BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 69 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />
Als sicher gilt, dass sich gravierende Veränderungen bei<br />
der Verwertung kultureller Angebote und Leistungen<br />
vollziehen, die auch Auswirkungen auf die Einkommenssituation<br />
und soziale Lage von Künstlern, Kreativen und<br />
anderen Kulturschaffenden haben. Nur schwer zu unterscheiden<br />
aber ist, was davon Folgen der Digitalisierung<br />
und was Konsequenzen anderer gesellschaftlicher Prozesse<br />
– wie der Globalisierung, der Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
und deren Auswirkungen auf den Kulturbetrieb<br />
– sind, die sich nicht zuletzt in einer fortschreitenden<br />
Privatisierung dieses Bereiches zeigen.<br />
All diese offenen Fragen konnten im Rahmen der Enquete-Kommission<br />
Internet und digitale Gesellschaft<br />
nicht hinreichend geklärt werden. Es zeigt sich die Notwendigkeit,<br />
die Folgen der Digitalisierung für den Kulturbereich<br />
und die soziale Lage von Kulturschaffenden<br />
im Kontext genereller Veränderungen in der Arbeits- und<br />
Lebenswelt Kreativer wie auch der Nutzerinnen und Nutzer<br />
ihrer Angebote genauer zu untersuchen.<br />
3.3.2 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Nach erster Sichtung der vorliegenden wissenschaftlichen<br />
Arbeiten und der Auswertung der öffentlichen Diskussion<br />
zur sozialen Lage von Kulturschaffenden sowie zum Einfluss<br />
der Digitalisierung auf den Kulturbereich lässt sich<br />
festhalten:<br />
Die soziale Lage von Kulturschaffenden in den einzelnen<br />
Sektoren und Sparten ist differenziert zu bewerten. Die<br />
Situation der selbstständig und freiberuflich tätigen<br />
Künstlerinnen und Künstler ist nach wie vor als überwiegend<br />
prekär einzustufen. Die Zuspitzung ihrer Lage in<br />
den letzten Jahren ist im Kontext eines allgemeinen Wandels<br />
der Arbeitsgesellschaft und einer fortschreitenden<br />
Privatisierung im Kulturbereich zu betrachten. Die Folgen<br />
der Digitalisierung im Hinblick auf die Einkommenssituation<br />
und die soziale Lage von Kulturschaffenden<br />
sind ambivalent.<br />
Zum einen haben sich dadurch neue Berufsfelder, Arbeits-<br />
und Verdienstmöglichkeiten für Künstlerinnen und<br />
Künstler und andere Kulturschaffende eröffnet – so etwa<br />
in der schnell wachsenden Kultur- und Kreativwirtschaft.<br />
Es sind aber auch ganz neue Berufsgruppen erst im Zuge<br />
der Digitalisierung entstanden. Die Möglichkeiten selbstbestimmter,<br />
von Zeit und Ort eines festen Arbeitsplatzes<br />
unabhängiger Tätigkeit haben sich vergrößert. All dies<br />
hat auch zu einem Zustrom von Kreativen in diesen Bereich<br />
geführt. Ebenso gewachsen sind die Möglichkeiten<br />
der Verbreitung und der Werbung für ihre Produkte beziehungsweise<br />
Leistungen und damit gleichsam die Chancen<br />
der Selbstvermarktung. Allerdings bedingen die vereinfachten<br />
Produktionsbedingungen und der nicht zuletzt dadurch<br />
steigende Zustrom an Kreativen auch eine wesentlich<br />
größere Konkurrenz um die Aufmerksamkeit des<br />
Publikums. Weiter ist festzuhalten, dass die Kreativen,<br />
die ohne Hilfe von Verwertern zu besonderer Bekanntheit<br />
und finanziellem Auskommen gelangt sind, derzeit die<br />
Ausnahme bilden. Für einige der Kreativen hat das eine<br />
Verbesserung ihrer Einkommenssituation und sozialen<br />
Lage gebracht – auch im freien Bereich. Ebenso sind<br />
neue feste Arbeitsplätze entstanden.<br />
Zugleich aber hat die Digitalisierung das Wachstum des<br />
privatwirtschaftlichen Kultursektors im Vergleich zum<br />
öffentlichen befördert – hierbei muss jedoch betont werden,<br />
dass die Digitalisierung nur ein Element von vielen<br />
ist und den Wandel nicht (allein) ausgelöst hat. Dadurch<br />
haben sich die sozialen Risiken für Kulturschaffende vergrößert.<br />
Insbesondere für den stetig steigenden Anteil von<br />
Selbstständigen hat sich die wirtschaftliche und soziale<br />
Lage in den letzten Jahren mehrheitlich verschlechtert.<br />
Eine zunehmende Unsicherheit des Arbeitsplatzes sowie<br />
geringe und schwankende Einkünfte kennzeichnen die Situation.<br />
Die ausgewerteten Studien legen nahe, dass die<br />
Schere zwischen jenen, die gut verdienen und jenen, die<br />
von ihrer Arbeit im Kulturbereich nicht leben können,<br />
größer geworden ist. Im Rahmen der Initiative Kulturund<br />
Kreativwirtschaft der Bundesregierung wird von einem<br />
Defizit an unternehmerischer Qualifikation ausgegangen.<br />
Die ergriffenen Maßnahmen versuchen auch auf<br />
dieser Ebene Abhilfe zu organisieren. 325<br />
Insbesondere der Monitoring-Bericht zu ausgewählten<br />
wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft<br />
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie<br />
von 2010 legt nahe, dass als deutlicher Trend im<br />
Kulturbereich insgesamt eine Abnahme der abhängigen,<br />
sozial abgesicherten Beschäftigungsverhältnisse bei<br />
gleichzeitiger Zunahme der Selbstständigkeit und verschiedener<br />
prekärer Beschäftigungsformen auszumachen<br />
ist. 326 Hybride Erwerbstätigkeiten, ein ständiger Wechsel<br />
zwischen selbstständiger und abhängiger Beschäftigung<br />
oder auch eine gleichzeitige Ausübung beider Erwerbsformen<br />
nehmen zu. Projektbezogene Beschäftigung, in<br />
der Regel befristet und unstetig, wird mehr und mehr zur<br />
Normalität. 327 Hierzu finden sich auch entsprechende<br />
Ausführungen im Zwischenbericht der Projektgruppe<br />
Wirtschaft, Arbeit, Green IT der Enquete-Kommission<br />
Internet und digitale Gesellschaft. 328<br />
325 Anmerkung: So bieten beispielsweise das Kompetenzzentrum in<br />
Eschborn als Teil der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der<br />
Bundesregierung sowie die acht Regionalbüros als Ansprechpartner<br />
vor Ort Existenzgründerinnen und -gründern, Selbstständigen sowie<br />
Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft individuelle Orientierungsberatungen,<br />
Sprechtage und Möglichkeiten zur regionalen<br />
Vernetzung an. Das Team des Kompetenzzentrums versteht sich als<br />
Partner der Kultur- und Kreativwirtschaft, um dieser Gesicht und Gewicht<br />
zu geben. Siehe dazu: http://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/<br />
KuK/Navigation/Information-und-Beratung/kompetenzzentrum.html<br />
326 Vgl.: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.):<br />
Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kulturund<br />
Kreativwirtschaft 2010. Kurzfassung, Berlin: 2012, S. 4 und 11.<br />
327 Vgl.: Fonds Darstellende Künste (Hrsg.): Report Darstellende Künste.<br />
Essen: 2010; Manske, Alexandra: Kreative als neue Unternehmertypen.<br />
Zum erwerbsstrukturellen Wandel der Kultur- und Kreativwirtschaft<br />
am Beispiel der Designwirtschaft. Abschlussbericht für<br />
die Hans-Böckler-Stiftung, Berlin: 2011; Manske, Alexandra/<br />
Schnell, Christiane: Arbeit und Beschäftigung in der Kultur- und<br />
Kreativwirtschaft. In: Böhle, Fritz/Voß, Günter G./Wachtler, Günther<br />
(Hrsg.): Handbuch Arbeitssoziologie. Wiesbaden: 2010; Haak,<br />
Caroll: Wirtschaftliche und soziale Risiken auf den Arbeitsmärkten<br />
von Künstlern. Wiesbaden: 2008.<br />
328 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Achter Zwischenbericht der Enquete-<br />
Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“/Wirtschaft, Arbeit,<br />
Green IT. <strong>Bundestag</strong>sdrucksache <strong>17</strong>/12505 vom 13. März 2013.<br />
Online abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP<strong>17</strong>/<br />
246/24667.html