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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 81 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />

kein konsensuales Leitbild, auf das man im Hinblick auf<br />

den normativen Rahmen hin arbeiten könnte. Es gilt aber<br />

zu reflektieren, welche Pfade die Regulierung verfolgt<br />

und welche Chancen dadurch vergeben und welche eröffnet<br />

werden, was die Internet-basierte Kommunikation angeht.<br />

Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden Erkenntnisse<br />

der Arbeit in Form von Thesen und aus Sicht<br />

der Kommission weiterführende Leitfragen formuliert<br />

werden:<br />

– Viel Streit um die Optimierung von Regelungen wird in<br />

diesem Bereich derzeit eher ideologisch ausgetragen.<br />

Die Enquete-Kommission empfiehlt, die Diskussion<br />

stärker faktenbasiert zu führen, das heißt, zunächst Informationen<br />

darüber zu erheben, welche Folgen der<br />

bestehende Rahmen – etwa im Hinblick auf bestimmte<br />

Geschäftsmodelle – tatsächlich hat. 391<br />

– Weit unterentwickelt ist unsere Kenntnis über die sozialen<br />

Normen im Internet. Es ist bekannt, dass die<br />

Rechtsbefolgung „offline“ primär dadurch erfolgt,<br />

dass die Bürgerinnen und Bürger informellen sozialen<br />

Normen folgen, die kongruent mit den formalen rechtlichen<br />

Regeln sind. Daher bedarf es keiner Kontrolle<br />

und keiner Sanktion. Insofern ist die Kenntnis sozialer<br />

Normen in Communitys, die Kenntnis von Netikette,<br />

hoch relevant, um effiziente und effektive rechtliche<br />

Regulierung sicher zu stellen. Zudem ist an das Potenzial<br />

explizierter sozialer Normen zu denken, etwa in<br />

Form von Codes of Conduct. Dies sind nur einige<br />

Überlegungen, wie Recht diese Veränderungen von<br />

Öffentlichkeit verarbeiten kann.<br />

– Auch eine digitalisierte Medienwelt muss sich der Herausforderung<br />

eines barrierefreien Zugangs zu allen<br />

Medienformen stellen. Die Enquete-Kommission appelliert<br />

an die Medienanbieter und -schaffenden, ihre<br />

Inhalte standardmäßig barrierearm zu gestalten, also<br />

beispielsweise Untertitel oder Hörversionen von Texten<br />

oder Filmen anzubieten. Sie empfiehlt, eine Ausweitung<br />

des barrierefreien Angebotes für öffentlich<br />

geförderte Produktionen verbindlich festzuschreiben<br />

und die Forderung des Beauftragten der Bundesregierung<br />

für die Belange behinderter Menschen und der<br />

Behindertenverbände, dies als zwingende Vorbedingung<br />

einer öffentlichen Förderung festzuschreiben,<br />

umzusetzen.<br />

Die Enquete-Kommission empfiehlt, mit Blick auf die<br />

zunehmende Medienkonvergenz einen auf mittlere Sicht<br />

umzusetzenden kohärenten Regulierungsrahmen für die<br />

Medien- und Kommunikationsordnung zur Vielfaltsicherung<br />

zu schaffen.<br />

– Die aktuelle Kompetenzverteilung und -überschneidung<br />

zwischen Bund und Ländern wird dem europarechtlichen<br />

Rahmen sowie der Internationalität des Internet<br />

als zukünftigem Meta-Medium, in dem sowohl<br />

391 Ergänzendes Sondervotum der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und<br />

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Sachverständigen<br />

Dr. Jeanette Hofmann siehe Kapitel 5 dieses Berichtes.<br />

lineare als auch nicht-lineare Inhalte zur Verfügung<br />

gestellt werden, nicht mehr gerecht. Auch die Lizenzierungspflicht<br />

für Medieninhalte gerät, wie beispielsweise<br />

die aktuellen Definitionen, ab wann Podcastund<br />

Streaming-Anbieter als Rundfunkanbieter zu<br />

verstehen sind, an ihre systematischen Grenzen. Eine<br />

einfache Übertragung der bisherigen, auf lineare Informationsvermittlung<br />

ausgerichteten Rundfunkregulierung<br />

auf das Internet wird dessen Potenzialen vor<br />

allem bezüglich aktiver Teilhabe am Mediengeschehen<br />

nicht gerecht.<br />

– Wichtiger als bisher wird die Regulierung der Bedingungen<br />

für die Bereitstellung von Inhalten. Entsprechend<br />

braucht eine internetbasierte Medien- und Kommunikationslandschaft<br />

klare Rahmenbedingungen, die<br />

den Erhalt der Netzneutralität, der Offenheit, der informationellen<br />

Selbstbestimmung sowie der dauerhaften<br />

Verfügbarkeit von Inhalten gewährleisten.<br />

Erhaltung, Sicherung und Gefährdungen von Medienund<br />

Meinungsfreiheit beziehungsweise Meinungsvielfalt<br />

und der Informations-, Presse- und<br />

Rundfunkfreiheit<br />

Zum verfassungsrechtlichen Rahmen kommt die Enquete-Kommission<br />

zu folgenden Einschätzungen und<br />

Fragen:<br />

– Kommunizieren mittels des technischen Mediums Internet<br />

ist zunächst Ausdruck der Kommunikationsfreiheit,<br />

die unter Artikel 5 Absatz 1 GG geschützt ist.<br />

Staatliche Maßnahmen sind insofern grundsätzlich begründungsbedürftig.<br />

– Für bestimmte intermediäre Funktionen ist die verfassungsrechtliche<br />

Einordnung noch unklar. Als bislang<br />

ungeklärt kann beispielsweise die Frage angesehen<br />

werden, ob etwa in der Auswahl von Links durch einen<br />

Algorithmus gegebenenfalls in Kombination mit<br />

weiteren Maßnahmen eine Meinungsäußerung liegt,<br />

die als solche vom Grundgesetz geschützt ist. Diese<br />

Fragen sind vor allem durch Gerichte und Wissenschaft<br />

zu klären.<br />

– Auch die Frage, inwieweit Intermediäre als Rundfunk<br />

im Sinne des Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG anzusehen<br />

sind, ist rechtswissenschaftlich nicht eindeutig geklärt<br />

und umstritten. Mit dieser Einordnung ist einerseits<br />

die Frage verbunden, ob und gegebenenfalls in welcher<br />

Form der Bund oder die Länder gehalten sind,<br />

von Intermediären möglicherweise ausgehenden<br />

Gefahren für die freie Meinungsbildung entgegenzuwirken.<br />

Anderseits stellt sich die Frage, ob und unter<br />

welchen Voraussetzungen auch Intermediäre in den<br />

Genuss von Medienprivilegien 392 kommen können<br />

oder sollten.<br />

392 Anmerkung: Die klassischen Medienprivilegien sind etwa Auskunftsrechte<br />

bei Behörden für Journalistinnen und Journalisten, Datenschutzprivilegien<br />

sowie möglicherweise Zeugnisverweigerungsrechte.

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