Zur Lehre vom Urkundenbeweise
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46 Prof, Dr. A. S. Schi'! t z e; <strong>Zur</strong> <strong>Lehre</strong> <strong>vom</strong> <strong>Urkundenbeweise</strong>.<br />
Eine rechtlich durchaus verschiedene Bedeutung von der<br />
Siegelung durch den Aussteller, sei es mit eigenem, sei es mit<br />
einem geliehenen Siegel, hat die Siegelung der Urkunde durch<br />
einen bei . emRechtsgeschäft nicht betheiligten Dritten,<br />
sei es als Mitbesiegelung, sei es allein. 93) Schon früh wurden<br />
den Bischöfen Urkunden Dritter zur Siegelung vorgelegt 94 ), auch<br />
anderen geistlichen Würdenträgern (Domuapitel Vorsteher<br />
bedeutender Klöster); auch bei Königen und weltlichen Fürsten<br />
ist es nachweisbar. 95) Demnächst üben auch Laienbehörden diesen<br />
IBeglaubigungsact 96); namentlich aber sind es die geistlichen<br />
Gerichte, welche als Urkundsbehörden eine umfangreiche Bedeutung<br />
erlangen. 97) In dieser Besiegelung durch Dritte liegt,<br />
wie Schulte mit Recht hervorgehoben hat, der Keim der<br />
heutigen öffentlichen Urkunde. Allein auch diese Siegelung ist<br />
nicht etwa nur eine „Beglaubigung und mithin ein Kriterium<br />
auch ihm das Zeichen eines dispositiven Momentes, er spricht in diesem Sinne<br />
von dem „dispoitiv-kräftigen Siegel" und bezeichnet ganz zutreffend diese<br />
Anschauung als eine der durch Gewohnheit und Bequemlichkeit sanctionirten<br />
‚Rechtsillusionen" des Mittelalters. Als von bosondere,n Jnteicsse für -unsern<br />
Frage sei ans dem reichen Inhalt des Buches noch hingewiesen auf die Erörterung<br />
über jdie vorläufig nur aufgestellte „Möglichkeit" einer Investitur durch<br />
blosse Uebergabe des Siegelabdruckes, zu welchem der Empfänger sich dann die<br />
Urkunde macht 5 177117.<br />
91)<br />
Ueber diese Ficker, I, S. 93 ff; und bes. Schulte, Strassb. U.-B. 111,<br />
8. XIV ff.<br />
64)<br />
Zu den bei F i c k e r a. a. 0, und hei Bresslan 5.536 f. angeführten<br />
Beispielen noch die erste derartige Urkunde des Bischofs von Strassburg a. 1061.<br />
Strnssl,. U.-B. 1, Nr. 57. Interessant ist die Bischofsurkunde bei Baumann, Das<br />
Kloster Allerheiligen. Nr. 72. (Quellen der Schweizer Geschichte. III, S. 123.)<br />
Sie bekundet eine 36 Jahre vorher stattgehahte Vergabung mit Angabe der<br />
damals zugezogenen Zeugen, würde also, falls nicht etwa anzunehmen wäre, dass<br />
der Schenker auch bei dieser Beurkundung zugegen gewesen, trotz ihrer Form<br />
rechtlich nur die Bedeutung der oben S. 103 charakterisirten, nicht beweiskräftigen<br />
Notizen haben. Baumann stellt sie den eigentlichen Bischofsurkunden<br />
gleich, S. 177, was natürlich vollständig zutrifft, falls auch der Schenker als bei<br />
der Beurkundung zugegen gedacht wird.<br />
93) Bresslan, a. a. 0.<br />
04) So kommt z. B. Mitbesiegelung durch den Rath von Strassburg schon<br />
früh vor. Strassb. U.-B. 1, Nr. 139, 156,195 und vielfach. Derselbe besiegelt<br />
zum ersten Male allein eine fremde Urkunde 1233, das. Nr. 233. lIeber das allmälige<br />
Verschwinden der Zeugen Schulte, S. XV f.<br />
57)<br />
Schulte, a. a. 0. S. XVII 1!'. In, ganzen Bisthum Strassburg ist um<br />
1330 das bischöfliche Hofgericht fast die alleinige Urkuudsbchördo.<br />
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