Zur Lehre vom Urkundenbeweise
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Prof. Dr. A. S. Schnitze: <strong>Zur</strong> <strong>Lehre</strong> <strong>vom</strong> <strong>Urkundenbeweise</strong>. 29<br />
nur ein Tlieil, nämlich der Aussteller, zu unterschreiben. Der<br />
andere Contrahent schreibt nicht, sondern nimmt Geschriebenes."<br />
-<br />
Fragen wir nun nach dem Grunde der auffallenden Erscheinung,<br />
dass die schriftliche Willenserklärung sich bei den<br />
Römern erst so spät, im dritten Jahrhundert nach Chr. entwickelt<br />
hat, so ist es derselbe, den B r u n s für das späte Aufkommen<br />
der Unterschrift angegeben hat. Er lag nicht etwa<br />
i' der Schreibunkunde der Römer, sondern in der eigenthümliehen<br />
Bedeutung, welche die gespro.hene Wortformel im ältercü<br />
römischen Recht hat. Die Willenserklärung ist eine Mittheilung<br />
des Willens, und die einzige Form. für diese ist den Römern<br />
das gesprochene Wort. Uti linqua vnnc'upassit (ta ‚jas tate ist<br />
das Grundprincip der XII Tafeln für Testamente . und Verträge,<br />
und auch später beherrscht die gesprochene Wortformel alle<br />
rechtlichen Geschäfte, Testamente, Stipulationen, Mancipation,<br />
Process u. 5. w. 61) Die urkunde kann daher nur als Angabe<br />
und Beweismittel für den Inhalt des gesprochenen Wortes dienen.<br />
Als Rest dieser Anschauung darf es wohl aufgefasst werden,<br />
wenn noch zu Justinian's Zeit, als die Stipulation im schriftlichen<br />
Vertrage aufgeht, wenigstens die Begebung der Urund<br />
inter praesentes erfolgen muss, bis LT ustinian sich mit der Begebung<br />
auch it?ter absentes begnügt, falls nur die pi'ae.eitta<br />
wenn auch unrichtig - in der Urkunde bezeugt ist.:)<br />
Natürlich kann man sich diesem Rechtszustand gegenüber<br />
nicht etwa dafür, dass die Urkunde selbst der „Reehtsaet";<br />
der „Vertrag sei", auf Stellen berufen, in welchen von der<br />
verpflichtenden Kraft der Urkunde gesprochen wird, wie etwa<br />
1.26,,3,D.16,3:<br />
Faul. Quaero an ex hv,juemod( scriptura oblig(itio qaaedarr<br />
nata sft? Respond, ex seriptura de qua quaeritur obl,qutionem<br />
qaidem nallam natam videri. . rel.<br />
Solche und ähnliche Fragen nach der verpflichtenden Bedeutung<br />
einer Urkunde sind eben nur Fragen nach dem inhalte<br />
einer abgegebenen Erklärung und setzen die stattgehabte<br />
51) Noch U Ipi an in 1. 1, pr. 45, 1, sagt.: stipil.atio 11071 potes/ confiei nisi<br />
nti'oque loguente.<br />
52) Vgl. oben S. 27.<br />
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