BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 33 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />
zelnen Nutzern angebotene Hang-outs (also Videochatkonferenzen<br />
in sozialen Netzwerken) oder andere<br />
Webcam-Dienste als Rundfunk einzustufen sind. Ein<br />
Teil dieses Problems mag sich dadurch lösen, dass gemäß<br />
§ 2 Absatz 3 RStV nur journalistisch-redaktionelle<br />
Dienste Rundfunk darstellen. Die Abgrenzung<br />
im Einzelfall bleibt aber schwierig und hat bereits den<br />
Markteintritt von Diensten verzögert.<br />
– Ungeachtet dieser Einordnungsprobleme wird die<br />
Frage gestellt, ob die vom Nutzer oder anderen generierten<br />
Inhalte überhaupt einer Regulierung auf dem<br />
Niveau der klassischen Rundfunkregulierung unterzogen<br />
werden sollten beziehungsweise dürften. Die<br />
grundrechtliche Sonderstellung der Massenkommunikationsgrundrechte<br />
beruht im Kern auf der Erwägung,<br />
dass die Wahrnehmung von Medienfreiheiten im Gegensatz<br />
zu dem Jedermann-Grundrecht der Meinungsäußerung<br />
nur wenigen, zumeist kapitalkräftigen<br />
Unternehmen vorbehalten ist. Deshalb wurden die<br />
Medienfreiheiten in der Vergangenheit in den Dienst<br />
der Allgemeinheit gestellt und einer besonderen Regulierung<br />
unterworfen. Unter den Bedingungen moderner<br />
Massenkommunikation werden Medienfreiheiten<br />
heute hingegen vom Einzelnen ausgeübt. Medienfreiheiten<br />
avancieren zu Jedermann-Freiheiten. Deshalb<br />
wird eine Regulierung der Jedermann-Medien auf dem<br />
Niveau klassischer Rundfunkregulierung von einigen<br />
als unangemessen und nicht mehr zeitgemäß erachtet.<br />
1.4.3 Öffentlich-rechtlicher Rundfunk<br />
Die klassische Medien- und Rundfunkpolitik hat sich<br />
nicht zuletzt dadurch entwickelt, dass die Übertragungskapazitäten<br />
im Rundfunk begrenzt waren. Dort, wo es nur<br />
wenige Kanäle gab, war der Staat aufgerufen, durch Regulierung<br />
für ein möglichst breites Meinungs- und Kulturspektrum<br />
zu sorgen. Im Gegensatz zu den Anfängen<br />
des Rundfunks sind die Kapazitäten im Internet nahezu<br />
unbegrenzt. Daher wurde lange Zeit angenommen, eine<br />
Regulierung sei hier nicht notwendig, um Meinungsvielfalt<br />
sicherzustellen. Doch die Entwicklung zeigt, dass<br />
eine immense Breite an Informationen auch zu einem<br />
Weniger an Vielfalt führen kann. Hierin liegen große Herausforderungen<br />
nicht zuletzt auch für den öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunk.<br />
Während die Ausgestaltung der äußeren Struktur zur<br />
Sicherstellung der Presse- und Filmfreiheit in der neu gegründeten<br />
Bundesrepublik nach 1949 von Anfang an privatwirtschaftlich<br />
organisiert war, wurde für den Rundfunk<br />
ein in der Programmgestaltung staatsfernes,<br />
gemeinwirtschaftliches Organisationsmodell geschaffen.<br />
164 Vgl.: BVerfGE 12, 205.<br />
Die staatsferne Organisation des Rundfunks folgte aus<br />
dem 1. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
vom 28. Februar 1961. 164 In diesem Urteil entwickelten<br />
die Verfassungsrichter nicht nur die – mit Einschränkungen<br />
bis heute geltende – Rechtsprechung zur Sondersituation<br />
des Rundfunks, sondern sie legten auch die Kompetenzen<br />
von Bund und Ländern im Bereich des Rundfunks<br />
fest. Demnach ist der Bund ausschließlich für technische<br />
Aspekte der Übertragung verantwortlich, alle anderen<br />
Bereiche, wie etwa Organisation, Programmfragen und<br />
Studiotechnik, lagen fortan in der Hoheit der Bundesländer.<br />
Dass es sich bei der Veranstaltung von Rundfunk um eine<br />
öffentliche Aufgabe und um ein meinungsbildendes Massenmedium<br />
handelt, bestätigte das Bundesverfassungsgericht<br />
in seinem Rundfunkurteil vom 27. Juli 1971. 165 Darin<br />
stellt das Gericht fest, dass „der Rundfunk wegen<br />
seiner weitreichenden Wirkungen und Möglichkeiten sowie<br />
der damit einhergehenden Gefahr der Einflussnahme<br />
auf die öffentliche Meinung nicht dem freien Spiel der<br />
Kräfte überlassen werden darf“. Auf Grund der großen<br />
Meinungsmacht durfte – laut Urteil – der Rundfunk weder<br />
dem Staat, noch einzelnen gesellschaftlichen Gruppen<br />
überlassen werden.<br />
Nachdem dann das Rundfunkurteil vom 16. Juni 1981 166<br />
den privaten Rundfunk als verfassungsgemäß anerkannt<br />
hatte, stellte das Bundesverfassungsgericht 1986 167 fest,<br />
dass es im Rahmen der dualen Rundfunkordnung aus öffentlich-rechtlichem<br />
und privatem Rundfunk Aufgabe der<br />
öffentlich-rechtlichen Anstalten sei, eine Grundversorgung<br />
für die Bevölkerung zu gewährleisten. Hierbei betonte<br />
das Gericht abermals, dass die Rundfunkprogramme<br />
eine Meinungsvielfalt innerhalb des Programms<br />
sichern müssen. In Bezug auf private Rundfunkanbieter<br />
bedeutete dies, dass der Gesetzgeber aufgerufen war,<br />
auch hier Vorkehrungen für ein gleichwertiges Maß an<br />
Vielfalt zu treffen.<br />
Eine Konkretisierung des Begriffs „Grundversorgung“<br />
sowie die Ausweitung des Begriffs auch auf das Angebot<br />
neuer, rundfunkähnlicher Kommunikationsdienste (wie<br />
Online-Abrufdienste) nahm das Bundesverfassungsgericht<br />
dann bereits 1987 168 vor. Neben der Bestandsgarantie,<br />
die das Gericht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk<br />
in diesem Urteil zusprach, standen außerdem zwei wichtige<br />
Aspekte im Mittelpunkt: Es wurde einerseits festgestellt,<br />
dass der Rundfunkbegriff „dynamisch und entwicklungsoffen“<br />
zu verstehen sei, andererseits wurde betont,<br />
dass der Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten keine strikte Grenzziehung oder<br />
Aufgabenteilung zwischen diesem und den privaten Anbietern<br />
bedeutete.<br />
Dass trotz digitaler Medien und Konvergenz der öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunk maßgeblich zur Meinungsbildung<br />
und Meinungsvielfalt in der Demokratie beiträgt,<br />
bestätigte das Bundesverfassungsgericht zuletzt mit dem<br />
Rundfunkurteil aus dem Jahr 2007. 169 Das Gericht bekräftigte<br />
damit die Bestands- und Entwicklungsgarantie für<br />
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die auch für die<br />
Weiterentwicklung in der digitalen Welt gilt.<br />
165 Vgl.: BVerfGE 31, 314.<br />
166 Vgl.: BVerfGE 57, 295.<br />
167 Vgl.: BVerfGE 73, 118.<br />
168 Vgl.: BVerfGE 74, 297.<br />
169 Vgl.: BVerfG NVwZ 2007, 1287 ff.