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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 25 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />

Zum Ausgleich verzerrter Kommunikationschancen im<br />

Rahmen von Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG kann es gehören,<br />

Privilegierungen für Angebote vorzusehen, die eine<br />

besondere Rolle für die öffentliche oder individuelle Meinungsbildung<br />

spielen, wenn sie bei rein marktmäßiger Erbringung<br />

strukturell benachteiligt erscheinen. Insofern<br />

kann es verfassungsrechtlich zulässig oder sogar geboten<br />

sein, bestimmte Inhalte zu privilegieren oder aber Akteure<br />

zu bevorzugen, von denen die Produktion oder Distribution<br />

derartiger Inhalte aus strukturellen Gründen eher<br />

erwartet werden kann. Hierzu gehören typischerweise öffentlich-rechtliche<br />

Rundfunkanstalten, aber auch nichtkommerzielle<br />

Rundfunkveranstalter und Anbieter lokaler<br />

beziehungsweise regionaler Programme. 126<br />

Um Gegenstand ausgestaltender Regulierung der Landesgesetzgeber<br />

zu sein, müssen die betreffenden Dienstleistungen<br />

nicht selbst Rundfunk im verfassungsrechtlichen<br />

Sinne darstellen. Die Einordnung als Rundfunk im Sinne<br />

von Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG hat allerdings in zwei<br />

Richtungen Bedeutung für den Gesetzgeber und den Gesetzesanwender.<br />

Zum einen muss für Nicht-Rundfunk ein<br />

„ausreichender Inhaltsbezug“ 127 gegeben sein, um ihn in<br />

den Bereich der Rundfunkfreiheit und damit der Ausgestaltung<br />

einzubeziehen. Zum anderen hat der Gesetzgeber<br />

bei Rundfunk im Rahmen der Ausgestaltung etwa die<br />

Wahrung der Programmautonomie bei der Regulierung<br />

zu beachten.<br />

1.3.3 Informationsordnung und<br />

Meinungsmacht<br />

Explizit der Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht<br />

dienen die Regelungen in § 26 ff. RStV. Die Verhinderung<br />

vorherrschender Meinungsmacht ist eine Ausgestaltungsaufgabe<br />

des Gesetzgebers, die in der Kompetenzordnung<br />

des Grundgesetzes bei den Ländern liegt. Aber auch<br />

andere – zum Teil in Bundeskompetenz stehende –<br />

Rechtsbereiche haben jedenfalls mittelbar Einfluss auf<br />

die kommunikative Chancengerechtigkeit. So ist etwa bei<br />

denjenigen, die das Kartellrecht nicht für ausreichend halten,<br />

auch im Rundfunkbereich für die Verhinderung vorherrschender<br />

Meinungsmacht zu sorgen, anerkannt, dass<br />

das Kartellrecht dessen ungeachtet dieses Regelungsziel<br />

befördert, dass der ökonomische Wettbewerb auch eine<br />

machtbegrenzende, disziplinierende Funktion auf Unternehmen<br />

ausübt. 128 Ebenso kann daneben das Haftungsrecht<br />

beispielsweise Machtspielräume in der öffentlichen<br />

Kommunikation eröffnen oder begrenzen.<br />

126 Vgl.: Schulz, Wolfgang/Kühlers, Doris: Konzepte der Zugangsregulierung<br />

für digitales Fernsehen. A. a. O., S. 13.<br />

127 Siehe: BVerfGE 77, 346 (354); BVerfGE 78, 101 (103).<br />

128 Vgl.: Hoffmann-Riem, Wolfgang: Kommunikationsfreiheiten.<br />

A. a. O., S. 219.<br />

1.3.4 Erkennbare Strukturverschiebungen<br />

1.3.4.1 Bedeutung der Plattformen<br />

Der Begriff „Plattform“ wird im digitalen Alltag in vielfältiger<br />

Weise verwendet. Während die Landesgesetzgeber<br />

ihn mit Blick auf Rundfunk in § 2 Absatz 2 Nummer 13<br />

RStV definieren und auf solche Dienstleistungen beschränken,<br />

die im Bereich der Verbreitung des Rundfunks<br />

und vergleichbarer Telemedien relevant sind, werden in<br />

der Alltagssprache auch Online-Marktplätze oder Streaming-Portale<br />

häufig als Plattformen bezeichnet. Von diesem<br />

weiteren Verständnis sind damit vor allem auf der<br />

Basis des Internet-Protokolls angebotene Dienste umfasst,<br />

die von Dritten inhaltlich gestaltet und vom Anbieter<br />

lediglich zugänglich gemacht werden, ohne dass diese<br />

Bündelung die Qualität einer redaktionellen Verantwortung<br />

erlangt. 129 Nach diesem Verständnis wären etwa Verkaufsplattformen<br />

wie eBay als Plattformen zu bezeichnen,<br />

aber auch Angebote, bei denen audiovisuelle Inhalte<br />

von Nutzern hochgeladen und von anderen dort betrachten<br />

und kommentiert werden können, wie etwa bei You-<br />

Tube. Da Plattformen im weiteren Sinne recht unterschiedliche<br />

Konzepte und Geschäftsmodelle zu Grunde<br />

liegen und sie nicht unter die Definition des Rundfunkstaatsvertrages<br />

fallen, ist es wichtig, sie klar von Plattformen<br />

nach dem Rundfunkstaatsvertrag zu unterscheiden.<br />

Wie die Regelungen zur Plattformregulierung im RStV<br />

zeigen, unterstellt das Medienrecht ihnen strukturell die<br />

Möglichkeit, Einfluss auf die kommunikative Chancengerechtigkeit<br />

der zugänglichen Inhalte zu erlangen. Strukturell<br />

wird dieses Risiko vor allem dort gesehen, wo<br />

objektiv technische Engpässe bestehen, so dass Auswahlentscheidungen<br />

über Inhalteanbieter zu treffen sind. Bei<br />

digitalen Plattformen ist schon die Beantwortung dieser<br />

Frage schwierig. Das hat die Diskussion um den<br />

10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, mit dem die Plattformregulierung<br />

in das Rundfunkrecht eingeführt wurde,<br />

gezeigt. 130<br />

Im Bereich internetvermittelter Kommunikation wird diskutiert,<br />

ob und wie stark technische Engpässe derzeit bestehen<br />

und was dies für Auswirkungen auf Fragen der<br />

Netzneutralität hat. 131 Darüber hinaus gibt es Netzwerkeffekte:<br />

Je mehr Nutzerinnen und Nutzer eine Plattform frequentieren,<br />

desto größer wird der Nutzen für die anderen<br />

Nutzer der entsprechenden Plattform. 132 Neben der Frage<br />

der Netzneutralität wird daher auch über Plattformneutralität<br />

diskutiert, und zwar insbesondere dann, wenn Unternehmen<br />

technische Plattformen betreiben und zudem<br />

auch Inhalte anbieten oder an Inhalteanbietern beteiligt<br />

sind.<br />

129 Anmerkung: Zu diesem Begriff vgl. Schulz, Wolfgang/Heilmann,<br />

Stefan: Redaktionelle Verantwortung. Anmerkungen zu einem zentralen<br />

Begriff der Regulierung audiovisueller Mediendienste. IRIS<br />

Spezial. Straßburg: 2008.<br />

130 Vgl. etwa: Grewenig, Claus: Rechtliche Rahmenbedingungen für<br />

Plattformanbieter. In: ZUM 2009, S. 703–709; Weisser, Ralf/Glas,<br />

Vera: Die medienrechtliche Regulierung von Plattformen. In: ZUM<br />

2009, S. 914 und Ritlewski, Kristoff M.: Pluralismussicherung im<br />

10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. In: ZUM 2008, S. 403.<br />

131 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Vierter Zwischenbericht der Enquete-<br />

Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“/Netzneutralität.<br />

<strong>Bundestag</strong>sdrucksache <strong>17</strong>/8536 vom 2. Februar 2012. Online abrufbar<br />

unter: http://www.bundestag.de/internetenquete/dokumentation/<br />

Netzneutralitaet/Netzneutralitaet_Zwischenbericht_<strong>17</strong>08536.pdf<br />

132 Vgl. hierzu: Klodt, Henning/Laaser, Claus F./Lorz, Jens O./Maurer,<br />

Rainer: Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation. Tübingen:<br />

1995, S. 40 ff.

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