BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag
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Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong> – 92 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode<br />
kus nicht allein beim Urheberrecht liegen darf, um die soziale<br />
Lage von Kultur- und Kreativschaffenden zu verbessern.<br />
Das Urheberrecht bietet aber sehr wohl die<br />
Möglichkeit, insbesondere durch eine Reform des Urhebervertragsrechts,<br />
die Verhandlungsmacht von Kulturund<br />
Kreativschaffenden gegenüber den Verwertern ihrer<br />
Leistungen zu stärken. (Siehe dazu auch die Handlungsempfehlungen<br />
Kapitel 4.1 Medien.)<br />
Statt einer weiteren Kriminalisierung von Nutzern sollte<br />
die Entwicklung neuer Vergütungs- und Abrechnungsmodelle<br />
befördert werden. Maßnahmen zum Schutz des Urheberrechts<br />
müssen verhältnismäßig sein. In diesem<br />
Zusammenhang sollten alle derzeit diskutierten Modelle<br />
oder praktischen Versuche – von der „Kultur-Flatrate“<br />
über die vom Chaos Computer Club vorgeschlagene<br />
„Kultur-Wertmark“ bis zu neuen Micropayment-Modellen<br />
– ergebnisoffen und schnellstmöglich geprüft werden.<br />
Letztlich geht es um einen neuen Gesellschaftsvertrag. Er<br />
sollte die Kreativität möglichst vieler und die Teilhabe aller<br />
am kulturellen Reichtum im Internet ermöglichen und<br />
zugleich sichern, dass professionelle Kultur- und Kreativschaffende<br />
von ihrer Arbeit leben können und sozial abgesichert<br />
sind.<br />
Die Stimmen aus dem Kulturbereich werden lauter, die<br />
eine Reform der Verwertungsgesellschaften, insbesondere<br />
der GEMA 421 , einfordern.<br />
– Vor allem die Binnendemokratie der Verwertungsgesellschaften<br />
ist zu stärken. Ziel dabei müssen mehr<br />
Mitspracherechte für alle Mitglieder sein.<br />
– Bei der Festsetzung von Nutzungstarifen sollte ein Inkrafttreten<br />
neuer Tarife erst nach dem Ende eines<br />
möglichen Schlichtungsverfahrens erfolgen.<br />
– Die Aufnahme von Kultur- und Kreativschaffenden,<br />
die unter freien Lizenzen (wie Creative Commons)<br />
veröffentlichen, in die Verwertungsgesellschaften sowie<br />
die Aufnahme von frei lizenzierten Werken in das<br />
durch die Verwertungsgesellschaften vertretene Repertoire<br />
sollten in allen Verwertungsgesellschaften<br />
möglich sein.<br />
– Die sogenannte GEMA-Vermutung sollte nach Genres<br />
getrennt durch statistische Erhebungen validiert werden<br />
und dort, wo die sie begründende Monopolstellung<br />
der Verwertungsgesellschaft nachweislich nicht<br />
(mehr) zutrifft, durch neue Instrumente ergänzt werden.<br />
Ein Weg zur Verbesserung der Situation bildender Künstlerinnen<br />
und Künstler könnte die Einführung einer Ausstellungsvergütung<br />
sein. Bildende Künstlerinnen und<br />
Künstler erhalten im Unterschied zu den Künstlerinnen<br />
und Künstlern aller anderen Sparten, bei denen das Urheberrecht<br />
eine Vergütung für jede öffentliche Nutzung und<br />
Verwertung ihrer Werke vorsieht, üblicherweise keine<br />
Vergütung für die öffentliche Ausstellung ihrer Werke. Im<br />
421 Anmerkung: Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische<br />
Vervielfältigungsrechte (GEMA)<br />
Urheberrecht ist derzeit kein Rechtsanspruch auf eine<br />
Ausstellungsvergütung verankert. Zusammen mit den<br />
Ländern sollte in einem ersten Schritt eine gemeinsame<br />
Haltung erarbeitet werden, wie eine verpflichtende Ausstellungszahlung<br />
an bildende Künstlerinnen und Künstler<br />
sowie Fotografinnen und Fotografen in den Förderkriterien<br />
der vom Bund geförderten Einrichtungen und Projekte<br />
ausgestaltet werden könnte, auch mit dem Ziel, entsprechende,<br />
parallele Regelungen in den Ländern zu<br />
finden.<br />
Festlegungen über Mindesthonorare und eine Ausstellungsvergütung<br />
sind nur dann sinnvoll, wenn den öffentlichen<br />
Einrichtungen auch die erforderlichen Mittel dafür<br />
zur Verfügung stehen. Die Finanznot der Länder und<br />
Kommunen ist offensichtlich. Hier bedarf es einer nachhaltigen<br />
Finanz- und Steuerpolitik des Bundes, damit sie<br />
wieder in die Lage versetzt werden, ihren Aufgaben zur<br />
Daseinsvorsorge, auch der kulturellen, nachkommen zu<br />
können.<br />
Der entscheidende Ansatzpunkt im Kultur- und Kreativbereich<br />
ist die Stärkung der nicht erwerbswirtschaftlich<br />
orientierten Kultursektoren, des öffentlichen und intermediären<br />
Kultursektors 422 , der Stopp weiterer Privatisierung<br />
von öffentlichen Einrichtungen sowie des Abbaus von<br />
Personal im öffentlichen Bereich. Zwingend ist eine Stabilisierung<br />
und längerfristige Sicherung des frei-gemeinnützigen<br />
Bereichs, der derzeit wesentlich auf Ehrenamt<br />
oder unterbezahlter kurzfristiger Projektarbeit beruht.<br />
Notwendig ist eine Reform der öffentlichen Kulturförderung<br />
mit stärkerem Gewicht auf neue Formen kultureller<br />
Produktion und den freien Bereich, für den deutlich mehr<br />
Mittel zur Verfügung gestellt werden müssten.<br />
– Eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Kultur<br />
und Medien des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es am 7. November<br />
2012 hat dazu wesentliche Empfehlungen erbracht.<br />
423 Die von der öffentlichen Hand ausgereichten<br />
Fördermittel müssen in stärkerem Maße bei den Kultur-<br />
und Kreativschaffenden und der freien Szene<br />
ankommen. Die Autoren des „Kreativpakts“ beispielsweise<br />
schlagen vor, analog zum Hauptstadtkulturvertrag,<br />
für zehn Städte jeweils zehn Mio. Euro für die<br />
Freie Szene zur Verfügung zu stellen. 424<br />
– Verändern müssen sich aber insbesondere auch die öffentlich<br />
geförderten Einrichtungen selbst. Sie sollten<br />
sich in stärkerem Maße der Freien Szene öffnen und<br />
ihr ihre Infrastruktur zur Verfügung stellen. Das<br />
422 Vgl. dazu die Handlungsempfehlungen der Studie „Öffentlich geförderter,<br />
intermediärer und privater Kultursektor – Wirkungsketten, Interdependenzen,<br />
Potenziale“. Forschungsgutachten für den Beauftragten<br />
der Bundesregierung für Kultur und Medien. Endbericht.<br />
Auftragnehmer STADTart Dortmund in Kooperation mit dem Institut<br />
für Kulturpolitik Bonn. Dortmund: 2012, S. 156 f.<br />
423 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Protokoll der 73. Sitzung des Ausschusses<br />
für Kultur und Medien am 7. November 2012.<br />
424 Vgl.: SPD-<strong>Bundestag</strong>sfraktion: Reboot Arbeit, update Urheberrecht –<br />
bildet soziale Netzwerke! Der Kreativpakt – ein Bündnis von Kultur,<br />
Wirtschaft und Politik. Berlin: 2012, S. 22. Online abrufbar unter:<br />
http://www.spdfraktion.de/sites/default/files/web_kreativpakt_a5_0.pdf