Zur Lehre vom Urkundenbeweise
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Prof. Dr. A. S. SchnItze: <strong>Zur</strong> <strong>Lehre</strong> <strong>vom</strong>. <strong>Urkundenbeweise</strong>. 63<br />
etwa ein das Processrecht von allem librigen Rechte unterscheidender<br />
Rechtssatz zum Ausdruck, -sondern dieser in allein<br />
Rechte geltende Satz Ttritt hier nur schiirfer in die äussere<br />
Erscheinung, weil das im gewöhnlichen Verkehr. diesen Beweis<br />
erleichternde und für die weniger scharfe Betrachtung vielleicht<br />
verwischende Princip der freien Beweiswürdigung in Bezug auf<br />
die Begebung schriftlicher Processerklärungen - vergleichbar<br />
dem altdeutschen Principe - keine Anwendung findet, hier vielmehr<br />
ein besonders formaler Beweis erfordert wird. -<br />
Die ausgeführten Sätze gelten nun aber nicht etwa nur für<br />
einseitige Willenserklifrungen, sondern ebenso auch für die zweiseitigen,<br />
sogenannten synallagmatischen Verträge. Bäli r gibt<br />
zur Erläuterung seiner Ansicht, dass die Schrift der Vertrag<br />
sei, mithin auch denselben durch Augenscheineinnabme beweise,<br />
folgendes Beispiel 126):<br />
Wenn Jemand einem Anderen eine von ihm unterschriebene<br />
untcrschriebene<br />
-Urkunde mit Vertragsinhalt zustelle, und dieser sie in die<br />
Tasche stecke, so brauche er nur auch seine eigene Unterschrift<br />
darunter zu setzen, uni damit den zweiseitigen Vertrag in's<br />
Leben zu rufen; Ebendeshalb brauche ei' dieses aber gar nicht<br />
zu thun, vielmehr ergebe sich der Abschluss des Vertrages schon<br />
daraus, dass er die Urkunde besitze und sich darauf berufe.<br />
Diese Auffassung birgt zunächst einen Widerspruch in sich<br />
selbst. Denn ist es das Schreiben (also hier die Unterschrift),<br />
was den Vertrag zu Stande bringt, dann ist es nicht das in<br />
der Taschebehalten der nicht -unterschriebenen Urkunde. Aber<br />
eben keines von beiden ist der »Vertrag" oder der Vertragsschluss.<br />
Vielmehr bleibt . jene Urkunde immer eine einseitige<br />
Vertragsofferte, bis der Empfänger dem Absender in irgend<br />
der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung des Richters unterbreitet. Vielmehr<br />
wird die Abgabe der Erklärung, und mithin der Eintritt ihrer Rechtswirkungen<br />
immer nur durch die Zustellungsurkunde bewiesen; der Schriftsatz, d. h. die Urkunde<br />
selbst, beweist ascIi hier nichts als den Inhalt einer mliglielierweise alsgegebenen<br />
Erklärung, beides zusammen, dass eine Erklärung dieses Inhaltes abgegeben<br />
ist, Bei den, namentlich im Strafproeess vorkommenden, unmittelbar<br />
an das Gericht zu richtenden schriftlichen Erklärungen ist ca ebenfalls nicht<br />
das Liegen der betreffenden Schrift bei den Acten, sondern das öffentliche Zeugniss<br />
des Präsentationsvorme,kcs, welches den Beweis der, Abgabe der Erklärung<br />
liefert.<br />
125) Urkundenbeweis, n. 5. 0. S. 40.<br />
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