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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 51 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />

fentlich-rechtlicher Medien aufgrund des sich wandelnden<br />

Mediennutzungsverhaltens auf die Arbeitsfähigkeit<br />

dieser Medien hätte. 275<br />

Im Rahmen der Diskussion um den 2013 in Kraft getretenen<br />

Rundfunkbeitrag wurden vereinzelt Stimmen laut, die<br />

das öffentlich-rechtliche System deutlich verkleinern wollen<br />

oder grundsätzlich hinterfragen. 276 Die für den Rundfunk<br />

ordnungspolitisch gesonderte Funktionsgewährung<br />

müsste dann zugunsten einer wettbewerblichen Ausgestaltung<br />

wie bei Presse und Film abgeschwächt oder gar aufgegeben<br />

werden. Begründet wird dies mit der Überfülle an<br />

Meinungen im Internet und dem schmalen funktionsrechtlichen<br />

Aussagegehalt von Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG.<br />

Andererseits werden rund um die Debatte ums Urheberrecht<br />

seit geraumer Zeit Vorschläge geäußert, neben<br />

etablierter Kulturförderung und öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten auch ein ähnliches System für Online-<br />

Medien, insbesondere im journalistischen Bereich, zu<br />

entwickeln. 277 Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm<br />

beispielsweise hat im Oktober 2011 ein Konzept für ein<br />

öffentlich-rechtliches Internet vorgeschlagen, in dem sie<br />

fordert, den Begriff „öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ auf<br />

weitere Anbieter auszuweiten. Konkret sollen mit zehn<br />

Prozent des Rundfunkbeitrages „frei produzierbare Internetinhalte“<br />

finanziert werden, die von den Produzenten<br />

selbst ins Internet gestellt werden, wobei diese sich dazu<br />

verpflichten, die Inhalte dauerhaft oder zumindest auf bestimmte<br />

Zeit zugänglich zu machen. 278 Auch in der Expertenanhörung<br />

der Enquete-Projektgruppe Kultur, Medien<br />

und Öffentlichkeit wurde diskutiert, inwiefern Teile<br />

des öffentlich-rechtlichen Budgets für die Produktion und<br />

Bereitstellung nicht-linearer Inhalte offen ausgeschrieben<br />

werden könnten. 279<br />

275 Anmerkung: So setzt beispielsweise Kai Biermann in ZEIT Online<br />

das Verbot öffentlich-rechtlicher Apps mit der Abschaffung der öffentlich-rechtlichen<br />

Anstalten gleich. (Vgl.: Biermann, Kai: Döpfner<br />

will Öffentlich-Rechtliche abschaffen. Kulturkampf. Online und Offline<br />

– über das Leben in zwei Welten. In: Zeit Online, 28. Dezember<br />

2009. Online abrufbar unter: http://blog.zeit.de/kulturkampf/2009/<br />

12/28/doepfner-gegen-informationsfreiheit)<br />

276 Vgl. unter anderem: http://www.bz-berlin.de/aktuell/berlin/ard-zdfsteuer-berliner-beschweren-sich-article1563567.html;<br />

http://www.<br />

welt.de/politik/deutschland/article112310<strong>17</strong>2/Weihnachtlicher-Shitstormgegen-WDR-Chef.html;<br />

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/<br />

2012/11/20/siebenhaar-ard-und-zdf-sind-zu-einem-rundfunkstaat-im<br />

-staat-verkommen; http://www.indiskretionehrensache.de/2012/11/<br />

hans-peter-siebenhaar-die-nimmersatten und http://online-boykott.de/<br />

de/unterschriftenaktion<br />

277 Vgl.: Kramm, Bruno: Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Aus der<br />

Sicht eines Piraten. In: Politik & Kultur 5/2012, S. 24. Online abrufbar<br />

unter: http://www.kulturrat.de/puk/puk05-12.pdf; http://saschalobo.<br />

com/2012/08/31/funf-entscheidende-fragen-zum-leistungsschutzrecht;<br />

http://carta.info/21<strong>17</strong>1/reform-oeffentlich-rechtlicher-rundfunk; http://<br />

www.perlentaucher.de/blog/279_sendeschluss oder http://jensbest.<br />

net/2013/01/02/die-offentlich-rechtliche-echokammer-unserer-demo<br />

kratie-und-was-das-internet-damit-zu-tun-hat<br />

278 Vgl.: AG Dokumentarfilm: Von der Rundfunkgebühr zur Haushaltsabgabe.<br />

Die historische Chance für Demokratie, Pluralismus und kulturelle<br />

Vielfalt. Pressemitteilung vom 20. Oktober 2011. Online abrufbar<br />

unter: http://www.agdok.de/de_DE/press/153743/hpg_detail<br />

279 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Protokoll zum öffentlichen Expertengespräch<br />

der Projektgruppe Kultur, Medien und Öffentlichkeit am<br />

5. November 2012 im Deutschen <strong>Bundestag</strong>. Teil 1 und 2, a. a. O.<br />

In diesen und denkbaren ähnlichen Fällen würde die dem<br />

Organisationsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />

zugrunde liegende gemeinwirtschaftliche Finanzierung<br />

zumindest in Teilen losgelöst werden – sowohl von<br />

bestimmten Trägermedien als auch von einer zwingenden<br />

Bindung an bestehende Organisationsstrukturen (wie<br />

Rundfunkanstalten). Die grundgesetzlich festgeschriebene<br />

Sicherung von Meinungs- und Informationsvielfalt,<br />

die derzeit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugeschrieben<br />

wird, könnte so durch verschiedene und teilweise<br />

neue Modelle öffentlicher Förderung ergänzt oder<br />

ersetzt werden. Auf die sich aus diesen Modellen ergebenden<br />

rechtlichen Herausforderungen wird am Beispiel<br />

der Sicherung der Staatsferne im Kapitel 1.4 dieses Berichtes<br />

näher eingegangen. Auch für solche Modelle ist<br />

zu definieren, welche Inhalte und Formate förderungswürdig<br />

im Sinne der medialen Grundversorgung im Informations-,<br />

Bildungs- und Unterhaltungsbereich sind.<br />

Öffentlichkeit<br />

2 Neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit<br />

2.1 Neue Öffentlichkeiten<br />

Eine freie und demokratische Öffentlichkeit wird gemeinhin<br />

als eine der Voraussetzungen einer funktionierenden<br />

Demokratie betrachtet, aber auch als Gradmesser dafür,<br />

inwiefern eine Gesellschaft ihren demokratischen Anspruch<br />

verwirklicht hat. Die Öffentlichkeit ist der Raum,<br />

in dem eine Gesellschaft politische Auseinandersetzungen<br />

führt und kulturelle Selbstbestimmung vornimmt. Für<br />

die Qualität einer Öffentlichkeit ist deshalb die Frage, wie<br />

offen und zugänglich sie für unterschiedliche gesellschaftliche<br />

Gruppen ist, von entscheidender Bedeutung.<br />

Jürgen Habermas hat beschrieben, dass die Diskussion<br />

über Kunst, Literatur und Philosophie, die in den bürgerlichen<br />

Salons, aber auch in den Zeitungen stattfand, für<br />

die Selbstverständigung der jungen bürgerlichen Gesellschaft<br />

im 18. Jahrhundert eine Schlüsselrolle spielte. Die<br />

neu entstehende Öffentlichkeit war das Forum für die Herausbildung<br />

eines kulturellen und politischen Selbstbewusstseins<br />

der bürgerlichen Gesellschaft im Prozess ihrer<br />

Emanzipation. Sie fand jenseits der Sphäre des Marktes<br />

statt, auf dem dieselben Akteure als Kaufleute und Händler<br />

agierten – war also getrennt vom Bereich des für den<br />

Lebensunterhalt Notwendigen. Bewusst entzog sie sich<br />

auch dem Einfluss der feudalen Sphäre, was es ihr ermöglichte,<br />

zu einer kritischen Kontrollinstanz zu werden.<br />

Habermas hat indes auch beschrieben, dass diese Öffentlichkeit<br />

ihren Anspruch, eine freie und allgemein zugängliche zu<br />

sein, im Grunde nie ganz einlösen konnte, da nicht-bürgerliche<br />

Schichten von vornherein keinen Zugang zu ihr hatten.<br />

Eine Öffentlichkeit, aus der angebbare Gruppen ausgeschlossen<br />

sind, ist jedoch keine. Denn der freie Zugang zu einem<br />

solchen Diskursraum und die Möglichkeit eines jeden, an öffentlichen<br />

Debatten teilzunehmen, unterscheidet die öffentliche<br />

Sphäre überhaupt erst von privaten Räumen. 280<br />

280 Vgl.: Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen<br />

zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt<br />

am Main: 1990, hier insbesondere S. 156.

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