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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong> – 70 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode<br />

3.3.3 Beschäftigung und Einkommenssituation<br />

Der Arbeitsmarkt Kultur wird in der jüngeren Zeit als<br />

Boom-Branche mit noch erheblichem Entwicklungspotenzial<br />

betrachtet. Der Anstieg der Erwerbstätigenzahlen<br />

der letzten Jahre insbesondere in der Kultur- und Kreativwirtschaft<br />

legt diesen Schluss nahe. Mit Blick auf die abhängig<br />

Beschäftigten liegt die Kultur- und Kreativwirtschaft<br />

derzeit in etwa gleichauf mit den Beschäftigten in<br />

der Automobilindustrie. 329 Zwar musste im jüngsten Bericht<br />

zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur-<br />

und Kreativwirtschaft 2010 erstmals eine Stagnation<br />

des Wachstums der Erwerbstätigkeit und der Anzahl von<br />

Unternehmen konstatiert werden. Erste Eckdaten für das<br />

Jahr 2011 zeigten aber, dass auch der Beschäftigungsmarkt<br />

der Kultur- und Kreativwirtschaft wieder zulegte.<br />

Sollte sich der Trend bestätigen, würde dieser Wirtschaftsbereich<br />

sogar etwas schneller wachsen als die bundesdeutsche<br />

Wirtschaft insgesamt. 330<br />

Was bedeutet dieses Wachstum aber für die soziale Lage<br />

und Einkommenssituation von Kulturschaffenden? Hier<br />

ist zunächst auf deutliche Unterschiede hinzuweisen, die<br />

zwischen den Beschäftigten in öffentlichen Einrichtungen<br />

und jenen bestehen, die sich im privaten oder frei-gemeinnützigen<br />

Sektor bewegen. Dabei ist allerdings festzustellen,<br />

dass Kreative zunehmend in allen drei Sektoren<br />

tätig sind, und die Grenzen zwischen diesen Sektoren immer<br />

durchlässiger werden.<br />

Tatsache ist, dass sich der Kulturbetrieb in den letzten<br />

30 Jahren entscheidend verändert hat. Neben die öffentlichen<br />

Einrichtungen ist ein breites Feld von frei-gemeinnützigen<br />

Vereinen, Verbänden und Initiativen mit ihren<br />

kulturellen Projekten und Angeboten getreten, in denen<br />

Künstler und Kulturschaffende teils ehrenamtlich arbeiten,<br />

teils projektbezogen oder auf Honorarbasis beschäftigt<br />

sind. Da es für diese Träger im freien Bereich in der<br />

Regel keine institutionelle Förderung gibt, ist Arbeit ohne<br />

Entgelt beziehungsweise in kurzfristigen Projekten an der<br />

Tagesordnung. Ebenso ist der öffentliche Kultursektor<br />

immer deutlicher von der Finanzkrise öffentlicher Haushalte<br />

betroffen. Dort, wo Projektmittel nicht mehr ausreichen<br />

oder knapper werden, schlägt sich das auch in den<br />

Honorargrößenordnungen der Künstlerinnen und Künstler<br />

nieder. Das trifft nicht nur auf den freien Bereich, sondern<br />

auch auf die Institutionen zu.<br />

329 Vgl.: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.):<br />

Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kulturund<br />

Kreativwirtschaft 2010. A. a. O., S. 7.<br />

330 Vgl.: ebd., S. 11, vgl. auch: Bundesministerium für Wirtschaft und<br />

Technologie (Hrsg.): Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen<br />

Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2010. Langfassung,<br />

Köln: 2010, S. 109 f.<br />

Für den öffentlichen Bereich sollte angenommen werden,<br />

dass es sich dort in der Regel um feste, ausfinanzierte<br />

Stellen handelt, die ein existenzsicherndes Einkommen<br />

gewährleisten. Das ist aber immer weniger der Fall, sind<br />

doch in den letzten Jahren viele der festen Stellen in<br />

öffentlichen Einrichtungen abgebaut worden. Ganze Aufgabenkomplexe<br />

wurden in den privaten Bereich ausgelagert.<br />

Die Beschäftigung in den öffentlichen Einrichtungen<br />

hat sich diversifiziert – neben fest angestellten sind<br />

nun auch zahlreiche befristet oder unständig Beschäftigte,<br />

auf Honorarbasis und auf Projektdauer beziehungsweise<br />

Produktionsdauer Beschäftigte tätig. Der unbefristete Arbeitsvertrag<br />

stellt zunehmend eine Ausnahme dar. Auch<br />

im Hinblick auf die Annahme, dass die Einkommen der<br />

Angestellten existenzsichernd sind, ist Vorsicht geboten,<br />

werden doch die tariflichen Regelungen zunehmend<br />

durch Haustarifverträge unterlaufen.<br />

Insgesamt ist im Kulturbereich ein Rückgang an abhängigen<br />

Beschäftigungsverhältnissen bei einem gleichzeitigen<br />

Anstieg von selbstständiger Erwerbsarbeit zu verzeichnen.<br />

Arbeitsplatzunsicherheit und geringe Einkünfte sind<br />

die Folge. Für den Bereich der Darstellenden Künste hat<br />

Carroll Haak diese Entwicklung in ihrem Gutachten zur<br />

sozioökonomischen Lage der darstellenden Künstlerinnen<br />

und Künstler im Auftrag des Beauftragten der Bundesregierung<br />

für Kultur und Medien (BKM) im Jahr 2009<br />

nachvollzogen. Ihre Zusammenfassung lautet: „Die Ergebnisse<br />

des Gutachtens zeigen, dass der Abbau der abhängigen<br />

Beschäftigungsverhältnisse von darstellenden<br />

Künstlern weiter voranschreitet. Umgekehrt ist eine stetige<br />

Zunahme an Selbstständigkeit in diesen Sektoren zu<br />

beobachten. Arbeiteten im Jahr 2005 noch 16 550 darstellende<br />

Künstler in abhängiger Erwerbsarbeit, so reduzierte<br />

sich die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse innerhalb<br />

eines Jahres um nahezu 1 000 Verträge, bei gleichzeitigem<br />

Anstieg Alleinselbstständiger von 13 500 auf 16 550. Die<br />

Anteile von darstellenden Künstlern in Alleinselbstständigkeit<br />

liegen im Jahr 2006 bereits über der Hälfte der erwerbstätigen<br />

Künstler in diesen Berufsgruppen.“ 331<br />

Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ hat<br />

auch in Bezug auf die Beschäftigung im Kulturbereich<br />

und die tarif- und arbeitsrechtliche Situation der Künstlerund<br />

Kulturberufe wichtige Befunde zusammengetragen,<br />

die die obige Darstellung der Situation im Kulturbereich<br />

stützen. 332 Eine aktuelle Übersicht der Beschäftigungsformen<br />

und der Einkommenssituation im öffentlichen Kulturbetrieb<br />

in Bund, Ländern und Kommunen gibt es derzeit<br />

aber nicht. 333<br />

Der Deutsche Kulturrat erstellt gegenwärtig im Auftrag<br />

des BKM eine Untersuchung zum Arbeitsmarkt Kultur<br />

sowie zur sozialen beziehungsweise wirtschaftlichen<br />

Lage der Künstlerinnen und Künstler, in der die Veränderungen<br />

in den Erwerbsformen in den vergangenen zehn<br />

Jahren in den Blick genommen werden – auch hinsichtlich<br />

der Rolle der Digitalisierung. Die Untersuchung liegt<br />

331 Vgl.: Haak, Carroll: Die Arbeitsmärkte der darstellenden Künstler.<br />

Arbeitsplatzunsicherheit und geringe Einkünfte. In: Kulturpolitische<br />

Mitteilungen Heft 125, II 2009, S. 30–31.<br />

332 Vgl.: Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“<br />

2007. A. a. O., insbesondere S. 244–251 und 286–297.<br />

333 Anmerkung: Zuletzt antwortete die Bundesregierung im Oktober<br />

2011 auf eine kleine Anfrage in dieser Sache, dass ihr „keine konkreten<br />

Zahlen“ vorlägen. Vgl.: <strong>Bundestag</strong>sdrucksache <strong>17</strong>/7438 vom<br />

21. Oktober 2011.

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