BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 93 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />
könnte auch in den Förderkriterien verankert werden.<br />
Es geht nicht um ein Entweder/Oder, nicht um die Abschaffung<br />
von Institutionen zugunsten der Freien, sondern<br />
um verstärkte Kooperation und das Schaffen von<br />
Netzwerken.<br />
– Räume, Ateliers, Probenmöglichkeiten sind für die<br />
Kultur- und Kreativwirtschaft und die Freie Szene<br />
wichtige Ressourcen. Sie sollten zu erschwinglichen<br />
Preisen verfügbar sein und von der öffentlichen Hand<br />
auch übergangsweise in Form von Zwischennutzungen<br />
zur Verfügung gestellt werden.<br />
Notwendig ist nicht nur eine Änderung der Rahmenbedingungen<br />
kultureller Produktion. Die Produzenten und<br />
Vermittler kultureller Angebote selbst sind herausgefordert,<br />
sich in stärkerem Maße den neuen gesellschaftlichen<br />
Herausforderungen zu stellen, die sich aus der Digitalisierung<br />
ergeben. Nicht nur der private, auch der öffentliche<br />
Bereich reagiert sehr spät und zögerlich auf diese Veränderungen.<br />
Die Enquete-Kommission schließt sich entsprechend den<br />
Forderungen von Thomas Krüger in seinem Beitrag zum<br />
Kulturpolitischen Bundeskongress 2011 an den Kulturbereich<br />
und die Kulturpolitik und seinem Plädoyer für eine<br />
„Renaissance der öffentlichen Kultur“ an:<br />
„Es braucht eine dreifache Öffnung:<br />
1. Öffnung der Institutionen und ihrer Akteure für die digitalen<br />
Medienwelten/Kulturen.<br />
2. Öffnung der Institutionen für ihre Nutzer und Partner.<br />
3. Öffnung der gesellschaftlichen Debatte für die Frage<br />
nach dem öffentlichen Raum im 21. Jahrhundert, auch<br />
und gerade in digitalen Medienkulturen.“ 425<br />
Dabei stellen wir fest, dass insbesondere mit Blick auf die<br />
Herausforderungen für das Urheberrecht diese Debatte<br />
inzwischen bereits im vollen Gange ist.<br />
Die Künstlersozialkasse ist eine historische Errungenschaft.<br />
Sie ist bewahrenswert, muss aber an neue Entwicklungen<br />
angepasst werden. Durch den Bundeszuschuss<br />
muss die finanzielle Stabilität der Künstlersozialkasse<br />
dauerhaft gesichert werden. 426 Insbesondere ist zu prüfen,<br />
ob der Kultur- und Publizistikbegriff erweitert werden<br />
sollte, um neuen Kreativ- und Digitalberufen den Zugang<br />
zur Künstlersozialkasse zu ermöglichen. Zudem sollte der<br />
Kreis der Abgabepflichtigen besser erfasst werden. Es ist<br />
ungerecht gegenüber denjenigen, die ehrlich zahlen, dass<br />
bisher noch nicht alle Abgabepflichtigen erfasst und kontrolliert<br />
werden. Längerfristig brauchen wir Lösungen,<br />
wie beispielsweise eine Bürgerversicherung im Gesundheitsbereich,<br />
die allen Bürgerinnen und Bürgern, Kultur-<br />
425 Vgl.: Krüger, Thomas: Öffentliche Kultur in der digitalen Gesellschaft.<br />
In: Jahrbuch für Kulturpolitik 2011. Thema Digitalisierung<br />
und Internet. Herausgegeben vom Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen<br />
Gesellschaft. Essen: 2011, S. 105–113.<br />
426 Anmerkung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN: Ein Aspekt der Sicherung dieser finanziellen Stabilität<br />
wäre, den Bundeszuschuss wieder auf die ursprünglichen 25 Prozent<br />
zu erhöhen.<br />
und Kreativschaffende eingeschlossen, eine ausreichende<br />
soziale Absicherung bieten.<br />
Nicht zuletzt wird von allen Kulturverbänden auf die Notwendigkeit<br />
verwiesen, stärker in die kulturelle Bildung<br />
und die Medienbildung von Kindern und Jugendlichen zu<br />
investieren und die Aus- und Weiterbildung von Kulturund<br />
Kreativschaffenden stärker auf die neuen Bedingungen<br />
des digitalen Zeitalters auszurichten.<br />
Zu fast allen Punkten der Problemanalyse im Kapitel 3.3<br />
Einkommenssituation und soziale Lage Kulturschaffender<br />
dieses Berichtes liegen Handlungsempfehlungen der<br />
Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ von 2007<br />
vor. Nur ein Teil von ihnen wurde bisher aufgegriffen. Es<br />
ist an der Zeit, sie in die Tat umzusetzen.<br />
Die Bestandsaufnahme hat weiteren Forschungsbedarf erbracht.<br />
Die Folgen der Digitalisierung für den Kulturbereich<br />
und die soziale Lage von Kultur- und Kreativschaffenden<br />
sollten im Kontext genereller Veränderungen<br />
in der Arbeits- und Lebenswelt von Kultur- und Kreativschaffenden<br />
wie auch der Nutzer ihrer Angebote genauer<br />
untersucht werden.<br />
Es wird empfohlen, die Sonderregelung des Versicherungsschutzes<br />
zur sozialen Absicherung mit Arbeitslosengeld<br />
I von Künstlern, Journalisten und anderen kurzfristig<br />
Beschäftigten an die tatsächlichen Bedürfnisse und<br />
realen Arbeitsabläufe, also insbesondere auf kurze Zeit<br />
befristete Arbeitsverträge, der Kultur- und Kreativschaffenden<br />
anzupassen.“<br />
Ergänzendes Sondervotum der Fraktionen <br />
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie<br />
der Sachverständigen Dr. Jeanette Hofmann:<br />
„Aus dem Kulturbereich mehren sich die Stimmen, die<br />
zur Lösung der sozialen Probleme ein Grundeinkommen<br />
fordern.<br />
Dies würde zwar nicht das Problem der angemessenen<br />
Vergütung von erbrachten Leistungen lösen, könnte aber<br />
eine Existenzsicherung ohne die bisherigen bürokratischen<br />
Hürden und Sanktionen ermöglichen.<br />
Ein Grundeinkommen nur für Künstler wäre aber angesichts<br />
von auch jenseits der kreativen Berufe sichtbaren<br />
Prekarisierungstendenzen als Sonderweg für einzelne gesellschaftliche<br />
Gruppen nicht zu rechtfertigen und hätte<br />
zudem mit ähnlichen Abgrenzungsproblemen zu kämpfen<br />
wie derzeit die Künstlersozialkasse. Die verschiedenen<br />
Modelle einer Art Grundeinkommen für alle (vom Vorschlag<br />
einer sanktionsfreien, existenzsichernden Mindestsicherung<br />
bis zum bedingungslosen Grundeinkommen)<br />
sollten dennoch vorurteilsfrei und ergebnisoffen auf ihre<br />
Vor- und Nachteile und Realisierungschancen für die gesamte<br />
Gesellschaft geprüft werden.<br />
Bis zur Schaffung einer solchen generellen Lösung für<br />
eine Grundsicherung sind die bestehenden Regelungen<br />
für den Bezug von Arbeitslosengeld I und II hinsichtlich<br />
der Höhe der Leistungen, des Abbaus von Zugangsbarrieren<br />
und Sanktionen zu reformieren und den besonderen<br />
Bedingungen der veränderten Arbeitswelt anzupassen.“