BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag
BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag
BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 15 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />
gen. 49 Dann wird geprüft, ob die Voraussetzungen, die das<br />
BVerfG hinsichtlich des Grundrechtsschutzes einer inhaltsneutralen<br />
Tätigkeit aufgestellt hat, vorliegen.<br />
Voraussetzungen für den Grundrechtsschutz aus der<br />
Rundfunkfreiheit für Hilfstätigkeiten sind: 50<br />
– eine selbstständig ausgeübte Tätigkeit, die nicht in der<br />
Veranstaltung von Rundfunksendungen besteht,<br />
– dass die Tätigkeit eine notwendige Bedingung für einen<br />
freien Rundfunk ist und<br />
– dass sie einen ausreichenden Inhaltsbezug aufweist.<br />
Dieser ist gegeben 51 ,<br />
– wenn die Hilfstätigkeit typischerweise rundfunkbezogen<br />
ist,<br />
– sie in enger organisatorischer Bindung an den Rundfunk<br />
erfolgt und<br />
– sich eine staatliche Regulierung dieser Tätigkeit zugleich<br />
einschränkend auf die Meinungsbildung auswirkt.<br />
52<br />
Demzufolge fallen die Kabelnetzbetreiber hinsichtlich<br />
der reinen Transportfunktion, die inhaltsneutral ist, unter<br />
den Schutz des Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG (Rundfunkfreiheit),<br />
da die oben genannten Kriterien zum Presse-<br />
Grosso zum einen auf die Rundfunkfreiheit übertragbar<br />
und zum anderen aus folgenden Gründen erfüllt sind: Die<br />
Kabelnetzbetreiber üben eine selbstständige Tätigkeit<br />
aus, die auch, wenn man die reine Transporttätigkeit betrachtet,<br />
nicht in der Veranstaltung von Rundfunk besteht.<br />
Ohne die Verbreitung durch das Kabelnetz könnte mangels<br />
alternativer Verbreitung nicht ein so breites Publikum<br />
mit den Inhalten erreicht werden, so dass dies eine<br />
notwendige Bedingung für einen freien Rundfunk<br />
darstellt. Die Tätigkeit der Kabelnetzbetreiber ist hinsichtlich<br />
des Transports der Rundfunkprogramme als typischerweise<br />
rundfunkbezogen einzustufen. Die enge<br />
organisatorische Bindung besteht, da die Beziehung zwischen<br />
dem Kabelnetzbetreiber als Transporteur und den<br />
Rundfunkveranstaltern als Inhalteanbieter sich als ein<br />
wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis gestaltet. Zum<br />
einen sind die Rundfunkveranstalter darauf angewiesen,<br />
dass die Kabelnetzbetreiber das Rundfunkprogramm<br />
transportieren, da sonst der Rezipient nicht in den Genuss<br />
des Programms kommen würde. Zum anderen hat aber<br />
auch der große Rundfunkveranstalter einen Einfluss auf<br />
den Kabelnetzbetreiber, was die Nutzungskonditionen<br />
oder die Kabelbelegungsentscheidungen angeht, 53 so dass<br />
auch ein ausreichender Inhaltsbezug besteht.<br />
49 Siehe: BVerfGE 78, 101 (103), das hinsichtlich des Grundrechtsschutzes<br />
der erforderlichen Hilfstätigkeiten eines Rundfunkveranstalters<br />
auf die Presse-Grosso-Rechtsprechung verweist und diese bejaht.<br />
50 Vgl.: Wichmann, Anja: Vielfaltsicherung in digitalisierten Breitbandkabelnetzen.<br />
A. a. O., S. 51.<br />
51 Vgl.: ebd., S. 51.<br />
52 Vgl.: ebd., S. 51.<br />
53 Vgl.: ebd., S. 52.<br />
Dagegen ist hinsichtlich der Programmbündelung der<br />
Schutz aus Artikel 5 Absatz 1 GG gegeben, ein Rückgriff<br />
auf die Presse-Grosso-Rechtsprechung ist nicht erforderlich,<br />
da dies keine inhaltsneutrale Tätigkeit ist. Vielmehr<br />
nimmt der Kabelnetzbetreiber dadurch eine eigene inhaltliche,<br />
programmbezogene Gestaltung vor, um ein attraktives<br />
Programmbouquet zusammenzustellen.<br />
1.1.4.3 Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs<br />
zu inhaltsneutralen Tätigkeiten <br />
von Providern<br />
Wenn man einen Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes<br />
(BGH) wirft, so fällt auf, dass zahlreiche<br />
Urteile bezüglich der Störerhaftung von Providern, zumeist<br />
Host-Providern, zu finden sind. Die Host-Provider<br />
stellen gerade keine eigenen Inhalte zur Verfügung, sondern<br />
lediglich die Server, auf denen die Inhalte gespeichert<br />
werden können.<br />
In einer Sache hatte der BGH zu entscheiden, welche<br />
Prüfpflichten den Host-Provider in Bezug auf eine Störerhaftung<br />
treffen, wenn ein Nutzer auf seiner Plattform<br />
angeblich persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen<br />
tätigt. 54 In diesem Zusammenhang hat der BGH zur Ermittlung<br />
dieser Prüfpflichten eine Abwägung zwischen<br />
den betroffenen Grundrechten auf <strong>Seite</strong>n des Verletzten<br />
und auf <strong>Seite</strong>n des Providers angestellt. Als Grundrechte<br />
des Providers nennt der BGH Artikel 5 Absatz 1 GG, Artikel<br />
10 EMRK, die Meinungs- und Medienfreiheit. 55 Somit<br />
erkennt der BGH für den Host-Provider den Grundrechtsschutz<br />
aus Artikel 5 Absatz 1 GG an – auch wenn<br />
eine genauere Begründung dazu ausbleibt.<br />
1.1.4.4 Rechtsprechung des Europäischen<br />
Gerichtshofs zu inhaltsneutralen<br />
Tätigkeiten von Providern<br />
Eine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs<br />
(EuGH) bezüglich inhaltsneutraler Tätigkeiten und Kommunikationsfreiheiten<br />
ist durchaus zu finden. Zuletzt hatte<br />
der EuGH in seiner Entscheidung vom 16. Februar 2012 56<br />
über urheberrechtliche Verletzungen auf Plattformen zu befinden,<br />
ob dem Provider zulässigerweise eine generelle<br />
Pflicht zur Einführung eines Filtersystems auferlegt werden<br />
darf. Bei seinen Ausführungen erkennt der EuGH für<br />
den Host-Provider keine Kommunikationsgrundrechte an.<br />
Es werden lediglich Wirtschaftsgrundrechte in die Abwägung<br />
eingestellt. Nur für die Nutzerinnen und Nutzer werden<br />
Kommunikationsgrundrechte angeführt.<br />
1.1.5 Neue Akteure und Intermediäre<br />
Ebenso gibt es neben den neuen Diensten auch völlig<br />
neue Akteure, die sich aufgrund der veränderten Struktu-<br />
54 Vgl.: BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011, Az. VI ZR 93/10. In:<br />
NJW 2012, S. 148 ff.<br />
55 Vgl.: ebd., S. 150.<br />
56 Vgl.: EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2012, Az. C-360/10 – Sabam.<br />
In: ZUM 2012, S. 307 ff. und EuGH, Urteil vom 24. November 2011,<br />
Az. C-70/10 – Scarlet Extended. In: ZUM 2012, S. 29 ff.