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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 77 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />

3.3.6 Soziale Sicherung: Künstlersozialkasse<br />

Seit Inkrafttreten des Künstlersozialversicherungsgesetzes<br />

sind selbstständige Künstlerinnen und Künstler beziehungsweise<br />

Publizistinnen und Publizisten im Rahmen<br />

des gesetzlichen Sozialversicherungssystems krankenund<br />

rentenversichert, seit Bestehen der Pflegeversicherung<br />

auch pflegeversichert. Damit wurde eine Lücke im<br />

sozialen Sicherungssystem in Deutschland geschlossen.<br />

Diese Form der sozialen Absicherung für Kreative ist<br />

weltweit einmalig. Die Enquete-Kommission „Kultur in<br />

Deutschland“ hat sich ausdrücklich zu diesem Sondersystem<br />

der sozialen Sicherung für Künstler und Publizisten<br />

bekannt. Die besondere soziale Schutzbedürftigkeit dieser<br />

Gruppen sei nach wie vor gegeben. Deshalb empfahl<br />

die Kommission, die Künstlersozialversicherung als<br />

wichtiges Element der sozialen und kulturellen Künstlerförderung<br />

weiterhin zu stärken. 374<br />

Dass ihr Erhalt auch aktuell dringend nötig ist, daran besteht<br />

nach den für diesen Bericht ausgewerteten Analysen<br />

kein Zweifel. Zugleich aber hat auch die Enquete-Kommission<br />

„Kultur in Deutschland“ schon damals auf eine<br />

Reihe von Problemen hingewiesen, die sich seither immer<br />

deutlicher zeigen. Das ist zum einen der merkliche<br />

Anstieg der Zahl der Versicherten. Waren es im Jahr 1991<br />

noch 47 713, so wurden mit Datenstand vom 1. Januar<br />

2012 insgesamt <strong>17</strong>5 103 Künstlerinnen und Künstler gezählt.<br />

375 Ihre Zahl hat sich damit fast vervierfacht. Die<br />

Frage ist, wie lange die Künstlersozialkasse diesen Zuwachs<br />

verkraften kann. Der Zustrom resultiert aus den<br />

Veränderungen des Arbeitsmarktes mit einem wachsenden<br />

Anteil von Freiberuflern im Kulturbereich. Sowohl<br />

zuvor abhängig in Kultureinrichtungen Beschäftigte<br />

(etwa vormals an Museen als Kunsthistoriker oder als<br />

Musikpädagogen an Musikschulen tätige Selbstständige)<br />

als auch Angehörige neuer, im Zuge der Digitalisierung<br />

entstandener Berufsgruppen (wie Web-Designer) drängen<br />

nun in die Künstlersozialkasse. Daraus resultieren als<br />

zweites Problemfeld zunehmende Schwierigkeiten in der<br />

Abgrenzung des Kreises derer, die Zugang zu diesem sozialen<br />

Sicherungssystem haben. Die Enquete-Kommission<br />

„Kultur in Deutschland“ empfahl trotz des Anstiegs<br />

der Zahl der Versicherten grundsätzlich am offenen<br />

Rechtsbegriff der Künstler und Publizisten festzuhalten –<br />

eine Entscheidung, die angesichts des stetigen Wandels in<br />

diesen Berufsfeldern nur zu begrüßen ist.<br />

374 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Schlussbericht der Enquete-Kommission<br />

„Kultur in Deutschland“ 2007. A. a. O., S. 300.<br />

375 Vgl.: Künstlersozialkasse: Entwicklung der Versichertenzahlen – unterteilt<br />

nach den Kunstbereichen – ab dem Jahr 1991. Online abrufbar<br />

unter: http://www.kuenstlersozialkasse.de/wDeutsch/ksk_in_<br />

zahlen/statistik/versichertenbestandsentwicklung.php<br />

Die Künstlersozialkasse prüft bis heute nach einem vorliegenden<br />

Beispielkatalog von Berufen, der nicht abgeschlossen<br />

ist und als Orientierung dient, in jedem Einzelfall,<br />

wer Mitglied der Künstlersozialkasse werden kann<br />

und wer nicht. Von rigider Praxis kann dabei keine Rede<br />

sein. Und dennoch gibt es eine wachsende Zahl von Freiberuflern<br />

im Kulturbereich, die aus verschiedenen Gründen<br />

nicht Mitglied in der Künstlersozialkasse werden<br />

können, weil sie nicht den Berufsbeispielen entsprechen<br />

oder nicht das geforderte Mindesteinkommen erreichen.<br />

Nach der Änderung der Formulierung zum Publizisten-<br />

Begriff im KSVG (§ 2 Absatz 2) 2012 – entsprechend einer<br />

Empfehlung der Enquete-Kommission „Kultur in<br />

Deutschland“ 376 – waren die konkreten Auswirkungen<br />

dieser Änderung bei Abfassung dieses Berichtes noch<br />

nicht abzusehen. Insgesamt wächst gerade im Bereich der<br />

Darstellenden Kunst die Gruppe derjenigen, deren sozialversicherungsrechtlicher<br />

Status häufig wechselt. Für all<br />

jene, die derzeit nicht Mitglied der Künstlersozialkasse<br />

werden können, müssen Lösungen – entweder innerhalb<br />

oder jenseits dieses Sondersystems – gefunden werden.<br />

3.3.7 Ergebnisse von Fachgesprächen des<br />

Ausschusses für Kultur und Medien <br />

des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es<br />

Da diese Probleme immer deutlicher von den Kulturverbänden<br />

artikuliert wurden, nahm sich auch der Ausschuss<br />

für Kultur und Medien des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es dieses<br />

Themas an. Er führte am 11. Mai 2011 ein Expertengespräch<br />

zur sozialen Lage von Kulturschaffenden (insbesondere<br />

freiberuflich, selbstständig, unständig oder in<br />

Erwerbsmischformen in künstlerischen Berufen Beschäftigten)<br />

in Bezug auf die Künstlersozialversicherung, die<br />

Alterssicherung und den Arbeitsmarkt (ALG I/ALG II)<br />

durch. Die Befunde waren alarmierend und bestätigten,<br />

was schon in der Enquete-Kommission „Kultur in<br />

Deutschland“ an Problemen zu diesen Themen aufgelistet<br />

wurde. 377<br />

Alexandra Manske von der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

sprach sich beispielsweise dafür aus, Fragen der sozialen<br />

Absicherung in einem größeren Rahmen zu betrachten.<br />

Ungleichheiten und Prekarisierung beträfen nicht nur<br />

Kulturschaffende. Gesamtgesellschaftlich seien Patchwork-Biografien<br />

und diskontinuierliche Erwerbsverläufe<br />

nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel – das gelte<br />

auch für Künstlerinnen und Künstler. Damit habe sich ein<br />

wesentliches Aufnahmekriterium der Künstlersozialkasse,<br />

nämlich das der selbstständigen künstlerischen Erwerbsform,<br />

überlebt. So seien etwa ein Drittel der darstellenden<br />

Künstler in sequenziell oder zeitgleich wechselnden Erwerbsformen<br />

tätig, zudem auch rund ein Drittel der freiberuflichen<br />

Designer. Diese Erwerbsmischformen seien<br />

mit der Tatsache gepaart, dass die Betreffenden einen erheblichen<br />

Anteil ihres Einkommens aus nicht-künstlerischen<br />

Tätigkeiten bestreiten müssten. Die Kombination<br />

führe zu einer zunehmend brisanten Ausgrenzungsproblematik<br />

aus den Sicherungssystemen, die für Künstler und<br />

Kulturschaffende angeboten würden. Alexandra Manske<br />

empfahl die Aufnahmekriterien der Künstlersozialkasse<br />

376 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Schlussbericht der Enquete-Kommission<br />

„Kultur in Deutschland“ 2007. A. a. O., S. 302.<br />

377 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Protokoll Nr. <strong>17</strong>/37 des Ausschusses für<br />

Kultur und Medien zur Expertenanhörung am 11. Mai 2011.<br />

S. 13–28.

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