Zur Lehre vom Urkundenbeweise
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Prof. Dr. A. S. Schnitze: <strong>Zur</strong> <strong>Lehre</strong> <strong>vom</strong> <strong>Urkundenbeweise</strong>. 59.<br />
die Abgabe der in ihr enthaltenen Erklärung und das Zustandekommen<br />
eines Rechtsgeschäftes beweisen kann, sondern<br />
dass dieses vielmehr aus dem Wesen derselben folgt.<br />
Betrachten wir nämlich zunächst die heutige Privaturkunde,<br />
und zwar,--die zur Uebermittelung einer Willenserklärung<br />
bestimmte (,sogenannte dispositive) Urkunde, so können<br />
wir nach dem oben Gesagten von dem Satze, dass eine schriftliche<br />
Willenserklärung. nur durch die Mittheilung der Urkunde<br />
an den Destinatär der Erklärung zu Stande kommen kann, als<br />
feststehend ausgehen.<br />
Für die Bestimmung ihrer Beweiskraft fällt sodann in's<br />
Gewicht, dass heute - im Gegensatz zu den altdeutschen<br />
Stammesrechten - die formelle Beweistüchtigkeit, d. h. die<br />
Echtheit der Urkunde von ihrer materiellen Beweiskraft scharf<br />
geschieden ist. Die Feststellung der ersteren ist immer die<br />
conditio sice qua non der letzteren und wird durch ihre eigenen<br />
Rechtssätze beherrscht. Die Echtheit der Urkunde aber bedeutet,<br />
dass der angebliche Aussteller den Inhalt derselben zu Papier<br />
gebracht hat, und die festgestellte Echtheit beweist daher dieses<br />
voll, aber auch nur dieses.<br />
Uni die materielle Beweiskraft zu bestimmen, auf welche<br />
allein es uns hier ankommt, wird es zweekmiissig sein, die einzelnen<br />
möglichen Formen der dispositiven Urkunde gesondert<br />
zu betrachten.<br />
Die einfache Privaturkunde, etwa mit dem Inhalte eines<br />
Zahlungsversprechens, einer Offerte oder der Annahme einer<br />
solchen, eines Vertrages u. s. w. beweist nur eine <strong>vom</strong> Aussteller<br />
zu Papier gebrachte Aeusserung, welche möglicher Weise als<br />
Erklärung abgegeben sein, also möglicher Weise den Inhalt einer<br />
Willenserklärung gebildet haben kann oder auch nicht; den Inhalt<br />
einer wirklich stattgehabten Willenserklärung beweist sie nur für<br />
den Fall, dass die Urkunde dem Anderen mitgetheiJt worden ist;<br />
Dass aber diese Handlung der Begebung 'mit ihr vorgenommen<br />
sei, kann die Erklärung selbst nicht beweisen. Selbst wenn etwa<br />
der Aussteller in der Urkunde die Begebung derselben bezeugte 120),<br />
i20) Wie dies in den römischen Schenkungsurkunden des 6. bis 9. Jahrhunderts<br />
regelmässig und auch in den ln,,ibardiseh-fukisehen Urkunden öfters<br />
der Fan ist; vgl. Brunner, <strong>Zur</strong> Gesch. d. U., 5, 901V., 95, z. B.: Ego Wutpertcs<br />
preeb. (der Schenker und Schreiber) post traditom con,pteei et dedi.<br />
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