27.02.2014 Aufrufe

BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong> – 44 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode<br />

und die Recherchezeit habe sich verkürzt – vor allem bei<br />

Nachrichtenagenturen und Tageszeitungen. 219 Dass der<br />

wirtschaftliche Druck Kreativität und Motivation gefährdet,<br />

bestätigen auch andere Umfragen. 220 Gleichzeitig<br />

scheint es, als ob die Branche in Deutschland den Wandel<br />

noch lange nicht endgültig vollzogen hat.<br />

1.6.3 Exkurs: Reaktionen auf die<br />

Veränderungen des Journalismus<br />

in anderen Ländern<br />

Anders als in vielen Redaktion Deutschlands verfolgt die<br />

Chefredaktion der New York Times das Ziel, Texte und<br />

Bilder vor allem nicht mehr auf einen großen Redaktionsschluss<br />

hin ausgerichtet entstehen zu lassen. Dafür müssten<br />

„alle Jobs einer Produktion (…) vollkommen gleichberechtigt,<br />

ohne gegenseitige Vorurteile und auf Augenhöhe<br />

zusammenarbeiten, um einen möglichst vielseitigen Journalismus<br />

für alle technischen Geräte und in allen Genres,<br />

für jedes Bedürfnis und jede Präferenz der Nutzer zu<br />

schaffen“. 221<br />

In sogenannten Creative Rooms versammelten sich multiple<br />

Teams, die multiple Deadlines einhalten und multiple<br />

Team-Leitungen bilden: Je nach Aufgabe übernehme die<br />

Führung ein Programmierer, ein Reporter, ein Manager<br />

oder ein Gestalter. 222 Diese Creative Rooms versammelten<br />

Autoren, Texter und Geschichtenentwickler, Fernseh-,<br />

Rundfunk- und Bildjournalisten, Gestalter, Illustratoren<br />

und Manager.<br />

Laut Jill Ellen Abramson, Chefredakteurin der New York<br />

Times, gehen in solchen Redaktionen auch Bezahlstrategien<br />

auf. Voraussetzung sei, dass die Redaktion die „beste<br />

Präsentationsform“ finde und einen „organischen Journalismus“<br />

gestalte, der – so das Beispiel – „Videos in lange<br />

Nachrichtengeschichten einbettet, anstatt sie zu entkoppeln<br />

und unvermittelt beizusteuern“. 223<br />

Es wird resümiert: Eine Arbeitsteilung in Rechercheure<br />

und Reporter, Autoren und Headline-Texter, Korrespondenten<br />

und Planer habe sich zwar langsam (auch in<br />

Deutschland, Anmerkung der Projektgruppe) durchgesetzt.<br />

Zahlreiche neue Jobs und Fachbereiche aber, die in einem<br />

Creative Room notwendig sind, fehlten oftmals noch. Im<br />

englischsprachigen Raum trügen sie Titel wie Social<br />

Media Editor, Narrative Editor, Community Editor,<br />

Macroeditor, SEO Editor und Ähnliches. 224<br />

In zunehmendem Maße wird daher in Ausbildungen investiert,<br />

die beispielsweise speziell auf Datenjournalismus<br />

zugeschnitten sind: Derzeit erhalten Datenjournalisten<br />

an der Columbia Journalism School erstmals eine<br />

219 Vgl.: Lünenborg, Margreth/Berghofer, Simon: Politikjournalismus<br />

im Wandel. A. a. O.<br />

220 Vgl.: Novy, Leonard/Schickert, Dominic: Journalismus in der digitalen<br />

Moderne. A. a. O.<br />

221 Zit. nach: Littger, Peter: Ein Kreativschub für die Redaktionen. In:<br />

Vocer, 23. April 2012. Online abrufbar unter: http://www.vocer.org/de/<br />

arti kel/do/detail/id/150/ein-kreativschub-fuer-die-redaktionen.html<br />

222 Vgl.: ebd.<br />

223 Zit. nach: ebd.<br />

224 Vgl.: ebd.<br />

Hochschulausbildung. 2014 werden die ersten 15 Absolventinnen<br />

und Absolventen mit einem doppelten Abschluss<br />

als Journalisten und Software-Ingenieure die Universität<br />

verlassen. 225<br />

1.6.4 Herausforderungen für den Journalismus<br />

in Deutschland<br />

Nicht nur an die Struktur der Redaktionen und an die<br />

Kompetenzen der Journalistinnen und Journalisten werden<br />

neue Anforderungen gestellt. Auch den deutschen<br />

Medienhäusern wird nahegelegt, mutiger und experimentierfreudiger<br />

zu handeln. Ihnen fehle eine „institutionalisierte<br />

‚Beta-Kultur‘ und – damit zusammenhängend – die<br />

Bereitschaft, in den Dialog zu treten und auch Misserfolge<br />

in Kauf zu nehmen“. 226<br />

Das Teilhabeverständnis hiesiger Verlage, Sender und<br />

Journalisten erschöpfe sich „meist in bloßen Kommentarfunktionen<br />

oder im Verweis auf die sozialen Netzwerke“.<br />

227 Leserbeiräte, Webcasts von Redaktionskonferenzen,<br />

Ombudsleute als Beschwerdeinstanz oder gar<br />

Redaktionsforen, bei denen die Mediennutzer über grundlegende<br />

redaktionelle Entscheidungen (mit-)diskutieren<br />

können, seien kaum zu finden. „Die Medienkrise hat den<br />

Urtrieb der Branche zum Überleben geweckt und damit<br />

auch Experimentiergeist hervorgebracht. Der aktuelle<br />

Strukturwandel hin zur digitalen Öffentlichkeit (digital<br />

shift) fordert den professionellen Journalismus geradezu<br />

heraus, sich innovativen Darstellungsformen und interaktiven<br />

Vermittlungskonzepten zuzuwenden“, so Kramp<br />

und Weichert in ihrer aktuellen Untersuchung. 228 Dies<br />

müsse auch erhebliche Auswirkungen auf Bereiche wie<br />

Redaktionsmanagement und Geschäftsmodelle haben, allerdings<br />

fehle es bei vielen Zeitungsverlagen und Rundfunkanbietern<br />

zurzeit noch an Investitionsbereitschaft.<br />

„Das Internet hat einen Paradigmenwechsel in Gang gesetzt,<br />

der mehr erfordert als ein bisschen innenarchitektonische<br />

und personelle Kosmetik wie die Einführung von<br />

integrierten Newsrooms oder die Anstellung von Social-<br />

Media-Redakteuren; technologische und ökonomische<br />

Innovationen verlangen gerade im Journalismus nach einem<br />

grundlegend neuen Mindset, einem vorurteilsfreien<br />

Denken out of the box.“ 229<br />

1.6.5 Entwicklung des Verdienstes und der<br />

sozialen Lage der Journalisten während<br />

der Digitalisierung<br />

Auch in der Folge der Digitalisierung sind die Printauflagen<br />

der Zeitungen und Zeitschriften eingebrochen, die<br />

225 Vgl.: Langer, Ulrike/Streit, Alexander von/Weichert, Stephan: In den<br />

Laboren des Journalismus. In: Vocer, 10. Mai 2012. Online abrufbar<br />

unter: http://www.vocer.org/de/artikel/do/detail/id/169/in-den-laborendes-journalismus.html<br />

226 Zit. nach: Novy, Leonard/Schickert, Dominic: Journalismus in der<br />

digitalen Moderne. A. a. O., S. 12.<br />

227 Vgl.: ebd., S. 12.<br />

228 Zit nach: Kramp, Leif/Weichert, Stephan: Journalismus unter digitalen<br />

Vorzeichen. 15 Thesen. In: Vocer, 2. April 2012. Online abrufbar<br />

unter: http://www.vocer.org/de/artikel/do/detail/id/155/journalismusunter-digitalen-vorzeichen---15-thesen.html<br />

229 Zit. nach: ebd.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!