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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 23 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />

Hinsichtlich des § 130 Absatz 4 StGB hat das Bundesverfassungsgericht<br />

festgestellt, dass diese Norm Sonderrecht<br />

darstellt, da dieses Gesetz gerade bestimmte Meinungen<br />

verbietet, nämlich die Aussagen, die nationalsozialistische<br />

Gewalt- und Willkürherrschaft billigen, verherrlichen<br />

oder rechtfertigen. Somit könnte dieses Gesetz<br />

grundsätzlich keine mögliche Schranke für eine Meinungsfreiheit<br />

sein. Allerdings entwickelte das BVerfG<br />

eine Ausnahmeregel für Sonderrecht, das sich gegen die<br />

Verherrlichung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes<br />

wendet. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Ablehnung<br />

und die Distanzierung von der Unrechtsherrschaft<br />

des Nationalsozialismus prägende Bestandteile des<br />

Grundgesetzes sind. 112 Somit kommt diese Norm trotz<br />

des Sonderrechtscharakters als zulässige Schranke in Betracht<br />

(vgl. Kapitel 1.2.3.4.1 Beschränkungen der Meinungsfreiheit).<br />

§ 185 StGB, Beleidigung<br />

§ 185 StGB schützt die Ehre des Einzelnen vor Beleidigungen.<br />

113 Vom Tatbestand werden auch die sogenannten<br />

Kollektivbeleidigungen, in denen also nicht eine bestimmte<br />

Person, sondern ein bestimmter Personenkreis<br />

bezeichnet wird, erfasst. Dennoch handelt es sich um Beleidigungen<br />

jeder einzelnen Person, die zu dem Personenkreis<br />

gehört. Schutzvoraussetzung ist allerdings, dass die<br />

Bezeichnung so konkret ist, dass der Personenkreis klar<br />

umgrenzt ist, so dass deutlich wird, wer diesem Personenkreis<br />

zugeordnet werden kann. 114<br />

Rundfunkstaatsvertrag (RStV)<br />

Auch außerhalb des Strafrechts lassen sich Verbotsnormen<br />

zu rassischen Äußerungen finden. So enthält beispielsweise<br />

§ 7 Absatz 1 Nummer 2 RStV das Verbot für<br />

Werbung und Teleshopping, Diskriminierungen aufgrund<br />

von Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft, Staatsangehörigkeit,<br />

Religion oder Glauben, Behinderung, Alter<br />

oder sexueller Orientierung zu beinhalten oder zu fördern.<br />

Diese Norm des RStV beruht auf einer Vorgabe aus<br />

Artikel 9 Absatz 1 AVMD-RL (Richtlinie über audiovisuelle<br />

Mediendienste). Auch wenn die nationalen medienspezifischen<br />

Regelungen nicht abschließend sind, so<br />

ist dennoch durch die strafrechtlichen Bestimmungen, die<br />

nicht medienspezifisch gefasst sind, ein umfassender<br />

Schutz gewährleistet.<br />

1.2.3.4.3 Restriktive (verfassungskonforme)<br />

Auslegung von Beschimpfung,<br />

Beleidigung und so weiter/Wechselwirkungslehre/Verhältnismäßigkeit<br />

Ungeachtet dessen, welches einfache Gesetz man als<br />

Beschränkung (Schranke) für Artikel 5 Absatz 1 GG in<br />

112 Siehe: BVerfGE 124, 300 (328).<br />

113 Vgl.: Valerius, Brian: § 185, Rn 1. A. a. O.<br />

114 Vgl.: Regge, Jürgen: Vorbemerkung zu §§ 185–200, Rn 55 ff. In:<br />

Miebach, Klaus/Sander, Günther M. (Hrsg.): Münchener Kommentar<br />

zum StGB. 1. Aufl., München: 2003.<br />

Betracht zieht, ist stets zu beachten, dass die Tatbestandsmerkmale<br />

des beschränkenden Gesetzes unter Berücksichtigung<br />

des Artikel 5 Absatz 1 GG eng ausgelegt werden<br />

(sogenannte Wechselwirkungslehre). Das bedeutet,<br />

dass zum Beispiel unter Beschimpfung im Sinne des<br />

§ 166 StGB nur Äußerungen gefasst werden, die als<br />

Schmähkritik einzustufen sind. Somit kann erst, wenn der<br />

sachliche Bezug der Äußerung fehlt und die Herabsetzung<br />

der Person oder der Sache den Inhalt ausmachen,<br />

von einer Beschimpfung (zum Beispiel § 166 StGB, Beleidigung<br />

im Sinne des § 185 StGB) ausgegangen werden.<br />

Des Weiteren muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

eingehalten werden. Dies bedeutet, dass der<br />

Eingriff in die Meinungsfreiheit einen legitimen Zweck<br />

verfolgen, geeignet und erforderlich sein muss, um den<br />

legitimen Zweck zu erreichen und verhältnismäßig im engeren<br />

Sinne ist. Für die Verhältnismäßigkeit im engeren<br />

Sinne werden die Meinungsfreiheit als eingeschränktes<br />

Rechtsgut und das zu schützende Rechtsgut in Abwägung<br />

gestellt. Wenn im Rahmen dieser Rechtsgüterabwägung<br />

das andere Rechtsgut überwiegt, ist der Eingriff in die<br />

Meinungsfreiheit verhältnismäßig und mithin rechtlich<br />

zulässig.<br />

Als kollidierendes Rechtsgut kommen insbesondere in<br />

Frage: das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 Absatz<br />

1 GG in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG) und<br />

aus aktuellem Anlass die Glaubensfreiheit, insbesondere<br />

die Religionsfreiheit (Artikel 4 GG).<br />

Keines der kollidierenden Rechtsgüter genießt bereits<br />

aufgrund seiner Stellung innerhalb des Grundgesetzes<br />

Vorrang. Vielmehr ist für jede Abwägung im Einzelfall zu<br />

entscheiden, welches Grundrecht für diesen bestimmten<br />

Fall Vorrang hat. 115 Dennoch ist im Rahmen der Abwägung<br />

die besondere Bedeutung der Kommunikationsgrundrechte<br />

zu beachten. Das BVerfG hat für die<br />

Abwägung von Meinungsfreiheit mit kollidierenden<br />

Rechtsgütern folgende Vorrangregeln entwickelt 116 :<br />

Im Rahmen der Abwägung wird als Pendant zum Schutzbereich<br />

zwischen Meinungen und Tatsachen unterschieden.<br />

Da bewusst unwahre Tatsachen schon gar nicht vom<br />

Schutzbereich des Artikel 5 Absatz 1 GG erfasst sind,<br />

können diese hier außen vor bleiben. Hinsichtlich der<br />

nicht bewusst unwahren Tatsachen gilt, dass regelmäßig<br />

der Persönlichkeitsschutz vorgeht. Die wahren Tatsachen<br />

kann man wiederrum unterscheiden in Äußerungen, die<br />

die Intimsphäre betreffen und somit grundsätzlich nicht<br />

hingenommen werden müssen, und Äußerungen, die lediglich<br />

die Sozialsphäre eines anderen betreffen.<br />

Bei den Meinungsäußerungen geht in der Abwägung der<br />

Persönlichkeitsrechtsschutz vor, sobald es sich um einen<br />

Menschenwürdeverstoß handelt oder eine Formalbeleidigung<br />

beziehungsweise Schmähkritik vorliegt. Liegt hingegen<br />

schlicht herabsetzende Kritik vor, kommt es, ohne<br />

eine Voreinschätzung abgegeben zu können, auf die Abwägung<br />

im Einzelfall an. 1<strong>17</strong><br />

115 Vgl.: Grimm, Dieter: Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung<br />

des Bundesverfassungsgerichts. A. a. O., S. <strong>17</strong>02.<br />

116 Vgl.: Graphik bei Grimm, Dieter: ebd., S. <strong>17</strong>05.<br />

1<strong>17</strong> Vgl.: ebd., S. <strong>17</strong>05.

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