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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong> – 78 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode<br />

grundlegend zu überarbeiten, um die zunehmend in Erwerbsmischformen<br />

tätigen Künstlerinnen und Künstler<br />

aufnehmen zu können. Außerdem müssten die Einnahmen<br />

der Künstlersozialkasse gesteigert werden. Der Bund<br />

sollte seinen Zuschuss dementsprechend wieder auf<br />

25 Prozent erhöhen. Auch die Zunahme von Selbstständigen<br />

stelle kein Spezifikum der Kultur- und Kreativwirtschaft<br />

dar. Eine allgemeine Erwerbstätigenversicherung<br />

sei deshalb ein möglicher Weg. Festlegungen zu Mindesthonoraren<br />

für den freien Bereich wären zwar wünschenswert,<br />

seien aber schwer durchsetzbar. Deshalb ginge es<br />

zunächst darum, vor allem die Position der Verbände zu<br />

stärken, um zu tarifähnlichen Vereinbarungen zu kommen.<br />

Alexandra Manske plädierte dafür, runde Tische aus<br />

Gewerkschaften und Politikern zu bilden, um interessenpolitische<br />

Strukturen zu stärken.<br />

Günter Jeschonnek, Geschäftsführer des Fonds Darstellende<br />

Künste, untersetzte diese Ausführungen durch Befunde<br />

aus dem Report Darstellende Künste. Er belegte<br />

eine Mehrdimensionalität der Arbeitsverhältnisse. 20 bis<br />

25 Prozent der Künstlerinnen und Künstler hätten angegeben,<br />

teilweise sozialversicherungspflichtig beschäftigt<br />

und nicht Mitglied in der Künstlersozialkasse zu sein. Die<br />

„Pendler zwischen den Welten“ rutschten durch die sozialen<br />

Netze und schnitten mit Blick auf Einkommen, Rente<br />

oder die Ausschöpfung des künstlerischen Potenzials<br />

besonders schlecht ab. Alle Befragten seien überproportional<br />

häufig auf staatliche Unterstützung und Sozialleistungen<br />

angewiesen gewesen. Insbesondere infolge von<br />

Erwerbslücken hätten sie vor allem ALG II beziehen<br />

müssen. Besonders Junge und Geringverdienende (Einkommen<br />

unter 10 000 Euro jährlich) investierten nicht in<br />

die Altersvorsorge.<br />

Zuvor hatte Alexander Opitz vom Bundesverband Freier<br />

Theater darauf hingewiesen, dass die Künstlersozialkasse<br />

hinsichtlich der Alterssicherung für die Freischaffenden<br />

zwar ein Segen sei, die freischaffenden Künstlerinnen<br />

und Künstler aber mit einem durchschnittlichen Jahresnettoeinkommen<br />

von 12 000 Euro nach 45 Jahren lediglich<br />

einen Rentenanspruch in Höhe von 500 Euro im Monat<br />

erwerben würden. Ein Antrag auf Grundsicherung sei<br />

somit unausweichlich.<br />

Heinrich Schafmeister vom Bundesverband der Film- und<br />

Fernsehschauspieler (BFFS) verwies auf Probleme beim<br />

Bezug von Arbeitslosengeld I. Die 2009 geschaffene<br />

Neuregelung zu den Anwartschaften greife nicht, weil die<br />

darin enthaltenen Beschränkungen zu viele Kreative von<br />

vornherein von Leistungen ausschlössen. Er mahnte weitere<br />

Reformschritte an. Sein Verband halte es für dringend<br />

notwendig, Mindestgrenzen für die Honorierung<br />

einzuführen, auch wenn das im Kunstbereich schwierig<br />

sei. Der BFSS fordere in Tarifverhandlungen derzeit Mindestgagen.<br />

Denn während beispielsweise ein Hund am Set<br />

mit 350 Euro pro Drehtag honoriert werde, erhielten<br />

Schauspielerinnen und Schauspieler mit Hochschuldiplom<br />

oft weniger. Im Rahmen einer Studie der Forschungsgruppe<br />

BEMA sei ermittelt worden, dass 68 Prozent der<br />

Schauspieler weniger als 30 660 Euro jährlich verdienten.<br />

Sehr viele erhielten sogar weniger als 5 000 Euro im<br />

Jahr. 378<br />

Die im Expertengespräch des Ausschusses für Kultur und<br />

Medien benannten Problemfelder beim Zugang zur<br />

Künstlersozialkasse, bei der sozialen Absicherung von<br />

Solo-Selbstständigen, beim Bezug von ALG I und ALG II<br />

und bei den Renten der Kreativen bestehen teilweise bis<br />

heute fort, obwohl durch ein Bündel von Maßnahmen für<br />

viele Betroffene Sonderregelungen geschaffen worden, die<br />

ansonsten weder für andere (pflichtversicherte) Selbstständige<br />

noch für abhängig Beschäftigte feststellbar sind. Neben<br />

der Künstlersozialkasse, die es selbstständigen Kreativen ermöglicht,<br />

zu Arbeitnehmerbedingungen sozialversichert zu<br />

sein, gibt es Sonderregelungen beim Bezug von Arbeitslosengeld.<br />

(Vgl. Kapitel 3.3.8 Erfolgte Maßnahmen zur Verbesserung<br />

der sozialen Sicherung Kulturschaffender in<br />

Deutschland in diesem Bericht.) 379<br />

Eine weitere öffentliche Anhörung im Ausschuss für Kultur<br />

und Medien des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es am 27. Juni<br />

2012 zur sozialen Lage von Künstlerinnen und Journalistinnen<br />

mit dem Schwerpunkt Gleichstellung im Kulturbetrieb<br />

verdeutlichte, dass sich all diese sozialen Probleme<br />

für Frauen noch in besonderer Maße stellen. 380 Sie verdienen<br />

als Freiberuflerinnen in allen Branchen deutlich weniger<br />

als ihre freiberuflichen männlichen Kollegen. Einen<br />

Ausweg sehen Teilnehmer der Anhörung in verbindlichen<br />

Regelungen zur Honorierung auch im freien Bereich. Zudem<br />

wird es als Aufgabe der Politik betrachtet, Lösungen<br />

für die Verbesserung der Einkommenssituation und der<br />

sozialen Lage von Kreativen zu schaffen.<br />

3.3.8 Erfolgte Maßnahmen zur Verbesserung<br />

der sozialen Sicherung Kulturschaffender<br />

in Deutschland<br />

Gleichwohl hat es von der Politik in den letzten Jahren eine<br />

Reihe von Anpassungen beziehungsweise Neuerungen in<br />

den sozialen Sicherungssystemen gegeben. Zu benennen<br />

wären unter anderem die Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetzes<br />

und die Neuregelung des SGB III, ALG I<br />

für überwiegend kurz befristet Beschäftigte.<br />

3.3.8.1 Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetzes<br />

Die Gesetzesreform (2007) hatte vor allem zwei Anliegen<br />

zur finanziellen Stabilisierung: die abgabepflichtigen Ver-<br />

378 Vgl.: Bührmann, Andrea D./Wild, Nina/Heyse, Marko/Dierschke,<br />

Thomas: Viel Ehre, aber kaum Verdienst. Erhebung zur Arbeits- und<br />

Lebenssituation von Schauspielerinnen und Schauspielern in<br />

Deutschland. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für<br />

Soziologie, Forschungsgruppe BEMA, Münster: 2010.<br />

379 Anmerkung: Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung sind in der<br />

Projektgruppe Kultur, Medien und Öffentlichkeit der Enquete-Kommission<br />

Internet und digitale Gesellschaft diverse Varianten zur Alterssicherung<br />

skizziert worden (Versicherungspflicht sowie Pflichtversicherung<br />

für Selbstständige etc.).<br />

380 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Protokoll Nr. <strong>17</strong>/68 der öffentlichen Anhörung<br />

im Ausschuss für Kultur und Medien am 27. Juni 2012.<br />

Online abrufbar unter: http://www.bundestag.de/bundestag/aus<br />

schuesse<strong>17</strong>/a22/oeffentliche_Sitzungen/68_gleichstellung_im_kultur<br />

betrieb/protokoll.pdf

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