BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag
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Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong> – 76 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode<br />
genüber dem Vorjahr um immerhin 2,2 Prozent. 370 Für die<br />
einzelnen Branchen zeigt sich ein differenziertes Bild.<br />
Eine überdurchschnittlich hohe Umsatzdynamik erzielten<br />
beispielsweise die Designwirtschaft mit 3,7 Prozent Zuwachs,<br />
der Markt für Darstellende Künste mit 4,9 Prozent<br />
und der Kunstmarkt mit 8,7 Prozent Zuwachs, während<br />
der Buchmarkt als einziger unter den elf Teilmärkten ein<br />
deutliches Umsatzminus von 4,5 Prozent hinnehmen<br />
musste. Die Musikwirtschaft konnte mit einem minimalen<br />
Umsatzminus von 0,6 Prozent ihr Umsatzniveau in<br />
etwa halten, nachdem inflationsbereinigt die Umsätze im<br />
letzten Jahrzehnt um etwa 50 Prozent zurückgegangen<br />
sind. 371<br />
Mit Blick auf die Umsatzdaten in den verschiedenen<br />
Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft kann zumindest<br />
festgehalten werden, dass sich deren teilweise positive<br />
Entwicklung bisher nicht entsprechend in der<br />
Einkommensentwicklung der Künstler und Kreativen niedergeschlagen<br />
hat. Das weist auf andere, entscheidendere<br />
Gründe ihrer prekären sozialen Lage hin.<br />
Selbstständige und freiberufliche Kreative gehören im<br />
Wettbewerb der miteinander konkurrierenden Marktanbieter<br />
in der Regel zu den Schwächeren. Sie können keine<br />
Angebote am Markt platzieren, die es ihnen ermöglichen,<br />
in Verhandlungen mit den sogenannten Verwertern künstlerischer<br />
Leistungen, den Unternehmen der Kulturindustrie,<br />
den Musikproduzenten, Verlagen und anderen, eine<br />
für sie als angemessen anzusehende Vergütung durchsetzen.<br />
Die Selbstvermarktung im Internet könnte künftig allerdings<br />
vermehrt eine entsprechende Alternative darstellen.<br />
Anders als im öffentlichen Bereich gibt es keine<br />
Vereinbarungen der Beteiligten über feste tariflichen<br />
Bindungen, Festlegungen über Mindesteinkommen oder<br />
Mindesthonorare. 372 Auch Festschreibungen wie in den<br />
Kammerberufen sind nicht der Gegenstand konkreter<br />
Forderungen und/oder Vereinbarungen der Vertragsparteien.<br />
Gerade in den neu mit der Digitalisierung entstandenen<br />
Bereichen hat es bislang kaum erfolgreiche Versuche<br />
für organisierte Interessenvertretungen gegeben, die<br />
bei der Aushandlung solcher Vergütungsbedingungen<br />
mitwirken könnten.<br />
In den Untersuchungen zur sozialen Lage wie auch in<br />
Vorschlägen von Kulturverbänden wird übereinstimmend<br />
gefordert, das Urheberrecht und speziell das Urhebervertragsrecht<br />
so zu ändern, dass die Rechte der Kreativen gegenüber<br />
den Verwertern ihrer Leistungen gestärkt werden.<br />
Andererseits muss auch die Wirtschaftlichkeit der<br />
Kultur- und Kreativwirtschaft bedacht werden. Eine Fokussierung<br />
auf das Urheberrecht als entscheidenden Ansatzpunkt,<br />
um die prekäre Situation der Kreativen zu verändern,<br />
ist dennoch nicht sachgerecht – weisen doch alle<br />
Studien aus, dass die Einkünfte der meisten Kreativen aus<br />
370 Vgl.: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.):<br />
Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kulturund<br />
Kreativwirtschaft 2010. A. a. O., Kurzfassung, S. 4.<br />
371 Vgl.: ebd., S. 9.<br />
372 Vgl. auch Kapitel 1.6 Folgen der Digitalisierung für den Journalismus<br />
in diesem Bericht.<br />
der urheberrechtlichen Verwertung ihrer Leistungen nur<br />
einen Teil ihres Einkommens darstellen.<br />
Auch die Autoren der Studie Arbeit 2.0 – Urheberrecht<br />
und kreatives Schaffen in der digitalen Welt kamen zu<br />
dem Urteil, dass das Urheberrecht für die Arbeitssituation<br />
und die wirtschaftlichen Erträge der meisten Kreativen<br />
eine nur geringe Rolle spielt. Ihre Verhandlungsmacht<br />
hänge stärker von der jeweiligen Nachfragesituation ab,<br />
als von einem Schutz durch das Gesetz. Von einem ausreichenden<br />
Schutz des geltenden Urheberrechts und Urhebervertragsrechts<br />
sowie des AGB-Rechts im Bürgerlichen<br />
Gesetzbuch (als gesetzliches Instrument zum Schutz<br />
von Urheberinnen und Urhebern im Journalismus sowie<br />
der Film-, Games- und Internet-Branche) könne keine<br />
Rede sein. 373 Die Studie diagnostiziert mithin keinen ausreichenden<br />
Schutz durch das AGB-Recht. Die Untersuchung<br />
wird in der Fachdiskussion allerdings auch kritisiert.<br />
Es wird teilweise bemängelt, dass an verschiedenen<br />
Stellen wissenschaftliche Nachweise fehlen.<br />
Die digitale Revolution hat die Produktions- und Verbreitungsbedingungen<br />
kreativer Güter und Leistungen radikal<br />
verändert. Insbesondere Presse, Musik und Film befinden<br />
sich in einem dramatischen Umbruchprozess, in dem sich<br />
die sogenannten Wertschöpfungsketten neu strukturieren.<br />
Am dramatischsten sind die Folgen für die Presse, der es<br />
bisher kaum gelungen ist, neue Einnahmequellen durch<br />
Internetangebote zu schaffen. Im Musik- und Filmbereich<br />
gibt es erste Ansätze, mit neuen Geschäftsmodellen der<br />
veränderten Situation zu begegnen. Die Musik- und Filmindustrie<br />
hat ihre Absatzrückgänge bislang vornehmlich<br />
den Urheberrechtsverletzungen privater Nutzerinnen und<br />
Nutzer im Internet zugeschrieben und mit digitaler Rechtekontrolltechnologie<br />
beziehungsweise dem Ruf nach<br />
Verschärfung des Urheberrechts hinsichtlich neuer Schutzinstrumente<br />
reagiert. Mittlerweile haben die Akteure in<br />
diesen Branchen aber auch und teilweise vorrangig neue<br />
Wege eingeschlagen, um die Absatzkrise zu meistern.<br />
Dies hat beispielsweise bei den Musikkonzernen zu<br />
neuen Vermarktungskonzepten geführt. Die Suche nach<br />
Lösungen, um den Strukturwandel zu gestalten, ist zumindest<br />
im Gang.<br />
Einige Verwerter künstlerischer Arbeit haben in diesem<br />
Umbruchprozess das Marktrisiko in stärkerem Maße auf<br />
die Kreativarbeiter verlagert, die sich mit geringen Honoraren<br />
und Einmalzahlungen für die Verwertung ihrer<br />
Leistungen abfinden mussten.<br />
Auch verfügt die wachsende Zahl von Freiberuflern nicht<br />
über gesetzlich verpflichtende Schutzmechanismen wie<br />
beispielsweise Angestellte, für die eine verpflichtende<br />
Absicherung durch Sozial-, Kranken- und Altersversicherung<br />
existiert. Selbst Vorsorge zu treffen, dazu sind viele<br />
Kreative aufgrund ihrer niedrigen Einkommen kaum in<br />
der Lage. Insofern ist die soziale Absicherung dieser Personengruppe<br />
zu überdenken.<br />
373 Vgl.: iRights.info/Institut für Informatik an der Humboldt-Universität<br />
zu Berlin: Arbeit 2.0 – Urheberrecht und kreatives Schaffen in der<br />
digitalen Welt. A. a. O., S. 15.