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Bundestags- wahlkampf - Zahnärztekammer Niedersachsen

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likt in der U-Bahn. Weniger provokant<br />

als pragmatisch konstatierte Professor<br />

Splieth, dass deswegen Öffentlicher Gesundheitsdienst<br />

und Kinderkrippen unverzichtbar<br />

sind und am Ende des Tages<br />

mit Sicherheit »besser als die Unterbringung<br />

im Knast für 4000 € im Monat«.<br />

Schwierige Kinder schwieriger Eltern<br />

aus schwierigen Umständen werden<br />

mit zerstörten Milchbezahnungen<br />

vorstellig.<br />

Hier vermittelte der Referent mit<br />

schlüssigen Argumenten das Management<br />

dieses sozial modifizierten medizinischen<br />

Problems. Bei allem ethischen<br />

Anspruch verzichtete er nicht darauf,<br />

die profitable Umsetzbarkeit in der Praxis<br />

auszuleuchten.<br />

Professor Splieth appelliert immer<br />

an Eigenverantwortlichkeit und Mündigkeit<br />

der erziehungsberechtigten Eltern,<br />

die in der Pflicht stehen, die Gesundheitsfürsorge<br />

bei ihrem Nachwuchs<br />

durchzusetzen. »Dort, wo Eltern<br />

jahrelang keine Bürste hineinbekommen,<br />

kann niemand erwarten, dass der<br />

Zahnarzt in wenigen Minuten die Spritze,<br />

den Bohrer und die Zange hineinbekommt«.<br />

Solange das Kind keine spontanen<br />

Schmerzen oder Abszesse hat, führt der<br />

Weg auch nicht in den OP. Stattdessen<br />

werden die Eltern angeleitet, dem auf<br />

dem Schoß liegenden Kind die Zähne<br />

zu putzen. Dabei findet eine Desensibilisierung<br />

statt, und das Kind lernt, die<br />

Instrumente auch in dieser Position zu<br />

tolerieren. Zwei Wochen später erfolgt<br />

die Kontrolle mit Anfärbung. Dafür entrichten<br />

alle Eltern einen Obolus von 15,–<br />

€, weil Verantwortung auch eine wirtschaftliche<br />

Dimension hat. Ohne Plaque<br />

arretiert die Karies, das Dentin sklerosiert<br />

und wird dunkelbraun, die weichen<br />

Anteile werden abradiert. Sechs<br />

bis neun Monate später kann ohne subtraktive<br />

Maßnahme nach Schmelzätzung<br />

eine Restauration erfolgen.<br />

Prof. Splieth betonte, dass Karies<br />

ein Prozess ist, bei dem der Zahn mehr<br />

Mineralien verliert, als er aufnimmt.<br />

An diesem Ungleichgewicht ändert<br />

auch die Füllung nichts. Mit ihr startet<br />

lediglich der restaurative Zyklus,<br />

und »die Füllung ist deswegen keine<br />

Therapie, sondern Sterbehilfe für den<br />

Zahn.«<br />

Darum gilt es, den Prozess umzukehren.<br />

Ausschlaggebend ist die Unterscheidung<br />

zwischen aktiver und inaktiver<br />

Karies. Der braune Schmelzfleck ist<br />

ein Erfolg non-invasiver auf Remineralisation<br />

ausgerichteter Therapie.<br />

Karies ist keine Fluoridmangelerkrankung,<br />

die supplementiert werden<br />

kann, Fluoridtabletten sind obsolet.<br />

Häufig niedrig dosierte und lokal<br />

in der Mundhöhle applizierte Fluoride<br />

lautet die Zauberformel, wobei zuvor<br />

die Plaque entfernt werden muss.<br />

Antimikrobielle Substanzen einschließlich<br />

des Chlorhexidindiglukonats bieten<br />

keinen Schutz, weil sie gegen Laktobazillen<br />

unwirksam sind.<br />

Ein diätetischer Substratentzug<br />

für die kohlehydrat-fixierten »Mastschweinchen<br />

in der Plaque« ist unrealistisch,<br />

da unsere Kost durchweg kariogen<br />

ist.<br />

Auch Früh- und Risikotests nützen allenfalls<br />

dem Hersteller, denn prädiktiv<br />

zuverlässig ist nur der geschärfte Blick<br />

für die inititalen Krankheitszeichen.<br />

In der Fortbildung wurden ergänzende<br />

apparative Diagnostik-Verfahren<br />

angesprochen. Dabei wurde deutlich,<br />

dass das beste Gerät zur Kariesdiagnostik<br />

nach wie vor zwischen den<br />

Ohren des Zahnarztes respektive der<br />

Zahnärztin sitzt. Statt in »teure piepende<br />

und blinkende Geräte« zu investieren,<br />

lohnt sich eher die Anschaffung einer<br />

guten Lupenbrille.<br />

Es ist wissenschaftlich gesichert,<br />

dass »der Kliniker durch Einzelinspektion<br />

in der Lage ist, die Läsionstiefe und<br />

-aktivität in Fissuren abzuschätzen und<br />

eine angemessene Therapie zu definieren«<br />

(Ekstrand et. al. 1998).<br />

Zur Erkennung approximaler Läsionen<br />

sind Bissflügelaufnahmen der<br />

unersetzliche Goldstandard. Ein Screening<br />

auf die Erkrankung ist auch bei<br />

Abwesenheit klinischer Zeichen mit der<br />

Strahlenschutzverordnung vereinbar.<br />

In Deutschland werden gemessen an<br />

internationalen Standards zu wenige<br />

Bissflügelaufnahmen gemacht.<br />

Professor Splieth empfiehlt die ersten<br />

Baseline-Bissflügel spätestens beim<br />

Gegen aktuellen Trend brach Professor Splieth außerdem<br />

eine Lanze für das Amalgam<br />

TERMINE · FORTBILDUNG ●<br />

Teenager, um Risikopatienten frühzeitig<br />

zu erkennen. Die Aufnahmen sollten<br />

individuell risikobezogen wiederholt<br />

werden, wobei die Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />

der Läsionen zu berücksichtigen<br />

ist. Initiale Läsionen sollten<br />

niemals in der ersten Sitzung eröffnet<br />

werden, denn Karies kann stagnieren,<br />

und die biologischste Füllung ist die Remineralisation.<br />

Neben Professioneller Zahnreinigung<br />

in risikobezogenen Intervallen,<br />

Fluoriden und häuslicher Mundhygiene<br />

spielt inzwischen auch die Versiegelung<br />

initialer Approximal- Läsionen eine<br />

Rolle.<br />

Interessant waren die alternativen<br />

Techniken, die Professor Splieth neben<br />

dem bekannten und von intensiver<br />

Vermarktung flankierten Produkt<br />

Icon® praktisch vorstellte.<br />

Hier erschlossen sich dem geneigten<br />

Teilnehmer durchaus interessante<br />

Wege der Zahnkonservierung außerhalb<br />

des »Drill-Fill-Bill« – Rahmens von<br />

BEMA und GOZ.<br />

Seine Tipps machten Lust auf mehr.<br />

Bei Progression oder Kavitation<br />

empfiehlt der Referent den Griff zum<br />

Bohrer. Für das Belassen pulpanaher<br />

Anteile kariös veränderten und sogar<br />

erweichten Dentins gibt es inzwischen<br />

gute Evidenz. MTA (Mineral Trioxid Aggregat)<br />

oder medizinischer Portland-Zement<br />

sind die erforderlichen Unterfüllungen,<br />

Calciumhydroxid-Paste ist out.<br />

Die Dentintubuli von Bakterien befreien<br />

zu wollen, ist eine Utopie. Ziel ist es<br />

stattdessen, den »Schurken« das Substrat<br />

zu entziehen und sie nach bewährter<br />

Mafia-Manier einzuzementieren.<br />

Für Milchzähne empfiehlt Professor<br />

Splieth als Füllungswerkstoff ein Compomer<br />

sowie eine großzügige Indikationsstellung<br />

zur Pulpotomie unter Benutzung<br />

von MTA. Für die bleibende<br />

Bezahnung bewährt sich Komposit mit<br />

Schmelzätzung.<br />

Gegen aktuellen Trend brach Professor<br />

Splieth außerdem eine Lanze für<br />

das Amalgam. Die Silberionen wirken<br />

bakterizid, und der schwarze Auslöser<br />

vergangener Massenhysterien funktioniert<br />

auch dann, wenn die Umstände<br />

schlecht sind. Amalgam funktioniert<br />

ZKN MITTEILUNGEN 8 | 2013 · 455

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