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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 21 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />

schen <strong>Bundestag</strong>es vom 31. Oktober 2012 (Hate Speech<br />

im Internet – Sachstand/WD 10-3000-097/12) eine gute<br />

Grundlage. 81<br />

1.2.3 Zur rechtlichen Einordnung von Hate<br />

Speech (Beschränkung von Meinungsfreiheit/Antisemitismusbericht)<br />

1.2.3.1 Einleitung<br />

Das auf Antrag des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es von der Bundesregierung<br />

eingesetzte unabhängige, aus Wissenschaftlern<br />

und Praktikern zusammengesetzte, Expertengremium<br />

Antisemitismus hat die Aufgabe, in regelmäßigen<br />

Abständen einen Bericht zum Antisemitismus in Deutschland<br />

zu erstellen und dabei Empfehlungen auszusprechen,<br />

wie Programme zur Bekämpfung von Antisemitismus entworfen<br />

und weiterentwickelt werden können. In seinem<br />

Bericht vom 10. November 2011 empfiehlt das Gremium<br />

unter anderem, dass „die Enquete-Kommission Internet<br />

und digitale Gesellschaft antisemitische Stereotypisierungen<br />

und antisemitische Inhalte im Internet thematisiert<br />

und ihrerseits entsprechende Empfehlungen erarbeitet.“ 82<br />

Eingedenk dieser Empfehlung hat sich die Enquete-Kommission<br />

Internet und digitale Gesellschaft mit der Problematik<br />

der Verbreitung antisemitischer und anderer gegen<br />

Personen oder Personengruppen gerichteten Inhalte im<br />

Internet (Hate Speech) beschäftigt. Unter Hate Speech<br />

versteht man Äußerungen, die geeignet sind, eine andere<br />

Person herabzusetzen oder zu Gewalt, Hass beziehungsweise<br />

Diskriminierung aufzurufen. Der Grund dafür ist<br />

meist eine bestimmte Rasse, Religion, das Geschlecht<br />

oder die sexuelle Orientierung. 83 Fraglich ist, inwieweit<br />

solche Äußerungen vom Grundgesetz, insbesondere von<br />

der Meinungsfreiheit, geschützt sind und somit eventuell<br />

zulässig, und inwieweit die rechtliche Möglichkeit besteht,<br />

solche Äußerungen zu verbieten. Die Diskussion<br />

um die sogenannten Mohammed-Karikaturen beziehungsweise<br />

um das sogenannte Mohammed-Video zeigt<br />

die innen- und außenpolitische Brisanz der aufgeworfenen<br />

Fragen. Im Folgenden soll zunächst der Schutzbereich<br />

der Meinungsfreiheit dargestellt werden, um die<br />

Äußerungen zu benennen, die bereits nicht unter den<br />

Schutz des Artikel 5 GG fallen. Danach soll aufgezeigt<br />

werden, welche rechtlichen Möglichkeiten und auch<br />

Grenzen existieren, um entsprechende Äußerungen zu<br />

verbieten.<br />

81 Vgl.: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Wissenschaftlicher Dienst: Hate Speech<br />

im Internet. Sachstand. WD 10-3000-097/12, Autorin: Sabine Böger,<br />

Berlin: 31. Oktober 2012.<br />

82 Vgl.: Bundesministerium des Innern: Antisemitismus in Deutschland.<br />

Erscheinungsformen, Bedingungen, Präventionsansätze. Bericht<br />

des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus. Berlin:<br />

2011, S. 185.<br />

83 Vgl.: Brugger, Winfried: Hassrede, Beleidigung, Volksverhetzung.<br />

In: JA 2006, S. 687.<br />

1.2.3.2 Schutzbereich des Artikel 5 Absatz 1 Satz 1<br />

Grundgesetz, Meinungsfreiheit<br />

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und<br />

Bild frei zu äußern und zu verbreiten (…)“ (Artikel 5 Absatz<br />

1 Satz 1 GG). Für die Eröffnung des Schutzbereichs<br />

ist relevant, dass zum einen eine Meinung vorliegt (in<br />

Abgrenzung zu einer reinen Tatsache) und zudem, dass es<br />

sich um eine eigene Meinung handelt. Sie ist geprägt<br />

durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens,<br />

der Beurteilung. 84 Im Gegensatz dazu ist eine Tatsache<br />

dem Beweis zugänglich, denn sie kann entweder wahr<br />

oder unwahr sein. 85 Das Bundesverfassungsgericht hat<br />

entschieden, dass entgegen des Wortlautes des Artikel 5<br />

Absatz 1 GG die Äußerung und die Verbreitung von Tatsachen<br />

auch von dem Schutzbereich erfasst werden, wenn<br />

sie als Grundlage für eine Meinungsbildung dienen. 86<br />

Demzufolge wird der Schutzbereich für diese Art von<br />

Tatsachen erweitert. Da unwahre Tatsachenbehauptungen<br />

jedoch nicht dem Meinungsbildungsprozess dienen, stellen<br />

sie kein schützenswertes Gut 87 dar und fallen mithin<br />

nicht unter den Schutzbereich. Dies bezieht sich jedoch,<br />

um den Kommunikationsprozess nicht zu stark einzugrenzen,<br />

nur auf bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenäußerungen.<br />

88 Maßgeblich für die Beurteilung des<br />

Wahrheitsgehalts einer Aussage ist der Zeitpunkt der Äußerung.<br />

89 Der Schutz der Meinungsfreiheit ist nicht davon<br />

abhängig, ob eine Meinung „begründet oder grundlos,<br />

emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich<br />

oder harmlos eingeschätzt wird“. 90 Ebenso findet<br />

keine Begrenzung auf eine bestimmte Äußerungsform<br />

statt. Geschützt wird gerade nicht nur die Meinungsäußerung<br />

in Wort, Schrift und Bild, da diese Aufzählung nur<br />

beispielhaft und somit nicht abschließend ist. 91 Darüber<br />

hinaus ist es auch irrelevant, ob die Meinung scharf oder<br />

verletzend formuliert ist. 92 Geschützt wird sowohl die<br />

Meinungsäußerung an sich als auch die Art und Weise,<br />

wie sie erfolgt, zum Beispiel an einem bestimmten Ort<br />

oder zu einem bestimmten Anlass. 93<br />

Der Schutzbereich ist sehr weit gefasst und ist demzufolge<br />

auch eröffnet, wenn die Meinungsäußerung Grundrechte<br />

Dritter verletzt, „Gemeinschaftsgüter gefährdet<br />

oder Grundprinzipien der politischen und sozialen Ordnung<br />

in Frage [ge]stellt“ 94 werden. Berücksichtigung<br />

kann dies erst im Rahmen der Beschränkung finden.<br />

Teilweise wird Schmähkritik und Formalbeleidigung<br />

schon vom Schutzbereich ausgenommen. 95 Schmähkritik<br />

liegt vor, wenn eine Herabsetzung der Person und nicht<br />

84 Siehe: BVerfGE 61, 1 (8).<br />

85 Vgl.: Schemmer, Franz: Artikel 5 Absatz 1 GG, Rn 5. In: Epping,<br />

Volker/Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar<br />

Grundgesetz, Stand: 1. Juli 2012, Edition: 15.<br />

86 Siehe: BVerfGE 61, 1 (8).<br />

87 Siehe: BVerfGE 54, 208 (219).<br />

88 Vgl. Grimm, Dieter: Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des<br />

Bundesverfassungsgerichts. In: NJW 1995, S. 1697–<strong>17</strong>05.<br />

89 Vgl.: Jarass, Hans D.: Artikel 5 GG, Rn 4. In: Jarass, Hans D./<br />

Pieroth, Bodo: Grundgesetzkommentar. A. a. O.<br />

90 Siehe: BVerfGE 90, 241 (247).<br />

91 Vgl.: Schemmer, Franz: Artikel 5 Absatz 1 GG, Rn 14. In: Epping,<br />

Volker/Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar<br />

Grundgesetz, Stand: 1. Juli 2012, Edition: 15.<br />

92 Siehe: BVerfGE 90, 241 (247).<br />

93 Vgl.: Grimm, Dieter: Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung<br />

des Bundesverfassungsgerichts. A. a. O., S. <strong>17</strong>00.<br />

94 Vgl.: ebd., S. 1698.<br />

95 Vgl.: Fechner, Frank: Artikel 5 GG, Rn 96. In: Stern, Klaus/Becker,<br />

Florian (Hrsg.): Grundrechte-Kommentar. Köln: 2009.

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