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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 75 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />

hohem Niveau“ schon in ihrer Feldstudie über Alleinunternehmer<br />

im IT-Bereich von 2007 nachgewiesen. 363<br />

3.3.5 Gründe für geringes Einkommen<br />

Nun ist die prekäre Situation von vielen Künstlerinnen<br />

und Künstlern nicht neu, sondern existiert seit sich der<br />

moderne freie Künstler mit der Entfaltung der bürgerlichen<br />

Gesellschaft im Laufe des 19. Jahrhunderts als Typus<br />

herausgebildet hat. Daran hat sich bis heute nichts<br />

Wesentliches geändert. Sowohl Anfang des 19. Jahrhunderts<br />

wie auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind nur<br />

wenige Künstlerinnen und Künstler reich geworden, konstatierte<br />

Wolfgang Ruppert im Jahr 2000 in seiner Studie<br />

zum modernen Künstler. Die überwiegende Mehrzahl<br />

lebt bestenfalls in auskömmlichen Verhältnissen. 364<br />

363 Vgl.: Manske, Alexandra: Prekarisierung auf hohem Niveau. Eine<br />

Feldstudie über Alleinunternehmer in der IT-Branche. München/<br />

Mering: 2007; vgl. auch: Schwemmle Michael/Wedde Peter: Digitale<br />

Arbeit in Deutschland. Potenziale und Problemlagen. Friedrich-<br />

Ebert-Stiftung, Bonn: 2012; vgl. auch: Bsirske, Frank/Schröder,<br />

Lothar/Werneke, Frank/Bösch, Dina/Meerkamp, Achim (Hrsg.):<br />

Grenzenlos vernetzt? Gewerkschaftliche Positionen zur Netzpolitik.<br />

Hamburg: 2012. Darin unter anderem Mirschel, Veronika: Digitale<br />

Bohème, digitales Proletariat, urbanes Pennertum. Selbstständigkeit<br />

und Internet. S. 143–152.<br />

364 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Schlussbericht der Enquete-Kommission<br />

„Kultur in Deutschland“ 2007. A. a. O., S. 234 und Ruppert,<br />

Wolfgang: Der moderne Künstler. Zur Sozial- und Kulturgeschichte<br />

der kreativen Individualität in der kulturellen Moderne. Frankfurt am<br />

Main: 2000.<br />

365 Vgl.: Fonds Darstellende Künste: Report darstellende Künste.<br />

A. a. O., S. 199.<br />

366 Vgl.: Smith, Michael/Telang, Rahul: Assessing the Academic Literature<br />

Regarding the Impact of Media Piracy on Sales. Pittsburgh:<br />

2012.<br />

Dennoch ist zu fragen, welche Gründe es für die Verschlechterung<br />

dieser Lage in den letzten Jahren gab: Handelt<br />

es sich um eher konjunkturelle (Wirtschafts- und<br />

Finanzkrisen, geändertes Nachfrageverhalten der Verbraucher<br />

etc.) oder um eher strukturelle Gründe? Ausgehend<br />

von Caroll Haaks Einschätzung „Zusammenfassend<br />

lässt sich festhalten, das sich die wirtschaftliche und soziale<br />

Lage auf den Arbeitsmärkten der darstellenden<br />

Künstler in den letzten Jahren verschlechtert hat.“ 365 kann<br />

eine umfassende Antwort oder Erläuterung der Gründe<br />

nach derzeitigem Forschungsstand nicht gegeben werden<br />

und müsste auch jeweils branchenspezifisch erfolgen. Die<br />

ausgewerteten Arbeiten ergeben das Bild der Verschlechterung,<br />

die Gründe dafür wären in weiteren Forschungen<br />

zu überprüfen. Gewarnt wird an dieser Stelle allerdings<br />

vor einem einseitigen Blick auf die Folgen der Digitalisierung.<br />

Dabei sollte auch bedacht werden, dass für alle<br />

Künstlerinnen und Künstler, die aus dem Verkauf eines<br />

auch digital zu kopierenden Produktes Einnahmen erzielen,<br />

sich diese vor dem Hintergrund der kostenlosen Verfügbarkeit<br />

desselben verringern. 366 Andererseits gibt es<br />

durchaus Beispiele, in denen freiwillige Bezahlmöglichkeiten<br />

zu hohen Einnahmen geführt haben oder die durch<br />

kostenlose Verfügbarkeit eines digitalen Produkts entstehenden<br />

Einnahmeverluste mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit<br />

und damit neuen oder anderen Erlösquellen<br />

einhergehen. 367<br />

Aus den vorliegenden Arbeiten kristallisiert sich als einer<br />

der wesentlichen Gründe die deutliche Verschiebung im<br />

Verhältnis des öffentlichen und intermediären zum privaten<br />

Bereich heraus. Nicht nur schlechthin als Folge der<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise, sondern auch aufgrund<br />

politischer Entscheidungen zur Stärkung der Kultur- und<br />

Kreativwirtschaft und zur Förderung privater Initiative<br />

und privaten Engagements haben sich die Gewichte deutlich<br />

hin zum privatwirtschaftlichen Sektor verlagert. 368<br />

Zwar sind Privatisierung, Abbau öffentlicher Beschäftigung<br />

und Prekarisierung inzwischen längst nicht nur auf<br />

den Kulturbereich beschränkt, er war in den letzten Jahren<br />

aber Vorreiter dieser Entwicklung. Verbunden mit der<br />

zunehmend schwierigen Haushaltslage vieler Länder und<br />

Kommunen sind negative Folgen für die wirtschaftliche<br />

und soziale Situation der Kreativen, denn sie sind nun in<br />

viel stärkerem Maße von den Risiken der freien Marktwirtschaft<br />

betroffen. Von den erwirtschafteten Geldern<br />

fließt nur ein Teil an die Künstlerinnen und Künstler<br />

selbst, ein Großteil wird für die (Re-)Finanzierung der getätigten<br />

Investitionen innerhalb der mit Kreation, Vermarktung<br />

und Vertrieb betrauten Unternehmen der Kultur-<br />

und Kreativwirtschaft verwendet.<br />

In einigen Studien und in der öffentlichen Diskussion<br />

wird insbesondere von der Musikindustrie bis heute<br />

neben der Finanz- und Wirtschaftkrise vor allem ein verändertes<br />

Nutzerverhalten im Internet als wesentliche<br />

Ursache für Umsatzeinbußen und daraus folgende Einkommensverluste<br />

von Kreativen ausgemacht. Illegales<br />

Herunterladen aus dem Internet und damit verbundene<br />

massenhafte Rechtsverletzungen stellten unverändert die<br />

größte Hürde für nachhaltiges Wachstum von Musik im<br />

Internet dar, heißt es dazu in der jüngsten Publikation des<br />

Bundesverbandes der Musikindustrie Musikindustrie in<br />

Zahlen 2011. 369<br />

Die Umsatzeinbußen sollen hier nicht generell in Frage<br />

stehen, aber das illegale Herunterladen soll auch nicht als<br />

die einzige Ursache dafür angesehen werden. Der aktuelle<br />

Bericht zur wirtschaftlichen Entwicklung der Kultur-<br />

und Kreativwirtschaft insgesamt legt einen Umsatzzuwachs<br />

nahe. Mit deutlichen Unterschieden zwischen<br />

den Teilbereichen sind die Kosten innerhalb der Unternehmen<br />

auch erheblich gestiegen, da zahlreiche neue Vermarktungsszenarien<br />

bedient werden müssen. So wuchs<br />

das Umsatzvolumen der Gesamtbranche im Jahr 2010 ge-<br />

367 Vgl. auch: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Achter Zwischenbericht der<br />

Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“/Wirtschaft,<br />

Arbeit, Green IT. <strong>Bundestag</strong>sdrucksache <strong>17</strong>/12505 vom<br />

13. März 2013. Online abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/<br />

extrakt/ba/WP<strong>17</strong>/246/24667.html<br />

368 Vgl. auch die Kapitel 3.3.4.1 Anzahl der Erwerbstätigen in den drei<br />

Kultursektoren und 3.3.4.2 Struktur der Erwerbstätigkeit in diesem<br />

Bericht.<br />

369 Vgl.: Bundesverband Musikindustrie e.V.: Musikindustrie in Zahlen<br />

2011. Berlin: 2012, S. 2.; vgl. auch: Bundesverband Musikindustrie<br />

e.V.: Musik im Digitalen Wandel. Eine Bilanz aus zehn Jahren Brennerstudie.<br />

Berlin: 2012.

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