Zur Lehre vom Urkundenbeweise
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Prof. Dr. A. S. Schnitze: <strong>Zur</strong> <strong>Lehre</strong> <strong>vom</strong> <strong>Urkundenbeweise</strong>.<br />
einer Forrn seinen Cönsens erklärt hat, wenn auch nur stillschweigend.<br />
Will er diesen Consens durch Schrift erklären, so<br />
kann er es nur durch Begebung einer Urkunde. Dass aber weder<br />
das in die Taschestecken der Offerte, noch das heimliche Unterschreiben<br />
derselben eine Willenserklärung ist, ist wohl ausser<br />
Zweifel. Auch die Bedeutung des Umstandes, dass der Andere<br />
sich nunmehr isa Processe auf jene Urkunde „beruft" ‚ kann<br />
nicht die sein, dass dadurch der Vertrag als damals geschlossen<br />
bewiesen werde, sondern höchstens - falls nämlich die Offerte<br />
noch fortwirkt die, dass dieses ‚.Berufen" nunmehr die Consenserklärung,<br />
also der jetzt erfolgende Act des Vertragsschlusses<br />
wäre.<br />
Auch bei zweiseitigen Verträgen wird natürlich der Besitz<br />
einer von beiden Contralsenten unterschriebenen Urkunde durch<br />
einen derselben häufig ein Indiz für die stattgehabte Begebung<br />
der Urkunde sein. Dass das aber nicht nothwendig der Fall ist,<br />
zeigt gerade das B Lt h r'sche Beispiel von der heimlich unterschriebenen<br />
und in der Tasche behaltenen Vertragsofl'erte.<br />
Das franzöische Recht, welches in allen Beweisfragen<br />
im Anschluss an die frühere Lega]theorie überaus formalistisch<br />
ist, sieht in dein- Besitz einer von beiden Contrahenten unter-<br />
.schriebenen Vertragsurkunde kein Indizium für die stattgehahte<br />
Abgabe der Willenserklärungen, - verbietet eine solche Schlusso1gerung<br />
vielmehr durch positive . Gesetzesvorschrift. Es sucht<br />
.niit einem an -das .altgcrmanisehe Recht erinnernden Formalismus<br />
'den ‚Beweis der stattgehabten Begebung besonders sicher -,Zu<br />
stellen. Der Abschluss eines sogenannten synallagmatischen Vor-<br />
•ti-ages soll durch Urkunde nur dann zu Stande kommen und<br />
mithin auch nur dann bewiesen werden können, wenn so viel<br />
Originale derselben ausgefertigt sind, als Pacisccnten an dem<br />
Vertrage Thci[ genommen haben, und wenn ausserdem in jedem<br />
dieser Originale, dass dies geschehen sei, ausdrücklich bezeng<br />
st. Fehlt in einem Exemplar eines dieser Erfordernissp, so<br />
.entbehrt die ganze Beurkundung der Beweiskraft.'°) Offenbar<br />
-sollen diese formalistischen Vorschriften den durch die Schrift<br />
55). Code cii,. o. 1325. Es l,eisst daselbst: Les ortes SOldS SCÜ)9 privd<br />
- „e so,,t va?r,b?es qe'entant qu'-ils ont etc. Die in der französischen Literatur<br />
und Jurisprudenz siels an diesen Artikel knüpfenden Streitfragen können<br />
sel,stversLäudlieli hier nicht erörtert werden.