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Wege zu einem Europäischen Privatrecht

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332 Sekundärrecht, Konventionsprivatrecht und europäisches „ius commune“<br />

Die Feststellung, ob eine abschließende oder doch nur eine Mindestharmonisierung<br />

angestrebt war, fällt freilich nicht immer leicht. Sie bereitet<br />

vor allem im Gesellschaftsrecht Probleme 592 .<br />

Mindestharmonisierung bedeutet nicht, dass das Tätigwerden der Gemeinschaft<br />

auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beschränkt wird. Es handelt sich<br />

also um keine „Minimalharmonisierung“. Ziel ist nicht, das in <strong>einem</strong> Mitgliedstaat<br />

geltende niedrigste Schutzniveau gemeinschaftsweit fest<strong>zu</strong>schreiben, sondern<br />

eine Formulierung des für die jeweilige Gemeinschasftpolitik unabdingbaren<br />

Basisschutzes. Dieser kann durchaus streng sein und darf auch dann noch von<br />

den Mitgliedstaaten verschärft werden 593 .<br />

Die Politik der Mindestharmonisierung wird häufig als Ausfluss des<br />

Subsidiaritätsprinzips angesehen 594 . Man kann sie aber auch als Ausdruck<br />

eines veränderten Integrationsverständnisses begreifen: Gemeinschaftsrecht<br />

dient nicht mehr allein der Durchset<strong>zu</strong>ng rein ökonomischer Interessen,<br />

sondern wird verstärkt „<strong>zu</strong>r Verwirklichung von Bürgerrechten im<br />

Binnenmarkt“ 595 eingesetzt. Stand <strong>zu</strong> Beginn die Beseitigung von Handelsschranken<br />

und die Stärkung des freien Wettbewerbs mit allenfalls rein<br />

reflexiven Vorteilen für die „Sozialakteure“ - etwa durch ein vergrößertes<br />

Waren- oder Dienstleistungsangebot, die Möglichkeit der Teilhabe an <strong>einem</strong><br />

Anstieg der wirtschaftlichen Prosperität etc. - im Vordergrund der<br />

Gemeinschaftspolitik, so hat sich mittlerweile die Erkenntnis Bahn gebrochen,<br />

dass die Verwirklichung bestimmter, gleichfalls als wichtig angesehener<br />

Allgemeininteressen aktiven gesetzgeberischen Handelns bedarf 596 .<br />

Mindestharmonisierung wird seither da<strong>zu</strong> benutzt, beide Politikziele miteinander<br />

kompatibel <strong>zu</strong> machen 597 . Als dritter Begründungsansatz lässt sich<br />

schließlich noch der Gedanke des „Wettbewerbs der Rechtssysteme“ anführen<br />

598 . Die Öffnung der Märkte führt <strong>zu</strong> <strong>einem</strong> verstärkten und durchaus<br />

erwünschten Systemwettbewerb; mit ihm möglicherweise einhergehende<br />

negative Auswirkungen („race to the bottom“, „Delaware-Effekt“)<br />

Slg. 1993, I-3469, 3507 Egrd. 17 - Philip Morris Belgien; 19.10.1995 Slg. 1995, I-3389,<br />

3403 Egrd. 15 - Hans Hönig.<br />

592 Vgl. da<strong>zu</strong> m. w. Nachw. Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnrn. 40<br />

ff.; Lutter, FS Everling, 765, 770 ff.; außerdem Schön, in: Everling/Roth (Hrsg.), Mindestharmonisierung<br />

im <strong>Europäischen</strong> Binnenmarkt, 55 ff./<br />

593 EuGH 12.11.1996 Slg. 1996, I-5755, 5811 Egrd. 56 - Vereinigtes Königreich/Rat.<br />

594 Reich, Bürgerrechte in der EU, 86; Streinz, in: Everling/Roth (Hrsg.), Mindestharmonisierung<br />

im <strong>Europäischen</strong> Binnenmarkt, 9, 31.<br />

595 Reich, in: Everling/Roth (Hrsg.), Mindestharmonisierung im <strong>Europäischen</strong> Binnenmarkt,<br />

175.<br />

596 Dougan, CMLR 2000, 853, 857 f.<br />

597 Reich, in: Everling/Roth (Hrsg.), Mindestharmonisierung im <strong>Europäischen</strong> Binnenmarkt,<br />

175.<br />

598 Vgl. z.B. Dreher, JZ 1999, 105, 111;

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