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Nr. 34 (SS 13) - Neue Deutsche Burschenschaft

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ACADEMICUS<br />

Magazin der <strong>Neue</strong>n <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong><br />

Danziger B! Alemannia zu Aachen<br />

Rheno-Palatia Augsburg<br />

Berliner B! Obotritia<br />

Alemannia Bonn<br />

Frisia Darmstadt<br />

Rheno-Markomannia Darmstadt<br />

Rugia Darmstadt<br />

Bubenreuther Erlangen<br />

Franconia Freiburg<br />

Frankonia Gießen<br />

Brunsviga Göttingen<br />

Alt-Germania Hannover<br />

Hannoversche B! Teutonia<br />

Markomannia Kaiserslautern<br />

Karlsruher B! Arminia<br />

Tulla Karlsruhe<br />

Suevia Köln<br />

Roter Löwe Leipzig<br />

Alemannia Marburg<br />

Arminia Marburg<br />

Arminia Stuttgart<br />

Stuttgarter B! Ulmia<br />

Gesellschaft<br />

im Veränderungsstress<br />

Über Wandel, Perspektiven und<br />

gefallene Helden<br />

Tsunami!<br />

Allerdings nicht<br />

aus Wasser<br />

Staatsbürgerplattform<br />

Das <strong>Neue</strong>DB-Forum<br />

für gesellschaftliches<br />

Engagement<br />

Aus unseren Reihen<br />

Daniel Schreber:<br />

Turner, Arzt und<br />

Vorkämpfer<br />

<strong>34</strong>. Ausgabe | 17. Jahrgang<br />

Sommersemester 20<strong>13</strong>


Ver|än|der|ung, die<br />

·<br />

von ändern, ”<br />

anders machen” (mhd. endern)<br />

(Foto: Agência Brasil)<br />

„Wenn die Kirche nicht aus sich selbst herausgeht,<br />

um das Evangelium zu verkünden, kreist sie um sich<br />

selbst. Dann wird sie krank. Die Übel, die sich im<br />

Laufe der Zeit in den kirchlichen Institutionen entwickeln,<br />

haben ihre Wurzel in dieser Selbstbezogenheit.<br />

Es ist ein Geist des theologischen Narzissmus.“<br />

Papst Franziskus<br />

(Foto: Felix König)<br />

„Es ist nicht mehr so wichtig, ob wir Kolonien auf dem<br />

Mond bauen oder optische Speicher platten entwickeln<br />

oder das Genom kartographieren. Die Gestalt der<br />

Zukunft entscheidet sich an ganz anderen Fronten.<br />

Zum Beispiel in unserem Denken, unserer mentalen<br />

Ausstattung, unseren moralischen Haltungen.“<br />

Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher<br />

„Wir müssen Professoren und Studenten wieder etwas<br />

abverlangen. Wir müssen vor allem darauf achten,<br />

wieder Stürmer in und für diese Gesellschaft auszubilden<br />

und nicht allein Schiedsrichter. Wir haben unzählige<br />

Schiedsrichter in der Wohlstandsgesellschaft ausgebildet,<br />

die jedem, auch in der internationalen Welt, die<br />

Spielregeln erläutern, ohne selber spielen zu können.“<br />

Lothar Späth, Ministerpräsident a.D.<br />

„20 Jahre haben wir gebraucht, um den<br />

Ladenschluß zu reformieren. Die zentralen<br />

Herausforderungen unserer Zeit werden<br />

wir mit diesem Tempo ganz gewiß nicht<br />

bewältigen. Wer 100 Meter Anlauf nimmt,<br />

um dann zwei Meter weit zu springen, der<br />

braucht gar nicht anzutreten.“<br />

Roman Herzog, Bundespräsident a.D.<br />

(Foto: Euku) (Foto: Klaus Vyhnale)


Gru<strong>SS</strong>wort<br />

von<br />

Norbert Seid<br />

Markomannia Kaiserslautern (1967)<br />

Liebe Verbandsbrüder,<br />

die Ereignisse im burschenschaftlichen Verbandswesen<br />

überschlagen sich. Für manchen <strong>Burschenschaft</strong>er<br />

sicherlich beängstigend, wird doch eine<br />

Neuordnung erforderlich sein, deren Umrisse<br />

noch sehr verschwommen sind.<br />

Im Jahr 1996 war die Gründung eines reformierten<br />

Verbandes ohne das Aufgeben von Traditionen<br />

oder ein Verlassen des Wertekanons eine<br />

mutige und richtige Entscheidung. Diese Notwendigkeit<br />

früher erkannt zu haben als andere Bünde,<br />

wird uns mitunter als Verrat vorgeworfen. Ohne<br />

dem Zeitgeist frönen zu wollen, gilt dennoch die<br />

Lebensweisheit: Wer nicht mit der Zeit geht, geht<br />

mit der Zeit.<br />

Wir, die <strong>Neue</strong>DB, haben von Neubeginn an kontinuierlich<br />

Stärken entwickelt, auf die wir stolz<br />

sein können und die uns mehr und mehr ein eigenständiges<br />

Profil verleihen. Wenngleich schon<br />

in einem früheren Vorwort erwähnt, seien einige<br />

Ergebnisse dieses Gestaltungswillens nochmals<br />

umrissen: Als solche sind die <strong>Neue</strong>DB-Akademie<br />

zu nennen, die eine hohe Akzeptanz erreicht hat,<br />

oder der jährlich verliehene Heinrich-Luden-Preis<br />

für Studenten, die neben exzellenten studentischen<br />

Leistungen auch wahrnehmbar im Sinne<br />

des Gemeinwohls wirken. Weiterhin wurden Delegiertentage<br />

eingeführt, welche Jung und Alt in<br />

informeller Weise wohltuend zusammenbringen<br />

und immer neuen Gedanken Raum geben, die vielfach<br />

umgesetzt werden können. Wir haben eine<br />

Arbeitsgruppe Zukunft etabliert, von der immer<br />

wieder Denkanstöße für die Weiterentwicklung,<br />

für den Verband als Ganzes und auch für unsere<br />

Einzelbünde ausgehen.<br />

<strong>Neue</strong> Wege zu denken und zu gehen bedeutet<br />

Zukunftssicherung, bedeutet aber auch, öffentlich<br />

wahrgenommen zu werden. Die Gesellschaft<br />

ist einem rapiden Wandel unterworfen. Die vorliegende<br />

Ausgabe des academicus widmet sich<br />

Facetten dieses Wandels. Diese erzeugen Unsicherheiten<br />

auf allen Gesellschaftsebenen. Auch<br />

wir <strong>Burschenschaft</strong>er sind vielfach „Wutbürger“<br />

geworden, die jenseits von Parteiengeplänkel und<br />

staatspolitisch opportuner Zurückhaltung Lösungen<br />

zu heutigen staats- und gesellschaftspolitisch<br />

wichtigen Herausforderungen erwarten.<br />

Doch „erwarten“ ist zu wenig, jedenfalls für <strong>Burschenschaft</strong>er.<br />

Es gilt, mit anzupacken. So entstand<br />

im Frühjahr auf einer Vorstandsklausur das<br />

Vorhaben, innerhalb der <strong>Neue</strong>nDB verschiedene<br />

Plattformen zur Verfügung zu stellen, auf denen<br />

staatsbürgerliche und gesellschaftsrelevante Themenfelder<br />

vorangetrieben werden können. Alle<br />

Verbandsbrüder, denen ein staatsbürgerliches<br />

Thema wichtig genug erscheint, um gemeinsam<br />

mit anderen Verbandsbrüdern die Ärmel hochzukrempeln,<br />

können eine solche Plattform gründen.<br />

Sie können sich dort mit Gleichgesinnten austauschen<br />

und ihre Arbeit – die vielbeschworene „inhaltliche“<br />

Arbeit – in den Verband und weiter in<br />

die <strong>Burschenschaft</strong>liche Bewegung tragen. Der<br />

academicus bietet hierzu seine Unterstützung an<br />

– auf Seite 22 und 23 gibt es erste Einträge. Wir<br />

hoffen, der Funke springt über.<br />

Wir, die <strong>Neue</strong>DB-<strong>Burschenschaft</strong>er, bewegen etwas.<br />

Wir haben Visionen. Wir sind Demokraten<br />

und kämpfen für den Erhalt der Freiheit. Wir haben<br />

als solche auch den Mut und die Kompetenz,<br />

unsere Überzeugungen öffentlich zu vertreten<br />

und erheben den Anspruch, gehört zu werden.<br />

Mit burschenschaftlichen Grüßen<br />

Norbert Seid, Markomannia Kaiserslautern<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

3


Inhalt<br />

Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />

Gefallene Helden...............................8<br />

Superman & Co. in der Sinnkrise<br />

Deutschland in der<br />

Euro(pa)-Krise ....................................11<br />

Gesucht: das europäische „Jetzt-erst-recht“-Gefühl<br />

3 Gru<strong>SS</strong>wort<br />

von Norbert Seid, Markomannia Kaiserslautern<br />

6 Leserbriefe<br />

Spezial: Gesellschaft im<br />

Veränderungsstress<br />

8 Gefallene Helden –<br />

Superman vs. Zeitgeist<br />

von Bernd Preiß, Bubenreuther Erlangen<br />

11 Bekenntnis zu Europa<br />

von Gernot Schäfer, Frankonia Gießen<br />

14 Tsunami! Allerdings keiner aus Wasser<br />

von Jürgen Winter, Bubenreuther Erlangen<br />

17 Gesellschaftlicher Wandel und<br />

korporatives Miteinander, Teil 1<br />

von Gerhard Serges, TWV Schlaraffia Hagen<br />

20 Veränderungsstress anno 1815.<br />

Als die <strong>Deutsche</strong>n deutsch wurden<br />

von Bernd Preiß, Bubenreuther Erlangen<br />

Verbandsleben<br />

22 Plattform für staatsbürgerliches Engagement –<br />

Verbandsbrüder packen an!<br />

24 Meinungsduell: Braucht die <strong>Burschenschaft</strong><br />

einen geeinten Verband?<br />

Martin Haape, Rugia Darmstadt, vs.<br />

Sven-Patrick Schwarz, Franconia Freiburg<br />

26 Akademie: <strong>Neue</strong>s aus der Anstalt!<br />

von Jürgen Schlien, Arminia Karlsruhe<br />

academicus intern mit Informationen<br />

zu Burschentag, jüngsten<br />

Entwicklungen in der <strong>Burschenschaft</strong>,<br />

<strong>Neue</strong>DB-Reformen, Jubiläum<br />

2015, Veranstaltungen,<br />

Adressen und anderem mehr.<br />

32 SEPA kommt – Die „Single Euro Payments<br />

Area“ wirft ihren Schatten voraus<br />

4<br />

academicus 1/20<strong>13</strong>


Tsunami.........14<br />

Kommt die Senioren-Flut?<br />

Geschichte<br />

27 GfbG: <strong>Burschenschaft</strong>liche<br />

Geschichte ist unteilbar<br />

von Dr. Klaus Oldenhage,<br />

<strong>Burschenschaft</strong> der Norddeutschen<br />

und Niedersachsen Bonn<br />

29 Aus unseren Reihen: Daniel<br />

Schreber, Turner, Arzt und Vorkämpfer<br />

der Volksgesundheit<br />

von Arnulf Baumann, Bubenreuther<br />

Erlangen<br />

Vorschau<br />

Veränderungsstress<br />

anno 1815...................................20<br />

<strong>Burschenschaft</strong> auf der Suche nach der Zukunft<br />

Informationen<br />

33 <strong>Burschenschaft</strong>er<br />

treffen sich<br />

35 Mitgliedsbünde<br />

Spezial-Thema des nächsten<br />

academicus: Korporatives Miteinander<br />

Wohin treiben die Verbände? Ist der burschenschaftliche Einheitsgedanke am<br />

Ende? Brauchen wir neue Formen der interkorporativen Zusammenarbeit?<br />

Und wie soll der Umgang unter Bundes- und Verbandsbrüdern aussehen?<br />

Wir bitten Verbandsbrüder, die Interesse an einer Mitarbeit haben oder die<br />

Autoren (intern oder extern) benennen können, sich mit der Schriftleitung<br />

in Verbindung zu setzen.<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Burschenschaft</strong> e.V.,<br />

vertreten durch den Vorsitzenden des<br />

Vorstands, Dr.-Ing. Gerd Wauer, Hainbuchenweg<br />

10, 67661 Kaiserslautern.<br />

www.neuedb.de<br />

Redaktion<br />

Bernd Preiß (V.i.S.d.P.), Händelstr. 117,<br />

90571 Schwaig b. Nürnberg,<br />

academicus@neuedb.de<br />

Anzeigen<br />

Verantwortlicher siehe Redaktion.<br />

Anzeigenpreise auf Nachfrage.<br />

Verlag und Druck<br />

Der academicus erscheint im Selbstverlag. Druck:<br />

DruckArt, Viktor-Frankl-Str. 5, 86916 Kaufering<br />

Vorsitzende <strong>Burschenschaft</strong><br />

Alemannia Marburg, Hainweg 9,<br />

35037 Marburg<br />

Presseanfragen<br />

Johannes Lüschow, 0176/23864933,<br />

presse@neuedb.de<br />

Auflage<br />

4.500 Exemplare<br />

Einzelverkauf<br />

Preis inkl. Inlandsversandkosten: je Exemplar<br />

6 €; Jahresabonnement für Kalen derjahr 12 €<br />

(Verlängerung durch Überweisung bis spätestens<br />

31. Dezember des Vorjahres). Bestellun gen:<br />

vorzugsweise an stellv@neuedb.de, ersatzweise<br />

an <strong>Neue</strong>DB, Ringstr. 29, 91080 Marloffstein.<br />

Bankverbindung: Kto. 3950060, BLZ 50090500<br />

(Sparda-Bank Hessen), Verwendungszweck<br />

„academicus“.<br />

Beiträge<br />

Wir bitten alle Beiträge wenn möglich per<br />

E-Mail an die Redaktion zu senden. Folgende<br />

Angaben werden benötigt: Autorenname, Bund,<br />

Eintrittsjahr (nicht Semester!) sowie Auskunft,<br />

ob der Artikel im Internet veröffentlicht werden<br />

darf. Ein Anspruch auf Abdruck besteht nicht.<br />

Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.<br />

Gestaltung<br />

sturmtiefdesign München<br />

Titelillustration:<br />

Eduardo Palencia, Elias Osiander<br />

Der academicus erscheint halbjährlich und wird<br />

an alle Mitglieder der Mitgliedsvereinigungen<br />

der <strong>Neue</strong>n <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong> versandt.<br />

Namentlich gezeichnete Autorenbeiträge<br />

stimmen nicht unbedingt mit der Meinung<br />

des Herausgebers überein.<br />

Redaktionsschluss der Ausgabe für<br />

das Wintersemester 20<strong>13</strong> ist der<br />

30. September 20<strong>13</strong><br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

5


Leserbriefe<br />

Der Leser hat das Wort<br />

Zum Vaterlandsbegriff<br />

Zum Ende des „Heiligen Römischen Reiches<br />

<strong>Deutsche</strong>r Nation“ 1806 besaßen die <strong>Deutsche</strong>n<br />

keinen Staat, sie bildeten eine verstreute Kulturnation.<br />

Natürlich konnten sich die <strong>Deutsche</strong>n zunächst<br />

nur über Kultur, Sprache oder Geschichte<br />

definieren. Aber genau diesen Zustand – eben<br />

keinen Nationalstaat zu besitzen – zu ändern, war<br />

doch das zentrale Anliegen der <strong>Burschenschaft</strong>!<br />

Dieses Ziel wurde 1871 erreicht, allerdings in der<br />

„kleindeutschen“ Lösung, die die österreichischen<br />

von<br />

Werner Drewing<br />

Markomannia Kaiserslautern (1998)<br />

Bünde quasi aus dem Vaterland aussperrte. Hier<br />

liegt der Hund begraben! Hier nahm die Mär vom<br />

„volkstumsbezogenen“ Vaterland ihren Anfang<br />

und hier liegt der Ursprung der Probleme, die<br />

sich heute in der <strong>Burschenschaft</strong> entladen. Wir<br />

kranken an einem 140 Jahre alten Dilemma!<br />

Ich bin froh, dass die <strong>Neue</strong>DB eindeutige Standpunkte<br />

zum Thema Vaterland hat, und hoffe, dass<br />

sie sich nicht in rückwärtsgewandte Diskussionen<br />

hineinziehen lässt. Es ist genug gesagt!<br />

Zum Beitrag „Krise der<br />

<strong>Burschenschaft</strong> als Chance“<br />

Dr. Möller mahnt die <strong>Burschenschaft</strong>liche Bewegung,<br />

unter anderem die Notwendigkeit der Verbesserung<br />

des internationalen Austausches zu erkennen<br />

und die europäische Einigung proaktiv zu<br />

unterstützen. Die im Ausland lebenden <strong>Burschenschaft</strong>er<br />

sind prädestiniert für diese Aktivitäten. In<br />

diesem Zusammenhang kann das Jubiläum zum<br />

50. Jahrestag des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages<br />

Anstoß sein, vornehmlich zu<br />

unseren französischen Nachbarn noch in diesem<br />

Jahr Kontaktversuche aufzunehmen.<br />

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den<br />

Beschluss des Burschentages zu Weimar 1999:<br />

„Die Förderung der Völkerverständigung beinhaltet<br />

die Kontaktaufnahme mit den studentischen<br />

von<br />

Reiner Eckhardt<br />

Rheno-Markomannia<br />

Darmstadt (1964)<br />

Verbänden anderer europäischer Mitgliedsstaaten.<br />

Im Vordergrund steht der Aufbau und die<br />

Pflege internationaler Kontakte auf dieser Ebene<br />

mit dem Ziel, grundsätzliche und aktuelle Themen<br />

der Europapolitik zu diskutieren.“ Dieses Ziel ist<br />

wohl in Vergessenheit geraten!<br />

Sicherlich gibt es für Studierende neben dem Zeitbedarf<br />

für Auslandskontakte oftmals auch finanzielle<br />

Hindernisse. Es sei daran erinnert, dass die<br />

<strong>Neue</strong>DB im Jahre 2007 ihren Mitgliedern eine<br />

finanzielle Unterstützung zu den Fahrtkosten bei<br />

der Kontaktaufnahme zu europäischen Studentenverbindungen<br />

zugesagt hat; bisher wurden<br />

keine Fördermittel abgerufen.<br />

Zur Ausgabe<br />

Wintersemester 2012/<strong>13</strong><br />

Dem Team sowie den Verfassern der Ausgabe<br />

möchte ich ein ganz großes Lob aussprechen. Meines<br />

Erachtens ist diese Ausgabe die beste aller<br />

<strong>Burschenschaft</strong>lichen Blätter und des academicus,<br />

die ich bisher als <strong>Burschenschaft</strong>er seit 1959 gelesen<br />

habe. Insbesondere das Thema „Freiheit“ in<br />

von<br />

Walther Klages<br />

AH der Hannoverschen <strong>Burschenschaft</strong><br />

Teutonia (1958)<br />

vielen Facetten hat mir nicht nur gefallen, sondern<br />

auch neue Aspekte vermittelt. Weiter so! Eventuell<br />

ist es generell lohnend, möglichst oft breit Themen<br />

anzusprechen, die nicht nur für <strong>Burschenschaft</strong>er<br />

interessant sind, sondern auch große allgemeine<br />

gesellschaftliche Relevanz haben.<br />

6<br />

academicus 1/20<strong>13</strong>


Zum Vaterlandsbegriff<br />

Gerne habe ich dem Beitrag von Michael Hacker<br />

und Arnulf Baumann in der letzten Ausgabe des<br />

academicus entnommen, dass bezüglich des Vaterlandsbegriffes<br />

die Differenzen zwischen der<br />

DB und der <strong>Neue</strong>nDB „gar nicht so bedeutend<br />

sind“. Die in Art. 4 der Grundwerte der <strong>Neue</strong>n-<br />

DB erwähnten Grenzen der Bundesrepublik<br />

Deutschland schließen das „volkstumsbezogene<br />

Bekenntnisprinzip“ danach nicht aus: „Das verantwortliche<br />

Streben der <strong>Neue</strong>n <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong><br />

schließt jene <strong>Deutsche</strong>n mit ein, die<br />

ihre Heimat außerhalb dieser Grenzen haben“.<br />

Wenn <strong>Burschenschaft</strong>en der <strong>Neue</strong>nDB „problemlos“<br />

deutschsprechende Ausländer aufnehmen<br />

(streng genommen gegen Art. 4 (2) ihrer<br />

Grundsätze), die sich zur deutschen Kultur bekennen,<br />

so unterscheidet sich das nicht von der<br />

Aufnahmepraxis anderer <strong>Burschenschaft</strong>en innerhalb<br />

und zunehmend außerhalb der DB. Die<br />

derzeit noch gültige Satzung der DB bekennt sich<br />

nicht zu einem auf die Bundesrepublik Deutschland<br />

beschränkten, sondern zu einem weitergefassten<br />

volksbezogenen Vaterlandsbegriff, d. h.<br />

„zum deutschen Vaterland als der geistig-kulturellen<br />

Heimat des deutschen Volkes“.<br />

Dabei bezieht sich „Volk“ selbstverständlich<br />

nicht auf rassische Gemeinsamkeiten (wie in<br />

von<br />

Prof. Dr. Peter Kaupp<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Arminia auf dem<br />

Burgkeller Jena<br />

der nationalsozialistischen Ideologie), sondern<br />

auf „die Gemeinschaft, die durch gleiches geschichtliches<br />

Schicksal, gleiche Kultur, verwandtes<br />

Brauchtum und gleiche Sprache verbunden<br />

ist“ (Verfassung Art. 9). „Vaterland“ beinhaltet<br />

so gesehen selbstverständlich auch keinerlei<br />

Ansprüche auf Territorien, in denen <strong>Deutsche</strong><br />

leben, wie uns von Unkundigen gerne unterstellt<br />

wird. Vaterland ist eine Frage des Bekenntnisses,<br />

nicht der Staatsangehörigkeit. Wenn einige<br />

rechtskonservative <strong>Burschenschaft</strong>en in der<br />

geschrumpften DB die Mitgliedschaft von deutscher<br />

Abstammung abhängig machen wollen,<br />

so ist das ein Verstoß gegen die Satzung der DB,<br />

in der davon nichts steht.<br />

Es gibt gute Gründe, die DB zu verlassen, der<br />

volkstumsbezogene Vaterlandsbegriff gehört<br />

jedoch meiner Meinung nach nicht dazu. Auf<br />

die angesichts der erwähnten Gemeinsamkeiten<br />

meines Erachtens unglückliche und sperrige<br />

Fixierung des Vaterlandes auf die politischen<br />

Grenzen der Bundesrepublik Deutschland (und<br />

damit auf die Staatsangehörigkeit) in Art 3 (2)<br />

der Grundwerte, kann man meines Erachtens<br />

verzichten. Mit gutem Willen auf allen Seiten<br />

halte ich eine Neuformulierung des Vaterlandsbegriffes<br />

durchaus für möglich.<br />

Wir legen Wert auf Ihre Meinung. Ihre Zuschriften sollten sich auf diese Ausgabe des academicus<br />

beziehen und möglichst kurz sein. Unter Umständen müssen wir kürzen, um eine Veröffentlichung<br />

zu ermöglichen. Leserbriefe sind keine redaktionellen Meinungsäußerungen. Senden Sie<br />

uns Ihren Leserbrief per E-Mail an academicus@neuedb.de oder per Post an den Schriftleiter<br />

(Angaben siehe Impressum).<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

7


Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />

von<br />

Bernd Prei<strong>SS</strong><br />

Bubenreuther Erlangen (1992)<br />

Gefallene Helden<br />

Superman vs. Zeitgeist<br />

Selbst Superhelden leiden unter dem gesellschaftlichen Wandel. Früher durften Superman, Batman und all die anderen<br />

unbekümmert durch die Heftseiten ihrer Comic-Ausgaben toben. Ihrer Mission, ihrer Kräfte und am Ende des<br />

Beifalls der erretteten Nation waren sie gewiss. Heute hingegen nagen Selbstzweifel, Sinnkrisen und innere Konflikte<br />

an den Helden. Sie erfahren Unverständnis und Ächtung durch die Gesellschaft. Der Werdegang der Superhelden<br />

spiegelt den Zeitgeist wider – und ist für uns <strong>Burschenschaft</strong>er eine Einladung, zwischen den Zeilen zu lesen.<br />

Der Politische: Superman<br />

Der „Ur-Superheld“ ist zweifellos Superman. Er wurde in den<br />

1930er Jahren von zwei Studenten entwickelt. Namenspate<br />

war übrigens kein geringerer als Friedrich Nietzsche, dessen<br />

„Übermensch“, in der Übersetzung „Super-Man“, in den<br />

Vereinigten Staaten zu jener Zeit ein geflügeltes Wort war.<br />

Superman ist zum Spiegelbild des politischen Zeitgeistes geworden.<br />

Zu Beginn der 1940er Jahre und insbesondere nach<br />

dem Kriegseintritt der USA avancierte er zum patriotischen<br />

Beschützer Amerikas. Den Soldaten in den Schützengräben<br />

war es recht – die verschiedenen Comic-Serien waren die<br />

am häufigsten gelesenen Periodika der G.I.s.<br />

Die Nationalsozialisten waren nicht nur deshalb schlecht<br />

auf Superman zu sprechen. Jerome Siegel, einer der beiden<br />

Erfinder, hatte jüdische Wurzeln und engagierte sich gegen<br />

Nazi-Deutschland. Als Superman Hitler entführte und vor<br />

das Gericht des Völkerbundes zerrte, war das Maß voll:<br />

Siegel wurde zum Staatsfeind erklärt, Superman selbst, obgleich<br />

aus morphologischer Sicht ein flugfähiger Vorzeigearier,<br />

von Goebbels als „Jude“ bezeichnet.<br />

„<br />

Wohin ist die alte<br />

Super helden-<br />

Herrlichkeit<br />

ver schwun den?“<br />

8<br />

academicus 1/20<strong>13</strong>


Antikommunistische Abwehrkräfte<br />

Nach dem Krieg war vor dem Krieg und so stärkte Superman<br />

in den 1950er Jahren die antikommunistischen Abwehrkräfte<br />

seines Landes durch den Einsatz für Wahrheit,<br />

Gerechtigkeit und amerikanische Lebensart. Erst in den<br />

1980er Jahren wurde er zum Beschützer der ganzen Welt.<br />

Allerdings: Seinen US-amerikanischen Stallgeruch wurde<br />

und wird er nicht los. 2011 erklärt er in einer Folge: „Ich<br />

bin es leid, dass meine Taten immer als Instrument der US-<br />

Politik ausgelegt werden“ und bietet an, die amerikanische<br />

Staatsbürgerschaft abzulegen. Dieser durchaus selbstlose<br />

Schritt rief in der Heimat einen Sturm der Entrüstung hervor:<br />

„Wenn Superman nicht an Amerika glaubt, dann glaubt<br />

er an gar nichts“, heißt es in einem konservativen Blog. Der<br />

Verlag dementierte umgehend Auswanderungsabsichten<br />

und betonte die Verwurzelung des einstigen Bauernjungen<br />

aus Smallville/Kansas mit seinem Vaterland.<br />

Superman mag Superkräfte haben, aber letzten<br />

Endes ist er nur so stark wie die Menschen, die<br />

ihn zeichnen. Und die sind den Gesetzen des politischen<br />

Zeitgeistes unterworfen. Der Tummelplatz<br />

Supermans ist heute die sich globalisierende<br />

Menschheit, aber dort ist er Amerikaner.<br />

Andererseits – was ist falsch daran,<br />

zumindest grundsätzlich?<br />

Der Menschliche:<br />

Spiderman<br />

Während Superman als amerikanischer Held sein Debüt feiern<br />

durfte, wurde Spiderman bei seinem Start im Jahr 1962<br />

durch die Hölle der Gewissensbisse geschickt: Gleichgültig<br />

beobachtet Peter Parker alias Spiderman einen Dieb und<br />

lässt ihn gewähren. Kurz darauf wird sein Onkel und Ziehvater<br />

erschossen – durch eben jenen Dieb. Spiderman erinnert<br />

sich an eine Lebensweisheit des Verstorbenen: „Aus<br />

großer Kraft folgt große Verantwortung“. Fortan widmet er<br />

sich der Verbrecherjagd.<br />

Perfektion nicht mehr gefragt<br />

Doch in den 1960er Jahren waren perfekte Heroen unglaubwürdig,<br />

gefragt waren persönliche Konflikte, eine<br />

Charakterentwicklung und menschliche Probleme. Den<br />

Schöpfern von Spiderman gelang es, ihren Protagonisten<br />

überaus menschlich zu zeichnen: Seine nächtlichen Jagden<br />

machen Peter Parker am nächsten Tag Studium und<br />

Job zur Hölle. Immer wieder wird er gefeuert, ständig hat<br />

er Geldsorgen. Während er sein zerschrammtes Cape<br />

George W. Bushs<br />

Außenpolitik:<br />

Superman ist den<br />

Verdacht leid, von<br />

dieser instrumentalisiert<br />

zu werden.<br />

(Foto: US-Verteidigungsministerium)<br />

„<br />

Superman ist<br />

zum Spiegelbild<br />

des politischen<br />

Zeitgeistes<br />

geworden.”<br />

zusammenflickt, zweifelt er<br />

an seiner Mission. Er ist nicht<br />

umjubelt wie einst Superman,<br />

sondern im Gegenteil: Die<br />

Gesellschaft begegnet ihm<br />

mit Unverständnis und Misstrauen.<br />

Schließlich verliert er<br />

vorübergehend seine Superkräfte<br />

durch eine psychische<br />

Blockade, nachdem er sich<br />

gezwungen sah, seine große Liebe Mary Jane zurückzuweisen<br />

– Superhelden sind nachts unterwegs und tags zu<br />

müde für die Liebe.<br />

Konzept mit Zukunft?<br />

Mit solchen Verbündeten<br />

ist der Sieg nur noch<br />

Formsache! Superhelden<br />

scheinen sich in den 1940er<br />

Jahren auf einen Münchhausen-Ritt<br />

vorzubereiten.<br />

Das Spiderman-Konzept überlebte die gesellschaftlichen<br />

Veränderungen. Soziale Themen der 1970er Jahre und<br />

einen Boom kaputter Anti-Helden in den 1980er Jahren<br />

meisterte der menschliche Held weit besser als Superman.<br />

Dieser musste 1986 und noch einmal 1992 sterben, weil er<br />

zum Ladenhüter geworden war. Allerdings gelang jeweils<br />

eine Wiederauferstehung, nicht zuletzt weil in den 1990er<br />

Jahren eine Renaissance des „klassischen“ Helden für Aufwind<br />

unter Supermans Cape sorgte. Spiderman entwickelte<br />

sich unterdessen prächtig: Eine dreiteilige Kinoverfilmung<br />

bescherte den Produzenten schließlich in den 2000er Jahren<br />

einen Milliarden-Umsatz.<br />

Das Konzept des menschelnden Helden beschreibt einen<br />

gefallenen, unverstandenen, von Sinnkrisen geschüttelten,<br />

aber auch verantwortungsbewussten Helden. Es scheint<br />

Zukunft zu haben.<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

9


10<br />

Der Verletzte: Batman<br />

Batman, Jahrgang 1939, bildete mit Superman über Jahrzehnte<br />

hinweg ein populäres Gespann. Der Fledermausmann<br />

ist streng genommen kein Superheld, sondern ein<br />

Mensch, dessen besonderen Fähigkeiten auf Intelligenz und<br />

eisernem Training beruhen. Überdies lässt sich der Milliardär<br />

im hauseigenen Technikkonzern Hightech-Gerätschaften<br />

zusammenbauen, die James Bond vermutlich auch gerne<br />

gehabt hätte.<br />

Batman hatte einiges zu erdulden. Die ersten Angriffe<br />

kamen aus der realen Welt: 1954 veröffentlichte der amerikanische<br />

Psychologe Frederic Wertham das Buch „Die<br />

Verführung der Unschuldigen“. Comics förderten Kriminalität<br />

und Analphabetentum, so seine These, und verleiteten<br />

Kinder möglicher weise dazu, mit Flugwunsch aus<br />

den Fenstern zu<br />

„<br />

Mit welchen<br />

Mitteln darf ein<br />

rechtsstaatliches<br />

System verteidigt<br />

werden?”<br />

Verbitterter Mittfünfziger<br />

springen. Batman<br />

unterstellte<br />

er ein<br />

homosexuelles<br />

Verhältnis mit<br />

seinem Zögling<br />

und Waffengefährten<br />

Robin.<br />

Auch die Abenteuer Batmans bekamen mit dem Zeitgeist<br />

einen düsteren Unterton. Sozialkritische Elemente<br />

hielten Einzug, der Held bekam es mit Armut, Elend und<br />

radikalen Feministinnen zu tun. In einer Verfilmung von<br />

1986 entwickelte er sich zum verbitterten Mittfünfziger,<br />

der nach langjähriger Pause wieder Ganoven verprügeln<br />

durfte und sich anschließend besser und jünger<br />

fühlte. Batman folgte damals dem Trend zum Anti-Helden.<br />

1992 wurde ihm von einem Gegner das Rückgrat<br />

gebrochen, eine lange Zeit im Rollstuhl war die Folge.<br />

Doch damals kam auch die Wende: Der Verlag ließ die<br />

Leser abstimmen, ob sie den neuen, brutalen Batman<br />

beibehalten oder den klassischen Helden wiederhaben<br />

wollten. Eine überwältigende Mehrheit stimmte für den<br />

alten Batman.<br />

Dessen Comeback war nachhaltig. In den 2000er Jahren<br />

kamen von der Kritik hochgelobte Batman-Filme mit Starbesetzung<br />

in die Kinos. Der Oscar-prämierte Streifen „The<br />

Dark Knight“ (2008) war laut Lexikon des Internationalen<br />

Films ein Werk, das zwischen „Actionszenen und emotionalem<br />

Drama darum kreist, mit welchen Mitteln ein<br />

rechtsstaatliches System verteidigt werden darf“.<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

„<br />

Noch<br />

Ähnlich wie bei Spiderman geht es also um Verantwortung<br />

gegenüber dem Staat, der Gesellschaft und den Menschen<br />

– und um die Widersprüche, die sich aus dieser Verantwortung<br />

ergeben. Und es geht um die Frage, wie man sich selbst<br />

aus dem Sumpf der eigenen inneren und äußeren Verletzlichkeit<br />

zieht, um dieser Verantwortung gerecht zu werden.<br />

Ein neues Heldentum<br />

Die Zeiten haben sich gewandelt – wohin ist die alte Superhelden-Herrlichkeit<br />

verschwunden? Wir sehen gefallene Helden,<br />

vom Sockel gestürzt durch den Zeitgeist. Ratlos stehen<br />

sie vor Unverständnis und Ablehnung durch die Gesellschaft.<br />

Noch immer kämpfen sie gegen Bösewichte, aber<br />

deren Überwindung ist Beiwerk geworden. In Wahrheit<br />

geht es um Selbstüberwindung. Dabei helfen weder Röntgenblick<br />

noch Riesenkräfte. Gefragt sind Charakterstärke,<br />

Durchhaltewillen und Verantwortungsbewusstsein. Ein neues<br />

Heldentum ist entstanden – eines, das die Superhelden<br />

nicht exklusiv haben, sondern nur vorleben.<br />

In den 60er<br />

und 70er Jahren<br />

war Flower<br />

statt Power<br />

angesagt.<br />

Supermänner<br />

waren out.<br />

immer kämpfen sie<br />

gegen Bösewichte, aber<br />

deren Überwin dung ist<br />

Beiwerk geworden.”<br />

Hitler nach<br />

Amerika entführt!<br />

Goebbels fand das<br />

nicht komisch und<br />

nannte Superman<br />

einen Juden.<br />

(Foto: <strong>Deutsche</strong>s<br />

Bundesarchiv)


Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />

Bekenntnis zu Europa<br />

auch in schwierigen Zeiten<br />

Europa-Seminar der <strong>Neue</strong>nDB in Gie<strong>SS</strong>en<br />

von<br />

Gernot Schäfer<br />

Frankonia Gießen (1962)<br />

„Deutschland in der Euro(pa)-Krise – mit dem Blick zurück nach vorne?“ lautete der provozierende Titel eines<br />

Seminars, das die Gießener <strong>Burschenschaft</strong> Frankonia im Auftrag der <strong>Neue</strong>nDB und der <strong>Neue</strong>nDB-Akademie zu<br />

Beginn des Sommersemesters 20<strong>13</strong> auf dem Frankenhaus in Gießen veranstaltete. Im Mittelpunkt der ganztägigen<br />

Veranstaltung stand ein Symposium mit Experten aus Politik und<br />

Wirtschaft, die die europäische Ebene sowie die deutsche und die<br />

griechische Perspektive repräsentierten. Erwartet wurden Antworten<br />

auf die Frage, ob, wenn der Euro auseinanderbricht, auch Europa<br />

auseinanderbrechen sollte.<br />

„<br />

Es darf kein Zurück<br />

in der europäischen<br />

Entwicklung geben!”<br />

„<br />

Deutschland<br />

Frühe Euro-Einführung<br />

Dr. Wolf Klinz (Brüssel), deutscher<br />

Europa-Abgeordneter der Liberalen<br />

und Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft<br />

und Währung des Europaparlaments,<br />

erinnerte zunächst daran, dass<br />

die Einführung des Euro eine politische<br />

Entscheidung war. Sie sollte mit der<br />

Einrichtung der Europäischen Zentralbank<br />

(EZB) den beteiligten Staaten eine<br />

gleichberechtigte Mitsprache an Währungsentscheidungen<br />

im Euroraum ermöglichen.<br />

Dieser war bis dahin von der<br />

hat schon<br />

früh gegen die selbstge setzten<br />

Stabilitäts kriterien verstoßen.”<br />

<strong>Deutsche</strong>n Bundesbank dominiert, die<br />

faktisch die Funktion einer europäischen<br />

Zentralbank hatte. Während ursprünglich<br />

die Einführung der gemeinsamen<br />

Währung als krönender Abschluss des<br />

europäischen Einigungsprozesses vorgesehen<br />

war, wurde die Einführung des<br />

Euro jedoch vorgezogen, um einen Anreiz<br />

zur politischen Einigung Europas zu<br />

schaffen. Diese Erwartung habe sich allerdings<br />

nicht erfüllt, sondern stattdessen<br />

zu der Währungskrise geführt, mit<br />

der wir heute zu kämpfen haben.<br />

Die Gründe dafür sah Dr. Klinz zum<br />

einen darin, dass einige Staaten – darunter<br />

auch Deutschland und Frankreich<br />

– schon früh gegen die selbstgesetzten<br />

Stabilitätskriterien verstoßen<br />

hatten, ohne dass dies geahndet wurde.<br />

Zum anderen nannte er die großen<br />

Unterschiede in der wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit und eine Fehlentwicklung<br />

der Zinsen auf Staatsanleihen<br />

der einzelnen Euro-Länder.<br />

Dies habe vor allem in den ärmeren<br />

Ländern zu einer Überschuldung<br />

geführt, gegen die<br />

die EU jetzt mit einem<br />

Bündel von Maßnahmen<br />

mit zumeist drastischen<br />

Folgen für die<br />

Bevölkerung vorgehe. Obwohl<br />

der Erfolg ungewiss<br />

sei, komme ein Herausbrechen einzelner<br />

Staaten aus der Eurozone oder<br />

deren Auflösung nicht in Frage, weil<br />

dies noch weit schlimmere finanzielle<br />

Folgen nach sich ziehe. Deshalb seien<br />

Lösungen nur über geldpolitische<br />

Maßnahmen der EZB denkbar, auch<br />

wenn dies die Inflationsrate erhöhen<br />

könne, sowie über die Schaffung einer<br />

„Transfer-Union“, bei der jedoch die<br />

Ausgabenpolitik der Nehmerländer<br />

streng überwacht werden müsse.<br />

Guter erster Schritt<br />

Georgios Panagiotidis (Athen), Sekretär<br />

des „Hellenic Institute for Financial Management“,<br />

verdeutlichte anhand statistischer<br />

Zahlen die Unterschiede in der<br />

Wirtschaftskraft der einzelnen Euro-<br />

Länder.<br />

Der Parthenon auf der Athener<br />

Akropolis – Sinnbild für den Zerfall<br />

der europäischen Einheit?<br />

(Foto: Thermos)<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

11


„<br />

Voraussetzungen<br />

12<br />

So liege die Staatsverschuldung in<br />

Deutschland derzeit bei rund 80 Prozent<br />

des Bruttoinlandsprodukts, während<br />

sie in Griechenland bis auf nahezu<br />

200 Prozent angewachsen sei. Ziel sei<br />

jetzt die Rückführung auf höchstens<br />

120 Prozent bis zum Jahre 2020. In<br />

Griechenland sei in der Vergangenheit<br />

zu viel konsumiert und zu wenig investiert<br />

worden, da durch den Euro Kredite<br />

zu günstig zu haben gewesen seien.<br />

Der Rückgang der Produktivität habe zu<br />

einer überproportionalen Verschuldung<br />

der privaten Haushalte und zur höchsten<br />

Arbeitslosenquote in der Eurozone<br />

geführt. Für die Überwindung der Schuldenkrise<br />

nannte Panagiotidis als wichtige<br />

politische Voraussetzungen die<br />

Wiederherstellung von Vertrauen, die<br />

Auffrischung der „europäischen Vision“<br />

und klare Signale für die Bereitschaft<br />

zur Umsetzung dieser Idee. Die Vereinbarungen<br />

zur Stabilisierung der griechischen<br />

Wirtschaft seien ein guter erster<br />

Schritt, aber es gebe auch viele Diskussionen,<br />

die nicht zielführend seien.<br />

für<br />

die Überwindung der<br />

Krise sind Vertrauen<br />

und die Auffrischung der<br />

,europäischen Vision’.”<br />

Ausscheiden teurer<br />

als bleiben<br />

Auch Jörg Chmielewski (<strong>Burschenschaft</strong><br />

Frankonia Gießen und Saxo-<br />

Silesia Freiburg), Finanzmanager bei<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Bank in Berlin, sprach<br />

sich gegen eine Verkleinerung oder Auflösung<br />

der Eurozone aus. Ein Ausscheiden<br />

Griechenlands würde Deutschland<br />

teuer zu stehen kommen. Ein Ausstieg<br />

der starken Länder aus dem Euro<br />

habe ebenfalls weit mehr Nachteile<br />

und finanzielle Risiken als ein Verbleib.<br />

Chmielewski sprach sich stattdessen<br />

für den Weg der Transferleistungen aus<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

und verwies auf<br />

Beispiele aus<br />

der deutschen<br />

Geschichte. Bei<br />

der Wiedervereinigung Deutschlands<br />

habe sich dieses System – trotz aller<br />

Mängel vor allem in der Anfangszeit –<br />

insgesamt bis heute bewährt und könne<br />

durchaus auf die europäische Ebene<br />

übertragen werden. Auch er verwies<br />

darauf, dass Vertrauen eine unabdingbare<br />

Voraussetzung für das Funktionieren<br />

einer Transfer-Union ist.<br />

Widersprüchliche<br />

Lösungsvorschläge<br />

„<br />

Ein Ausscheiden Griechenlands<br />

käme Deutschland teuer zu stehen.”<br />

Zweifel an der hinreichenden Vertrauensbasis<br />

äußerte der Moderator,<br />

Oberstudiendirektor a.D. Eckhard Immig<br />

(Friedberg), bei der Eröffnung der<br />

anschließenden Diskussion. So seien<br />

die Menschen angesichts der Vielzahl<br />

unterschiedlicher und sich teilweise<br />

widersprechender Lösungsvorschläge<br />

verunsichert und hätten das<br />

Vertrauen in die Politik verloren.<br />

In Griechenland habe dies zur<br />

Stärkung rechts- und linksradikaler<br />

Strömungen und zu Abwanderungsbewegungen<br />

der Elite<br />

geführt. Demgegenüber verwies<br />

Dr. Klinz darauf, dass trotz aller<br />

Kritik an Belastungen und Kreditvergaben<br />

an ärmere Länder die Bevölkerung<br />

nach aktuellen Umfragen mit über 70<br />

Prozent Zustimmung im Grundsatz zu<br />

Europa als unserer Zukunft steht. In<br />

Griechenland gebe es erste Anzeichen<br />

einer positiven Wirtschaftsentwicklung,<br />

so dass es hoffentlich zu keiner<br />

weiteren Radikalisierung komme. Am<br />

Beispiel Lettland, das in einer vergleichbaren<br />

Situation ähnlich radikale<br />

Einschnitte wie Griechenland vorgenommen<br />

habe, machte er deutlich,<br />

dass dieser Weg durchaus gelingen<br />

kann. Panagiotidis verwies auf die teilweise<br />

unfaire und überspitzte Darstellung<br />

der Situation in der Presse, sowohl<br />

in Griechenland als auch in Deutschland,<br />

die das politische Handeln erschwere.<br />

Er forderte eine Stärkung der<br />

europäischen Institutionen zu Lasten<br />

der nationalen Zuständigkeiten, um<br />

bei fiskalpolitischen Entscheidungen<br />

mehr Transparenz herzustellen.<br />

Kein Zurück<br />

Alle Diskussionsredner waren sich einig:<br />

Es darf kein Zurück in der europäischen<br />

Entwicklung geben! Vielmehr müsse<br />

und könne die Vereinigung Europas zu<br />

einem guten Ende geführt werden. Dies<br />

schließe sowohl die Beibehaltung des<br />

Euro als auch die Fortsetzung der Hilfsmaßnahmen<br />

für ärmere Länder ein.<br />

Jeder sei aufgerufen, verstärkt für die<br />

europäische Idee zu werben.<br />

Am Vormittag hatten sich die Seminarteilnehmer<br />

bereits in Arbeitsgruppen<br />

mit historischen, politischen und<br />

wirtschaftlichen Teilaspekten des Seminarthemas<br />

auseinandergesetzt. An<br />

das Symposium mit der Expertenrunde<br />

schloss sich eine weitere interne Arbeitsphase<br />

an, in der die anwesenden<br />

Vertreter der Verbandsburschenschaften<br />

Vorschläge für ein Positionspapier<br />

zum Thema <strong>Burschenschaft</strong> und Europa<br />

zusammentrugen.<br />

Die Europäische Zentralbank (EZB)<br />

in Frankfurt/Main soll den Staaten<br />

eine gleichberechtigte Mitsprache an<br />

Währungsentscheidungen ermöglichen.<br />

(Foto: Jess47200)


Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />

Redner:<br />

Dr. Wolf Klinz, geboren<br />

1941 in Wien, ist<br />

Mitglied des Europäischen<br />

Parlamentes<br />

(EP) und dort Wirtschaftspolitischer<br />

Sprecher der FDP.<br />

Er gehört der Allianz der Liberalen<br />

und Demokraten für Europa (ALDE)<br />

an. Zuvor war er unter anderem Vorstandsmitglied<br />

der Treuhandanstalt<br />

Berlin. Dr. Klinz studierte Betriebswirtschaftslehre<br />

in Paris, Wien, Madrid,<br />

Berlin und Fontainebleau (Diplom-<br />

Kaufmann und MBA).<br />

Jörg Chmielewski,<br />

Jahrgang 1963, ist<br />

Vizepräsident an der<br />

Corporate and Investment<br />

Bank, Abteilung<br />

Finance Germany,<br />

der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bank AG, Berlin. Er ist Mitglied des<br />

Beirats luventa Finance GmbH, Berlin.<br />

Zuvor war Chmielewski unter<br />

anderem Aufsichtsratsmitglied der<br />

BioRegio Halle-Leipzig Management-GmbH,<br />

Halle. Er studierte in<br />

Gießen und Freiburg und besitzt<br />

einen Abschluss als Diplomkaufmann,<br />

Schwerpunkte Finanzierung<br />

und Marketing.<br />

Danziger B! Alemannia zu Aachen<br />

Rheno-Palatia Augsburg<br />

Berliner B! Obotritia<br />

Alemannia Bonn<br />

Frisia Darmstadt<br />

Rheno-Markomannia Darmstadt<br />

Rugia Darmstadt<br />

Bubenreuther Erlangen<br />

Franconia Freiburg<br />

Frankonia Gießen<br />

Brunsviga Göttingen<br />

Alt-Germania Hannover<br />

Hannoversche B! Teutonia<br />

Markomannia Kaiserslautern<br />

Karlsruher B! Arminia<br />

Tulla Karlsruhe<br />

Suevia Köln<br />

Roter Löwe Leipzig<br />

Alemannia Marburg<br />

Arminia Marburg<br />

Arminia Stuttgart<br />

Stuttgarter B! Ulmia<br />

<strong>Burschenschaft</strong> in Europa –<br />

Ergebnisse des Europaseminars<br />

„Freiheit, Ehre, Vaterland“ – <strong>Burschenschaft</strong>er im<br />

Europa des 21. Jahrhunderts<br />

Diskussionsbeitrag zu einer burschenschaftlichen Standortbestimmung, erstellt auf dem<br />

Europa-Seminar von <strong>Neue</strong>DB, <strong>Neue</strong>DB-Akademie und Gießener <strong>Burschenschaft</strong> Frankonia<br />

am 20. April 20<strong>13</strong> in Gießen.<br />

Wir <strong>Burschenschaft</strong>er sind geeint durch unseren Wahlspruch „Freiheit, Ehre, Vaterland“.<br />

Wir <strong>Burschenschaft</strong>er sehen in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts schwerste Irrungen<br />

und Verfehlungen, doch wir sehen auch die Umsetzung der Ideale unseres Wahlspruchs in einem<br />

demokratischen und rechtsstaatlichen Deutschland, zunächst in einem Teil unseres Vaterlandes,<br />

schließlich in ganz Deutschland.<br />

Wir <strong>Burschenschaft</strong>er begreifen das Zusammenwachsen Europas als Herausforderung, die<br />

zeitlosen Ideale unseres Wahlspruchs in die Diskussion um die in Europa liegende Zukunft<br />

Deutschlands einzubringen.<br />

Wir <strong>Burschenschaft</strong>er wollen uns deshalb im europäischen Rahmen – jeder mit den ihm zur<br />

Verfügung stehenden Mitteln, in Bünden und Verband, in Umfeld und Beruf sowie in unserem<br />

Gemeinwesen als Bürger – für die Ideale unseres Wahlspruchs einsetzen. In diesem Sinne<br />

bekennen wir uns auf folgende Weise zu „Freiheit, Ehre, Vaterland“:<br />

Freiheit:<br />

- Wir respektieren und verteidigen die Freiheit der anderen.<br />

- Wir praktizieren Toleranz gegenüber anderen Werten.<br />

- Wir verteidigen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.<br />

- Wir treten ein für die Freizügigkeit der einzelnen EU-Bürger im Sinne der vier Grundfreiheiten.<br />

- Wir fordern und fördern die Bewahrung der Eigenständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten.<br />

- Wir setzen uns ein für die Wahrung der Freiheit Europas in der Welt.<br />

Ehre:<br />

- Wir stehen ein für die Wahrung der Universalität der Menschenrechte.<br />

- Wir fördern Verantwortungsbewusstsein und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten.<br />

- Wir vermitteln eine aufgeklärte abendländische Kultur, die offen ist für Beiträge anderer Kulturen,<br />

die unseren kulturellen Grundwerten nicht entgegenstehen.<br />

- Wir achten auf die Einhaltung der verabredeten Regelungen durch alle Mitgliedstaaten der EU.<br />

Georgios Panagiotidis,<br />

geboren 1973<br />

in Athen, ist<br />

Finanz- und<br />

Personalmanager<br />

bei<br />

P l a y m o b i l<br />

Hellas S.A., Athen und Sekretär<br />

des Griechischen Instituts für<br />

Finanzielle Führung der Griechischen<br />

Management Gesellschaft.<br />

Panagiotidis studierte<br />

in Leeds/Großbritannien (Bachelor of<br />

Arts in Economic Studies) und Bayreuth<br />

(Diplom-Kaufmann).<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Burschenschaft</strong> e.V.<br />

(<strong>Neue</strong>DB)<br />

Kto. 3950060, BLZ 50090500<br />

Sparda-Bank Hessen<br />

www.neuedb.de<br />

Vereinsregister: Amtsgericht<br />

Charlottenburg 16297 Nz<br />

Vaterland:<br />

- Wir setzen uns ein für einen europäischen Gemeinschaftsgedanken unter Wahrung der<br />

nationalen und regionalen Identitäten zur Wahrung der Vielfalt in der Einheit.<br />

- Wir fordern und fördern die Etablierung eines europäischen Föderalismus.<br />

- Wir stärken die Regionen als unsere jeweilige Heimat durch unser Engagement vor Ort.<br />

- Wir setzen uns ein für die Wahrung des Friedens zwischen den Völkern Europas und der Welt.<br />

Als <strong>Burschenschaft</strong>er wollen wir deshalb Folgendes tun:<br />

- Wir setzen uns selbst verstärkt mit dem Thema „Europa“ auseinander und befassen uns in<br />

unserem sozialen Umfeld damit.<br />

- Wir leben unsere aufgeklärten und abendländisch geprägten Werte vor und zeigen Toleranz<br />

gegenüber den Werten anderer Kulturkreise.<br />

- Wir fördern die Annäherung des Einzelnen an Europa, indem wir uns neben der Pflege unserer<br />

deutschen Muttersprache das Erlernen von zwei europäischen Fremdsprachen zum Ziel setzen.<br />

- Wir pflegen Kontakte zum Kennenlernen anderer europäischer Nationen und ihrer Menschen.<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

<strong>13</strong>


Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />

BEVÖLKERUNG<br />

WANDEL<br />

AUSGEPRÄGT<br />

LANDKREISERGEBNIS<br />

DADURCH<br />

ÄLTERER<br />

ERWERBSBIOGRAFIEN<br />

FRÜHZEITIG<br />

BUNDESREPUBLIK<br />

WANDELS<br />

ANTEIL<br />

ERGIBT<br />

SOZIOLOGIE<br />

VERWECHSELNDE<br />

BESCHREIBT INFRASTRUKTUR<br />

ALTERSVERTEILUNGDEMOGRAPHIE<br />

DEMOGRAFISCHE<br />

GEBURTENRATE DEMOGRAFIEPOLITIK<br />

FOLGEN<br />

VIERTEL<br />

BUNDESLÄNDER<br />

DEMOGRAFISCHEN<br />

ERFORDERT<br />

JÜNGER<br />

EINZELNACHWEISE<br />

ARBEITSWELTMENSCHEN<br />

ALTERUNG<br />

DEMOGRAFISCHER<br />

LA<strong>SS</strong>EN<br />

GEFALLEN<br />

WIKIPEDIA<br />

MITARBEITER BETRIEBLICHE GESETZLICHEN<br />

WANDERUNG<strong>SS</strong>ALDO<br />

GERONTOLOGIE<br />

MASTERSTUDIENGÄNGE<br />

BESTIMMT<br />

WEBLINKS<br />

BEGRIFFLICH<br />

VERWALTUNG ARBEIT<br />

WI<strong>SS</strong>ENSCHAFT<br />

WEITERGABE<br />

AUSGEWOGENHEIT<br />

ABGESTIMMTE FOLGENDE<br />

STUTTGART<br />

HALBWERTZEIT STAB<strong>SS</strong>TELLE<br />

BZW<br />

ERREICHTER<br />

STELLT<br />

KOMPETENTER<br />

GESETZGEBER<br />

UNTERNEHMEN ZAHLENBEZEICHNETE SIEHE<br />

ERWERBSTÄTIGE WORDEN<br />

MEHRHEITLICH VERÄNDERUNG INTEGRIERTE<br />

SEIT<br />

GLEICHBEDEUTEND BUNDESDEUTSCHE<br />

PERSONALENTWICKLUNG<br />

ANERKENNUNGSKULTUR EINSTELLEN NEUE<br />

WURDEN<br />

WI<strong>SS</strong>EN<br />

KOMMUNALEBEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG<br />

STUDIENANGEBOT<br />

MASTERSTUDIENGANG HOMEPAGESTADT SCHÜLERPROJEKT FRAGE<br />

STRATEGISCHE<br />

VERSUCHT<br />

LEICHT<br />

„<br />

Die Finanzkrise ist nur<br />

der Ausläufer eines<br />

Tsunamis, der sich seit<br />

Jahrzehnten aufbaut –<br />

des demo graphi schen<br />

Tsunamis.”<br />

LANDKREIS<br />

FORTZUSCHREIBEN WIRKEN<br />

TRAGEN<br />

ARTIKEL<br />

MITARBEITERN LETZTEN<br />

STELLEN<br />

ERSTELLEN RENTENALTERS<br />

STÄDTISCHEN<br />

FOLGTEN<br />

FREIZÜGIGKEITEINSCHLÄGIGEN<br />

BAYERN<br />

RHÖN-GRABFELD<br />

VERNETZT<br />

LITERATUR<br />

ABGESTIMMT ALTER<br />

STUDIERENDE<br />

ENTWICKLUNG<br />

LAND<br />

UNIVERSITÄT MEDIEN<br />

FERTILITÄTSRATE<br />

MÜNCHEN<br />

PROJEKTJÄHRLICHER<br />

POSITIV<br />

RUND<br />

EUROPÄISCHEN STAATSBÜRGERSCHAFT PROBLEMLAGEN<br />

FAKTOREN ZAHLREICHE INSGESAMT KOMMUNE<br />

EIGENE<br />

PRIVATEN<br />

MITTELN DABEISCHÜLER<br />

INSTITUTE IMMER GEMEINDE<br />

MITTELS<br />

GEPLANTE<br />

BESCHRIEBEN<br />

JAHRE<br />

GEMEINDEERGEBNI<strong>SS</strong>E MÜ<strong>SS</strong>EN<br />

MA<strong>SS</strong>NAHMEN KOMMUNEN<br />

DEUTSCHLAND<br />

ZUSAMMENSETZUNG<br />

LANDKREISES<br />

BEISPIEL GESAMTBEVÖLKERUNG<br />

VERLÄNGERUNG SOWIE<br />

Tsunami!<br />

Allerdings keiner aus Wasser<br />

Eine kleine Einführung in Deutschlands gro<strong>SS</strong>es Problem<br />

von<br />

Jürgen Winter<br />

Bubenreuther Erlangen (1991)<br />

14<br />

Jawohl, liebe Verbandsbrüder: Heute<br />

wird’s politisch. Unsere Vorfahren wollten<br />

das ganz große Rad drehen, und<br />

deshalb reden wir heute über ein solches<br />

Rad. Schließlich sind wir <strong>Burschenschaft</strong>er<br />

und keine Corpsstudenten.<br />

Apropos: Was ist eigentlich der Unterschied?<br />

Seltsame Rituale, Traditionen,<br />

Lebensbund, hehre Wahlsprüche?<br />

Hat jede amerikanische Collegevereinigung<br />

auch. Nein, wenn es einen<br />

Unter schied gibt, dann liegt er im politischen<br />

Anspruch: <strong>Burschenschaft</strong><br />

will Gesellschaft gestalten. Nochmal,<br />

als Merksatz für Burschenprüfungen:<br />

<strong>Burschenschaft</strong> will Gesellschaft gestalten<br />

– und der Wahlspruch sagt uns,<br />

auf welcher Basis. Nicht des Kollektivismus,<br />

sondern der Haltung des Einzelnen<br />

(„Ehre“) und einer freiheitlichen<br />

Grundausrichtung, die es erlaubt, diese<br />

Haltung zur Geltung zu bringen. Auf<br />

dieser Grundlage setzt der <strong>Burschenschaft</strong>er<br />

seinen wissenschaftlich geschulten<br />

Verstand und seine Fähigkeiten<br />

ein für das Gemeinwesen, dem er<br />

angehört und das er, dickköpfig, nicht<br />

müde wird, mit dem verdächtigen Begriff<br />

„Vaterland“ zu beschreiben. Das<br />

macht ihn notwendigerweise zu einem<br />

politisch hoch interessierten und bestens<br />

informierten Menschen.<br />

Irgendwie die Zeit<br />

aufhalten<br />

Soviel zur Papierform. Die Wirklichkeit?<br />

Für mein Gefühl liegt dieser Anspruch<br />

seit Jahrzehnten brach, zumal<br />

bei denen, die im Stillen wußten, daß<br />

man sich zu Zeiten des irren Adolf nicht<br />

gerade mit Ruhm bekleckert hatte.<br />

Die wechselnden Generationen von<br />

Aktiven hatten genug damit zu tun, ihr<br />

Studium als Einstieg in eine komplizierter<br />

werdende Berufswelt zu meistern,<br />

den Verbindungsbetrieb neben immer<br />

mehr Ablenkungen am Laufen zu halten<br />

und sich über den Sinn dieser seltsamen<br />

Begriffe die Köpfe zu zerbrechen:<br />

Ehre, Freiheit, Vaterland. Politik<br />

fürs Vaterland? Die Grundausrichtung<br />

stimmte doch: Die Demokratie funktionierte,<br />

die Nachkriegsordnung schien<br />

zementiert, der Wohlstand wuchs.<br />

Wirkliche Systemkritik kam nur von<br />

Sozialisten, die sich oft selbst nicht<br />

recht ernstzunehmen schienen – wie<br />

all den AStA-Berufsempörten, die sich<br />

heute mit Pensionsgarantie vom kapitalistischen<br />

Staat bezahlen lassen.<br />

Die schleichende Veränderung der<br />

academicus 1/20<strong>13</strong>


Lebenswelten schien derweil unaufhaltsam:<br />

Was sollte man einwenden<br />

gegen die Emanzipation der Frau? Was<br />

jammern über die Globalisierung?<br />

Wo <strong>Burschenschaft</strong> noch politisch zu<br />

sein versuchte, steckte sie in Fragen<br />

der Vergangenheit fest, versuchte irgendwie<br />

die Zeit aufzuhalten. So ist es<br />

im Prinzip bis heute.<br />

Ausläufer eines<br />

Tsunamis<br />

Eines freilich ist anders geworden:<br />

Aktuell zeigt ein Blick nach Griechenland<br />

oder Spanien, wie schnell die Gewißheiten<br />

einer satten Nachkriegswelt<br />

zusammenbrechen können. 50 Prozent<br />

Jugendarbeitslosigkeit – könnte<br />

das auch in Deutschland passieren?<br />

Zumindest mit unserem Finanz- und<br />

Wirtschaftssystem scheint irgend etwas<br />

nicht zu stimmen! Die Spatzen<br />

pfeifen von den Dächern, daß man<br />

Probleme durch zu hohe Schulden und<br />

zu billiges Geld nicht dadurch lösen<br />

kann, daß man noch mehr Schulden<br />

macht und noch mehr billiges Geld<br />

produziert.<br />

Es wird Zeit, endlich wieder die großen<br />

Fragen zu stellen. Heute und in<br />

weiteren Artikeln möchte ich darlegen,<br />

daß die Finanzkrise nur der Ausläufer<br />

eines Tsunamis ist, der sich seit<br />

Jahrzehnten aufbaut – des demographischen<br />

Tsunamis. Früher haben wir<br />

die Augen davor verschlossen, weil<br />

er weit weg schien. Heute ist schon<br />

ein großes Stück Verzweiflung dabei:<br />

Wozu jammern, wenn es sich doch<br />

nicht aufhalten läßt? Dann doch lieber<br />

versuchen, ihn wider jede Erkenntnis<br />

zu einer bloßen Veränderung, ja gar<br />

zu einer Chance umzulügen. So ward<br />

ein Euphemismus geboren: „Demographischer<br />

Wandel“.<br />

Klingt gut, nicht? Viel besser als „Vergreisung“.<br />

Besser als „verödende Städte“,<br />

„Altersverelendung“, „wirtschaftlicher<br />

Niedergang“, oder „Zusammenbruch<br />

des Sozialstaates“. Das alles aber<br />

sind die unvermeidlichen Folgen dieses<br />

„Wandels“. Andere – wie Separatismus,<br />

Gefahr bürgerkriegsähnlicher<br />

Zustände, Verlust von Demokratie und<br />

Rechtsstaat – sind zumindest ernsthaft<br />

zu befürchten.<br />

Anreize,<br />

kinderlos zu bleiben<br />

Bevor ich mich daranmache, die Apokalypse<br />

ein wenig auszumalen, sei eines<br />

vorweggenommen: Die Ursache<br />

des Problems, der jahrzehntelange Geburtenmangel<br />

in den Mittelschichten,<br />

ist keineswegs schicksalhaft – auch<br />

wenn das immer wieder behauptet<br />

wird. Die grassierende Verweigerung<br />

von Elternschaft ist vielmehr die logische<br />

Folge der Art und Weise,<br />

wie wir unsere Steuer- und<br />

Sozialsysteme konstruiert<br />

haben. Hans-Werner Sinn,<br />

der streitbare Direktor des<br />

Münchner IFO-Institutes, hat<br />

es zu dem Satz zusammengefaßt: „Von<br />

Kindern profitiert, wer keine hat.“ Die<br />

objektiven Anreize, kinderlos zu bleiben,<br />

sind gerade für Akademiker beiderlei<br />

Geschlechts so stark, daß man<br />

sich wundern muß, wenn überhaupt<br />

noch so viele Kinder geboren werden.<br />

Mir ist klar, daß diese Behauptung viel<br />

Abwehr provoziert. Geben wir nicht<br />

irrsinnig viel Geld für Familien aus?<br />

Haben wir, haben unsere eigenen Eltern<br />

und Großeltern nicht unter weit<br />

schlechteren Bedingungen Kinder bekommen?<br />

Ich kann an dieser Stelle nur<br />

bitten, weiterzulesen – auch die kommenden<br />

Folgen der Serie, denn das<br />

Thema ist komplex genug für mehrere<br />

Bücher. An dieser Stelle nur soviel:<br />

Die vermeintlichen Familienleistungen<br />

sind zu einem erheblichen Teil Luftbuchungen.<br />

Ungefähr so, als würde man<br />

einem Bäcker täglich 100 Semmeln<br />

stehlen, ihm dann 20 zurückgeben,<br />

und sagen: „Also bitte, dein Vater hat<br />

auch gebacken und bekam keine zwanzig<br />

Semmeln obendrauf!“ Derweil sind<br />

„<br />

Von<br />

die wichtigsten Gründe, warum Menschen<br />

auf Kinder verzichten, im Kern<br />

wirtschaftliche. Das gilt auch für den<br />

häufigsten Grund, warum Menschen<br />

Umfragen zufolge kinderlos bleiben:<br />

„Ich finde nicht den geeigneten Partner.“<br />

Denn je riskanter eine Familiengründung<br />

erscheint, je stärker sie die<br />

beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

einschränkt und Türen im Leben<br />

verschließt, desto höher werden die<br />

Ansprüche an diesen Partner, desto<br />

länger wird die Entscheidung hinausgeschoben<br />

– bis es häufig zu spät ist.<br />

Zu den wirtschaftlichen Aspekten gehören<br />

auch und vor allem die sogenannten<br />

Opportunitätskosten – die<br />

indirekten Kosten der Kinderbetreuung,<br />

die dadurch entstehen, daß ein<br />

Partner (in der Regel die Mutter) seine<br />

Kindern profitiert,<br />

wer keine hat.“<br />

Hans-Werner Sinn<br />

Erwerbstätigkeit einschränkt. Oft wird<br />

deshalb gefordert, die Kinderbetreuung<br />

zu sozialisieren – Mütter in die<br />

Produktion, Kinder in die Krippe! Auch<br />

darauf werde ich eingehen – und am<br />

Ende eine Lösung vorschlagen, die alles<br />

zugleich verspricht: Gerechtigkeit<br />

für Familien und Kinderlose, Wahlfreiheit<br />

für Mütter und Väter, optimierte<br />

Startbedingungen für Kinder aus allen<br />

Schichten, das alles ohne Zwang,<br />

Heiratsverbote, oder sonstige finstere<br />

Nazi-Methoden. Die eierlegende Wollmilchsau.<br />

Man muß nur wollen.<br />

Apocalypse now?<br />

Doch zurück zur Problembeschreibung.<br />

Schon diese stößt vielerorts auf Unglauben.<br />

Apocalypse now? Liebe Güte,<br />

wir machen doch aus jeder Mücke einen<br />

Elefanten! Eines der wenigen deutschen<br />

Lehnworte im Französischen ist<br />

„Le Waldsterben“ – typisch deutsch,<br />

diese permanente Angst vor dem<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

15


„<br />

Wo <strong>Burschenschaft</strong><br />

noch politisch zu<br />

sein versucht, steckt<br />

sie in Fragen der<br />

Vergangenheit fest.”<br />

16<br />

Untergang. Was ist so schlimm daran,<br />

wenn es weniger <strong>Deutsche</strong> gibt? Ist<br />

das Land, ist die Welt nicht ohnehin<br />

überbevölkert? Haben wir nicht schon<br />

für die vorhandene Bevölkerung zu<br />

wenig Arbeit? Und überhaupt: Wer<br />

weiß schon, was die Zukunft bringt,<br />

den Pillenknick hat doch auch keiner<br />

vorhergesehen...<br />

Solche Argumente sind erstaunlich wirksam,<br />

um so erstaunlicher, als sie nichts<br />

taugen. Es war natürlich gerade die<br />

Angst vor „Le Waldsterben“, die dazu<br />

führte, daß die Katastrophe ausblieb –<br />

man hat etwas getan dagegen, man hat<br />

die Rahmenbedingungen so gesetzt,<br />

daß die Menschen weniger Dreck in die<br />

Luft pusteten. Das war Umweltpolitik.<br />

Tja, und Bevölkerungspolitik hat man –<br />

auch betrieben, wenngleich ohne es sich<br />

klarzumachen. Man hat die Rahmenbedingungen<br />

so gesetzt, daß Menschen<br />

weniger Kinder bekamen. Ich komme<br />

noch darauf zurück.<br />

Bestenfalls stagnierende<br />

Geburtenrate<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

Was Prognosen anbelangt: Zum einen<br />

sind demographische Prognosen leider<br />

sehr sicher. Ganz einfach deswegen,<br />

weil nicht nur die Greise, sondern auch<br />

die potentiellen Mütter von morgen<br />

schon längst geboren, oder eben gerade<br />

nicht geboren sind. Aber auch, weil – ich<br />

wiederhole es – das generative Verhalten<br />

eben nicht zufällig ist. Solange die<br />

Rahmenbedingungen für Elternschaft<br />

sich nicht verändern, ja sich sogar verschlechtern,<br />

solange wird die Geburtenrate<br />

bestenfalls stagnieren. Jede andere<br />

Annahme ist grob fahrlässig. Zur globalen<br />

Überbevölkerung: Es funktioniert<br />

nun einmal nicht, einfach Millionen Inder<br />

oder Afrikaner nach Deutschland zu<br />

transferieren. Denn was wir brauchen,<br />

sind – o häßliche Wirklichkeit – nicht<br />

einfach neue Staatsbürger, sondern<br />

Steuer- und Beitragszahler. Man kann<br />

es auch allegorisch ausdrücken: Wenn<br />

in der Wüste das Wasser knapp wird,<br />

muß man das Problem vor Ort lösen<br />

– der Hinweis, daß es anderswo Überschwemmungen<br />

gibt und die Ozeane<br />

steigen, ist da nicht wirklich zielführend.<br />

Hartz-IV-Bezug in<br />

dritter Generation<br />

Lokal wiederum kommt es nicht auf<br />

die absolute Zahl der <strong>Deutsche</strong>n an,<br />

sondern auf deren<br />

Zusammensetzung.<br />

Denn ein Teil ist notwendigerweise<br />

unproduktiv.<br />

Dazu gehören<br />

Rentner, Jugendliche,<br />

Behinderte, Kranke und alle, denen die<br />

Integration in die Arbeitsgesellschaft<br />

nicht gelingt. Dieser Teil lebt von Transfers,<br />

die der andere Teil erwirtschaften<br />

muß. Nicht nur Geldtransfers, sondern<br />

auch Dienstleistungen, vor allem Pflege<br />

und Erziehung. Ob und wie diese Menschen<br />

versorgt werden können, hängt<br />

vom produktiven Teil ab.<br />

Durch die Vergreisung wächst der unproduktive<br />

Teil der Bevölkerung, während<br />

der produktive schrumpft. Aber<br />

auch innerhalb des produktiven Teils<br />

leidet die Produktivität, wenn der durchschnittliche<br />

Erwerbstätige immer älter<br />

wird. Man kann es drehen und wenden,<br />

wie man will: 70-Jährige sind cum grano<br />

salis nicht mehr so effektiv wie 40-Jährige.<br />

Dazu kommt, daß ein wachsender<br />

Teil auch der jüngeren Bevölkerung den<br />

Anschluß verliert – jeder Sozialarbeiter<br />

kennt Familien, in denen sich der<br />

Hartz-IV-Bezug in dritter Generation<br />

verfestigt hat. Jede Großstadt hat ihre<br />

Brennpunktschulen, in denen die Nachkommen<br />

von Zuwanderern noch in der<br />

dritten Generation kein Bein auf den Boden<br />

bekommen.<br />

Der demographische<br />

Tsunami<br />

Es sind solche Beobachtungen, die<br />

Sarrazins Buch „Deutschland schafft<br />

sich ab“ geprägt haben. Der demographische<br />

Tsunami ist das eigentliche<br />

Thema dieses Buches, und Sarrazin<br />

belegt seine Existenz mit einer Fülle<br />

von Daten. Er argumentiert auch, daß<br />

das beliebte Allheilmittel – bessere Bildung!<br />

– durchaus notwendig ist, aber<br />

keinerlei Aussichten bietet, das Problem<br />

wirklich in den Griff zu bekommen.<br />

Leider hat Sarrazin seinen Kritikern<br />

mit dem Stichwort vom „jüdischen<br />

Gen“ eine Steilvorlage geliefert, ihn als<br />

„<br />

So ward ein Euphe mismus<br />

geboren: Demographischer<br />

Wandel.”<br />

Bösewicht und damit praktischerweise<br />

auch gleich den Tsunami als böses<br />

Märchen zu entlarven.<br />

Soweit zum Appetitanregen – die<br />

10.000 Zeichen, die mir für dieses Mal<br />

zur Verfügung standen, sind längst<br />

voll. Nur noch ein kleines Datenschnipsel<br />

zum Nachdenken für all jene, die<br />

hoffen, der „demographische Wandel“<br />

werde zumindest die Arbeitslosigkeit<br />

beseitigen:<br />

• 90 von 100 Unternehmensgründern<br />

sind älter als 30 Jahre. Aber nur fünf<br />

von 100 sind älter als 40 Jahre. Diese<br />

Zahlen sind seit Jahrzehnten stabil.<br />

• Die letzten geburtenstarken Jahr -<br />

gänge haben den Alterskorridor<br />

zwischen 30 und 40 Jahren inzwischen<br />

verlassen. Er ist heute um<br />

ein Viertel schwächer besetzt als im<br />

Jahr 1998. Dieses Niveau wird er<br />

etwa zehn Jahre halten, um dann<br />

binnen weiterer zehn Jahre um ein<br />

weiteres Viertel zu implodieren.<br />

So what? Auflösung im nächsten academicus.


Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />

Gesellschaftlicher<br />

Wandel und korporatives<br />

Miteinander – Teil 1: Eiszeit der Verbände?<br />

„<br />

Aktive<br />

Foto: Jason Auch<br />

und Alte Herren kehren den<br />

Verbänden den Rücken, die eigene<br />

Verbindung ist sich selbst genug.”<br />

Unser gesellschaftliches Umfeld<br />

verändert sich rasant. Auch in<br />

den Korporationen merkt man<br />

dies. Die studentische Welt ist ein<br />

Treiber der Entwicklungen. Nach der<br />

1968er-Studentenrevolte und dem folgenden<br />

„Marsch durch die Institutionen“<br />

gerät man heute in Deutschland<br />

schnell in Denk-, Rede- und Handlungsverbote,<br />

sobald vom Mainstream abgewichen<br />

wird. Dabei hat man doch<br />

gerade uns Korporierten immer eingetrichtert,<br />

Querdenker und parteipolitisch<br />

nicht einzuordnen zu sein! Wer<br />

ungeschickte Bemerkungen über Ausländer,<br />

Geschlechter, Erziehung oder<br />

Energie äußert, erfährt Ignoranz, Denunzierung<br />

oder Ausgrenzung. Sogar<br />

vor Gewalt scheuen die Gegner von<br />

Korporationen nicht zurück.<br />

Politisch korrekt?<br />

Alfons Georg Schuck, Marcomannia<br />

Frankfurt a.M., sagt dazu: „Veränderungsstress<br />

wird meiner Meinung<br />

nach durch einen krassen Wertewandel<br />

geprägt. Auf der einen Seite werden<br />

unzählige Freiheiten erkämpft<br />

(Schwulenehe, Adoptionsrecht für<br />

eben diese), die Bindung an ‚Lebensabschnittsgefährten‘<br />

ist aber durchschnittlich<br />

sehr kurz. Da ist klar, dass<br />

ein Lebensbund, eine lebenslange<br />

Freundschaft, nicht funktionieren<br />

kann. Auf der anderen Seite werden<br />

aber ganz massiv neue ‚Werte‘ durch<br />

Genderfizierung geschaffen. Politische<br />

Korrektheit wird höher bewertet<br />

als ein ehrlicher Umgang. Lieber<br />

verlogen aber politisch korrekt sein,<br />

anstatt ehrlich, lösungsorientiert und<br />

gemeinsam die Probleme anpackend.“<br />

Diese Entwicklungen erzeugen Spannungsfelder<br />

und unterschwellig Stress<br />

bei Aktiven, was in den Altherrenschaften<br />

nicht immer so bewusst ist.<br />

Alte Herren sehen das gelassener und<br />

sollten deswegen den Aktiven mit Rat<br />

hilfreich zur Seite stehen.<br />

Strukturkonservativ<br />

von<br />

Gerhard Serges<br />

TWV Schlaraffia Hagen (1976),<br />

TV Marcomannia Frankfurt/Main, Pressereferent BDIC<br />

„<br />

Der<br />

Götz F. Wichmann (Bund <strong>Deutsche</strong>r<br />

Ingenieurs-Cor po ra tionen, BDIC) führt<br />

als Quelle von Veränderungsstress<br />

zum einen die Verschulung<br />

des Studiums nach dem<br />

Bologna-Prozess an. Das sei<br />

für Studierende an Universitäten<br />

die größte Veränderung. An<br />

den Technischen Universitäten und<br />

Fachhochschulen ist seminaristischer<br />

Unterricht bereits geübte Praxis. Zum<br />

anderen seien es Social Media, die<br />

einschneidende Auswirkungen auf das<br />

Verhalten der Menschen haben: Sie träfen<br />

sich in der Tat seltener als vor der<br />

Internetwelle. Und schließlich gebe es<br />

eine neue Strukturkonservativität, bei<br />

der sich Menschen gegen Veränderungen<br />

stemmen, als Beispiel seien der<br />

Flughafen München, der Bahnhof Stuttgart<br />

oder Stromtrassen genannt.<br />

Wie wirken sich solche, aber auch andere,<br />

noch nicht genannte gesellschaftliche<br />

Veränderungen auf das deutsche<br />

Korporationswesen aus? Dieser Fragestellung<br />

wollen wir auf den vier Ebenen<br />

nachgehen, auf denen sich korporatives<br />

Leben abspielt: Erstens interkorporative<br />

Arbeitsgemeinschaften, wie<br />

zum Beispiel der Convent <strong>Deutsche</strong>r<br />

Akademikerverbände (CDA), zweitens<br />

Dachverbände, drittens örtliche Akademiker-<br />

und Korporationsverbände<br />

und schließlich die Korporation, die<br />

Verbindung, selbst.<br />

Umgangston ist rau,<br />

manchmal ruppig<br />

geworden. ”<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

17


„<br />

Die<br />

18<br />

Interkorporative<br />

Arbeitsgemeinschaften<br />

Am Beispiel des Werdegangs des CDA<br />

könnte man sagen: „Oft beschworen,<br />

aber am Ende nicht gehalten“. Vor Jahren<br />

sprachen wir noch von „Vielfalt und<br />

Einheit“. Deutschlandweit scheint das<br />

Tischtuch jedoch zerschnitten. Damit<br />

spielte man Korporationsgegnern in<br />

die Karten (Linksfaschisten, Autonomen<br />

oder linksorientierten AStA-Gruppen),<br />

die weiterhin die Abschaffung<br />

aller Korporationen fordern,. Ob die<br />

Abgrenzung von der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong><br />

(DB) Früchte bringt? Die<br />

wichtigere Frage wird sein, wer als<br />

nächster Verband an der Reihe ist, medial<br />

„verarbeitet“ zu werden.<br />

Purer Konkurrenzkampf?<br />

Beim Umgang mit anderen Korporierten<br />

wird heute hart und unversöhnlich<br />

ins Gericht gegangen. Ist das purer<br />

Konkurrenzkampf oder einfach nur eine<br />

Zeiterscheinung? Die einstigen Verbändevertreter<br />

zeigten noch Güte und Kompromissbereitschaft.<br />

In der heutigen<br />

Generation (35 bis 60 Jahre) sind diese<br />

Tugenden weniger ausgeprägt. Der<br />

Umgangston ist rau, manchmal ruppig<br />

geworden. Mit Kraftausdrücken oder abgehobenen<br />

Polit- und Business-Floskeln<br />

wird auf Conventen versucht, die eigene<br />

Argumentation zu stärken. Die Bindung<br />

von Beauftragten an Vorstandsbeschlüsse<br />

ist an die Stelle des Gedankenaustausches<br />

getreten. Von Parteien ist uns der<br />

Fraktionszwang bekannt.<br />

Interessant sind Bewertungen, die in<br />

den Verbandszeitungen zu lesen waren.<br />

Vorortsprecher Stephan Mörschel<br />

Bindung von Beauftragten<br />

an Vorstandsbeschlüsse ist an<br />

die Stelle des Gedanken austausches<br />

getreten.”<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

beschreibt treffend in den Wingolfsblättern<br />

4/2012, dass das Verbändegespräch<br />

ihm die wahren Probleme<br />

für das Scheitern von Organisationen<br />

wie CDK und CDA vor Augen<br />

geführt habe. Zum einen ziehen<br />

sich viele Bünde aus der<br />

Diskussion zurück und bringen<br />

somit die Beschlussfähigkeit<br />

der verbandsübergreifenden Zusammenschlüsse<br />

ins Wanken, zum anderen<br />

streiten sich die an den Gesprächen<br />

Beteiligten und argumentieren teilweise<br />

auf einem Niveau, das weit von dem<br />

entfernt ist, was von Akademikern erwartet<br />

werden kann.<br />

„<br />

Uns<br />

Bestehende Einrichtungen<br />

ungenutzt<br />

Hier und da hört man, die großen Verbände<br />

hätten sich in Würzburg und<br />

Düsseldorf getroffen, um über eine<br />

neue Gesprächsplattform zu beraten,<br />

obwohl es so etwas bereits gibt:<br />

das jährliche „Verbändegespräch“ als<br />

Nachfolger des „Erlanger Ehren- und<br />

Verbändeabkommens“, eines 1921 geschlossenen<br />

Abkommens zwischen studentischen<br />

Verbänden. Der nach dem<br />

Alphabet nächste Ausrichter, der Coburger<br />

Convent, hat bereits signalisiert,<br />

das Gespräch nicht zu organisieren.<br />

Derzeit ist das Bedürfnis gering, bestehende<br />

Einrichtungen nicht für einen<br />

„Runden Tisch“ zu nutzen.<br />

Dieses Rückzugsverhalten der Verbände<br />

legt die Vermutung nahe, dass alte<br />

Verbindungen gekappt werden und<br />

so vermeintlicher Ballast abgeworfen<br />

wird. Dazu meint Malte Schlimper, Senior<br />

des BDIC Landesverbandes Nord:<br />

„Eine angedachte neue Organisation<br />

kann nur so gut oder schlecht wie der<br />

CDA funktionieren. Die<br />

Probleme der Verbände<br />

und ihre Art damit umzugehen<br />

werden bleiben.<br />

Es ist keine Frage der<br />

Organisation, sondern<br />

des Miteinanders, des Verständnisses<br />

von Gemeinschaft und Demokratie.<br />

Persönliche Eitelkeiten kommen erschwerend<br />

hinzu“. Schlimper weiter:<br />

geht es einfach nicht<br />

schlecht genug, um<br />

gemeinsam zu agieren.”<br />

„Solange dies die Voraussetzungen<br />

sind, wird es jeder Folgeorganisation<br />

genauso ergehen wie dem CDA. Uns<br />

geht es einfach nicht schlecht genug,<br />

um gemeinsam zu agieren.“<br />

Dachverbände<br />

Es ist zu beobachten, dass nicht nur<br />

in interkorporativen Arbeitsgemeinschaften,<br />

sondern auch in Dachverbänden<br />

Eiszeit herrscht. Sie treiben<br />

auseinander, tragen Lagerkämpfe aus,<br />

wie jüngst die DB mit einem deutschnationalen<br />

und einem liberalen Flügel.<br />

Dahinter stecken zwei sich andeutende<br />

Phänomene: Zum einen haben viele immer<br />

weniger Lust und Bereitschaft zu<br />

Verbänden. Zum anderen nehmen Individualisierung<br />

und Rückzugsverhalten<br />

immer weiter zu. Bedauerlicherweise<br />

herrscht auf vielen Ebenen mangelndes<br />

Interesse am Austausch mit dem<br />

Verband. Nicht in allen Verbänden gibt<br />

es eine breite Auseinandersetzung mit<br />

den Themen der Zeit. Dabei ist es gerade<br />

ihre Stärke, hier eine Diskussionsebene<br />

zu bilden und die Interessen der<br />

Bünde gegenüber Gesellschaft, Hochschule<br />

und Staat vertreten zu können.<br />

Aktive und Alte Herren kehren aber lieber<br />

den Verbänden den Rücken, die eigene<br />

Verbindung ist sich selbst genug.<br />

„Cocooning“ heißt diese Zeiterscheinung.<br />

Hinzu kommt das liebe Geld.<br />

Mitgliedschaften kosten viel. Dagegen<br />

steht eine Erwartungshaltung, man<br />

könne vom Verband als Dienstleister<br />

alles bekommen. Wir werden überproportional<br />

belastet. Die gleiche Kritik,<br />

wie sie immer von Einzelbünden an<br />

Dachverbänden geäußert wird, kommt


von Mitgliedern der Altherrenschaften.<br />

In Zeiten sinkender Mitgliederzahlen<br />

wird diese Kritik immer einen Knackpunkt<br />

bilden.<br />

Schlichtweg<br />

Nachlässigkeiten<br />

Kommen wir nun zu den ursächlichsten<br />

Problemen, die die Dachverbände belasten.<br />

Das Gesagte gilt übrigens für<br />

Korporationen gleichermaßen. Meist<br />

sind es soziale, manchmal triviale Probleme,<br />

die aufgrund der gesellschaftlichen<br />

Entwicklung eingeschleppt werden<br />

– oder schlichtweg Nachlässigkeiten.<br />

Es gibt Erwartungshaltungen an sich<br />

selbst und an andere, die häufig<br />

nicht eingehalten werden können,<br />

gerade in Verbindungen.<br />

Viel zu oft wird nach einem starken<br />

Mann gerufen oder Kritik<br />

geübt, aber selbst ist man nicht<br />

bereit, etwas zu regeln. Das führt<br />

bei Amtsträgern, ja bei allen, zu<br />

Frust und Enttäuschung. Hinzu kommt:<br />

Jeder Mensch, also auch jeder Amtsträger,<br />

hat Schwächen, die allerdings von<br />

den Wählern meist ignoriert werden.<br />

Früher oder später treten sie jedoch<br />

zutage und führen dazu, dass sich eine<br />

Gruppe von Kritikern bildet. Zwar packt<br />

der neue Amtsinhaber seine Aufgaben<br />

zu Beginn energisch an, aber anstatt<br />

das Positive zu fördern wird er nur an<br />

seinen Schwächen gemessen. Kritik der<br />

einen Seite und Schweigen der anderen<br />

sorgen auf Dauer dafür, dass der<br />

„<strong>Neue</strong>“ meist nur Negatives aufnimmt<br />

und Positives überhört. So etablierten<br />

sich in den vergangenen Jahren in allen<br />

Verbänden und Verbindungen „Berufskritiker“.<br />

Sie wollen keine Ämter übernehmen,<br />

da sie befürchten, selbst zur<br />

Zielscheibe zu werden. Aber anstatt bei<br />

Wahlen anzutreten, rufen sie nun schon<br />

nach dem nächsten starken Mann und<br />

das Spiel beginnt von vorn. Ein Missverhältnis,<br />

welches bekannt ist, aber meist<br />

totgeschwiegen wird.<br />

„<br />

Nicht<br />

Einseitige Kommunikation<br />

Die meisten stellen fest, dass ihre Ansprechpartner,<br />

zum Beispiel die in den<br />

Bünden, Informationen kaum weiterleiten,<br />

sodass man unter Umständen<br />

zigmal dasselbe erzählen muss. Diese<br />

einseitige Kommunikation kostet Zeit.<br />

Auf E-Post und Briefe kommen zudem<br />

kaum Rückmeldungen, Informationen<br />

gehen dadurch verloren. Wenn Warner<br />

immer wieder auf diesen Mangel hinweisen,<br />

will keiner mehr zuhören. Wieso<br />

war das früher besser, als es diese<br />

Kommunikationsmittel noch nicht gab?<br />

Ganz einfach: Disziplin und Organisation<br />

waren geübter und besser.<br />

nur inter korpo<br />

rative Arbeitsgemein<br />

schaften, auch<br />

Dachverbände treiben<br />

auseinander.”<br />

Das Geleistete, welches meist mit viel<br />

Aufwand von wenigen auf die Beine<br />

gestellt wird, nehmen viele als selbstverständlich<br />

auf. Anstatt dass viele<br />

wenig arbeiten, arbeiten wenige viel.<br />

Das Erreichte wird dann möglicherweise<br />

zerredet oder die Kritik ist lauter<br />

als das Lob. Die Folge: Auf Dauer<br />

verliert man die Engagierten durch<br />

fehlende Anerkennung.<br />

Bei Wahlen fehlt es an Nachfolgern,<br />

egal auf welcher Ebene, sei es der eigenen<br />

Verbindung oder des Verbandes.<br />

Eine Übergabe ist notwendig, um eine<br />

schnelle Einarbeitung zu gewährleisten,<br />

sie wird jedoch meist auf ein kurzes<br />

Gespräch und eine Mappe reduziert.<br />

Der Vorgänger möchte schnellstmöglich<br />

das Amt los werden und drückt mit<br />

oftmals sehr knappen Anweisungen<br />

seinem Nachfolger eine Mappe mit<br />

Briefen und Protokollen in die Hand. So<br />

kommt es zu fehlender Kontinuität. Gerade<br />

in Vorstandsämtern wäre jedoch<br />

eine Einarbeitungszeit mit Begleitung<br />

durch den Vorgänger wünschenswert.<br />

Eine „Amts-Gleitzeit“ hätte den Vorteil,<br />

dass alles weitergegeben wird. Nach<br />

dieser Phase versucht ein Amtsinhaber,<br />

sich an seinen eigenen Stärken und<br />

Schwächen zu orientieren.<br />

Fehlende Unterstützung<br />

Es fehlt an Unterstützung, an Personen,<br />

die als Ansprechpartner dienen,<br />

die verlässlich sind und zuarbeiten.<br />

Alleine kann man weder regieren noch<br />

arbeiten. Oft fehlt schon Feedback<br />

über vorherrschendes Interesse oder<br />

Desinteresse am Bundesleben. Es liegt<br />

nicht an der Größe, denn schon kleine<br />

Gruppen können viel bewirken, wenn<br />

angepackt und geholfen wird. Die Binsenweisheit<br />

lautet hier: Ohne eine gewisse<br />

Zahl guter Unterstützer wird ein<br />

Ziel nie erreichbar sein.<br />

Wir haben festgestellt, dass meist<br />

Kontinuität und Qualität bei Amtsübergaben<br />

fehlen, dass Amtsträger mit<br />

Frust und Kritik zu kämpfen haben und<br />

Unterstützung benötigen, um innerhalb<br />

ihrer Aufgabenfelder ihre Vorstellungen<br />

umsetzen zu können. Fehlt aber schon<br />

die eine oder andere Komponente, so<br />

„verkriecht“ sich manchmal ein Vorstandsmitglied,<br />

indem es sich auf seine<br />

Aufgaben konzentriert. Für diese gibt<br />

es in der Regel ungenaue Aufgabenbeschreibungen,<br />

die meist nicht die Grenzen<br />

des Amtes aufzeigen. Ungeklärte<br />

Grauzonen, Schnittmengen oder Verknüpfungen<br />

mit anderen Ämtern sorgen<br />

für Konflikte. Ein Organisationsproblem!<br />

Zeit ist überall knapp, ob im Beruf, im<br />

oder neben dem Studium. Amtsträger<br />

handeln in erster Linie ehrenamtlich<br />

und sollten zumindest zeitnah eine Vergütung<br />

für ihre Auslagen oder Pauschalen<br />

bekommen.<br />

Aus dem Gesagten resultieren zu allem<br />

Überfluss überhöhte Erwartungshaltungen<br />

der Verbandsmitglieder gegenüber<br />

Vorständen und Amtsträgern. Der Frust<br />

ist vorprogrammiert.<br />

... Fortsetzung im nächsten academicus.<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

19


Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />

„Die Alltagserfahrung schien entwertet,<br />

die Zukunft wurde uneinsehbar“ – was<br />

wie moderne Zeitkritik klingt, stammt<br />

aus der Feder von Dieter Langewiesche,<br />

einem Historiker, der das beginnende<br />

19. Jahrhundert beschreibt. 23 Jahre<br />

lang, von Valmy bis Waterloo, hatten<br />

Feldzüge und Kriege Europa erschüttert.<br />

Für die Menschen war eine Welt<br />

untergegangen: Gottesgnadentum und<br />

die Ordnung der Stände waren verblasst,<br />

das „Heilige Römische Reich<br />

<strong>Deutsche</strong>r Nation“ hatte 1806 aufgehört<br />

zu existieren. <strong>Neue</strong> soziale Fragen<br />

tauchten im Zuge der beginnenden<br />

Industrialisierung auf. Revolutionen in<br />

Frankreich, Spanien, Portugal, Italien,<br />

Griechenland, Belgien und Deutschland<br />

richteten sich gegen die Relikte einer<br />

feudalen Welt. Die Völker Europas waren<br />

auf der „Suche nach der Gestalt der<br />

Zukunft“, so Langewiesche.<br />

„<br />

Wenn die Menschen den Lauf der Dinge<br />

auch nicht ändern konnten, so blieb ihnen<br />

doch immerhin, sich selbst zu ändern.”<br />

Dagegen rüsteten die alten Autoritäten<br />

zum Abwehrkampf – „Restauration“,<br />

„Karlsbader Beschlüsse“ oder „System<br />

Metternich“ lauten die Stichworte für<br />

den deutschen Raum.<br />

Nation als Antwort<br />

Zugleich erlebten die Menschen technische<br />

und wissenschaftliche Umwälzungen.<br />

Forscher wie Humboldt oder<br />

später Darwin bereisten die Welt und<br />

berichteten von Dingen, die nicht zu<br />

alten Gewissheiten passen wollten.<br />

Auch eine Kommunikationsrevolution<br />

war im Gange: Eisenbahn, Telegrafie,<br />

Zeitungen und Dampfschifffahrt<br />

rückten die Menschen und Völker auf<br />

von<br />

Bernd Prei<strong>SS</strong><br />

Bubenreuther Erlangen (1992)<br />

Veränderungsstress<br />

anno 1815 – Als die <strong>Deutsche</strong>n deutsch wurden<br />

unerhörte Weise zusammen. „Welche<br />

Veränderungen müssen jetzt eintreten<br />

in unsere Vorstellungen! Sogar Raum<br />

und Zeit sind schwankend geworden!“,<br />

verzweifelt Heinrich Heine anlässlich<br />

der Eröffnung der Eisenbahnlinie Paris-<br />

Orleans 1843.<br />

Wie sollte es weitergehen? Antworten<br />

zumindest auf die politischen Fragen<br />

lieferte die Idee der Nation. „Nur der<br />

Leitwert Nation war in der Lage, die<br />

verschiedenen Reformziele und Modernisierungsstrategien<br />

der Zeit zu<br />

bündeln“, so Langewiesche. Aus Untertanen<br />

mussten Bürger werden –<br />

nicht eines Landstriches, von Fürsten<br />

regiert, sondern „ihres“ Landes und<br />

Staates – Deutschlands!<br />

<strong>Burschenschaft</strong> als<br />

Schule der Gesellschaft<br />

20<br />

Juli-Revolution 1830 in Frankreich: „Die Freiheit führt das Volk“<br />

von Eugène Delacroix<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

Doch die Nation fußt auf anderen<br />

Regeln als die Ständegesellschaft.<br />

Gefragt sind Kommunikation, Konfliktfähigkeit,<br />

Wertekonsens und „komplementäre<br />

Rollen“ (Karl W. Deutsch)<br />

in der Gemeinschaft. Diese müssen<br />

erfahren und eingeübt werden. Auf<br />

dem Weg zur Bürgernation musste<br />

ein Lernprozess stehen. Es bildete sich<br />

eine Schule heraus, die die Lektionen<br />

vermittelte: die <strong>Burschenschaft</strong>. „Das<br />

Bildungsbürgertum bildete [...] genau<br />

jene Fähigkeit des sozialen Lernens<br />

aus, die notwendig wurde“, schreibt


der Historiker Wolfgang Hardtwig.<br />

„<strong>Burschenschaft</strong>en [stellten sich] geradezu<br />

prononciert als Gesellungen<br />

zur Schulung der sozialen Lernfähigkeit<br />

dar. Diese erstreckten sich sowohl<br />

auf das konkrete berufliche Wissen als<br />

auch auf die allgemeine soziale Wahrnehmungs-,<br />

Verständigungs- und Konfliktfähigkeit.“<br />

Gebräuche war beträchtlich. Sie fanden<br />

schließlich ihre Entsprechungen in<br />

der bürgerlichen Welt und sollten vor<br />

allem in der Zeit der burschenschaftlichen<br />

Sinnkrise nach der Reichsgründung<br />

1871 der <strong>Burschenschaft</strong> ihren<br />

Stempel aufdrücken. Bürgertum und<br />

<strong>Burschenschaft</strong> beschafften sich eine<br />

aristokratische Patina.<br />

Bürgerliche Tugenden<br />

Prägende Wirkung<br />

Diese Schulen vermittelten nicht nur<br />

neue Fähigkeiten. Unter dem Begriff<br />

„Sittlichkeit“ pflegte man auch neue,<br />

„bürgerliche“ Werte und Tugenden. Ein<br />

neuer Ehrbegriff begann, einen Gegenentwurf<br />

zur alten aristokratischen Standesehre<br />

zu bilden. Es ging um Ehre aus<br />

sittlichem Denken und Handeln heraus<br />

anstelle von Ehre durch Abstammung,<br />

um „Wissenschaftlichkeit“ und ernsthaftes<br />

Studium statt Schlendrian und<br />

Pennalismus, um Vernunft und Arbeit<br />

am Ideal statt Affekt und roher Kraft,<br />

um Ehrengerichte statt unbedingter Satisfaktion.<br />

Was ein „Ehrenmann“ war,<br />

das begannen Bürger und Adelige unterschiedlich<br />

zu sehen.<br />

Allerdings war der Wandel nicht vollständig.<br />

Es fehlte die Bereitschaft,<br />

Elemente aristokratischer Standesehre<br />

völlig aufzugeben, zum Beispiel das Duell,<br />

das im Sinne eines bürgerlichen Individualismus<br />

neu begründet<br />

wurde. Die Anziehungskraft<br />

des uralten adeligen<br />

Selbstverständnisses<br />

und<br />

der entsprechenden<br />

Riten und<br />

„<br />

<strong>Burschenschaft</strong>en<br />

Die Wirkung des Lernprozesses, an<br />

dem die <strong>Burschenschaft</strong> ihren Anteil<br />

hatte, war enorm und prägte den Nationalcharakter<br />

der <strong>Deutsche</strong>n. Umfassende<br />

Bildung und Wissen (das „Land<br />

der Dichter und Denker“), Disziplinierung,<br />

Gründlichkeit etc. wurden zum<br />

Synonym für „deutsch“. Auch einige<br />

der Symbole, die man heute für selbstverständlich<br />

urdeutsch hält, fanden<br />

erst nach 1800 Eingang ins nationale<br />

Bewusstsein. So wurde beispielsweise<br />

erst damals die Eiche zum „deutschen“<br />

Baum. Ursprünglich war deren Symbolik<br />

eher mit den Römern oder auch<br />

den Franzosen verknüpft; der ureigene<br />

Baum der <strong>Deutsche</strong>n ist die Linde,<br />

der Gerichtsbaum der Germanen. Das<br />

Eichenlaub war ein französisches Freiheitssymbol,<br />

das die <strong>Burschenschaft</strong>er<br />

gerne übernahmen.<br />

stellten<br />

sich als Gesellungen zur<br />

Schulung der sozialen<br />

Lernfähigkeit dar.”<br />

Alexander von Humboldt berichtete<br />

Erstaunliches von seiner Forschungsreise<br />

nach Südamerika.<br />

Phase dramatischer<br />

Veränderungen<br />

Die Menschen zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

erlebten eine Phase dramatischer<br />

politischer, gesellschaftlicher,<br />

wissenschaftlicher und technologischer<br />

Entwicklungen, die in ihrer Tragweite<br />

den heutigen nicht nachstehen,<br />

diese vielleicht sogar übertreffen.<br />

Bürgertum und burschenschaftliche<br />

Avantgarde antworteten mit Lernbereitschaft.<br />

Wenn sie den Lauf der<br />

Dinge auch nicht ändern konnten, so<br />

blieb ihnen doch immerhin, sich selbst<br />

zu ändern. Das Ergebnis prägte die<br />

entstehende Nation und die nachfolgenden<br />

Epochen der deutschen Geschichte<br />

bis heute.<br />

Der „Adler“ (hier ein Nachbau) verband<br />

ab 1835 Nürnberg und Fürth. „Raum<br />

und Zeit sind schwankend geworden!“,<br />

sollte Heinrich Heine später sagen.<br />

(Foto: Jürgen Heegmann)<br />

academicus 1/20<strong>13</strong>


Staatsbürgerplattform<br />

Zum Geleit<br />

Liebe Verbandsbrüder,<br />

Kleinanzeigen im academicus mögen ein befremdlicher Anblick sein. Aber warum nicht, wenn sie einem<br />

sinnvollen Zweck dienen? Die hier erstmals vorgelegte „Plattform für staatsbürgerliches Engagement“<br />

(kurz: Staatsbürgerplattform) zeigt auf, mit welchen staatsbürgerlichen oder gesellschaftlichen Themen<br />

sich Verbandsbrüder beschäftigen, und lädt zum Mitmachen ein. Die Plattform ist eine Initiative unseres<br />

Verbandes, um das gemeinsame staatsbürgerliche Engagement der Verbandsbrüder zu fördern und um<br />

einen konkreten Beitrag zum gemeinwohlorientierten Wirken der <strong>Burschenschaft</strong> zu leisten.<br />

Die Teilhabemöglichkeiten der Verbandsbrüder reichen vom Gedankenaustausch über Publikationen im<br />

academicus, dem Referieren vor Bünden oder auf Verbandsveranstaltungen bis hin zur Gründung von<br />

Arbeitsgruppen oder dauerhaften Initiativen, gerne über die Verbandsgrenzen hinweg.<br />

Wir rufen alle Verbandsbrüder zum Mitmachen auf. Schildern Sie, was Sie beschäftigt und welche<br />

politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen oder sozialen Themen Sie gemeinsam mit anderen<br />

Verbandsbrüdern gerne aufgreifen würden. Wir freuen uns auf Ihre Beiträge.<br />

Für den Vorstand – Bernd Preiß<br />

Stellvertretender Vorsitzender der <strong>Neue</strong>nDB<br />

Spende<br />

für<br />

Fritz Reuters<br />

Andenken<br />

Stadt und VAB Eisenach<br />

erbitten Spenden für die<br />

Grabstätte des <strong>Burschenschaft</strong>ers<br />

Fritz Reuter –<br />

auch kleine Beträge helfen!<br />

Informationen und<br />

Kontakt auf Seite 32<br />

Die Muttersprache hochhalten<br />

Wer in seiner Muttersprache schludert, zerstört die Wurzeln<br />

seiner Kultur. Darum lebe die Pflege der Sprachen in allen Ländern<br />

und Volksgruppen! Europa braucht die Vielfalt, kann aus<br />

Unterschieden Nutzen ziehen und aus vielen Quellen nur Heilsames<br />

schöpfen. Mischen erzeugt Ungenießbares und führt in<br />

die Irre. Seit fast 200 Jahren bemüht sich die <strong>Burschenschaft</strong><br />

um Vaterlandsliebe. Dazu zählt auch die Sprachkultur in der<br />

Muttersprache. Darin nicht zu schludern, ist Gebot für jede<br />

Generation: Mitmachen kostet nichts. Nur ein wenig Selbstbewusstsein.<br />

Kontakt: Hans-Peter Schmidt,<br />

Bubenreuther Erlangen,<br />

HP.Schmidt@t-online.de<br />

DKMS<br />

Die <strong>Neue</strong>DB unterstützt die<br />

<strong>Deutsche</strong> Knochenmarkspenderdatei<br />

(DKMS) durch die<br />

Teilnahme ihrer Mitglieder<br />

an Knochenmark-Typisierungen<br />

sowie durch Spenden.<br />

Geldspende: Sparda-Bank<br />

Hessen, Konto 3950060,<br />

BLZ 50090500, Verwendungszweck<br />

„DKMS“<br />

Typisierung: Infos unter<br />

www.dkms.de<br />

Föderalismus: Weniger ist mehr!<br />

Deutschland kann sich 16 Königreiche in Form von Bundesländern<br />

auf Dauer nicht leisten. 16 Länderparlamente und -regierungen<br />

gehen ins Geld, der Bundesrat ist zu mächtig, die Grenzen der<br />

Bundesländer sind Mobilitätsgrenzen für Schüler oder Beamte. Wir<br />

brauchen funktionsfähige Regionaleinheiten, aber keine kostspieligen<br />

Klein- und Kleinstkönigreiche! <strong>Burschenschaft</strong> steht traditionell<br />

gegen Kleinstaaterei – es gibt viel zu tun, auch nach 200 Jahren!<br />

Kontakt: Norbert Seid, Markomannia Kaiserslautern, norbert.seid@gmail.com<br />

22<br />

academicus 1/20<strong>13</strong>


<strong>Burschenschaft</strong>er sein –<br />

ein Leitbild<br />

Der demographische<br />

Tsunami<br />

Die Arbeitsgruppe Zukunft (AGZ) möchte ein<br />

burschenschaftliches Leitbild herausbringen.<br />

Es soll auf zukunftsorientierte Weise rund<br />

20 zentrale Handlungs- und Problemfelder<br />

unseres Vaterlandes aufzeigen (einige stehen<br />

auf dieser academicus-Seite) und aus diesen<br />

ableiten, was es im 21. Jahrhundert bedeuten<br />

muss, <strong>Burschenschaft</strong>er zu sein. Das Dokument<br />

soll so gestaltet werden, dass es auch<br />

als Image-Broschüre dienen kann. Wir suchen<br />

Verbandsbrüder, die bereit sind mitzuwirken.<br />

Kontakt: Bernd Preiß, Bubenreuther<br />

Erlangen, email@berndpreiss.de<br />

Die Finanzkrise ist nur der<br />

Ausläufer eines demographischen<br />

Tsunamis. Früher<br />

haben wir die Augen<br />

davor verschlossen, weil<br />

er weit weg schien. Heute<br />

ist schon ein großes Stück<br />

Verzweiflung dabei.<br />

Doch das Problem ist keineswegs<br />

schicksalhaft. Die<br />

Rechnung für uns <strong>Burschenschaft</strong>er<br />

muss lauten:<br />

<strong>Burschenschaft</strong> will Gesellschaft<br />

gestalten + Der<br />

demographische Wandel<br />

trifft den Lebensnerv der<br />

Gesellschaft – Anpacken!<br />

Mehr auf Seite 14.<br />

Kontakt: Jürgen Winter,<br />

Bubenreuther Erlangen,<br />

info@rechtsfragen.org<br />

<strong>Neue</strong>-<br />

DB-<br />

Akademie<br />

Erfolg durch Wissen und<br />

Kompetenz: Die <strong>Neue</strong>DB-<br />

Akademie e.V. bietet Studierenden<br />

aller Fakultäten<br />

umfassende Angebote<br />

zur Persönlichkeitsbildung<br />

sowie zur ergänzenden<br />

beruflichen Qualifikation.<br />

Spendenkonto: Sparkasse<br />

Forchheim, Konto<br />

77933, BLZ 76351040<br />

Kontakt: Prof. Dr. med.<br />

H. Liehr, kontakt@<br />

neuedb-akademie.de<br />

Jetzt<br />

mitmachen!<br />

Jubiläum<br />

2015<br />

Die <strong>Neue</strong>DB plant die Ausrichtung eines Jubiläumsjahres<br />

2015 an jedem Hochschulort des Verbands. Hierzu soll<br />

zentral eine Ausstellung zusammengestellt werden. Interessierte<br />

<strong>Burschenschaft</strong>er werden gesucht!<br />

Kontakt: Rüdiger Fiedler, Frankonia Gießen,<br />

dr.r.fiedler@gmx.de<br />

„Letzte Seite“:<br />

Vorschläge gesucht!<br />

Die Rückseite des academicus gehört<br />

einem guten Zweck. Gemeinnützige<br />

oder andere für das Gemeinwohl aktive<br />

Organisationen können hier kostenlos<br />

für sich werben. Vorschläge durch<br />

Verbandsbrüder werden erbeten!<br />

Kontakt: academicus@neuedb.de<br />

Die „Plattform für staatsbürger liches Engagement“ ist<br />

eine Ini ti ative der <strong>Neue</strong>n <strong>Deutsche</strong>n Bur schenschaft e.V.,<br />

um das gemeinschaftliche staatsbürgerliche En gage ment<br />

der <strong>Neue</strong>DB-Mit glie der zu fördern und einen konkreten<br />

Beitrag zum gemeinwohlorientierten Wirken der <strong>Burschenschaft</strong><br />

zu leisten.<br />

Die in der Staatsbürgerplattform vorgestellten In halte<br />

spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung des Verbandes<br />

oder der Mehrheit seiner Mitglieder wider.<br />

Zusendungen an academicus@neuedb.de<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

23


MEINUNGSDUELL<br />

Braucht die <strong>Burschenschaft</strong><br />

einen geeinten Dachverband?<br />

von<br />

Sven-Patrick Schwarz<br />

Franconia Freiburg (2010) und Alemannia Marburg<br />

Sven-Patrick Schwarz<br />

PRO<br />

„<br />

Sehen<br />

Die Forderung und der Wunsch nach<br />

Einheit innerhalb der <strong>Burschenschaft</strong>,<br />

die (Wieder-)Errichtung eines gemeinsamen<br />

Bundes, in dem sich alle vereint<br />

befinden, ist lohnendes Ziel und<br />

zugleich Auftrag für uns.<br />

Genauso wie es bereits von Jahn und<br />

Friesen 1811 erhoben wurde: „Die<br />

gesamte <strong>Burschenschaft</strong> jeder hohen<br />

Schule macht ein Ganzes aus, ein freies<br />

Gemeinwesen freier Leute. Alle besonderen<br />

Vereinigungen sind dadurch<br />

aufgehoben, abgethan, für todt und<br />

nichtig erklärt. […] Um nun das Burschenleben<br />

und den Burschenbrauch<br />

nach der möglichst besten Form zu<br />

gestalten, ist es wünschenswert, daß<br />

alle, welche von den Vorzügen des<br />

Burschenlebens überzeugt und dasselbe<br />

aufs neue hervorzurufen bereit<br />

sind, sich vereinen zu einer allgemeinen<br />

<strong>Burschenschaft</strong>, die soweit es<br />

möglich und den Wünschen des Einzelnen<br />

angemessen ist, alle brave Burschen<br />

umfassen soll zu einem freien,<br />

ehrlichen, deutschen Verein, und sie<br />

wir uns in der Tradition<br />

der <strong>Burschenschaft</strong>lichen<br />

Bewegung, so müssen wir<br />

versuchen, die Einigung<br />

wiederherzustellen.“<br />

umschlinge mit dem Bande der gleichen<br />

Rechte, des gleichen Zwecks und<br />

einer innigen brüderlichen Gemeinschaft.“<br />

Daher ist es nur logisch, diese<br />

Gemeinschaften auch in einem Bund<br />

zusammenzubringen.<br />

Wir haben verlernt, anderen Argumenten<br />

als unseren eigenen zuzuhören<br />

und sie auch zu respektieren,<br />

wenn wir ihnen nicht zustimmen.<br />

Ja, die Geschichte der Bewegung ist<br />

auch eine Geschichte der Abspaltungen<br />

und Gegensätze, aber auch eine,<br />

die diesen Wunsch nach Einheit nie<br />

aufgeben wollte. Das Beharren auf<br />

dem alleinigen Recht der Auslegung<br />

und Repräsentation führt nicht zum<br />

Verhandlungstisch, sondern fordert<br />

auf, sich dagegen aufzulehnen. Wir<br />

haben die Brüderlichkeit verlernt. Wir<br />

hassen mehr das, was andere Brüder<br />

nicht machen oder tun, als dass wir<br />

versuchen, sie zu verstehen und zu<br />

integrieren.<br />

Für mich als <strong>Burschenschaft</strong>er<br />

stellt sich nicht die Frage, ob wir<br />

einen umfassenden<br />

Bund<br />

haben wollen –<br />

sondern wie wir<br />

diesen Auftrag<br />

erfüllen können.<br />

Sehen wir uns<br />

in der Tradition<br />

der <strong>Burschenschaft</strong>lichen Bewegung,<br />

so müssen wir versuchen, die<br />

Einigung wiederherzustellen.<br />

Die Gefahr, dass eine solche Einheit<br />

zu einem Sammelbecken verkommen<br />

könnte, ist absonderlich, so<br />

als würde man sagen, dass ein Volk<br />

nur ein Sammelbecken für Einzelne<br />

ist. Wir müssen unsere Ansprüche,<br />

Forderungen und Verhaltensweisen<br />

hinterfragen und einer kritischen Untersuchung<br />

unterziehen. Wir sollten<br />

aufhören, unsere Bedeutung künstlich<br />

zu überhöhen, und stattdessen<br />

anfangen, konkret zu überlegen, was<br />

wir heute überhaupt sind, darstellen<br />

und wollen. Welchem Zweck und welchen<br />

Zielen wollen wir uns in dieser<br />

Einheit verschreiben? Eine Antwort<br />

kann nur gefunden werden, wenn wir<br />

aufhören, lediglich in kleinen homogenen<br />

Gruppen zu diskutieren.<br />

Aber statt dass wir anfangen, uns zu<br />

bemühen, alle Richtungen und Gruppierungen<br />

der Bewegung an den<br />

Verhandlungstisch zu bringen, tun<br />

wir was? Wir feiern den Zerfall anderer<br />

korporativer Zusammenschlüsse.<br />

Und: Woran arbeiten wir? Was machen<br />

wir eigentlich? Wir trinken Bier!<br />

Hören wir auf zu streiten und uns<br />

gegenseitig Vorwürfe zu machen und<br />

beenden wir den Zwist, der uns davon<br />

abhält, gemeinsam groß zu sein.<br />

24<br />

academicus 1/20<strong>13</strong>


TITEL<br />

Sie möchten sich zu einem bestimmten Thema »duellieren«?<br />

Bitte senden Sie Ihr Thema an meinungsduell@neuedb.de<br />

Martin Haape<br />

Contra<br />

Jeder, der die These vertritt, die <strong>Burschenschaft</strong><br />

müsste sich aus ihrer<br />

Tradition heraus unter einem einheitlichen<br />

Dach zusammenfinden, sollte<br />

wohl zunächst zur Kenntnis nehmen,<br />

dass die urburschenschaftliche Forderung<br />

nicht die Einheit der <strong>Burschenschaft</strong>,<br />

sondern die Einheit aller<br />

Studenten unter einem gemeinsamen<br />

Dach wollte. Dass diese Forderung<br />

natürlich unmöglich umzusetzen ist,<br />

versteht sich wohl von ganz alleine.<br />

Nun könnte man doch entgegenhalten,<br />

dass dann doch zumindest<br />

die Einheit der <strong>Burschenschaft</strong><br />

zu erstreben wäre – wie zur<br />

Gründung der Allgemeinen<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong> im<br />

Oktober 1818 zu Jena. Doch<br />

auch hier erfolgten die wirkliche<br />

Arbeit und die Ausarbeitung<br />

von Positionen stets in kleinen<br />

Arbeitskreisen. Dieser Bund löste<br />

sich bereits 1822 wieder auf.<br />

Damit begann die Zersplitterung des<br />

Studententums erneut.<br />

Doch warum sollte man eine neue<br />

Vereinigung ablehnen? Die <strong>Burschenschaft</strong><br />

ist ihrer Art nach eine politische<br />

Organisation, die sich über die<br />

politische Forderung und über den<br />

Diskurs miteinander definieren muss,<br />

will sie nicht ihren Anspruch verlieren.<br />

Wo es um politische Forderungen<br />

von<br />

Martin Haape<br />

Rugia Darmstadt (2010)<br />

geht, da prallen verschiedene Meinungen<br />

aufeinander.<br />

An dieser Stelle muss man sich eine<br />

wichtige Frage stellen: Möchte ich<br />

einen Verband, der eine politische<br />

Stellung bezieht? Will ich dies, so<br />

muss ich mir eingestehen, dass diese<br />

Stellungnahme dann vermutlich<br />

einem Großteil der Bünde und deren<br />

Mitgliedern zuwiderläuft. Damit ist<br />

die Einheit auch nicht hergestellt.<br />

Entscheide ich mich gegen einen<br />

politischen Verband, dann möchte<br />

„<br />

Zum Biertrinken<br />

brauchen wir<br />

keinen einheitlichen<br />

Verband.“<br />

ich vermutlich eine Plattform zum<br />

Austausch und überlasse die Stellungnahmen<br />

den Einzelbünden. Ein<br />

solcher Verband ist eben keine Einheit,<br />

sondern lediglich ein formelles<br />

Sammelbecken für Bünde mit politischem<br />

Anspruch, die sich <strong>Burschenschaft</strong>en<br />

nennen. Ein Verband kann<br />

ergo lediglich als Plattform für die<br />

sogenannte „burschenschaftliche<br />

Arbeit“ genutzt werden. Hierzu bedarf<br />

es jedoch eines gemeinsamen<br />

Zieles und des gemeinsamen Ziehens<br />

an einem Strang.<br />

Dies kann nicht über die Masse aller<br />

Bünde, sondern allein – und hier bin<br />

ich wieder bei der Urburschenschaft<br />

– in kleinen Kreisen entstehen. Aber<br />

seien wir doch einfach ehrlich mit<br />

uns selbst: Woran arbeiten wir? Was<br />

machen wir eigentlich? Wir trinken<br />

Bier! Und das nicht erst seit einigen<br />

Jahren, sondern seit fast einem Jahrhundert.<br />

Zum Biertrinken<br />

brauchen wir keinen einheitlichen<br />

Verband! Und<br />

wenn wir dann einmal<br />

wegen etwas anderem öffentliche<br />

Aufmerksamkeit<br />

erlangen, dann ist unsere<br />

Bedeutung so gering (und<br />

das wäre auch in einem<br />

gemeinsamen Verband<br />

so!), dass es keine Rolle<br />

spielt. So lange es also nirgends gelingt,<br />

aus unserer Mitte eine wirklich<br />

greifbare und konkrete Zielsetzung<br />

aller Bünde zu generieren, die etwas<br />

wirklich <strong>Neue</strong>s, Erstrebenswertes<br />

präsentiert, so lange werden wir<br />

auch auf unserem Bier festsitzen und<br />

uns einreden, wir könnten bloß über<br />

eine einheitliche <strong>Burschenschaft</strong> irgendetwas<br />

Wichtiges erreichen.<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

25


verbandsleben<br />

<strong>Neue</strong>s<br />

aus der Anstalt!<br />

Liebe Verbandsbrüder, falls Sie einmal im Impressum<br />

des Seminarkatalogs 2012 der <strong>Neue</strong>nDB-Akademie<br />

e.V. geblättert haben, ist Ihnen sicherlich<br />

etwas aufgefallen: Mit der Erfahrung aus mehr<br />

als 250 Veranstaltungen haben wir zwölf Renner<br />

als „Basisseminare“ zusammengefasst. Diese<br />

Veranstaltungen werden weiterhin nach dem<br />

langjährigen Erfolgsslogan der Firma Kodak<br />

abgewickelt: „You push the button – we do the<br />

rest!“ Die Bünde bestellen ein Seminar und garantieren<br />

genügend Teilnehmer – um alles andere<br />

kümmert sich die Akademie.<br />

26<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

14 weitere Seminarthemen bilden die Gruppe der<br />

„Aufbau- und Spezialseminare“. Für diese Veranstaltungstypen<br />

stimmen die Referenten der Akademie<br />

mit dem veranstaltenden Bund die Themenschwerpunkte<br />

nach den Wünschen der Teilnehmer<br />

ab. Ziel ist es dabei, selbstverantwortliches Lernen<br />

auf überfachlichen Kompetenzfeldern anzuregen.<br />

Kurz gesagt: In Zukunft liefern wir so sowohl bewährte<br />

Konfektion als auch Maßgeschneidertes –<br />

eben was das Herz begehrt und die Ratio gewährt!<br />

<strong>Neue</strong> DB-Akademie vor<br />

dem „Ausbruch“?<br />

Bisher hat die Akademie vereinzelt auch für Veranstalter<br />

gearbeitet, die nicht Mitglied unseres<br />

Verbands waren. Das kann in Zukunft zum festen<br />

Bestandteil werden. Auf den „Bonner Märzgesprächen“<br />

der wachsenden Gruppe nicht mehr<br />

verbandsgebundener <strong>Burschenschaft</strong>en hat<br />

unser Verbandsbruder Dr. von Wiese (Teutonia<br />

Hannover) für die Akademie geworben. Fünf<br />

Bünde haben bereits Informationsmaterial zur<br />

Akademie erhalten. Falls ein „Ausbruch“ auf ein<br />

erweitertes Feld studentischer Gemeinschaften<br />

gelingt, werden wir unseren Stamm an Trainern<br />

und Referenten erweitern.<br />

In diesem Zusammenhang die Frage: Wer hat<br />

Lust und Zeit, seine wertvollen Berufserfahrungen<br />

in Seminarform zu kleiden? Zögern Sie nicht,<br />

sich bei der Leitung der Akademie oder bei mir<br />

zu melden, um die Modalitäten zu erfahren. Vielleicht<br />

ist die Arbeit als Trainer für Sie heute noch<br />

ungewohnt? Zur Vorbereitung bieten wir Ihnen<br />

einen speziellen Train-the-Trainer-Kurs an. Aufbau,<br />

Durchführung und Lernerfolgssicherung in<br />

Seminaren werden dabei ohne Stress eingeübt.<br />

Wir begleiten Sie sogar bei den ersten Veranstaltungen<br />

als Co-Trainer! Aus eigener Erfahrung<br />

warne ich Sie – Trainer-Erfolg kann auch süchtig<br />

machen: Die Chance, sich anzustecken, steht eindeutig<br />

höher als als ein Gewinn im Lotto!<br />

Ihr Jürgen Schlien (Arminia Karlsruhe)<br />

für die <strong>Neue</strong>DB-Akademie e.V.


geschichte<br />

„<br />

Es ist eine gemeinsame<br />

Verpflichtung, unsere Vergangenheit<br />

zu erforschen, unabhängig von<br />

aktuellen Unterschieden, ja gar<br />

Streitigkeiten.“<br />

von<br />

Dr. Klaus Oldenhage<br />

<strong>Burschenschaft</strong> der Norddeutschen und<br />

Niedersachsen Bonn (1960), <strong>Burschenschaft</strong> Germania Trier<br />

<strong>Burschenschaft</strong>liche Geschichte ist unteilbar<br />

Die GfbG steht a l l e n<br />

<strong>Burschenschaft</strong>en offen<br />

Die Arbeit der Gesellschaft für burschenschaftliche<br />

Geschichtsforschung (GfbG) hebt nach Auffassung des<br />

Frankfurter Stadtarchivars Wolfgang Klötzer „erstens die<br />

burschenschaftliche Selbstbetrachtung aus der reinen<br />

Verbindungs- und Vereinssphäre auf die Ebene allgemeiner<br />

Geschichtsbetrachtung. Zweitens stellt sie durch die<br />

Fühlung nahme mit den Einzelburschenschaften, durch<br />

ihre wissenschaftlichen Beziehungen zum Bundesarchiv,<br />

zu den Universitätsbibliotheken und Staatsarchiven<br />

Kontakte her, die in unserer Zeit geeignet scheinen, die<br />

Gemeinsamkeiten, die existentiellen Berührungspunkte<br />

auf staatlichem, kulturellem und sozialem Sektor aufzuzeigen<br />

und zwingend bewußt werden zu lassen.“ Diesem<br />

verpflichtenden Urteil eines Außenstehenden möchte die<br />

GfbG auch künftig gerecht werden.<br />

Anregungen für Gegenwart<br />

und Zukunft<br />

Schon die Altmeister der burschenschaftlichen Historiker<br />

um Herman Haupt (Arminia Würzburg, Germania und<br />

Frankonia Gießen), Georg Heer (Arminia Marburg) und<br />

Paul Wentzcke (Alemannia Straßburg, Germania Würzburg,<br />

Marchia Köln/Bonn) wollten mit ihren Arbeiten „der<br />

heutigen burschenschaftlichen Jugend auch fruchtbare<br />

Anregungen für Gegenwart und Zukunft […] bieten“, indem<br />

sie ihnen Kenntnisse burschenschaftlicher Geschichte<br />

vermittelten. Sie hofften: „Wenn nicht jede Begeisterungsfähigkeit<br />

ausgestorben ist, so muß unsere ruhmreiche<br />

Geschichte jeden einzelnen, der sich mit ihr beschäftigt,<br />

begeistern und erheben.“<br />

Diese Hoffnung haben wir auch heute, schwierig ist jedoch<br />

ihre Umsetzung im Alltag. Umso wichtiger sind berufliches<br />

Ethos, das Abwägen jedes Vorgangs und dessen möglichst<br />

objektive Beschreibung, „wie es eigentlich gewesen ist“ (Ranke).<br />

Damit sind Polemik und Propaganda, wie in der Mitte des<br />

19. Jahrhunderts inner- und außerhalb der Korporationsverbände,<br />

nicht vereinbar. Folglich muss auch burschenschaftliche<br />

Geschichtsforschung unabhängig sein, ohne sich von den<br />

burschenschaftlichen Verbänden zu trennen, die sie, meist<br />

durch Subskription, Bezuschussung oder Pflichtabnahme der<br />

Werke, finanzieren. Ein Spannungsverhältnis zwischen burschenschaftlicher<br />

Politik und historischer Forschung wurde<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

27


oft spürbar – vor 1914 und nach 1918, um 19<strong>34</strong>/35 sowie<br />

nach 1945. Ein vertretbarer Ausgleich gelang stets. Die niemals<br />

aufgelöste GfbG arbeitet mit dem Bundesarchiv zusammen,<br />

ab 1952 erst in Frankfurt am Main, heute in Koblenz.<br />

Dies bietet sich fachlich und finanziell an, weil die Kosten einer<br />

Lagerung der Archivalien in eigenen Räumen um ein Vielfaches<br />

höher wären als die weitgehend von der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Burschenschaft</strong> getragenen Personalkosten.<br />

Bis 1726 zurückreichend<br />

Die Bestände von<br />

Archiv und Bücherei<br />

umfassen mehrere<br />

Abteilungen,<br />

insgesamt etwa<br />

500 laufende Meter.<br />

Die Abteilung<br />

Archivgut, deren<br />

Bestand teilweise<br />

bis 1726 zurückreicht,<br />

war in der Zeit bis 1945/49 Eigentum der GfbG, für<br />

die Zeit danach gehört sie burschenschaftlichen Verbänden,<br />

<strong>Burschenschaft</strong>en und <strong>Burschenschaft</strong>ern, sofern diese<br />

einen Eigentumsvorbehalt ausgesprochen haben. Eine<br />

informative Beschreibung des Archivguts findet sich im<br />

PDF-Dokument „Archiv und Bücherei“ im Bundesarchiv Koblenz<br />

(Bestand DB 9) von Harald Lönnecker (2012): http://<br />

www.burschenschaftsgeschichte.de/studentenhistorische_<br />

publikationen.htm.<br />

Die Bücherabteilung verfügt über etwa 8.000 Bücher und 220<br />

Zeitschriften. Besonders hervorzuheben ist die Burgkeller-<br />

Bücherei, die einzige erhaltene Bibliothek einer Korporation<br />

aus dem Vormärz.<br />

Alle Abteilungen enthalten nicht nur Schrifttum von <strong>Burschenschaft</strong>en<br />

und burschenschaftlichen Verbänden, sondern<br />

auch die Veröffentlichungen anderer Korporationen<br />

und deren Verbände, darüber hinaus auch Material zur allgemeinen<br />

Studenten- und Hochschulgeschichte.<br />

Die dritte und kleinste Abteilung umfasst Bilder und andere<br />

Zeugnisse des studentischen Brauchtums wie Wappen,<br />

Silhouetten, Mützen, Bänder, Pekeschen, Schärpen, Pfeifenköpfe,<br />

Trinkgefäße und andere Gebrauchsgegenstände.<br />

Archiv und Bücherei sind Grundlagen für Veröffentlichungen<br />

der GfbG und deren Vorgänger: Von 1910 bis 1940 waren<br />

es 17 Bände „Quellen und Darstellungen zur Geschichte der<br />

<strong>Burschenschaft</strong> und der deutschen Einheitsbewegung“, dazu<br />

„<br />

Geschichte wiederholt<br />

sich nicht, aber wir<br />

können aus ihr lernen!“<br />

sechs Beihefte, Sonderausgaben und zwei Bände <strong>Burschenschaft</strong>erlisten.<br />

Der Zweite Weltkrieg machte die GfbG nicht<br />

handlungsunfähig; der Vorstand um Paul Wentzcke setzte<br />

seine Tätigkeit unbeirrt fort und sorgte vor allem für die<br />

finanziellen Voraussetzungen, um ab 1951 neue Veröffentlichungen<br />

zu ermöglichen: 1955 die Neuauflage und -bearbeitung<br />

Wentzckes rund 30 Jahre zuvor erstmals erschienenen<br />

Standardwerks „Die deutschen Farben“ und die seit<br />

1957 erscheinende neue Reihe „Darstellungen und Quellen<br />

zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten<br />

und zwanzigsten Jahrhundert“, deren 20. Band<br />

im September<br />

2012 erschienen<br />

ist. Dazu<br />

kamen zahlreiche<br />

andere Veröffentlichungen,<br />

Sonder- und Jahresausgaben,<br />

bisher sechs,<br />

bald acht Bände<br />

des „Biographischen<br />

Lexikons der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong>. Band I:<br />

Politiker“ mit fast 5.000 Kurzbiografien.<br />

Finanzielle und geistige<br />

Unabhängigkeit<br />

Alle der Geschichtsforschung verpflichteten <strong>Burschenschaft</strong>er<br />

sind in der Überzeugung verbunden, sich finanzielle und<br />

geistige Unabhängigkeit zu erhalten, damit wir – um es mit<br />

Herman Haupt zu sagen – „nicht auf jede Wendung der aktiven<br />

<strong>Burschenschaft</strong>en Rücksicht zu nehmen haben“. In der<br />

Praxis brauchen wir nicht nur die Fortsetzung der 60-jährigen<br />

erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv,<br />

sondern auch die moralische und finanzielle Unterstützung<br />

möglichst vieler <strong>Burschenschaft</strong>er jenseits aller Verbandsgrenzen.<br />

Geschichte wiederholt sich nicht, aber wir können<br />

aus ihr lernen!<br />

Christian Hünemörder (Alemannia Bonn) war von 1986/87<br />

bis 2005 Vorsitzender der GfbG. Sein Beispiel zeigt, dass<br />

auch <strong>Burschenschaft</strong>en, Altherrenverbände und einzelne<br />

<strong>Burschenschaft</strong>er der <strong>Neue</strong>nDB in der GfbG ebenso willkommen<br />

sind wie alle anderen, einschließlich aller örtlichen<br />

VABVAB. Alle werden benötigt, weil es eine gemeinsame<br />

Verpflichtung ist, unsere Vergangenheit zu erforschen, unabhängig<br />

von aktuellen Unterschieden, ja gar Streitigkeiten.<br />

28<br />

academicus 1/20<strong>13</strong>


geschichte<br />

von<br />

Arnulf Baumann<br />

<strong>Burschenschaft</strong> der Bubenreuther (1951)<br />

„<br />

Die<br />

’<br />

Schrebergärten’ boten<br />

der Stadtbe völkerung<br />

die Möglichkeit, zu einer<br />

gesünderen Lebensweise<br />

zu finden.“<br />

Aus unseren Reihen:<br />

Turner, Arzt und Vorkämpfer<br />

Daniel Gottlob Moritz Schreber<br />

(1808–1861)<br />

Schrebergärten kennt jeder, ihren Namensgeber jedoch<br />

kaum jemand. Dabei sind von Moritz Schreber wichtige<br />

Anregungen ausgegangen, die eng mit der <strong>Burschenschaft</strong><br />

und ihrer Wirkungsgeschichte zusammenhängen – ein<br />

Grund, sich einmal näher mit ihm zu befassen.<br />

Geboren wurde Daniel Gottlob Moritz Schreber am 15. Oktober<br />

1808 in Leipzig als Sohn eines Rechtsanwalts. Über<br />

seine Jugend ist wenig bekannt. Überliefert ist lediglich,<br />

dass er die altehrwürdige Thomasschule seiner Heimatstadt<br />

besuchte, wo er sicherlich mit burschenschaftlichen<br />

Bestrebungen in Berührung kam. Gerade während Schrebers<br />

Schulzeit waren diese an der Thomana nämlich besonders<br />

ausgeprägt. Vor allem das Turnen wurde gepflegt: Es<br />

wurde von der Schulleitung wohlwollend geduldet und von<br />

ehemaligen <strong>Burschenschaft</strong>ern unter den Lehrern gefördert.<br />

Überliefert ist auch, dass Schreber seit seiner Studienzeit<br />

ab 1826 in Leipzig ein begeisterter Turner war – eine<br />

Leidenschaft, die er unter den damaligen Bedingungen wohl<br />

nur im Zusammenhang mit der <strong>Burschenschaft</strong> ausprägen<br />

konnte. Es spricht alles dafür, dass Schreber sich wie viele<br />

seiner Mitschüler nach seinem Schulabschluss der Leipziger<br />

<strong>Burschenschaft</strong> anschloss. Infolge derer internen Auseinandersetzungen<br />

und durch einen sich über viele Jahre<br />

hinziehenden Demagogenprozess gegen die Leipziger <strong>Burschenschaft</strong><br />

sind jedoch keine Unterlagen über seine Mitgliedschaft<br />

erhalten.<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

29


30<br />

Turnen zu Beginn des<br />

19. Jahrhunderts<br />

Berufliche Laufbahn<br />

Sein Medizinstudium absolvierte Schreber<br />

in den Jahren 1826 bis 1833 in Leipzig,<br />

danach war er einige Jahre Leibarzt<br />

eines russischen Adligen und begleitete<br />

diesen auf Reisen durch mehrere<br />

Länder Europas. Anschließend wurde<br />

er Privatdozent in Leipzig und gründete<br />

später eine Privatklinik. Schreber<br />

heiratete dann die Tochter eines Medizinprofessors,<br />

die Eheleute bekamen<br />

danach zwei Söhne und drei Töchter.<br />

Und Schreber gehörte zu den angesehenen<br />

Ärzten seiner Geburtsstadt.<br />

Seinem vielfältigen Wirken wurde jedoch<br />

bereits 1861 ein plötzliches Ende<br />

gesetzt, als Schreber an einer akuten<br />

Blinddarmentzündung starb. Sein<br />

Einsatz für die Volksgesundheit wirkt<br />

jedoch nach – bis heute.<br />

Gründung des Leipziger<br />

Turnvereins<br />

Schreber war in seiner Kindheit oft<br />

kränklich, gleichzeitig hatte er am eigenen<br />

Leibe erfahren, wie gut körperliche<br />

Übungen seiner Gesundheit taten.<br />

Da er seiner Turnbegeisterung auch<br />

später treu geblieben war, ist es nicht<br />

verwunderlich, dass er 1845 zu den<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

Mitgründern des Leipziger Turnvereins<br />

zählte, einer der ersten Turnvereine in<br />

Deutschland. Hier konnten unter Schrebers<br />

Anleitung Erwachsene – Beamte,<br />

Lehrer, Rechtsanwälte, ja sogar Professoren<br />

– ihre Körperkräfte entwickeln.<br />

Wohl im Zusammenhang damit widmete<br />

Schreber sich in seiner Klinik<br />

vor allem den Haltungsschäden von<br />

Kindern. Durchdrungen von der Überzeugung,<br />

dass Kinder in körperlicher<br />

wie geistiger Hinsicht unbegrenzt bildungsfähig<br />

seien, entwickelte Schreber<br />

vielerlei Methoden zur Korrektur<br />

solcher Fehlhaltungen, wobei er auch<br />

vor rigiden Maßnahmen – Festbinden<br />

am Bett, Apparate zur Verbesserung<br />

der Körperhaltung und dergleichen –<br />

nicht zurückschreckte. Diese aus heutiger<br />

Sicht manchmal absonderlichen<br />

Vorkehrungen galten zu seiner Zeit als<br />

fortschrittlich. Fortschrittlich war jedenfalls<br />

tatsächlich, dass Schreber die<br />

Prügelstrafe ablehnte und durch eigene<br />

Eintragungen der Kinder auf einer<br />

Tafel ersetzte; diese wurden einmal im<br />

Monat durch Schreber in großer<br />

Runde besprochen. Seine<br />

Behandlung erreichte hohes<br />

Ansehen unter wohlhabenden<br />

Eltern aus ganz Europa.<br />

1851 hatte Schreber selbst einen<br />

Unfall im Turnsaal seiner<br />

Klinik, der seine schon vorher<br />

auftretenden Kopfschmerzen derart<br />

verschlimmerte, dass er sich aus allen<br />

Ämtern zurückzog und die Leitung der<br />

Klinik weitgehend seiner Frau überließ.<br />

Als Zusammenfassung seiner Erfahrungen<br />

und Maßnahmen veröffentlichte<br />

Schreber unter Aufbietung all seiner<br />

Kräfte 1858 sein wissenschaftliches<br />

Hauptwerk „Kallipädie oder Erziehung<br />

zur Schönheit durch naturgetreue und<br />

gleichmäßige Förderung normaler<br />

Körperbildung, lebenstüchtiger Gesundheit<br />

und geistiger Veredelung“.<br />

Dieses Werk, das mehrmals aufgelegt<br />

wurde, war vor allem für Eltern bestimmt,<br />

enthielt aber auch Anregungen<br />

für Lehrer. Eine gekürzte Volksausgabe,<br />

der „Hausfreund“, erschienen in<br />

Schrebers Todesjahr 1861, fand jedoch<br />

nicht das vom Verfasser erhoffte Echo.<br />

Begründer der „Schwarzen<br />

Pädagogik“?<br />

Umstritten sind heute Schrebers pädagogische<br />

Anschauungen. Dabei geht<br />

es insbesondere um die Erziehung<br />

seiner eigenen Kinder, an denen er<br />

seine Erziehungsmethoden und Korrekturapparate<br />

zunächst erprobte, so<br />

wie auch seine Frau und er selbst ihre<br />

Körper durch tägliche gymnastische<br />

Übungen trainierten. Vor allem das<br />

Lebensschicksal seiner Söhne fand in<br />

den vergangenen Jahrzehnten Beachtung:<br />

Der ältere, Gustav, promovierter<br />

Jurist, brachte sich 1877 selbst ums<br />

Leben. Sein zweiter Sohn, Daniel Paul,<br />

brachte es zum Senatspräsidenten am<br />

Oberlandesgericht Dresden, wurde<br />

jedoch nervenkrank und starb nach<br />

mehreren Krankheitsschüben 1911<br />

in einer Leipziger Nervenheilanstalt.<br />

Kein Geringerer als Sigmund Freud<br />

„<br />

Schreber forderte<br />

ein Gleichgewicht<br />

von Genuss und<br />

Entbehrung in der<br />

Kindeserziehung.“


widmete ihm auf Grund der „Denkwürdigkeiten<br />

eines Nervenkranken“ eine<br />

eingehende psychologische Untersuchung,<br />

ohne ihn je gesehen zu haben.<br />

Dies alles führte dazu, dass Moritz<br />

Schreber heute vielfach als einer der<br />

Begründer der sogenannten „Schwarzen<br />

Pädagogik“ gilt. Es gehörte jedoch<br />

zu den Grundüberzeugungen<br />

seiner Zeit, dass zur Erziehung der<br />

Kinder auch das „Brechen“ von deren<br />

Eigensinn zählt. Schreber forderte ein<br />

Gleichgewicht von Genuss und Entbehrung<br />

in der Kindeserziehung und<br />

plädierte für Singen und Spielen als<br />

deren feste Bestandteile. Den Deutungen<br />

Freuds und anderer wird heute zunehmend<br />

widersprochen.<br />

Initiator der Kleingartenbewegung?<br />

Wenige Jahre nach Schrebers Tod<br />

wurde 1864 in Leipzig der erste Verein<br />

zur Umsetzung der Schreberschen<br />

Ideen begründet. Dieser legte einen<br />

Spiel- und Turnplatz für Kinder an, an<br />

dessen Rand auch kleine Beete für sie<br />

vorgesehen waren. Schrebers Schwiegersohn,<br />

der Schuldirektor Ernst Hauschild,<br />

schlug bei der Suche nach einem<br />

Namen für den Verein die Bezeichnung<br />

„Schreberverein“ vor. (Dieser Verein feiert<br />

2014 sein 150-jähriges Bestehen.) Er<br />

konnte sich dabei auf die Bemühungen<br />

Schrebers um die Förderung der körperlichen<br />

Betätigung an der frischen Luft<br />

durch „Leibesübungen“ berufen. Wie<br />

weit von Schreber selbst am Rande von<br />

Turnplätzen Gartenparzellen angelegt<br />

wurden, ist umstritten. Seine Töchter<br />

berichteten allerdings später, dass sie<br />

als Kinder in seinem großen Garten eigene<br />

Beete anlegen und pflegen durften.<br />

Der Namensvorschlag zu Ehren<br />

des bekannten Arztes fand großen Anklang.<br />

Jedoch wurde der Kleingartengedanke<br />

kaum von den Kindern aufgegriffen,<br />

sondern von deren Eltern. Die sich<br />

schnell ausbreitende Kleingartenbewegung<br />

hatte dadurch einen griffigen Namen;<br />

sie findet sich heute in allen Teilen<br />

Deutschlands, aber<br />

auch in Frankreich<br />

und den USA.<br />

Die „Schrebergärten“<br />

boten der durch die<br />

industrielle Revolution<br />

der Natur immer<br />

mehr entfremdeten<br />

und unter beengten Wohnverhältnissen<br />

leidenden Stadtbevölkerung die Möglichkeit,<br />

sich in freier Luft gärtnerisch zu<br />

betätigen und so zu einer gesünderen<br />

Lebensweise zu finden.<br />

Auswirkungen der<br />

<strong>Burschenschaft</strong><br />

Schrebers Leben und Werk machen<br />

auf ein Element burschenschaftlichen<br />

Lebens aufmerksam, das in der<br />

Anfangszeit große Bedeutung hatte,<br />

heute aber oft vergessen wird: das<br />

Turnen. Die körperliche Leistungsfähigkeit<br />

der Studenten durch das<br />

Turnen zu fördern, gehörte zu den<br />

selbstverständlichen Pflichten der<br />

<strong>Burschenschaft</strong>er. Der „Turnvater<br />

Jahn“ genoss in burschenschaftlichen<br />

Kreisen großes Ansehen, leider<br />

auch dank seines engen Nationalismus.<br />

Schrebers Bemühungen um die<br />

Organisation von Turnvereinen ist ein<br />

„<br />

Die körperliche Leistungsfähigkeit<br />

durch das Turnen<br />

zu fördern, gehörte zu<br />

den selbstverständlichen<br />

Pflichten der<br />

<strong>Burschenschaft</strong>er.“<br />

Umstrittene Methoden gegen Haltungsschäden:<br />

Schrebers „Geradhalter“ für eine korrekte Sitzhaltung<br />

Beispiel dafür, wie Impulse aus der<br />

<strong>Burschenschaft</strong> in die verschiedensten<br />

Lebensbereiche ausstrahlten.<br />

Darüber hinaus gehört sein Bemühen<br />

um die Bildung von Organisationen<br />

in Vereinsform zur Geschichte der<br />

Selbstorganisation des deutschen Bürgertums.<br />

Nach dem Scheitern der Revolution<br />

von 1848 und dem Wiedererstarken<br />

der konservativen Kräfte war<br />

dem Bürgertum auf viele Jahre hinaus<br />

die eigentliche politische Betätigung<br />

verwehrt. Robert Blum hatte es schon<br />

vor 1848 vorgemacht, dass Vereinsgründungen<br />

demokratische Formen<br />

und Ideen in viele Bereiche einführen<br />

und der Vorbereitung auf eine Mitgestaltung<br />

des politischen Lebens dienen<br />

konnten. Turnvereine und später<br />

Kleingartenvereine gehören in diesen<br />

Zusammenhang. Allerdings zeigt gerade<br />

das Beispiel der Schrebergartenvereine,<br />

dass oft das ursprüngliche Ziel<br />

vergessen und stattdessen kleinliche<br />

Vereinsmeierei betrieben wurde.<br />

academicus 1/20<strong>13</strong><br />

31


Informationen<br />

SEPA kommt<br />

Die SEPA-Umstellung wirft ihren Schatten voraus. Die Abkürzung<br />

steht für „Single Euro Payments Area“, zu Deutsch:<br />

Einheitlicher Euro-Zahlungsverkehrsraum. Leider ist es – entgegen<br />

landläufiger Meinung – nicht so, dass sich für Vereine,<br />

die Mitgliedsbeiträge oder Spenden per Lastschrift einziehen,<br />

nichts ändert.<br />

Unsere Spenden für das Grab sollen die<br />

Erneuerung des rostigen Zaunes unterstützen.<br />

(Foto: Schiwago)<br />

Eisenach erbittet Spenden<br />

für den <strong>Burschenschaft</strong>er<br />

Fritz Reuter<br />

Der niederdeutsche Dichter Fritz Reuter aus Mecklenburg<br />

verbrachte ab 1863 die letzten elf Jahre seines Lebens in<br />

der Wartburgstadt. Künftig möchte die Stadt Eisenach das<br />

Gedenken an den Dichter stärken, verbunden mit einer umfassenden<br />

inhaltlichen und räumlichen Neuausrichtung des<br />

Museums in seinem Wohnhaus.<br />

Darüber hinaus soll auch die Grabstätte Reuters eine umfangreiche<br />

Renovierung erfahren. Besucher können leicht<br />

feststellen, dass hier besonders die eiserne Einfriedung dringend<br />

erneuert werden muss, an der seit bald 140 Jahren<br />

der Zahn der Zeit nagt.<br />

Neben der Wartburg stellt Fritz Reuter einen weiteren wichtigen<br />

burschenschaftlichen Bezug zu Eisenach dar. Das Vorhaben<br />

der Stadt sollte somit auch lebhafte Unterstützung<br />

aus den Reihen der <strong>Burschenschaft</strong> erfahren.<br />

Die VAB Eisenach möchte sich insbesondere für die Renovierung<br />

des Zaunes am Grab einsetzen und bittet daher<br />

alle Freunde der Reuterschen Dichtung um Unterstützung<br />

– auch kleine Beträge helfen!<br />

Wolfgang Gäbler V!Ch!S!<br />

Vorsitzender VAB Eisenach<br />

Spendenkonto der Stadt Eisenach bei der Wartburg<br />

Sparkasse: Stichwort „Reutergrab“ (unbedingt angeben)<br />

BLZ: 84055050, Konto: 2003<br />

IBAN: DE57 8405 5050 0000 0020 03<br />

BIC: HELADEF1WAK<br />

Die gute Nachricht: Einzugsermächtigungen behalten ihre<br />

Gültigkeit und werden automatisch auf SEPA umgestellt. Es<br />

gibt jedoch auch Haken: So sind beispielsweise nur Einzugsermächtigungen<br />

mit einer physikalischen Unterschrift gültig.<br />

Liegt sie nicht vor, muss sie nachträglich eingeholt werden.<br />

Überdies ist das neue „SEPA Direct Debit“-Verfahren deutlich<br />

komplexer als das bisherige Einzugsermächtigungs-Lastschriftverfahren.<br />

Die Bundeskassiere sollten sich gut informieren. Einige Beispiele<br />

für Punkte, die es zu beachten gilt (ohne Gewähr):<br />

• Gläubiger-ID: Der Verein muss diese bei der Bundesbank<br />

per Mail beantragen (www.glaeubiger-id.bundesbank.de).<br />

Außerdem muss eine Inkasso-Vereinbarung<br />

mit der Bank des Vereins abgeschlossen werden.<br />

• Mandatsreferenznummer: Man muss eine eindeutige<br />

Mandatsreferenznummer für die Zahlungspflichtigen<br />

festlegen, zum Beispiel die Mitgliedsnummer.<br />

• <strong>Neue</strong> Formulare: Text und Aufbau zur Erteilung von<br />

Einzugsermächtigung sind in weiten Teilen genau vorgegeben.<br />

Diese gilt es zu beachten.<br />

• Mitglieder informieren, Teil 1: Vor dem ersten SEPA-<br />

Einzug müssen die Mitglieder über den Systemwechsel<br />

informiert werden. Dabei müssen die Gläubiger-ID und<br />

die Mandatsreferenznummer angegeben werden.<br />

• Mitglieder informieren, Teil 2: Lastschrifteinzüge<br />

müssen grundsätzlich vorher mitgeteilt werden („Pre<br />

Notification“). In der Mitgliederversammlung kann auf<br />

die jährlichen Fälligkeiten hingewiesen werden. Eine<br />

weitere Information ist dann nicht mehr notwendig.<br />

• Original-Unterschriften: Es muss überprüft werden,<br />

ob für jeden Lastschriftzahler eine unterschriebene<br />

Einzugsermächtigung im Original vorliegt.<br />

• Bankangaben im Schriftverkehr checken: Auf welche<br />

Geschäftspapiere, Faltblätter, Jahresberichte werden<br />

die Kontodaten des Vereins gedruckt? Hier müssen bei<br />

Neuauflagen die neuen Kontokennungen IBAN und BIC<br />

berücksichtigt werden.<br />

Eine Übersicht über die neuen Gegebenheiten gibt die Bundesbank<br />

unter www.sepadeutschland.de. Auch bieten in der<br />

Regel Banken und Sparkassen ihren Kunden umfassende Information<br />

und Beratung an.<br />

32<br />

academicus 1/20<strong>13</strong>


Mitgliedsbünde<br />

Mitgliedsbünde<br />

Aachen<br />

Danziger <strong>Burschenschaft</strong><br />

Alemannia zu Aachen,<br />

Am Weißenberg 48,<br />

52074 Aachen, 0241/84507,<br />

aktivitas@db-alemannia.de<br />

Augsburg<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Rheno-<br />

Palatia, Jakoberstr. 79, 86152 Augsburg,<br />

post@rheno-palatia.de<br />

Berlin<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Obotritia,<br />

Cimbernstr. 12, 14129 Berlin 38,<br />

030/80352<strong>34</strong>, 030/8032663,<br />

aktivitas@obotritia-berlin.de<br />

Bonn<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Alemannia<br />

zu Bonn, Rosental 105, 53111 Bonn,<br />

0228/6<strong>34</strong>782, 0228/695782,<br />

post@alemannia-bonn.de<br />

Darmstadt<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Frisia,<br />

Alexandraweg 14, 64287 Darmstadt,<br />

06151/45222, 06151/43358,<br />

sprecher@burschenschaft-frisia.de<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Rheno-<br />

Markomannia, Jahnstr. <strong>13</strong>0,<br />

64285 Darmstadt, 06151/48519,<br />

06151/42<strong>34</strong><strong>13</strong>,<br />

aktivitas@rheno-markomannia.de<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Rugia,<br />

Wienerstr. 95, 64287 Darmstadt,<br />

06151/47230, 06151/420540,<br />

info@rugia-darmstadt.de<br />

Erlangen<br />

<strong>Burschenschaft</strong> der<br />

Bubenreuther, Östliche Stadtmauerstr.<br />

32, 91054 Erlangen,<br />

09<strong>13</strong>1/205875, 09<strong>13</strong>1/202160,<br />

mail@bubenreuther.de<br />

Freiburg<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Franconia,<br />

Maria-Theresia-Str. <strong>13</strong>,<br />

79102 Freiburg, 0761/74231,<br />

aktivitas@franconia-freiburg.de<br />

Gie<strong>SS</strong>en<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Frankonia,<br />

Grünberger Str. 89, 35394 Gießen,<br />

0641/9483236, 0641/9483237,<br />

info@frankonia-giessen.de<br />

Göttingen<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Brunsviga,<br />

Schildweg 40, 37085 Göttingen,<br />

0551/59001, 0551/59002,<br />

info@brunsviga.net<br />

Hannover<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Alt-<br />

Germania Hannover,<br />

Heinrichstr. 10, 30175 Hannover,<br />

0511/<strong>34</strong>2229, 0511/3887952,<br />

burschenschaft@alt-germania.de<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Teutonia,<br />

Ludwig-Barnay-Str. 3, 30175 Hannover,<br />

0511/817615, 0511/853506,<br />

sprecher@teutonia.org<br />

Kaiserslautern<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Markomannia,<br />

Richard-Wagner-Str. 75, 67655<br />

Kaiserslautern, 0631/66868,<br />

0631/3607794,<br />

email@markomannia-kl.de<br />

Karlsruhe<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Arminia,<br />

Sebastian-Kneipp-Str. 4, 76<strong>13</strong>1 Karlsruhe,<br />

0721/697052, 0721/697022,<br />

info@arminia-karlsruhe.de<br />

Karlsruher <strong>Burschenschaft</strong><br />

Tulla, Waldhornstr. 18, 76<strong>13</strong>1 Karls ruhe,<br />

0721/35001-1, 0721/35001-23,<br />

info@kb-tulla.de<br />

Köln<br />

Leipziger <strong>Burschenschaft</strong><br />

Suevia zu Köln, Bachemer Str. 101,<br />

50931 Köln, 0221/94670<strong>13</strong>,<br />

0221/4069224, suevia@gmx.de<br />

www.burschenschaft-suevia-koeln.de<br />

Leipzig<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Roter<br />

Löwe Leipzig, Kohlgartenstr. 31,<br />

04315 Leipzig, 0<strong>34</strong>1/6810702,<br />

info@roter-loewe-leipzig.de<br />

Marburg<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Alemannia,<br />

Hainweg 9, 35037 Marburg,<br />

06421/67687,<br />

post@alemannia-marburg.de<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Arminia,<br />

Wehrdaer Weg 32, 35037 Marburg,<br />

06421/67624, 06421/683068,<br />

mail@arminia.info<br />

Stuttgart<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Arminia,<br />

Steinkopfstr. 18, 70184 Stuttgart,<br />

0711/245260, 0711/245230,<br />

schriftwart.arminia-stuttgart@gmx.de<br />

www.arminia-stuttgart.de<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Ulmia,<br />

Bopserklinge 8, 70184 Stuttgart,<br />

0711/241758, 0711/2<strong>34</strong>9983,<br />

ulmer@b-ulmia.de<br />

Freundeskreis<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Alemannia<br />

Freiburg, Günterstalstr. 56,<br />

79100 Freiburg, 0761/2143387,<br />

info@alemannia freiburg.de<br />

<strong>Burschenschaft</strong> Berolina-<br />

Mittweida zu Lübeck,<br />

Kronsforder Allee 70b, 23560 Lübeck,<br />

0451/5823643,<br />

info@berolina-mittweida.de<br />

D.St.V. Chamavia<br />

Oldenburg, c.o. Heinz Thiel,<br />

Haareneschstr. 80, 26121 Oldenburg,<br />

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