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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong> – 28 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode<br />

1.3.5 Trend: Medien mit sozialem Kontext –<br />

neue Formen der Meinungsmacht<br />

Zahlreiche Anbieter internetbasierter Dienste beziehen<br />

zunehmend das persönliche soziale Umfeld ihrer Nutzer<br />

und potenziellen Kunden mit ein, um ihre Inhalte und<br />

Produktversprechen zu transportieren. Dazu steht seit der<br />

teilweisen Öffnung von sozialen Netzwerken mittels Programmierschnittstellen<br />

(API: Application Programming<br />

Interfaces) für beliebige Drittanbieter ein vielfach genutztes<br />

Mittel zur Verfügung. Ein Beispiel ist Facebook. Mit<br />

der auf beliebige <strong>Seite</strong>n einbindbaren Like-Funktion werden<br />

einzelne Produkte oder Veranstaltungen beispielsweise<br />

mit dem Slogan „[Anzahl] Deiner Freunde gefällt<br />

das“ beworben. Das soziale Umfeld wird in diesem Sinne<br />

als Marken- oder Produktbotschafter instrumentalisiert.<br />

Die portierbare Connect-Funktion bietet beliebigen Portalbetreibern<br />

die Möglichkeit, die Identität ihrer Nutzer<br />

nicht anhand eines von diesen neu zu generierenden Profils<br />

zu verwalten, sondern auf das (sofern gegeben) existierende<br />

Facebook-Profil zurückzugreifen. Für den Nutzer,<br />

aber vor allem für den Anbieter bedeutet dies<br />

zunächst einmal einen geringeren anfänglichen Aufwand.<br />

Jedoch gibt der Nutzer damit nach aktiver Zustimmung<br />

einen Teil seiner vormals nur Facebook bekannten, privaten<br />

Informationen preis. 144 Dies kann zum einen seine Basisdaten<br />

betreffen, beispielsweise Name, Geschlecht und<br />

Land. Zum anderen kann es aber auch, sofern von der Anwendung<br />

verlangt, erweiterte Daten betreffen, wie Geburtsdatum,<br />

Likes, Fotos, Gruppen, Status, die Liste aller<br />

Kontakte und alle dem Nutzer von diesen Kontakten zugänglich<br />

gemachten Informationen, einschließlich der<br />

„privat“ auf Facebook ausgetauschten Nachrichten.<br />

Die potenzielle Menge an preisgegebenen, als privat betrachteten<br />

Informationen durch unüberlegtes Zustimmen<br />

ist überraschend groß. Für den Betreiber der Anwendung<br />

ergibt sich damit die Möglichkeit, zum einen Informationen<br />

über das soziale Umfeld zu sammeln, zum anderen<br />

dieses aber auch aktiv für seine Zwecke zu nutzen, zum<br />

Beispiel um Werbung entsprechend dessen zu gestalten,<br />

was ein Facebook-Algorithmus aus den freigegeben Informationen<br />

als interessant für den jeweiligen Nutzer ableitet.<br />

Dabei erfolgt Werbung auf der <strong>Seite</strong> eines Nutzers<br />

anonym und nicht mit Personenbezug. Das heißt, der<br />

Werbende weiß nicht, welche Personen genau seine Werbung<br />

zu sehen bekommen. Zahlreiche Unternehmen, aber<br />

auch Medien (Verlage, Zeitschriften, Magazine, Fernsehsendungen<br />

etc.) sind zudem mit eigenen <strong>Seite</strong>n auf Facebook<br />

präsent. Die Nutzerinnen und Nutzer haben die<br />

Möglichkeit, sich von all diesen Akteuren Inhalte im<br />

News Feed selbst anzeigen zu lassen. Sie haben die Wahl,<br />

von denjenigen Medien Informationen zu erhalten, die sie<br />

für besonders attraktiv halten.<br />

144 Anmerkung: Die ausdrückliche Zustimmung des Nutzers bezüglich<br />

der Mitteilung seiner Basisdaten und/oder seiner erweiterten Daten<br />

wird im Facebook-Permissions-Dialog abgefragt: https://deve<br />

lopers.facebook.com/docs/reference/login<br />

Diese von Unternehmen generierten Verweise, aber auch<br />

die (freiwillig) von den Nutzern selbst geposteten Links<br />

und Beiträge erweitern den Informationszufluss um eine<br />

zusätzliche, soziale Komponente. Mitglieder posten und<br />

kommentieren Presseartikel, Musik, Videos, Produkte<br />

oder Veranstaltungen im Rahmen ihres Freundes- und Bekanntenkreises.<br />

Ähnliches gilt für News Feed-Dienste<br />

wie Twitter.<br />

Als Mitglied eines sozialen Netzwerkes ist man also einem<br />

konstanten Strom von Empfehlungen, Kommentierungen<br />

und Bewertungen von Webinhalten und Beschreibungen<br />

der realen Welt durch seine Kontakte ausgesetzt.<br />

Wie diese Inhalte zusammengestellt sind, ist strittig. Einige<br />

halten die Regeln über die Art und Weise, wie Facebook<br />

die Beiträge des persönlichen Umfelds im News<br />

Feed darstellt, für intransparent. Die Regeln werden dem<br />

Unternehmen zufolge allerdings so erstellt, dass die Darstellung<br />

der Inhalte das reale Verhalten des Nutzers widerspiegelt.<br />

So werden im News Feed die angezeigten<br />

Inhalte einerseits entsprechend der vom Nutzer vorgenommenen<br />

Einstellungen bestimmt (von „engen Freunden“<br />

wird beispielsweise jede Aktivität angezeigt), andererseits<br />

werden Inhalte von den Personen und <strong>Seite</strong>n öfter<br />

angezeigt, mit denen die Nutzer häufiger interagieren<br />

(etwa durch Kommentieren). Die Anzeige von Inhalten<br />

erfolgt nicht nur durch die Interessen der Nutzer, sondern<br />

auch durch deren Interaktion mit ihren Kontakten. Kritiker<br />

sehen bei dieser laut Facebook relevanzbasierten Auswahl<br />

eine Gefahr, dass somit Neuem, Überraschendem,<br />

Unvorhergesehenem, möglicherweise Störendem weniger<br />

Aufmerksamkeit eingeräumt wird – obwohl diese de<br />

facto dem Kontaktkreis entspringen könnten. Sie befürchten,<br />

dass so aktives Suchen durch den passiven Konsum<br />

vorselektierter Inhalte aus dem Umfeld oder auch aus<br />

dem aktiven Nachfragen und Suchen in den eigenen<br />

Netzwerken nicht nur ergänzt, sondern langfristig vielleicht<br />

sogar abgelöst wird. Ebenso hänge die Zusammensetzung<br />

dessen, was überhaupt wahrgenommen wird,<br />

nunmehr zum Teil vom jeweiligen Umfeld ab.<br />

Die Begrenzung beziehungsweise die besondere Schwerpunktsetzung<br />

auf Inhalte aus dem eigenen Umfeld wird<br />

unter dem Begriff „filter bubble“ daher auch kritisch diskutiert.<br />

Filter bubble bezeichnet ein Phänomen, wonach<br />

Webnutzer ausschließlich oder hauptsächlich mit von ihnen<br />

als positiv bewerteten Inhalten konfrontiert werden<br />

und auf diese Weise eine einseitige Weltsicht erlangen.<br />

Der Prozess sei selbstverstärkend. Das individuelle Zuschneiden<br />

von Angeboten begann dabei mit Empfehlungsfunktionen<br />

auf E-Commerce-Plattformen wie<br />

Amazon („Kunden, die dieses Buch gekauft haben, haben<br />

auch häufig … gekauft“). Durch die personalisierte Suche<br />

hat sich, so die Vertreter der filter bubble-These, dieser<br />

Prozess verstärkt. Je nach Vorgeschichte erhalten zwei<br />

verschiedene Nutzer bei der Suche nach einem Begriff<br />

wie beispielsweise „Ägypten“ entweder vorwiegend politische<br />

Informationen oder aber Reiseangebote. 145<br />

145 Vgl.: Pariser, Eli: The Filter Bubble: What the Internet is Hiding<br />

from You. London: 2011.

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