Was wir gemeinsam gescha en - Zahnärztekammer Niedersachsen
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Parteiprogramme<br />
WAS SIE UNS VERRATEN ...<br />
Zu d<strong>en</strong> Bundestagswahl<strong>en</strong> im September kommt es wieder zu einer Heerschau von Angebot<strong>en</strong> der Partei<strong>en</strong><br />
an die Wähler nach dem Motto: wer bietet mehr?<br />
Viele halt<strong>en</strong> d<strong>en</strong><br />
Wert dieser politisch<strong>en</strong><br />
Kundgebung<strong>en</strong><br />
für gering,<br />
da das Versproch<strong>en</strong>e<br />
selt<strong>en</strong> mit d<strong>en</strong> später<strong>en</strong><br />
politisch<strong>en</strong> Tat<strong>en</strong> g<strong>en</strong>au korreliert<br />
und diese Programme<br />
angeblich sowieso niemand<br />
liest. Indess<strong>en</strong> sind sie doch<br />
Prof. Dr. Gerd ein Niederschlag dess<strong>en</strong>, was<br />
Habermann an Ide<strong>en</strong> in Umlauf ist – auch<br />
dort, wo sie sich »pragmatisch«<br />
geb<strong>en</strong>, d<strong>en</strong>n mit Recht schrieb<br />
Edmund Burke einmal: dass Politiker<br />
handelnde Philosoph<strong>en</strong><br />
sind. Dies ist auch dort so, wo<br />
sie die »Realist<strong>en</strong> oder Pragmatiker«<br />
geb<strong>en</strong>, d<strong>en</strong>n fast alle umlauf<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />
politisch<strong>en</strong> Begriffe,<br />
von Demokratie, Freiheit, Solidarität<br />
usw. angefang<strong>en</strong>, sind ja<br />
philosophische Begriffe, hinter<br />
d<strong>en</strong><strong>en</strong> alte sozialethische Ideale<br />
und »Weltanschauung<strong>en</strong>« steck<strong>en</strong>,<br />
nur durch verschied<strong>en</strong>e<br />
und oft irreführ<strong>en</strong>de Auslegung<br />
oder inflationär<strong>en</strong> Gebrauch<br />
abg<strong>en</strong>utzt und schäbig wie alte<br />
Münz<strong>en</strong> – bis zu dem Punkt hinunter,<br />
wo sie unk<strong>en</strong>ntlich, zu bloß<strong>en</strong><br />
Phras<strong>en</strong> geword<strong>en</strong> sind und der ganze<br />
politische Wortkampf schem<strong>en</strong>haft<br />
wie seine Träger erschein<strong>en</strong>: so etwa<br />
zum Thema »soziale Gerechtigkeit«<br />
oder »Europa«. So oder so: nam<strong>en</strong>tlich<br />
die Wahlprogramme zeig<strong>en</strong> noch deutlich<br />
g<strong>en</strong>ug, wes Geistes Kind ihre Verfasser<br />
sind, was ihn<strong>en</strong> von Wert ist und<br />
was nicht, was sie ablehn<strong>en</strong>, fürcht<strong>en</strong><br />
oder bekämpf<strong>en</strong> zu müss<strong>en</strong> mein<strong>en</strong>,<br />
sie sind Spiegel eines »Zeitgeistes«, der<br />
eine gewisse dominier<strong>en</strong>de Einstellung<br />
der herrsch<strong>en</strong>d<strong>en</strong> meinungsbild<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />
Schicht<strong>en</strong> von Publizist<strong>en</strong>, Lehrern, Sozialarbeitern,<br />
politisier<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Wiss<strong>en</strong>schaftlern<br />
und Pfarrern, politisch<strong>en</strong><br />
FOTO: ZKN-ARCHIV<br />
Funktionär<strong>en</strong>, Lobbyist<strong>en</strong> usw. widergibt<br />
und sich meist im Einklang mit<br />
der<strong>en</strong> materiell<strong>en</strong> Interess<strong>en</strong> befindet.<br />
Das Schrecklichste an d<strong>en</strong> Wahlprogramm<strong>en</strong><br />
ist ihr Umfang – es sind inzwisch<strong>en</strong><br />
regelmäßig Bücher – und ihre<br />
Sprache, ein hohles feierliches Pathos,<br />
kombiniert mit langweiliger Pedanterie<br />
im Detail und oft bemühter<br />
Originalität in der Prägung »neuer«<br />
Begriffe (nur Verlautbarung<strong>en</strong> der EU<br />
sind noch öder). Abstoß<strong>en</strong>d ist auch<br />
Das Schrecklichste<br />
an d<strong>en</strong> Wahlprogramm<strong>en</strong> ist ihr<br />
Umfang – es sind inzwisch<strong>en</strong><br />
regelmäßig Bücher – und ihre<br />
Sprache, ein hohles feierliches<br />
Pathos, kombiniert mit langweiliger<br />
Pedanterie im Detail und<br />
oft bemühter Originalität<br />
in der Prägung »neuer« Begriffe<br />
die Bemühung, überall Probleme, Notstände,<br />
Ungerechtigkeit, B<strong>en</strong>achteiligung<strong>en</strong><br />
und Opfergrupp<strong>en</strong> jeder Art<br />
aufzuspür<strong>en</strong>, um damit Unzufried<strong>en</strong>heit<br />
zu erweck<strong>en</strong>, neue politische Aktionsfelder<br />
und Karrieremöglichkeit<strong>en</strong><br />
aufzuschließ<strong>en</strong> und sich dann als die<br />
universal<strong>en</strong> Problemlöser zu empfehl<strong>en</strong>.<br />
Die Frage nach ihrem eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Anteil<br />
an d<strong>en</strong> Problem<strong>en</strong>, mit d<strong>en</strong><strong>en</strong> sie<br />
so leid<strong>en</strong>schaftlich und in der Dauerpose<br />
der sozialpolitisch<strong>en</strong> Entrüstung<br />
ring<strong>en</strong>, <strong>wir</strong>d dabei verständlicherweise<br />
nicht gestellt. Auch die Frage, welches<br />
dieser Probleme in der Natur der<br />
Dinge (»conditio humana«) liegt und<br />
keiner politisch<strong>en</strong> »Lösung« fähig ist<br />
oder bedarf, oder welches die nur nicht<br />
gewollte Neb<strong>en</strong><strong>wir</strong>kung eines früher<strong>en</strong><br />
Eingriffs ist, taucht nicht auf. Der Glaube<br />
an die Machbarkeit aller Umstände<br />
durch politische Interv<strong>en</strong>tion ist überwältig<strong>en</strong>d.<br />
Auch <strong>wir</strong>d es immer wieder<br />
deutlich, wer die eig<strong>en</strong>tlich<strong>en</strong> Verfasser<br />
solcher Kundgebung<strong>en</strong> sind: es sind<br />
theoretisier<strong>en</strong>de, manchmal sehr junge<br />
Ideolog<strong>en</strong> (ergänzt durch spezialisierte<br />
Fachrefer<strong>en</strong>t<strong>en</strong>) in d<strong>en</strong> groß<strong>en</strong> Stäb<strong>en</strong><br />
unserer überwieg<strong>en</strong>d steuerfinanziert<strong>en</strong><br />
Partei<strong>en</strong>. Nur w<strong>en</strong>ige hab<strong>en</strong><br />
unmittelbare Anschauung<br />
von dem, was sie analysier<strong>en</strong><br />
oder kritisier<strong>en</strong>, noch empfind<strong>en</strong><br />
oder überseh<strong>en</strong> sie immer,<br />
was sie da eig<strong>en</strong>tlich fordern. Ihr<br />
Horizont und ihre Wertmaßstäbe<br />
ergeb<strong>en</strong> sich aus ihrer Exist<strong>en</strong>z<br />
als abhängige, meist mittlere<br />
Angestellte, z. B. w<strong>en</strong>n sie zu<br />
Unternehmertum, Markt<strong>wir</strong>tschaft<br />
oder Selbstverantwortung<br />
schreib<strong>en</strong>. Wir werd<strong>en</strong> uns<br />
in d<strong>en</strong> komm<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Komm<strong>en</strong>tar<strong>en</strong><br />
d<strong>en</strong> einzeln<strong>en</strong> Programm<strong>en</strong><br />
zuw<strong>en</strong>d<strong>en</strong>, der<strong>en</strong> Grundgeist<br />
fast durchgeh<strong>en</strong>d durch ein<strong>en</strong><br />
Egalitarismus mit totalitärem<br />
Ansatz gek<strong>en</strong>nzeichnet ist, spreche<br />
man nun von Gleichstellung, Nichtdiskriminierung,<br />
Gerechtigkeit oder »sozialer<br />
Inklusion«. Es läuft off<strong>en</strong>bar auf<br />
eine möglichst weltweite Harmonie der<br />
<strong>en</strong>tindividualisiert<strong>en</strong> Gleich<strong>en</strong> hinaus<br />
– und über all d<strong>en</strong> Gleichgestellt<strong>en</strong> der<br />
wach<strong>en</strong>de und sorg<strong>en</strong>de Überstaat. Naturgemäß<br />
sind die größer<strong>en</strong> Partei<strong>en</strong><br />
von dieser T<strong>en</strong>d<strong>en</strong>z besonders betroff<strong>en</strong>.<br />
Bei d<strong>en</strong> »Grün<strong>en</strong>« ist sie indess<strong>en</strong><br />
am stärkst<strong>en</strong>. Es geht geg<strong>en</strong> die gegeb<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
Ungleichheit<strong>en</strong>, sei es an Eig<strong>en</strong>tum,<br />
sei es an allgemein<strong>en</strong> Vorzugschanc<strong>en</strong><br />
des Leb<strong>en</strong>s. Ungleich ist off<strong>en</strong>bar im-<br />
mer »ungerecht«.<br />
_PROF. DR. GERD HABERMANN<br />
DIE FAMILIENUNTERNEHMER – ASU E.V., 2.5.2013<br />
300 · ZKN MITTEILUNGEN 6 | 2013