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KRONHÜTER 49<br />
über stand ihre als »ultima ratio« gedachte moralische Pflicht, im Sinne<br />
von § 9 des G. A. XXV aus dem Jahre 1928 vorzugehen, d. h. gemäß<br />
ihrem Eide und ihrem guten Gewissen folgend zu handeln, da eine illegale<br />
Regierung die Macht ausübte und das Parlament zu einem ungesetzlichen<br />
Rumpfparlament zusammengeschmolzen war 96 .<br />
Nach der Eidesleistung Szálasis wurde die Krone von Kronhüter Perényi<br />
in die eiserne Truhe zurückgelegt. Am 6. November erfolgte die<br />
Überführung von Krone und Krönungsinsignien — mit Ausnahme des<br />
Krönungsmantels —, in Begleitung von Kronhüter Perényi durch die<br />
Kronwache — nach Veszprém in den Luftschutzkeller der Ungarischen<br />
Nationalbank. Szálasi verfügte diese Überführung, der die Kronhüter in<br />
Anbetracht der drohenden militärischen Lage zustimmten. Bei dem Abtransport<br />
wirkte bereits Kronhüter Radvánszky mit, indem er die Truhe<br />
mit seinem Siegel versah.<br />
Nach der Rückkehr Perényis aus Veszprém und der Fühlungsnahme<br />
des stellvertretenden Ministerpräsidenten Szöllösi mit den Kronhütern<br />
fand am 10. November eine Besprechung statt, in der man vereinbarte,<br />
den Krönungsmantel in die Erzabtei von Pannonhalma (Martinsberg)<br />
aufzubewahren. Dies war taktisch ein Erfolg der Kronhüter, die sogleich<br />
die Gelegenheit wahrnehmen wollten, um auch die Überführung der<br />
Krone und der übrigen Krönungsinsignien nach der vom König Stephan<br />
dem Heiligen gegründeten Erzabtei zu bewirken, da dieses Kloster unter<br />
dem Schutze des Internationalen Roten Kreuzes stand. Sie sprachen darüber<br />
noch aim selben Tag, abends um 7 Uhr bei Szálasi vor, und hatten<br />
den Eindruck, daß er ihrem Plan gegenüber nicht feindlich eingestellt<br />
war. Die späteren Ereignisse haben leider diese ihre Hoffnung nicht<br />
erfüllt.<br />
Der Plan »Martinsberg« fand eine tatkräftige Unterstützung beim<br />
Fürstprimas, Justinian Kardinal Serédi, der in einem Schreiben Szálasi<br />
ersuchte, seine Einwilligung zur Überführung der Krone und der Krönunuginsignien<br />
dorthin zu geben. Der Überbringer des Schreibens, der<br />
spätere Kardinal Mindszenty, damals Bischof von Veszprém, begleitete<br />
am 13. November die Kronhüter zu einer Besprechung beim stellvertretenden<br />
Ministerpräsidenten Szöllösi, wo sie zusammen, durch manigfaltige<br />
Argumente ihren Plan zu unterstützen suchten. Szöllösi willigte vorläufig<br />
nur in die Überführung des Krönungsmantels ein, den er auch<br />
nach Martinsberg begleiten wollte. Er erklärte, daß er nach seinen an<br />
Ort und Stelle gesammelten Erfahrungen auf die Angelegenheit der Krone<br />
zurückkommen würde.<br />
Der Krönungsmantel wurde am 18. November in Anwesenheit Szöllösds<br />
von beiden Kronhütern dem Erzabt von Pannonhalmia, Krizosztom<br />
Kelemen, übergeben, der am Nachmittag seinen Besuchern auch ver-<br />
98 § 9 des G. A. XXV vom Jahre 1928 wurde bereits erwähnt. Wir wiederholen<br />
zum besseren Verständnis den Gesetzestext: »Für den Fall, daß weder der<br />
Reichstag tagen, noch sich ein gesetzlich ernanntes Ministerium sich betätigen<br />
kann, sollten die Kronhüter des Landes im Sinne ihrer durch Eidesleistung<br />
bekräftigte Pflicht, und nach bestem Gewissen ihre Maßnahmen<br />
treffen bzw. handeln.«<br />
4 Ungarn-Jahrbuch