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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 55 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />

Journalisten das Relevante auswählen, so etwa die Prominenz<br />

(Suchmaschinen funktionieren nach dem Prinzip,<br />

dass sie untersuchen, wie viele andere auf eine entsprechende<br />

<strong>Seite</strong> verweisen, also wie „prominent“ diese ist).<br />

Aber auch Faktoren wie Aktualität spielen eine Rolle,<br />

wenn es darum geht, welches Ranking ein Inhalt auf einer<br />

Suchmaschinenliste erhält.<br />

Daneben sind die von Jan-Hinrik Schmidt sogenannten<br />

persönlichen Öffentlichkeiten eine interessante neue Entwicklung.<br />

285 Der Begriff ist – natürlich absichtsvoll – ein<br />

Widerspruch in sich. Beschrieben werden soll damit, dass<br />

sich über sogenannte Freunde, mit denen man sich in sozialen<br />

Netzwerken wie Facebook verbindet, Communitys<br />

entstehen, innerhalb derer Informationen ausgetauscht<br />

werden. Jedenfalls im Hinblick auf die jeweilige Community<br />

kann man dort gepostete Informationen als bekannt<br />

unterstellen. Viele Nutzerinnen und Nutzer suchen hier<br />

noch nach einem für sie selbst plausiblen Unterscheidungskonzept<br />

von öffentlich und privat, indem sie häufig<br />

mehrere Facebook-Profile betreiben und somit auch unterschiedliche<br />

Schattierungen ihrer selbst erzeugen. Die<br />

Selektion erfolgt in diesem Zusammenhang eindeutig<br />

nach privaten Motiven, wobei zu unterstellen ist, dass<br />

dies mit Blick auf das Publikum, also die Community, erfolgt:<br />

Ich werde nur das posten, von dem ich meine, dass<br />

es für die Community auch interessant sein könnte. Die<br />

damit verbundenen Vernetzungseffekte sind hochinteressant<br />

und noch in der wissenschaftlichen Untersuchung.<br />

Dabei werden auch chaostheoretische Überlegungen angestellt,<br />

die davon ausgehen, dass man bestimmte Muster<br />

in den Netzen erkennen kann und dabei auch bestimmte<br />

Stellen der miteinander verbundenen Communitys zu<br />

Tage treten, bei denen Resonanz erzeugt werden muss,<br />

damit ein Thema oder eine Information insgesamt breit<br />

gestreut wird.<br />

Dies leitet zur letzten Öffentlichkeit über, der sogenannten<br />

Flash-Öffentlichkeit. Sie ist gerade ein Ergebnis der Vernetzungseffekte<br />

privater Öffentlichkeit und führt dazu,<br />

dass eine Information schlagartig eine Gesamtöffentlichkeit<br />

erreicht, die mit der massenmedialen in ihrer Breitenwirkung<br />

vergleichbar ist. Entsprechende Verstärkungseffekte<br />

wurden etwa beim Rücktritt von Bundespräsident<br />

Horst Köhler beobachtet, wobei Blogs auf die später sehr<br />

umstrittenen Äußerungen zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan<br />

Bezug nahmen, was schließlich dazu führte,<br />

dass diese auch in den traditionellen Massenmedien breit<br />

aufgegriffen wurden.<br />

2.3.3 Strukturelle Probleme rechtlicher<br />

Verarbeitung<br />

2.3.3.1 Pulverisierung der Öffentlichkeit?<br />

Vorgehend wurden Effekte beschrieben, die in ihrer Zusammenschau<br />

im Ergebnis eine Pulverisierung der Öffentlichkeit<br />

bewirken könnten. Dieses sind zum einen die<br />

Fragmentierung von Öffentlichkeiten, die Funktionsverlagerung<br />

von aktiven zu passiven Öffentlichkeiten und<br />

schließlich die Privatisierung der Öffentlichkeit. Normativ<br />

können sich hier Probleme ergeben, da diese faktischen<br />

Veränderungen dazu führen können, dass das normative<br />

Öffentlichkeitsleitbild, das Artikel 5 Absatz 1 GG<br />

unterlegt ist, verfehlt wird. Wie bereits angesprochen,<br />

geht es um das Funktionieren der individuellen und öffentlichen<br />

Meinungsbildung. Selbstgesetzgebung in einer<br />

Demokratie basiert darauf, dass eine Verständigung<br />

über das gesellschaftlich Wichtige stattfindet und politischer<br />

Wettstreit – jedenfalls der Idee nach – darin besteht,<br />

Lösungsmöglichkeiten für die so priorisierten Probleme<br />

zu finden. Wenn keine Verständigung über das gemeinsam<br />

als wichtig Erachtete stattfindet, läuft dieser Prozess<br />

leer. Insofern kann möglicherweise die Erhaltung der Öffentlichkeit<br />

ein Gewährleistungsgehalt von Artikel 5 Absatz<br />

1 GG sein, was im Rahmen dieses Sachstandberichtes<br />

aber nicht weiter ausgearbeitet werden soll. Die<br />

Erkenntnis indes ist keineswegs trivial. Bislang ging es<br />

eher darum, sicherzustellen, dass dieser Prozess nicht<br />

etwa dadurch gefährdet wird, dass einzelne Akteure über<br />

vorherrschende Meinungsmacht verfügen und so die Ergebnisse<br />

des Kommunikationsprozesses verzerren können.<br />

Eine zweite normative Reaktionsmöglichkeit könnte darin<br />

bestehen, das Institut Freie Presse, dass das Bundesverfassungsgericht<br />

etwa im 20. Band 286 ausgeformt hat,<br />

zu reformulieren. Diese – häufig missverstandene und<br />

vom Bundesverfassungsgericht in letzter Zeit nicht mehr<br />

oft verwendete – Figur ist heute möglicherweise als Garantie<br />

der Voraussetzungen institutioneller Erbringung<br />

journalistisch-redaktioneller Leistungen zu verstehen.<br />

Unterstellt man, dass die massenmediale Öffentlichkeit<br />

auch in zukünftigen digitalen Gesellschaften eine besondere<br />

Funktion für die Herstellung von Gesamtöffentlichkeit<br />

besitzt, rückt die Erhaltung dieser Leistungen als normatives<br />

Ziel in den Vordergrund. Werden derartige<br />

Leistungen nicht hinreichend nachgefragt, so dass sie sich<br />

am Markt nicht refinanzieren können – was möglich ist,<br />

da Informationsgüter unvollkommen sind und der Wettbewerb<br />

daher nicht vollständig funktionieren kann –<br />

bedarf es, auch von Verfassungs wegen, staatlicher Instrumente<br />

ihrer Förderung. Die wiederum müssen so ausgestaltet<br />

sein, dass sie mit dem Grundsatz der Staatsferne<br />

der Medien nicht kollidieren.<br />

Auch die Diskussion um den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks und seine Fortschreibung in<br />

die digitale Welt sind vor diesem Hintergrund zu beurteilen.<br />

2.3.4 Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung<br />

Andere der oben genannten Veränderungsprozesse wirken<br />

sich in dem Bereich des Persönlichkeitsschutzes auf<br />

285 Vgl. unter anderem: Schmidt, Jan-Hinrik: Jugendliche und das Social<br />

Web – Entwicklungsaufgaben und persönliche Öffentlichkeiten. In:<br />

werkstatt.bpb.de, 8. August 2012. Online abrufbar unter: http://werk<br />

statt.bpb.de/2012/08/im-nicht-endenden-strom-des-microcontent 286 Siehe: BVerfGE 20, 162 (<strong>17</strong>5).

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