Zur Lehre vom Urkundenbeweise
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iSO Prof. Dr. Ä. 5. Sohn lt ‚.c: <strong>Zur</strong> <strong>Lehre</strong> <strong>vom</strong> <strong>Urkundenbeweise</strong>.<br />
jener Vorgang sieh vor dem Beschauer oder Hörer stets von<br />
Neuem abspiele, und dieser stets von Neuem die Abgabe der<br />
Erklärung mit eigenen Sinnen wahrnehme. Dieser Brief ist<br />
nicht bIos ein Zeugniss über den Inhalt einer Erklärung, sondern<br />
er ist Zeuge. Während es ursprünglich der Zeuge ist, der<br />
urehundo (and.) beisst, ist jetzt die Urkunde zum Zeugen ge-<br />
-worden, sie redet. 1u) Und zwar hat dieser Zeuge vor allen<br />
übrigen den grossen Vorzug, dass er nicht stirbt, dass er in<br />
alle Ewigkeit redet und immer wieder, so oft man ihn hören<br />
will 107) Darauf gründet sich der bekannte und so oft wiederholte<br />
Satz des Schwabenspiegels (ed. Gengler, Cap. 34, § 2): Wir<br />
spechen, daz briefe bezzer sint, -daune gezinge. Wan geziuge die<br />
sterbent, so belibent die briefe immer stete - diz heizent hautfeste<br />
-‚ und hilfet ein toter gezinge als wol dir als ein<br />
lebendiger.<br />
In der Parteiurkunde ist es die Partei selbst, die man<br />
reden, immer wieder Zeugniss gegen sieh selbst ablegen hört.<br />
Bei der von einem Dritten des Siegels Mächtigen, also namentlich<br />
vorn König oder einer öffentlichen Urkundsbehörde ge-<br />
-siegelten Urkunde - hat das Siegel nun aber noch eine weitere<br />
mystische Kraft. Es bewirkt nicht etwa nur, dass man die<br />
Urkundsperson ein Zengniss ablegen höre über das, was sie<br />
wahrgenommen hat, sondern es bringt gleichsam den bezeugten<br />
Vorgang selbst zur Erscheinung; es hat •die Zauberkraft, dass<br />
der Bcseliauer jenen Vorgang miterlebt, dass er nicht etwa<br />
nur die • zeugende Behörde, sondern die vor ihr handelnden<br />
Personen selbst reden, selbstZeugniss wider sich ablegen hört. 108<br />
0ft)<br />
Beiläufig mag bemerkt worum, dass die Urkunden sich überaus<br />
häufig im Eingange wen4en an alle diejenigen, die (lisen lirief gescheut oder<br />
geliiircnl". So z. B. alle VerIriefungen des Streosburger Ratlies bis 1332. Strnssli.<br />
U.-B. 111; ebenso deutsche Königsurkunden, das. z. B. Nr. 62, 76, 303 und<br />
regelmässig die einfache Partoinrkunde, z. B. Ne. 30, 39, 57, 65. 96, 347, 632,<br />
II?)<br />
So heisst es am Schluss einer Bischofsurkunde von 12:30 (bei 1V iimaus,<br />
Westph. U.-B., IV, Nr. 129, 5.12?): Lt huffies rd testes Sumus<br />
vita coSte, ei post ha gle 6,/ja,,, presen te,,, paginam ioeo „ostri relinqu itni,s<br />
Super seritate,piediete rd pro „ob/s locut,,ram.<br />
106)<br />
So heisst e im Eingange einer Urkunde Heinrich III. um 1042,<br />
Id arten e und Durand, J'ct. Str/pf. ei Mm,. Couectlo ton,. 11, S. 64, in<br />
welcher er einen Tauseliverirag zwischen dritten Personen verbrieft, diese Verbriefung<br />
sei niltbig ‚ et posiguam ejus rot aurto,-es rel ostpotlatores conhigerit<br />
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