BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 27 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />
Die Frage der Auswahl von Applikationen (Apps) auf einer<br />
Plattform hat auch im Bereich publizistischer Angebote<br />
zu Diskussionen geführt. So stellte beispielsweise<br />
Apple bestimmte Regeln für Inhalteanbieter auf. Wer<br />
diese nicht erfüllt, ist nicht auf der App-Kauf-Plattform<br />
iTunes verfügbar. Zeitungsverleger haben vor diesem<br />
Hintergrund auf die Möglichkeit der Verbreitung über<br />
iTunes verzichtet (beispielsweise die Financial Times),<br />
wenngleich die Verlagsbranche dies als eine aussichtsreiche<br />
Möglichkeit des Vertriebs verlegerischer Produkte<br />
begreift.<br />
Interessant an der Rolle dieser neuen Intermediäre ist,<br />
dass sich die Stellung im Kommunikationsprozess aus der<br />
proprietären (nicht offenen) Technik ergibt. Sie kann Vorteile<br />
hinsichtlich der Verlässlichkeit haben (die Möglichkeit<br />
des Anbieters, Parameter für die Nutzung vorzugeben),<br />
kann aber auch für eine inhaltlich motivierte<br />
Auswahl genutzt werden.<br />
Aus der Geschichte der Regulierung von Zugangschancen<br />
im Rahmen des Rundfunkrechts kann man lernen,<br />
dass diese Materie mit dem Problem jeder Regulierung<br />
technischen Standards zu kämpfen hat: Nämlich, dass mit<br />
der Regulierung von Standards gleich eine Regulierung<br />
technischer Innovation erfolgt, die in ihrem Entwicklungsverlauf<br />
von Gesetzgeber und Regulierungsbehörden<br />
nur sehr unzureichend prognostiziert werden können.<br />
Als Beispiel kann die Diskussion um das sogenannte Application<br />
Programming Interface (API) bei Set-Top-Boxen<br />
für digitales Fernsehen angeführt werden. Während<br />
das Gesetz hier verhältnismäßig offen formuliert war,<br />
schien die Regulierungspolitik den Standard MHP (Multimedia<br />
Home Platform) zu favorisieren, um sicherzustellen,<br />
dass eine offene Programmierschnittstelle für alle<br />
Anwender auf der Set-Top-Box zur Verfügung steht, die<br />
die Entwicklung vollständig multimediafähiger Programme<br />
erlaubt. Technisch setzte sich MHP schließlich<br />
nicht durch, wohl vor allem deshalb, weil die Schnittstelle<br />
selbst zu ressourcenintensiv war und insgesamt die Entwicklung<br />
zu weit von der des Internet abkoppelte. 138<br />
138 Vgl.: Klinkenberg, Frank/Schiek, Ulrich: Die Multimedia Home<br />
Platform. In: Reimers, Ulrich: DVB – Digitale Datentechnik. Datenkompression<br />
und Übertragung. Berlin/Heidelberg: 2008, S. 399 ff.<br />
Vergleichbare Fragen werden sich im Zuge des sogenannten<br />
Hybrid-TV wieder stellen. Die großen Hersteller von<br />
Fernsehgeräten bringen derzeit hybride Geräte heraus, die<br />
nicht nur die Betrachtung traditionell linearen Fernsehens<br />
ermöglichen, sondern in der Gestaltung den von Apple<br />
bekannten Apps vergleichbare Anwendungen für die Darstellung<br />
von Online-Inhalten auf dem Fernsehbildschirm<br />
verfügbar machen. Die technische Umsetzung ist dabei<br />
sehr unterschiedlich, zum Teil werden Internet-Inhalte<br />
von den Fernsehgeräteanbietern selbst für die Nutzung<br />
auf dem Fernsehbildschirm transformiert und über eigene<br />
Server ausgeliefert. Bei anderen ist die Kopplung an das<br />
Internet-Angebot des betreffenden Anbieters direkter. Gemeinsam<br />
ist eine Lösung, dass die von Fernsehgerätehersteller<br />
implementierte Plattform definiert, welche Nutzungsspielräume<br />
der Zuschauer hat und welche Apps<br />
überhaupt beziehungsweise priorisiert (etwa auf der ersten<br />
<strong>Seite</strong>) den Nutzern präsentiert werden. Damit ist die<br />
Möglichkeit einer gewissen Aufmerksamkeitssteuerung<br />
gegeben, die derzeit über die Plattformregulierung des<br />
Rundfunkrechtes jedenfalls nur unvollständig erfasst<br />
wird. Inwieweit sie überhaupt ein kritikwürdiges Problem<br />
darstellt und nicht bereits kartellrechtlich oder durch andere<br />
Instrumente – beispielsweise im Zuge des Wettbewerbs<br />
zwischen einzelnen App-Anbietern – ausgeglichen<br />
wird, soll an dieser Stelle nicht entschieden werden. Bedeutsam<br />
ist allein der Hinweis auf die Einflussmöglichkeiten<br />
auf Kommunikationschancen.<br />
1.3.4.4 Social Media<br />
Soziale Netzwerke sind zunehmend nicht nur Orte der<br />
Selbstdarstellung und des Beziehungsmanagements, sondern<br />
auch der Information. 139 Ihre Bedeutung im Gefüge<br />
der öffentlichen Kommunikation kann schlaglichtartig<br />
dadurch beleuchtet werden, dass sie mittlerweile mehr<br />
Nutzerinnen und Nutzer auf die <strong>Seite</strong>n traditioneller Verlage<br />
lenken, als beispielsweise Google News. 140<br />
Mittlerweile ist die Social Media-Plattform Facebook die<br />
Internet-Anwendung, auf die insgesamt die meiste Nutzungszeit<br />
entfällt. 141 Innerhalb der Social Media ist Facebook<br />
mit großem Abstand Marktführer. Allerdings ist erkennbar,<br />
dass sich Plattformen wie Xing für spezielle<br />
Interessen behaupten. Auch ist bekannt, dass beispielsweise<br />
Blogs zunehmend als ergänzende Informationsquelle<br />
genutzt werden. 142 Hinzu kommt eine unmittelbare,<br />
nicht durch Verweis auf andere Medien geleistete<br />
Informationsfunktion, die bestimmte Blogs erfüllen.<br />
Die Untersuchung der dort entstehenden Öffentlichkeitsstrukturen<br />
ist noch im Gange. Es ist aber erkennbar, dass<br />
es Meinungsführerschaften gibt. So identifiziert beispielsweise<br />
Forrester Research Social Broadcaster jene,<br />
deren Angebote (Blogs etc.) über Reichweiten wie traditionelle<br />
Massenmedien verfügen, zahlenmäßig aber sehr<br />
gering sind, und „Mass Influencern“, die etwa 15 Prozent<br />
ausmachen und von anderen stark wahrgenommen werden.<br />
143<br />
139 Anmerkung: Zur Differenzierung siehe Schmidt, Jan: Social Software.<br />
Onlinegestütztes Informations-, Identitäts- und Beziehungsmanagement.<br />
In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen Nr. 2/2006,<br />
S. 37–46. Online abrufbar unter: http://www.bamberg-gewinnt.de/<br />
wordpress/wp-content/pdf/SocialSoftwareFJNSB_preprint.pdf<br />
140 Vgl.: http://www.hitwise.com<br />
141 Vgl.: BITKOM e.V.: Netzgesellschaft. Eine repräsentative Untersuchung<br />
zur Mediennutzung und dem Informationsverhalten der Gesellschaft<br />
in Deutschland. Berlin: 2011. Online abrufbar unter: http://<br />
www.bitkom.org/files/documents/bitkom_publikation_netzgesell<br />
schaft.pdf<br />
142 Vgl.: http://www.statista.com<br />
143 Vgl.: Forrester Blogs/Ray, Augie: My First Forrester Report. Tapping<br />
The Entire Online Peer Influence Pyramid. Blog-Eintrag vom 27. Februar<br />
2010. Online abrufbar unter: http://blogs.forrester.com/<br />
interactive_marketing/2010/02/my-first-forrester-report-tapping-theentire-online-peer-influence-pyramid.html