BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag
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Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong> – 86 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode<br />
Den Onlineangeboten kommt zunehmend eine eigenständige<br />
kommunikative Aufgabe zu, die umso wichtiger<br />
wird, je mehr sich die Bürgerinnen und Bürger<br />
über gesellschaftliche relevante Vorgänge im Internet<br />
informieren. Zudem sind Internet-spezifische Angebote<br />
ein Weg, um auch jüngere Zuschauerinnen und<br />
Zuschauer beziehungsweise Nutzerinnen und Nutzer<br />
zu erreichen. Vor diesem Hintergrund ist der Auftrag<br />
der Anstalten im Rundfunkstaatsvertrag, Telemedien<br />
anzubieten, fortzuschreiben.<br />
Im Zusammenhang mit der Einführung des Rundfunkbeitrages<br />
wird zu Recht von Bürgerinnen und Bürgern<br />
die Frage gestellt, warum bestimmte öffentlich-rechtliche<br />
Inhalte nur begrenzte Zeit online verfügbar sind<br />
(sogenannte Verweildauer) und zum Teil von den<br />
Rundfunkanstalten nach sieben Tagen wieder aus dem<br />
Internet genommen werden müssen (Pflicht zur Depublikation).<br />
Wo dies nicht an fehlenden Rechten liegt,<br />
sondern an den gesetzlichen Grundlagen, empfiehlt<br />
die Enquete-Kommission, die im Rundfunkstaatsvertrag<br />
festgeschriebene Depublikationspflicht aufzuheben,<br />
also eine unbegrenzte Verfügbarkeit zur Regel zu<br />
machen. Vorab sollte geprüft werden, ob das Rundfunksystem<br />
an dieser Stelle die kommunikativen Interessen<br />
der Gesellschaft – unter Einbeziehung des<br />
Beitrags privater Anbieter zur Kommunikation und<br />
möglicher negativer Auswirkungen öffentlich-rechtlicher<br />
Angebote auf diesen Beitrag – optimal ausbalanciert.<br />
Nach Ansicht der Fraktionen CDU/CSU und<br />
FDP sowie der Sachverständigen Prof. Dr. Hubertus<br />
Gersdorf, Prof. Dieter Gorny, Prof. Dr. Christof<br />
Weinhardt, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, Dr. Bernhard<br />
Rohleder, Dr. Wolf Osthaus, Harald Lemke, Nicole<br />
Simon und padeluun soll die Sieben-Tage-Regelung<br />
nur für Angebote entfallen, die einen qualitativen<br />
Mehrwert darstellen.<br />
Da die Angebotsmöglichkeiten im Internet im Prinzip<br />
völlig offen sind, bedarf es einer Strategie und eines<br />
Verfahrens, die dem Publikum und auch den Konkurrenten<br />
klar machen, in welchen Bereichen öffentlichrechtliche<br />
Angebote einen Beitrag zum publizistischen<br />
Wettbewerb leisten können und wo nicht beziehungsweise<br />
wo die Anstalten entsprechend Schwerpunkte<br />
setzen. Mit einer solidarischen Beitragsfinanzierung<br />
gehen entsprechende Begründungspflichten einher.<br />
Dazu bedarf es eines Kriterienkatalogs, der den<br />
„public value“, also den spezifisch öffentlich-rechtlichen<br />
Beitrag, überprüfbar beschreibt.<br />
– Zweitens: Der Drei-Stufen-Test bedarf nach Auffassung<br />
der Kommission auch in materieller Hinsicht<br />
einer Konkretisierung. Die nicht zuletzt im<br />
Interesse der Beitragszahler unverzichtbare Begrenzungsfunktion<br />
erfüllt der Drei-Stufen-Test derzeit<br />
nur unzureichend. Es sollte klarer als bislang<br />
geregelt werden, dass beitragsfinanzierte lineare<br />
beziehungsweise nicht-lineare Angebote des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks nur dann zulässig<br />
sind, wenn sie der Grundversorgung dienen oder<br />
im Vergleich zu den Angeboten Privater einen<br />
Mehrwert begründen. Dieses Erfordernis scheint<br />
der Enquete-Kommission gerade im Onlinebereich<br />
unverzichtbar zu sein, weil hier die Zutrittshürden<br />
vergleichsweise geringer sind und das Potenzial<br />
gesellschaftlicher Selbstorganisation entsprechend<br />
höher ist. Nur ein qualitativer Mehrwert, nicht aber<br />
ein „more of the same“ rechtfertigt das Beitragsprivileg<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 406<br />
– Die Enquete-Kommission empfiehlt, dass der öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunk – soweit dies rechtlich möglich<br />
ist – verstärkt auf freie Lizenzen setzt, um die öffentlich-rechtlichen<br />
Inhalte zugänglich und nutzbar zu<br />
machen. Sofern rechtliche Unsicherheiten dies behindern,<br />
sollten die Länder eine Klarstellung im Rundfunkstaatsvertrag<br />
erwägen.<br />
– Unabhängig davon sollte geprüft werden, ob es Bedarf<br />
gibt, im Internet Angebote zu fördern, die nicht kommerziell,<br />
durch öffentlich-rechtliche Angebote oder<br />
allein durch gesellschaftliches Engagement entstehen<br />
und ob beziehungsweise wie dies gemäß den Vorgaben<br />
des Verfassungsgerichtes und denen der europäischen<br />
Kommission umgesetzt werden könnte.<br />
– Vor dem Hintergrund des Rückgangs der Finanzierung<br />
der Deutschen Welle von über 30 Prozent im letzten<br />
Jahrzehnt und der Notwendigkeit, Inhalte weltweit<br />
verstärkt auch über das Internet zu verbreiten, empfiehlt<br />
die Enquete-Kommission, den deutschen Auslandsrundfunk<br />
wieder zu stärken. Dabei ist es aus<br />
wirtschaftlichen und inhaltlichen Gründen sinnvoll,<br />
die Kooperation mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk<br />
weiter auszubauen. Zu prüfen ist darüber hinaus,<br />
ob ein Bund-Länder-Staatsvertrag dafür die geeignete<br />
Grundlage sein kann.<br />
Folgen der Digitalisierung für den Journalismus<br />
(unter anderem neue Geschäftsmodelle)<br />
Die Ziele des 2002 eingeführten Urhebervertragsrechts<br />
konnten bisher nicht im angestrebten Maße erfüllt werden.<br />
Entsprechend fordern Urheber- und Kulturverbände<br />
sowie Gewerkschaften eine Reform des Urhebervertragsrechts.<br />
Das Bundesministerium der Justiz hat in diesem<br />
Bereich jedoch bisher keine Evaluierung vorgenommen<br />
und sieht auch keinen Handlungsbedarf.<br />
Die Enquete-Kommission empfiehlt eine Gesetzesnovellierung,<br />
die folgende Kernpunkte enthält:<br />
– In Urheberverträgen dürfen im Voraus nur die für die<br />
Verwertung notwendigen Rechte übertragen werden<br />
(Vertragszweckbindung).<br />
– Total-Buyout-Verträge sollen so gestaltet werden, dass<br />
das vereinbarte Pauschalhonorar dem Umfang der<br />
Nutzung innerhalb der Schutzfrist angemessen ist.<br />
406 Alternatives Sondervotum der Fraktionen SPD, DIE LINKE.,<br />
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Sachverständigen<br />
Dr. Jeanette Hofmann und Prof. Dr. Wolfgang Schulz zu diesem<br />
Spiegelstrich siehe Kapitel 5 dieses Berichtes.