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BT-Drs 17/12542 - DIP21 Login Seite - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 101 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>12542</strong><br />

Klarnamenpflicht – nicht besser geworden. Was bleibt, ist<br />

lediglich die Geringschätzung der Verlage gegenüber dem<br />

Wert der einzelnen Kommentare, die man bereitwillig an<br />

einen US-Konzern ausgelagert hat.<br />

Hier sind wir auch schon an einem Punkt angelangt, den<br />

ich für sehr wichtig halte: Gute Diskussionen sollten vor<br />

allem öffentlich geführt werden (können), also außerhalb<br />

des geschlossenen Netzwerks Facebook. Politik, Wirtschaft<br />

und Medien sollten gemeinsam dafür sorgen, dass<br />

es keine Monopolstellung für Diskussionsplattformen wie<br />

Facebook gibt und Diskurse sowie Dialoge auch weiterhin<br />

jedem frei zugänglich sind.<br />

Wer an dieser Stelle die eine Lösung zur Vermeidung<br />

schlechten Online-Benehmens erwartet hat, den muss ich<br />

leider enttäuschen. Das wäre genauso utopisch wie eine<br />

Lösung zur Vermeidung schlechten Offline-Benehmens.<br />

Ich kann daher nur daran appellieren, dass jeder Einzelne<br />

über die Konsequenzen seines Handelns nachdenkt und<br />

sich fragt, ob das, was er oder sie tun möchte, überhaupt<br />

gut ist – online wie offline.<br />

Eines jedenfalls ist sicher: Genauso wie Überwachungskameras<br />

im öffentlichen Raum die Gewaltbereitschaft<br />

nicht nachhaltig senken können, kann auch eine Überwachung<br />

des Internet (Vorratsdatenspeicherung – wenn auch<br />

zu einem anderen Zweck) nicht verhindern, dass Einzelne<br />

sich daneben benehmen.<br />

Kurzum: Wir sollten uns daher nicht die Freiheit nehmen<br />

lassen, auch weiterhin das Netz als Chance zu begreifen,<br />

miteinander in Verbindung zu treten und uns gegenseitig<br />

zu helfen. Dass es bei allen Chancen auch Risiken gibt,<br />

darf dabei natürlich nicht ausgeblendet werden. Aber eine<br />

Mehrheit gebildeter und medienkompetenter Internetnutzer<br />

sollte sich nicht einer Minderheit an Neidern, Kritikern<br />

und Trollen beugen müssen.<br />

Reicht es, die Regeln zu verschärfen und den Laden<br />

nachts abzuschließen, damit keine Trolle ihr Unwesen<br />

treiben können?<br />

Klare Antwort: Nein. Wer im Internet nachts „den Laden<br />

abschließen“ will, hat das Internet nicht verstanden. Das<br />

Internet ist zwar kein rechtsfreier Raum, aber es ist ein<br />

Raum ohne Landesgrenzen und Ladenöffnungszeiten, um<br />

bei der Analogie zu bleiben. Während in einem realen Laden<br />

in der Regel mindestens eine Person anwesend sein<br />

muss, ist eine Webseite auch ohne die Anwesenheit eines<br />

Menschen in der Regel frei verfügbar – und je nach<br />

Schutzvorkehrungen einigermaßen einbruchssicher. Warum<br />

sich also nachträglich dieser tollen Möglichkeit berauben?<br />

Nachtaktive User profitieren davon ebenso wie<br />

Menschen im Ausland. Stellt euch einmal vor, das Fernsehprogramm<br />

würde – wie es lange Zeit war – nachts<br />

plötzlich durch ein Testbild ersetzt. Oder die Zeitung<br />

würde am Abend aus „Sicherheitsgründen“ wieder eingesammelt<br />

werden, da man ja plötzlich auf die Idee kommen<br />

könnte, einen bösen Leserbrief zu schreiben. Absurd,<br />

nicht wahr?<br />

Worüber wir uns sicherlich einig sind: Im Internet sollte<br />

es keinen Platz für Trolle geben. Da es sie aber leider<br />

trotzdem gibt, lautet die Frage an dieser Stelle: Wie wollen<br />

wir mit ihnen umgehen? Schärfere Regeln sind hier<br />

vermutlich nicht der richtige Ansatz. Zumindest nicht,<br />

wenn er in einer Nachtsperre des Internet enden würde –<br />

denn das wäre weit über das Ziel hinausgeschossen. Ein<br />

Ansatz könnte beispielsweise eine öffentliche Werbekampagne<br />

sein, die auf die Verantwortung des Einzelnen hinweist<br />

– und darauf, dass es gesellschaftlich verpönt ist,<br />

Troll zu sein. So banal das auch klingen mag: vielen Jugendlichen<br />

(die meist hinter den Trollen stecken) ist nicht<br />

(mehr) bewusst, dass sie mit ihren Pöbeleien und Stänkereien<br />

tatsächlich anderen Menschen wehtun. Denn die<br />

Folgen ihres Handelns sind für sie selbst nicht (unmittelbar)<br />

spürbar.<br />

Medienkompetenz ist etwas, das man genauso lernen<br />

muss wie gepflegte Tischmanieren oder Gastfreundschaft.<br />

Nur ist das Internet so neu, dass diese Werte hier<br />

noch nicht weitergegeben werden konnten. Man sollte<br />

demnach auch in Schulen mehr Medienkompetenz in den<br />

Unterricht integrieren und von klein auf klarmachen: Das<br />

Internet ist trotz fehlender Barrieren von Raum (Ländergrenzen)<br />

und Zeit kein rechtsfreier Raum – und hinter jedem<br />

Benutzername steckt auch ein Mensch. Ein Mensch,<br />

dem man im Alltag stets ins Auge schauen können sollte.<br />

Ist der digitale Meinungsaustausch vielleicht eine völlig<br />

neue Kulturtechnik, die erst einmal erlernt sein will?<br />

Oder gelten offline wie online die gleichen Regeln für<br />

eine gelungene, respektvolle Kommunikation?<br />

Das Problem beim digitalen Meinungsaustausch ist das<br />

fehlende Gegenüber. Vieles, was im Netz geschrieben<br />

wird, würden sich die Autoren nie trauen, anderen ins Gesicht<br />

zu sagen. Bei öffentlichen Reden und Vorträgen mit<br />

nebenstehender Twitterwall etwa findet sich dort sehr viel<br />

mehr unverblümte Kritik (auch aus dem Publikum mit<br />

identifizierbarem Avatar) als es ohne sie gäbe. Warum das<br />

so ist? – Weil uns indirekte Kommunikation leichter fällt<br />

als direkte.<br />

Da spielt sicher auch die ausbleibende unmittelbare Reaktion<br />

auf mein Handeln mit hinein. Einmal mehr: vielen<br />

fehlt das vorausschauende Denken, das nötige Bewusstsein<br />

für die mögliche Konsequenz. Was ist gut (für<br />

mich)? Diese Frage sollte sich jeder einzelne im Vorfeld<br />

stellen. Nicht bewusst, sondern unbewusst. Es muss also<br />

ein Automatismus werden, der zuvor verinnerlicht wurde.<br />

Denn eine dauerhafte Verhaltensänderung kommt nicht<br />

von außen (diktatorische Staaten stülpen ihre Vorstellungen<br />

mit Gewalt der Bevölkerung über), sondern von innen<br />

heraus – nachdem die betreffende Person gehört und<br />

verstanden hat, warum dieses oder jenes gut oder schlecht<br />

ist.<br />

Wie schädlich ist Anonymität?<br />

Eine schwierige Frage. Anonymität kann schädlich sein,<br />

kann aber auch von Nutzen sein. Wenn sich beispielsweise<br />

der Rapper Cro hinter seiner Maske versteckt und<br />

tausende von Fans in ganz Deutschland hat, nützt ihm die<br />

Maske – denn in der Realität bleibt er auf diese Weise unerkannt<br />

und kann ein normales Leben in der Öffentlichkeit<br />

führen. Man könnte entgegnen, Cro sei lediglich ein

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