. Der<br />
Künstler kann sich auf klassizistische Beispiele berufen, beson<strong>der</strong>s auf die Kurhäuser des<br />
frühen 19- Jahrhun<strong>der</strong>ts. Mir geht die Anwendung dieses Motives für solche Zwecke gegen<br />
das Gefühl. Und da lei<strong>der</strong> die neue Schätzung dieser Zeit bereits dazu geführt hat, daß<br />
die landläufigen Architekten die antike Bauform überall mißbräuchlich anwenden, so sollten<br />
die Baukünstler von Rang darauf verzichten. <strong>Die</strong> ruhige Wirkung <strong>der</strong> Baumasse, die schon<br />
strenge Formen for<strong>der</strong>t, wenn dem Gewimmel <strong>der</strong> bunten Menge ein Gegengewicht geschaffen<br />
werden soll, hätte sich auch ohne das Tempelmotiv erreichen lassen, das sich auch mit<br />
dem Charakter des turmartigen Rundbaues im Zentrum nicht recht verbindet. Wie immer<br />
ist Kreis am glücklichsten, wenn er nicht auf <strong>Architektur</strong> sinnt. <strong>Die</strong> Rückseite des Hauses<br />
mit <strong>der</strong> ansetzenden Brücke beweist das: hier sind die Formen rein aus <strong>der</strong> Situation<br />
entwickelt und ganz ohne Zusatz geblieben, Das ergibt die eigentliche baukünstlerische<br />
Wirkung.<br />
An die Rückseite <strong>der</strong> Bastion lehnt sich das Sächsische Haus, das als eine Art von<br />
Torbau zu <strong>der</strong> breiten platzartigen Straße führt, die den Hauptplatz von <strong>der</strong> Haupthalle<br />
schneidet und in <strong>der</strong> Fabrik von Gropius ihren Abschluß hat. Das Haus, von Lossow und<br />
Kühne erbaut, würde sich auf je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en <strong>Ausstellung</strong> gut ausgenommen haben. Bei<br />
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<strong>der</strong> dezidiert mo<strong>der</strong>nen Haltung <strong>der</strong> Hauptbauten <strong>der</strong> <strong>Werkbund</strong>-<strong>Ausstellung</strong> und gerade<br />
gegenüber dem benachbarten Bau Josef Hoffmanns detoniert es durch den historisierenden<br />
Charakter, den ihm seine Urheber gegeben haben. <strong>Die</strong> Rückseite, in <strong>der</strong> dieser Charakter<br />
nicht hervortritt, wirkt erheblich besser.<br />
Der Teil dieser Querstraße, <strong>der</strong> hinter dem Hauptplatze liegt, ist völlig als Platz ausgebildet.<br />
Man hat vor sich die Fassade <strong>der</strong> Fabrik, links das Haus <strong>der</strong> Frau, rechts Henry<br />
van de Veldes Theater, Das Haus <strong>der</strong> Frau ist von etwas übertrieben männlichem Charakter,<br />
fügt sich aber in die Gesamtheit <strong>der</strong> <strong>Ausstellung</strong> recht gut ein. <strong>Die</strong> Bauten von<br />
van <strong>der</strong> Velde und Gropius stellen interessante neue Versuche dar,<br />
Bei den Debatten über den Neubau des königlichen Opernhauses in Berlin ist die<br />
For<strong>der</strong>ung aufgestellt worden, daß nicht die traditionelle Form wie<strong>der</strong>holt, son<strong>der</strong>n streng<br />
aus den Bedürfnissen des mo<strong>der</strong>nen Theaters eine neue entwickelt werden müsse. Nun<br />
würde gewiß je<strong>der</strong> eine solche Lösung mit Freuden begrüßt haben, wenn sie gezeigt worden<br />
wäre. Aber dazu bestand so gut wie gar keine Hoffnung. War ja noch nicht einmal <strong>der</strong><br />
Versuch gemacht worden, die Aufgabe auch nur im kleinen zu lösen; wie sollte da auf<br />
einmal ein riesiger und durch beson<strong>der</strong>e Ansprüche des Hofes verwickelter Bau im Sinne<br />
des mo<strong>der</strong>nen Prinzips geschaffen werden können?! Das könnte auch von einem Genie<br />
nur geleistet werden, wenn ihm die zielbewußte Arbeit manches Vorgängers hilft.<br />
Gerade in diesem Augenblick muß deshalb das Theater, das Henry van <strong>der</strong> Velde<br />
erbaut hat, beson<strong>der</strong>es Interesse erregen. Es kann die Frage nicht lösen. Das Theater<br />
ist klein und <strong>der</strong> Grundriß einfach, die Lösung deshalb im besten Falle nur für beschränkte<br />
Aufgaben gültig. Außerdem standen nur geringe Mittel zur Verfügung, die kaum dazu<br />
ausreichten, es in dem Material provisorischer Bauten durchzuführen. Schließlich hin<strong>der</strong>t<br />
die Ungunst des Terrains die Wirkung des Hauses. Es läuft durch die ganze <strong>Ausstellung</strong>,<br />
parallel dem Rhein, ein Damm, <strong>der</strong> an keiner Stelle zerstört werden durfte. Das führte<br />
zu allerlei Seltsamkeiten. So steigt man die Treppe zu <strong>der</strong> Haupthalle hinan, um oben<br />
zu finden, daß man wie<strong>der</strong> hinuntersteigen muß, um die Säle zu betreten. <strong>Die</strong> Eingangswand<br />
des Theaters liegt nun auf <strong>der</strong> Höhe des Dammes, während das Haus hinter ihm<br />
um ein paar Meter tiefer steht. Man braucht nicht zu sagen, daß <strong>der</strong> Rhythmus des Aufbaues<br />
dadurch verschoben wird. Trotzdem: es ist hier zum ersten Male gezeigt, wie die<br />
streng konstruktive Form eines Theaters wirkt. Van <strong>der</strong> Velde hat <strong>der</strong> Tradition nicht<br />
das leiseste Zugeständnis gemacht. Er hat einfach den Grundriß entworfen und dann<br />
jeden Raum genau so hoch geführt, wie es das Bedürfnis verlangt.<br />
Das Bühnenhaus, das den Formen des Kuppelhorizontes folgt und sehr hoch ist,<br />
beherrscht die Baumasse- Zu beiden Seiten schließen sich an <strong>der</strong> Rückseite die Magazine,<br />
vorn das Zuschauerhaus, alle diese Teile etwas niedriger, dem ragenden Hauptstück an.<br />
Um das Zuschauerhaus legen sich, niedriger, Hallen und Foyers, an diese schließen sich<br />
an einigen Stellen, wie<strong>der</strong> niedriger, die Gar<strong>der</strong>oben, an das Bühnenhaus ebenso die<br />
Anklei<strong>der</strong>äume für die Schauspieler.<br />
Es ist sehr leicht, festzustellen, daß dieses Haus keine unmittelbar überzeugende Wirkung<br />
hat. Aber es ist sehr falsch, es damit abtun zu wollen. Zunächst wird je<strong>der</strong> zugeben<br />
müssen, daß die streng logisch entwickelte Form des Theaters durchaus überrascht. Sie<br />
ist ganz an<strong>der</strong>s, als man sie erwartet hat, und steht <strong>der</strong> traditionellen als etwas durchaus<br />
Neues — aber nicht gesuchtes, son<strong>der</strong>n gewachsenes Neues — gegenüber. <strong>Die</strong>ser Charakter<br />
des Hauses bedeutet eine Tatsache, an <strong>der</strong> man nicht vorüber kann. Er schafft<br />
die Grundlage für eine Entwicklung in an<strong>der</strong>er als <strong>der</strong> bisherigen Richtung.<br />
Wenn auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite das Theater als große künstlerische Leistung gepriesen<br />
wird, so ist diese Glorifizierung ebenso falsch wie die Ablehnung. Konstruieren ist noch<br />
159
nicht bauen. Ein Kunstwerk wird erst, wenn die Phantasie die verstandesgemäß entwickelten<br />
Formen zu einer Form gestaltet. Der Charakter muß zwingend gefühlt, nicht<br />
rechnend erkannt werden.<br />
So scheint mir van <strong>der</strong> Veldes Bau keine Erfüllung, wohl aber eine sehr bedeutsame<br />
Anregung zu sein. Es läßt hoffen, daß das mo<strong>der</strong>ne Theater, von dem so viel gesprochen<br />
worden ist, nicht immer bloße For<strong>der</strong>ung bleiben wird. Man kann, mehr, sogar seine<br />
Form ahnen.<br />
Will man die Leistung recht würdigen, so muß man erwägen, daß dem Künstler hier<br />
das Äußere Nebensache war. Er wollte nicht so sehr sein Bühnenhaus, als seine Bühne<br />
zeigen- Das Innere gehört nun nicht in den Rahmen dieser Besprechung. Es sei nur gesagt,<br />
daß <strong>der</strong> Zuschauerraum mit fast primitiven Mitteln — Holzleistenpaneel und getupftem<br />
Rupfen — zu einer feierlich-behaglichen und fast mystischen Stimmung gebracht worden<br />
ist, und daß die Bühne, ungerahmt und breiter als <strong>der</strong> Zuschauerraum, den Blick in den<br />
unbegrenzten Raum vortäuschen kann. Das Foyer ist von L- von Hoffmann fein auf Schwarz,<br />
Blau und Weiß gestimmt. <strong>Die</strong> Farben geben in umrissenen Flächen die Wandgemälde und<br />
kehren in Tupfen und Flecken in dem Bodenbelag wie<strong>der</strong>.<br />
<strong>Die</strong> Fabrik von Gropius ist nicht in demselben Sinne Experiment wie das Theater,<br />
Eine mo<strong>der</strong>ne Fabrik ist kein unangerührtes Problem, Man kann im Gegenteil auf eine<br />
ziemlich große Zahl guter, zum Teil meisterhafter Lösungen hinweisen, die noch wächst,<br />
wenn man die verwandten Bahnhofs- und <strong>Ausstellung</strong>shallen heranzieht. Trotzdem interessieren<br />
<strong>der</strong> Bau aus Glas und Eisen und <strong>der</strong> angeglie<strong>der</strong>te turmartige Bau lebhaft. Sie<br />
bringen den wahrhaft mo<strong>der</strong>nen Ton in die <strong>Ausstellung</strong>, die Mo<strong>der</strong>nität, die das Leben<br />
gezeugt hat und nicht Atelier o<strong>der</strong> Cafehaus. In dem Bürohaus, das dem Fabrikhof vorgelagert<br />
ist, ist ein ganz neues Prinzip durchgeführt worden. <strong>Die</strong> ganze Hoffront ist aus<br />
Eisen und Glas und gibt für die Registratur Räume, die bis in die letzte Ecke hinein Licht<br />
haben. An beiden Ecken <strong>der</strong> Fassade laufen die Treppen in runden Türmen von demselben<br />
Material in die Höhe, Das ist wenigstens bei diesem Bau nicht praktisch notwendig,<br />
aber diese Treppentürme geben <strong>der</strong> Fassade einen famosen und stilgerechten Abschluß und<br />
Schmuck, Überdies bereiten sie durch das Material auf die Hoffront und die Fabrik vor.<br />
Ein bemerkenswertes Detail ist das Eisengitter des Hofes. Es paßt in seiner einfachen<br />
Linienführung so gut zu dem Charakter <strong>der</strong> strengen Eisenkonstruktion. Solche Dinge sind<br />
wichtig, gerade jetzt, wo auch Nutzbauten immer mehr und mehr dem Baukünstler anvertraut<br />
werden. Wie viele Eisenbauten, Hallen und Brücken, sind dadurch verdorben<br />
worden, daß man historisches Ornament in die mo<strong>der</strong>ne Konstruktion hineinsetzt o<strong>der</strong><br />
gar ihr anklebt! Hier ist ein Weg gezeigt, eine rechte Schmuckform für solche Bauten<br />
zu entwickeln«<br />
An die neue Fabrik schließt sich das neue Dorf, das Georg Metzendorf entworfen<br />
hat. Beson<strong>der</strong>s für den Nie<strong>der</strong>rhein gedacht, aber in seiner Grundidee auch für an<strong>der</strong>e<br />
Industriegegenden möglich, stellt es eine zukünftige Siedlungsform dar- Es ist nicht nur<br />
für Bauern, son<strong>der</strong>n auch für Fabrik-und Heimarbeiter gedacht; und soll dasselbe für die<br />
schwarzen Bezirke <strong>der</strong> Arbeit bedeuten, was für die Großstadt Freiflächen sind. Es soll<br />
die Möglichkeit geben, Inseln des grünen Landes zu erhalten, die Erholung und Freude<br />
für Erwachsene und Kin<strong>der</strong> bringen.<br />
Das Dorf, durchweg in Backstein gebaut, nimmt den Heimatstil <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>rheinischen<br />
Landschaft auf. Aber es spielt nicht mit Reminiszenzen und ist nicht sentimental altertümlich,<br />
son<strong>der</strong>n durchaus gegenwärtig. Alles ist so gehalten, daß das ländliche Handwerk<br />
es ausführen kann. Das beste Haus ist Metzendorfs Schmiede, die auch am deutlichsten<br />
das rechte Verhältnis von Neu zu Alt zeigt, das er für diese Siedlungen will.<br />
Fritz Stahl<br />
160
Abb. 155. Blick auf die <strong>Werkbund</strong>ausstellung vom Rhein aus.
Abb. 156. Blick auf den Hauptplatz <strong>der</strong> <strong>Ausstellung</strong>.<br />
Abb. 157. Bruno Paul, Entwurf für den Abschluß<br />
162
Abb. 158. Der Hauptplatz. Blick nach dem Rhein.<br />
des Hauptplatzes. Blick nach dem Rhein.<br />
163
Abb. 159. Bruno Paul, Entwurf für den Abschluß des Hauptplatzes. Blick vom Rhein aus.
Abb. 160. Bruno Paul, Das Weinrestaurant.
Abb 161, Bruno Paul, Das Bierrestaurant,<br />
Abb. 162. Bruno Paul, Das Gelbe Haus,
Abb, 163. Theodor Fischer, <strong>Die</strong> Haupthalle.
Abb. 164. Theodor Fischer, <strong>Die</strong> Haupthalle.<br />
Haupteingang.<br />
168
Abb. 165. Josef Hoffmann, Das Österreichische Haus.
170<br />
Abb- 166, Oskar Strnad, Hof des österreichischen Hauses.
Abb 167. Josef Hoffmann, Das Österreichische Haus.
172<br />
Abb, 168, Oskar Strnad, Seitengang im Hof des Österreichischen Hauses.
Abb, 169. Oskar Strnad, Wandbrunnen im Hof des Österreichischen Hauses,<br />
31<br />
173
174
Abb. 171- Blick auf die Festhalle (Peter Behrens). Rechts: Das Bremen-Oldenburger Haus (Abbehusen und Blen<strong>der</strong>mann).
h<br />
Abb. 172. Peter Behrens, <strong>Die</strong> Festhalle-<br />
Vor<strong>der</strong>ansicht,<br />
Abb. 173. Frau Knüppelholz-Roeser, Das Haus <strong>der</strong> Frau-<br />
176
32 177
Abb, 175. Hermann Muthesius, <strong>Die</strong> Farbenschau.<br />
Eingang,<br />
178
Abb. 176. Carl Moritz, Verwaltungsgebäude mit Repräsentationshot<br />
Abb. 177, Georg Paffendorf, Das Cölner Haus, -..-<br />
179
Abb. 178. Oswin Hempel, <strong>Die</strong> Ladenstraße.
Abb. 179. Blick auf das Teehaus {Wilhelm Kreis). Rechts: <strong>Die</strong> Verkehrshalle (Hugo Eberhardt).
Abb, 180. Hugo Eberhardt, <strong>Die</strong> Verkehrshalle.<br />
Eingang.<br />
182<br />
Abb. 181- Wilhelm Kreis, Das Teehaus.
183
! 1<br />
Abb. 183. Wilhelm Kreis, Das Teeh aU s,<br />
Mittelbau-<br />
184
Abb. 184, Wilhelm Kreis, Das Teehaus.<br />
Rückseite.<br />
185
* ;•<br />
Abb. 185. Adalbert Niemeyer und Hermann Haas, Das Hauptcafe.<br />
i<br />
186<br />
Abb, 186. Adalbert Niemeyer und Hermann Haas, Das Hauptcafe.
187
Abb. 188, William Lossow und Max Hans Kühne, Das Sächsische Haus. Rückseite.<br />
I <<br />
188<br />
Abb. 189, Paul Pott, Das koloniale Gehöft-
Abb. 190. Henry van de Velde, Das Theater. Vor<strong>der</strong>ansicht.
Abb. I9l. Henry van de Velde, Das Theater. Seitenansicht.
Abb. 19Z Henry van de Velde, Das Theater. Das Bühnenhaus.
Abb. 193. Henry van de Velde, Das Theater.<br />
Gesamtansicht.<br />
Abb. 194. Ludwig v. Hofmann, Wandgemälde aus dem Foyer des Theaters.<br />
192
Abb. 195. Henry van de Velde, Foyer im Theater. (Farbige Ausgestaltung von L. v. Hofmann.j
Abb, 196, Henry van de Veldc, Zuschauerraum des Theaters-
I Abb. 197. Walter Gropius, <strong>Die</strong> Fabrik. Seitenansicht.
Abb, 198, Walter Gropius, <strong>Die</strong> Fabrik.<br />
Vor<strong>der</strong>ansicht.<br />
Abb. 199. Walter Gropius, Hof <strong>der</strong> Fabrik.
37<br />
197
Abb. 201, Walter Gropius, <strong>Die</strong> Fabrik.<br />
Treppe im Glasturm.
Abb. 202, Walter Gropius, Gitter im Fabrikhof.<br />
Abb. 203, Bruno Taut, Das Glashaus.<br />
Inneres.<br />
199
Abb- 204. Bruno Taut, Das Glashaus-<br />
(Ausführung: „Deutsches Luxfer Prismen Syndikat, Berlin"*)<br />
200
Abb. 205, Georg Metzendorf, <strong>Die</strong> Schmiede im nie<strong>der</strong>rheinischen Dorf, daneben die Kirche.')<br />
Über das ade<strong>der</strong>rheintBche Dorf auf <strong>der</strong> Deutschen <strong>Werkbund</strong>ausstellung erscheint in Kürze eine ausführliche Publikation im Verlage von Ernst Wasmuth A.-G. Berlin.
202<br />
Abb. 206. Georg Metzendorf, <strong>Die</strong> Schmiede im nie<strong>der</strong>rheinischen Dorf.
Abb, 207, Matlar u. Renard, <strong>Die</strong> Kirche und Kirchhof im nie<strong>der</strong>rheinischen Dorf.<br />
203
Verantwortlich für Schrtftleitung: Günther Wasmuth, Berlin-Steglitz; Verlag von Ernst Wasmuth, A.-G., Berlin W. 8, Markgrafenstr. 31<br />
Inseratenannahme: Ernst Wasmuth, A.-G., Berlin; Druck und Cliches von W. B ü x e n s t ei n, Berlin.<br />
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