BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag
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Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong> – 68 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode<br />
weise zur Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft.<br />
In diesen Erhebungen sind teilweise auch Aussagen zu<br />
den Auswirkungen der Digitalisierung enthalten. Eine zusammenfassende<br />
Studie oder wertende Übersicht vorhandender<br />
Einzelergebnisse zur Gesamtproblematik aber<br />
fehlt, was die Bestandsaufnahme (für dieses Kapitel) erschwert.<br />
Aufschlüsse allerdings kann auch die öffentliche Debatte<br />
geben, die sich gerade in jüngerer Zeit verstärkt dieser<br />
Frage widmete. Das Thema Digitalisierung ist schon länger<br />
in der kulturpolitischen Diskussion. Der Deutsche<br />
Kulturrat fasste seine diversen Stellungnahmen des letzten<br />
Jahrzehnts sowie die in der Zeitschrift Politik & Kultur zu<br />
diesem Thema erschienenen Artikel im Jahre 2010 in der<br />
Publikation Digitalisierung: Kunst und Kultur 2.0 320 zusammen.<br />
Im Jahr 2011 war der 6. Kulturpolitische Bundeskongress<br />
der Kulturpolitischen Gesellschaft dem Thema Digitalisierung<br />
gewidmet. Die Ergebnisse sind im Jahrbuch für<br />
Kulturpolitik 2011 321 zusammengefasst. Der Kongress<br />
und die nachfolgende Publikation haben die Bandbreite<br />
von Themen, die noch zu bearbeiten sind und den politischen<br />
Handlungsbedarf verdeutlicht, dabei richtete sich<br />
der Fokus aber wiederum nicht speziell auf die Lage der<br />
Kreativen.<br />
Die Diskussion zum Thema Digitalisierung und ihre Folgen<br />
für den Kulturbereich wird bis heute sehr kontrovers<br />
geführt. Chance oder Gefahr – die Bewertung wechselt je<br />
nach Akteuren. Auch die Folgen für die Lage der Kreativen<br />
werden höchst unterschiedlich beurteilt. Lösungen,<br />
die den Interessen der verschiedenen Akteursgruppen gerecht<br />
werden könnten, sind erst in Ansätzen entwickelt.<br />
Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des<br />
Deutschen <strong>Bundestag</strong>es, die sich zwischen 2003 und 2007<br />
ausführlich mit der wirtschaftlichen und sozialen Lage<br />
von Kulturschaffenden befasste 322 , hat das Thema Digitalisierung<br />
zwar mit berührt, aus verschiedenen Gründen<br />
aber nicht zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht.<br />
Sie hat wichtige Befunde zur sozialen Situation<br />
von Kreativen formuliert und daraus zahlreiche Handlungsempfehlungen<br />
an die Politik abgeleitet, die in der<br />
Mehrzahl auch heute noch ihre Gültigkeit haben. Sie hat<br />
aber keine neue Erhebung zur sozialen Lage von Künstlerinnen<br />
und Künstlern durchgeführt. Die letzte große empirische<br />
Untersuchung zur sozialen und wirtschaftlichen<br />
Lage von Künstlern und deren Stellung in der Gesellschaft<br />
stammt aus den 1970er Jahren. 323<br />
320 Vgl.: Zimmermann, Olaf/Geißler, Theo (Hrsg.): Digitalisierung:<br />
Kunst und Kultur 2.0. Nachdruck von Beiträgen aus Politik & Kultur,<br />
der Zeitung des Deutschen Kulturrates, Berlin: 2010.<br />
321 Vgl.: Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft<br />
(Hrsg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2011. Thema Digitalisierung und<br />
Internet. Essen: 2011.<br />
322 Zit. nach/vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Schlussbericht der Enquete-<br />
Kommission „Kultur in Deutschland“ 2007. A. a. O., S. 229 f. und<br />
287 f.<br />
323 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Bericht der Bundesregierung über die<br />
wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe. Künstlerbericht.<br />
<strong>Bundestag</strong>sdrucksache 7/3071 vom 13. Januar 1975.<br />
Im Zuge der Einsetzung der Enquete-Kommission „Kultur<br />
in Deutschland“ waren verschiedentlich auch Erwartungen<br />
formuliert worden, ob es nicht an der Zeit sei,<br />
30 Jahre nach dem Erscheinen des sogenannten Künstlerberichts<br />
eine Neuauflage des Künstlerreports zu erarbeiten.<br />
Aufschlussreich ist die im Abschlussbericht enthaltene<br />
Begründung, warum die Enquete-Kommission dies<br />
nicht getan hat: „Das Tätigkeitsfeld und Berufsbild von<br />
Künstlern hat sich im Verlauf der vergangenen 30 Jahre<br />
verändert. Die westlichen Gesellschaften befinden sich in<br />
Folge globaler und technologischer Umbruchsituationen<br />
(zum Beispiel Digitalisierung) in einem höchst dynamischen<br />
Prozess des Strukturwandels. Auch künstlerische<br />
Arbeit, Produktion, Distribution, Verwertung und Rezeption<br />
sind in erheblichem Maße von der Erweiterung und<br />
Verdichtung wirtschaftlicher, kommunikativer und technischer<br />
Netzwerke durchdrungen. Nicht mehr nur Güter<br />
und Personen, sondern Waren, Symbole, Kapital und Informationen<br />
aller Art zirkulieren weltweit. Vor diesem<br />
Hintergrund hätte das Untersuchungsdesign eines repräsentativen<br />
Künstlerberichtes heute andere Fragen zu stellen<br />
und methodisch so vorzugehen, dass es entsprechende<br />
Verschiebungen der Tätigkeitsfelder und Einkommensarten<br />
sowie der Selbst- und Fremdeinschätzung von<br />
Künstlern zu Beginn des 21. Jahrhunderts hätte darstellbar<br />
machen müssen.“ 324<br />
In dieser Begründung ist nicht nur der sich vollziehende<br />
radikale Umbruch in den Bedingungen künstlerischer Arbeit<br />
treffend beschrieben. Es sind auch die Schwierigkeiten<br />
benannt, mit denen es die Enquete-Kommission Internet<br />
und digitale Gesellschaft nun bei dem Versuch zu tun<br />
hat, die Veränderungen der sozialen Situation von Kreativen<br />
im Rahmen der Digitalisierung zu analysieren und<br />
daraus Handlungsempfehlungen zu entwickeln.<br />
Wer ist heute ein Künstler, wer ein Kreativer? Wer ist ein<br />
Kulturschaffender? Schon diese Fragen sind angesichts<br />
des Wandels dieser Berufsfelder nicht einfach zu beantworten.<br />
Und wo sind die Betreffenden tätig, wo verdienen<br />
sie ihr Geld: auf dem freien Markt, in öffentlichen Institutionen,<br />
durch öffentliche Kulturförderung, in Arbeits- und<br />
Beschäftigungsmaßnahmen oder als Empfänger von Sozialhilfe,<br />
möglicherweise auch wechselnd in allen diesen<br />
Bereichen? Wie ist ihr Status – sind sie fest angestellt,<br />
frei, selbstständig, unständig oder jeweils wechselnd beschäftigt?<br />
All dies ist aktuell nicht mehr ohne Weiteres zu<br />
klären.<br />
Das gilt auch für folgende Fragen: Wie wirkt sich die Digitalisierung<br />
auf das Einkommen der Betreffenden aus?<br />
Hat es eventuell gravierende Einkommensverluste bei<br />
den Kreativen gegeben, weil nun vieles frei, zum Teil<br />
auch illegal verfügbar, im Internet zu haben ist? Oder hat<br />
die prekäre soziale Situation von Kreativen, die teilweise<br />
nicht erst seit heute konstatiert wird, noch andere Ursachen?<br />
324 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Schlussbericht der Enquete-Kommission<br />
„Kultur in Deutschland“ 2007. A. a. O., S. 229.