Nr. 34 (SS 13) - Neue Deutsche Burschenschaft
Nr. 34 (SS 13) - Neue Deutsche Burschenschaft
Nr. 34 (SS 13) - Neue Deutsche Burschenschaft
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ACADEMICUS<br />
Magazin der <strong>Neue</strong>n <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong><br />
Danziger B! Alemannia zu Aachen<br />
Rheno-Palatia Augsburg<br />
Berliner B! Obotritia<br />
Alemannia Bonn<br />
Frisia Darmstadt<br />
Rheno-Markomannia Darmstadt<br />
Rugia Darmstadt<br />
Bubenreuther Erlangen<br />
Franconia Freiburg<br />
Frankonia Gießen<br />
Brunsviga Göttingen<br />
Alt-Germania Hannover<br />
Hannoversche B! Teutonia<br />
Markomannia Kaiserslautern<br />
Karlsruher B! Arminia<br />
Tulla Karlsruhe<br />
Suevia Köln<br />
Roter Löwe Leipzig<br />
Alemannia Marburg<br />
Arminia Marburg<br />
Arminia Stuttgart<br />
Stuttgarter B! Ulmia<br />
Gesellschaft<br />
im Veränderungsstress<br />
Über Wandel, Perspektiven und<br />
gefallene Helden<br />
Tsunami!<br />
Allerdings nicht<br />
aus Wasser<br />
Staatsbürgerplattform<br />
Das <strong>Neue</strong>DB-Forum<br />
für gesellschaftliches<br />
Engagement<br />
Aus unseren Reihen<br />
Daniel Schreber:<br />
Turner, Arzt und<br />
Vorkämpfer<br />
<strong>34</strong>. Ausgabe | 17. Jahrgang<br />
Sommersemester 20<strong>13</strong>
Ver|än|der|ung, die<br />
·<br />
von ändern, ”<br />
anders machen” (mhd. endern)<br />
(Foto: Agência Brasil)<br />
„Wenn die Kirche nicht aus sich selbst herausgeht,<br />
um das Evangelium zu verkünden, kreist sie um sich<br />
selbst. Dann wird sie krank. Die Übel, die sich im<br />
Laufe der Zeit in den kirchlichen Institutionen entwickeln,<br />
haben ihre Wurzel in dieser Selbstbezogenheit.<br />
Es ist ein Geist des theologischen Narzissmus.“<br />
Papst Franziskus<br />
(Foto: Felix König)<br />
„Es ist nicht mehr so wichtig, ob wir Kolonien auf dem<br />
Mond bauen oder optische Speicher platten entwickeln<br />
oder das Genom kartographieren. Die Gestalt der<br />
Zukunft entscheidet sich an ganz anderen Fronten.<br />
Zum Beispiel in unserem Denken, unserer mentalen<br />
Ausstattung, unseren moralischen Haltungen.“<br />
Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher<br />
„Wir müssen Professoren und Studenten wieder etwas<br />
abverlangen. Wir müssen vor allem darauf achten,<br />
wieder Stürmer in und für diese Gesellschaft auszubilden<br />
und nicht allein Schiedsrichter. Wir haben unzählige<br />
Schiedsrichter in der Wohlstandsgesellschaft ausgebildet,<br />
die jedem, auch in der internationalen Welt, die<br />
Spielregeln erläutern, ohne selber spielen zu können.“<br />
Lothar Späth, Ministerpräsident a.D.<br />
„20 Jahre haben wir gebraucht, um den<br />
Ladenschluß zu reformieren. Die zentralen<br />
Herausforderungen unserer Zeit werden<br />
wir mit diesem Tempo ganz gewiß nicht<br />
bewältigen. Wer 100 Meter Anlauf nimmt,<br />
um dann zwei Meter weit zu springen, der<br />
braucht gar nicht anzutreten.“<br />
Roman Herzog, Bundespräsident a.D.<br />
(Foto: Euku) (Foto: Klaus Vyhnale)
Gru<strong>SS</strong>wort<br />
von<br />
Norbert Seid<br />
Markomannia Kaiserslautern (1967)<br />
Liebe Verbandsbrüder,<br />
die Ereignisse im burschenschaftlichen Verbandswesen<br />
überschlagen sich. Für manchen <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
sicherlich beängstigend, wird doch eine<br />
Neuordnung erforderlich sein, deren Umrisse<br />
noch sehr verschwommen sind.<br />
Im Jahr 1996 war die Gründung eines reformierten<br />
Verbandes ohne das Aufgeben von Traditionen<br />
oder ein Verlassen des Wertekanons eine<br />
mutige und richtige Entscheidung. Diese Notwendigkeit<br />
früher erkannt zu haben als andere Bünde,<br />
wird uns mitunter als Verrat vorgeworfen. Ohne<br />
dem Zeitgeist frönen zu wollen, gilt dennoch die<br />
Lebensweisheit: Wer nicht mit der Zeit geht, geht<br />
mit der Zeit.<br />
Wir, die <strong>Neue</strong>DB, haben von Neubeginn an kontinuierlich<br />
Stärken entwickelt, auf die wir stolz<br />
sein können und die uns mehr und mehr ein eigenständiges<br />
Profil verleihen. Wenngleich schon<br />
in einem früheren Vorwort erwähnt, seien einige<br />
Ergebnisse dieses Gestaltungswillens nochmals<br />
umrissen: Als solche sind die <strong>Neue</strong>DB-Akademie<br />
zu nennen, die eine hohe Akzeptanz erreicht hat,<br />
oder der jährlich verliehene Heinrich-Luden-Preis<br />
für Studenten, die neben exzellenten studentischen<br />
Leistungen auch wahrnehmbar im Sinne<br />
des Gemeinwohls wirken. Weiterhin wurden Delegiertentage<br />
eingeführt, welche Jung und Alt in<br />
informeller Weise wohltuend zusammenbringen<br />
und immer neuen Gedanken Raum geben, die vielfach<br />
umgesetzt werden können. Wir haben eine<br />
Arbeitsgruppe Zukunft etabliert, von der immer<br />
wieder Denkanstöße für die Weiterentwicklung,<br />
für den Verband als Ganzes und auch für unsere<br />
Einzelbünde ausgehen.<br />
<strong>Neue</strong> Wege zu denken und zu gehen bedeutet<br />
Zukunftssicherung, bedeutet aber auch, öffentlich<br />
wahrgenommen zu werden. Die Gesellschaft<br />
ist einem rapiden Wandel unterworfen. Die vorliegende<br />
Ausgabe des academicus widmet sich<br />
Facetten dieses Wandels. Diese erzeugen Unsicherheiten<br />
auf allen Gesellschaftsebenen. Auch<br />
wir <strong>Burschenschaft</strong>er sind vielfach „Wutbürger“<br />
geworden, die jenseits von Parteiengeplänkel und<br />
staatspolitisch opportuner Zurückhaltung Lösungen<br />
zu heutigen staats- und gesellschaftspolitisch<br />
wichtigen Herausforderungen erwarten.<br />
Doch „erwarten“ ist zu wenig, jedenfalls für <strong>Burschenschaft</strong>er.<br />
Es gilt, mit anzupacken. So entstand<br />
im Frühjahr auf einer Vorstandsklausur das<br />
Vorhaben, innerhalb der <strong>Neue</strong>nDB verschiedene<br />
Plattformen zur Verfügung zu stellen, auf denen<br />
staatsbürgerliche und gesellschaftsrelevante Themenfelder<br />
vorangetrieben werden können. Alle<br />
Verbandsbrüder, denen ein staatsbürgerliches<br />
Thema wichtig genug erscheint, um gemeinsam<br />
mit anderen Verbandsbrüdern die Ärmel hochzukrempeln,<br />
können eine solche Plattform gründen.<br />
Sie können sich dort mit Gleichgesinnten austauschen<br />
und ihre Arbeit – die vielbeschworene „inhaltliche“<br />
Arbeit – in den Verband und weiter in<br />
die <strong>Burschenschaft</strong>liche Bewegung tragen. Der<br />
academicus bietet hierzu seine Unterstützung an<br />
– auf Seite 22 und 23 gibt es erste Einträge. Wir<br />
hoffen, der Funke springt über.<br />
Wir, die <strong>Neue</strong>DB-<strong>Burschenschaft</strong>er, bewegen etwas.<br />
Wir haben Visionen. Wir sind Demokraten<br />
und kämpfen für den Erhalt der Freiheit. Wir haben<br />
als solche auch den Mut und die Kompetenz,<br />
unsere Überzeugungen öffentlich zu vertreten<br />
und erheben den Anspruch, gehört zu werden.<br />
Mit burschenschaftlichen Grüßen<br />
Norbert Seid, Markomannia Kaiserslautern<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
3
Inhalt<br />
Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />
Gefallene Helden...............................8<br />
Superman & Co. in der Sinnkrise<br />
Deutschland in der<br />
Euro(pa)-Krise ....................................11<br />
Gesucht: das europäische „Jetzt-erst-recht“-Gefühl<br />
3 Gru<strong>SS</strong>wort<br />
von Norbert Seid, Markomannia Kaiserslautern<br />
6 Leserbriefe<br />
Spezial: Gesellschaft im<br />
Veränderungsstress<br />
8 Gefallene Helden –<br />
Superman vs. Zeitgeist<br />
von Bernd Preiß, Bubenreuther Erlangen<br />
11 Bekenntnis zu Europa<br />
von Gernot Schäfer, Frankonia Gießen<br />
14 Tsunami! Allerdings keiner aus Wasser<br />
von Jürgen Winter, Bubenreuther Erlangen<br />
17 Gesellschaftlicher Wandel und<br />
korporatives Miteinander, Teil 1<br />
von Gerhard Serges, TWV Schlaraffia Hagen<br />
20 Veränderungsstress anno 1815.<br />
Als die <strong>Deutsche</strong>n deutsch wurden<br />
von Bernd Preiß, Bubenreuther Erlangen<br />
Verbandsleben<br />
22 Plattform für staatsbürgerliches Engagement –<br />
Verbandsbrüder packen an!<br />
24 Meinungsduell: Braucht die <strong>Burschenschaft</strong><br />
einen geeinten Verband?<br />
Martin Haape, Rugia Darmstadt, vs.<br />
Sven-Patrick Schwarz, Franconia Freiburg<br />
26 Akademie: <strong>Neue</strong>s aus der Anstalt!<br />
von Jürgen Schlien, Arminia Karlsruhe<br />
academicus intern mit Informationen<br />
zu Burschentag, jüngsten<br />
Entwicklungen in der <strong>Burschenschaft</strong>,<br />
<strong>Neue</strong>DB-Reformen, Jubiläum<br />
2015, Veranstaltungen,<br />
Adressen und anderem mehr.<br />
32 SEPA kommt – Die „Single Euro Payments<br />
Area“ wirft ihren Schatten voraus<br />
4<br />
academicus 1/20<strong>13</strong>
Tsunami.........14<br />
Kommt die Senioren-Flut?<br />
Geschichte<br />
27 GfbG: <strong>Burschenschaft</strong>liche<br />
Geschichte ist unteilbar<br />
von Dr. Klaus Oldenhage,<br />
<strong>Burschenschaft</strong> der Norddeutschen<br />
und Niedersachsen Bonn<br />
29 Aus unseren Reihen: Daniel<br />
Schreber, Turner, Arzt und Vorkämpfer<br />
der Volksgesundheit<br />
von Arnulf Baumann, Bubenreuther<br />
Erlangen<br />
Vorschau<br />
Veränderungsstress<br />
anno 1815...................................20<br />
<strong>Burschenschaft</strong> auf der Suche nach der Zukunft<br />
Informationen<br />
33 <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
treffen sich<br />
35 Mitgliedsbünde<br />
Spezial-Thema des nächsten<br />
academicus: Korporatives Miteinander<br />
Wohin treiben die Verbände? Ist der burschenschaftliche Einheitsgedanke am<br />
Ende? Brauchen wir neue Formen der interkorporativen Zusammenarbeit?<br />
Und wie soll der Umgang unter Bundes- und Verbandsbrüdern aussehen?<br />
Wir bitten Verbandsbrüder, die Interesse an einer Mitarbeit haben oder die<br />
Autoren (intern oder extern) benennen können, sich mit der Schriftleitung<br />
in Verbindung zu setzen.<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Burschenschaft</strong> e.V.,<br />
vertreten durch den Vorsitzenden des<br />
Vorstands, Dr.-Ing. Gerd Wauer, Hainbuchenweg<br />
10, 67661 Kaiserslautern.<br />
www.neuedb.de<br />
Redaktion<br />
Bernd Preiß (V.i.S.d.P.), Händelstr. 117,<br />
90571 Schwaig b. Nürnberg,<br />
academicus@neuedb.de<br />
Anzeigen<br />
Verantwortlicher siehe Redaktion.<br />
Anzeigenpreise auf Nachfrage.<br />
Verlag und Druck<br />
Der academicus erscheint im Selbstverlag. Druck:<br />
DruckArt, Viktor-Frankl-Str. 5, 86916 Kaufering<br />
Vorsitzende <strong>Burschenschaft</strong><br />
Alemannia Marburg, Hainweg 9,<br />
35037 Marburg<br />
Presseanfragen<br />
Johannes Lüschow, 0176/23864933,<br />
presse@neuedb.de<br />
Auflage<br />
4.500 Exemplare<br />
Einzelverkauf<br />
Preis inkl. Inlandsversandkosten: je Exemplar<br />
6 €; Jahresabonnement für Kalen derjahr 12 €<br />
(Verlängerung durch Überweisung bis spätestens<br />
31. Dezember des Vorjahres). Bestellun gen:<br />
vorzugsweise an stellv@neuedb.de, ersatzweise<br />
an <strong>Neue</strong>DB, Ringstr. 29, 91080 Marloffstein.<br />
Bankverbindung: Kto. 3950060, BLZ 50090500<br />
(Sparda-Bank Hessen), Verwendungszweck<br />
„academicus“.<br />
Beiträge<br />
Wir bitten alle Beiträge wenn möglich per<br />
E-Mail an die Redaktion zu senden. Folgende<br />
Angaben werden benötigt: Autorenname, Bund,<br />
Eintrittsjahr (nicht Semester!) sowie Auskunft,<br />
ob der Artikel im Internet veröffentlicht werden<br />
darf. Ein Anspruch auf Abdruck besteht nicht.<br />
Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.<br />
Gestaltung<br />
sturmtiefdesign München<br />
Titelillustration:<br />
Eduardo Palencia, Elias Osiander<br />
Der academicus erscheint halbjährlich und wird<br />
an alle Mitglieder der Mitgliedsvereinigungen<br />
der <strong>Neue</strong>n <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong> versandt.<br />
Namentlich gezeichnete Autorenbeiträge<br />
stimmen nicht unbedingt mit der Meinung<br />
des Herausgebers überein.<br />
Redaktionsschluss der Ausgabe für<br />
das Wintersemester 20<strong>13</strong> ist der<br />
30. September 20<strong>13</strong><br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
5
Leserbriefe<br />
Der Leser hat das Wort<br />
Zum Vaterlandsbegriff<br />
Zum Ende des „Heiligen Römischen Reiches<br />
<strong>Deutsche</strong>r Nation“ 1806 besaßen die <strong>Deutsche</strong>n<br />
keinen Staat, sie bildeten eine verstreute Kulturnation.<br />
Natürlich konnten sich die <strong>Deutsche</strong>n zunächst<br />
nur über Kultur, Sprache oder Geschichte<br />
definieren. Aber genau diesen Zustand – eben<br />
keinen Nationalstaat zu besitzen – zu ändern, war<br />
doch das zentrale Anliegen der <strong>Burschenschaft</strong>!<br />
Dieses Ziel wurde 1871 erreicht, allerdings in der<br />
„kleindeutschen“ Lösung, die die österreichischen<br />
von<br />
Werner Drewing<br />
Markomannia Kaiserslautern (1998)<br />
Bünde quasi aus dem Vaterland aussperrte. Hier<br />
liegt der Hund begraben! Hier nahm die Mär vom<br />
„volkstumsbezogenen“ Vaterland ihren Anfang<br />
und hier liegt der Ursprung der Probleme, die<br />
sich heute in der <strong>Burschenschaft</strong> entladen. Wir<br />
kranken an einem 140 Jahre alten Dilemma!<br />
Ich bin froh, dass die <strong>Neue</strong>DB eindeutige Standpunkte<br />
zum Thema Vaterland hat, und hoffe, dass<br />
sie sich nicht in rückwärtsgewandte Diskussionen<br />
hineinziehen lässt. Es ist genug gesagt!<br />
Zum Beitrag „Krise der<br />
<strong>Burschenschaft</strong> als Chance“<br />
Dr. Möller mahnt die <strong>Burschenschaft</strong>liche Bewegung,<br />
unter anderem die Notwendigkeit der Verbesserung<br />
des internationalen Austausches zu erkennen<br />
und die europäische Einigung proaktiv zu<br />
unterstützen. Die im Ausland lebenden <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
sind prädestiniert für diese Aktivitäten. In<br />
diesem Zusammenhang kann das Jubiläum zum<br />
50. Jahrestag des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages<br />
Anstoß sein, vornehmlich zu<br />
unseren französischen Nachbarn noch in diesem<br />
Jahr Kontaktversuche aufzunehmen.<br />
Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den<br />
Beschluss des Burschentages zu Weimar 1999:<br />
„Die Förderung der Völkerverständigung beinhaltet<br />
die Kontaktaufnahme mit den studentischen<br />
von<br />
Reiner Eckhardt<br />
Rheno-Markomannia<br />
Darmstadt (1964)<br />
Verbänden anderer europäischer Mitgliedsstaaten.<br />
Im Vordergrund steht der Aufbau und die<br />
Pflege internationaler Kontakte auf dieser Ebene<br />
mit dem Ziel, grundsätzliche und aktuelle Themen<br />
der Europapolitik zu diskutieren.“ Dieses Ziel ist<br />
wohl in Vergessenheit geraten!<br />
Sicherlich gibt es für Studierende neben dem Zeitbedarf<br />
für Auslandskontakte oftmals auch finanzielle<br />
Hindernisse. Es sei daran erinnert, dass die<br />
<strong>Neue</strong>DB im Jahre 2007 ihren Mitgliedern eine<br />
finanzielle Unterstützung zu den Fahrtkosten bei<br />
der Kontaktaufnahme zu europäischen Studentenverbindungen<br />
zugesagt hat; bisher wurden<br />
keine Fördermittel abgerufen.<br />
Zur Ausgabe<br />
Wintersemester 2012/<strong>13</strong><br />
Dem Team sowie den Verfassern der Ausgabe<br />
möchte ich ein ganz großes Lob aussprechen. Meines<br />
Erachtens ist diese Ausgabe die beste aller<br />
<strong>Burschenschaft</strong>lichen Blätter und des academicus,<br />
die ich bisher als <strong>Burschenschaft</strong>er seit 1959 gelesen<br />
habe. Insbesondere das Thema „Freiheit“ in<br />
von<br />
Walther Klages<br />
AH der Hannoverschen <strong>Burschenschaft</strong><br />
Teutonia (1958)<br />
vielen Facetten hat mir nicht nur gefallen, sondern<br />
auch neue Aspekte vermittelt. Weiter so! Eventuell<br />
ist es generell lohnend, möglichst oft breit Themen<br />
anzusprechen, die nicht nur für <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
interessant sind, sondern auch große allgemeine<br />
gesellschaftliche Relevanz haben.<br />
6<br />
academicus 1/20<strong>13</strong>
Zum Vaterlandsbegriff<br />
Gerne habe ich dem Beitrag von Michael Hacker<br />
und Arnulf Baumann in der letzten Ausgabe des<br />
academicus entnommen, dass bezüglich des Vaterlandsbegriffes<br />
die Differenzen zwischen der<br />
DB und der <strong>Neue</strong>nDB „gar nicht so bedeutend<br />
sind“. Die in Art. 4 der Grundwerte der <strong>Neue</strong>n-<br />
DB erwähnten Grenzen der Bundesrepublik<br />
Deutschland schließen das „volkstumsbezogene<br />
Bekenntnisprinzip“ danach nicht aus: „Das verantwortliche<br />
Streben der <strong>Neue</strong>n <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong><br />
schließt jene <strong>Deutsche</strong>n mit ein, die<br />
ihre Heimat außerhalb dieser Grenzen haben“.<br />
Wenn <strong>Burschenschaft</strong>en der <strong>Neue</strong>nDB „problemlos“<br />
deutschsprechende Ausländer aufnehmen<br />
(streng genommen gegen Art. 4 (2) ihrer<br />
Grundsätze), die sich zur deutschen Kultur bekennen,<br />
so unterscheidet sich das nicht von der<br />
Aufnahmepraxis anderer <strong>Burschenschaft</strong>en innerhalb<br />
und zunehmend außerhalb der DB. Die<br />
derzeit noch gültige Satzung der DB bekennt sich<br />
nicht zu einem auf die Bundesrepublik Deutschland<br />
beschränkten, sondern zu einem weitergefassten<br />
volksbezogenen Vaterlandsbegriff, d. h.<br />
„zum deutschen Vaterland als der geistig-kulturellen<br />
Heimat des deutschen Volkes“.<br />
Dabei bezieht sich „Volk“ selbstverständlich<br />
nicht auf rassische Gemeinsamkeiten (wie in<br />
von<br />
Prof. Dr. Peter Kaupp<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Arminia auf dem<br />
Burgkeller Jena<br />
der nationalsozialistischen Ideologie), sondern<br />
auf „die Gemeinschaft, die durch gleiches geschichtliches<br />
Schicksal, gleiche Kultur, verwandtes<br />
Brauchtum und gleiche Sprache verbunden<br />
ist“ (Verfassung Art. 9). „Vaterland“ beinhaltet<br />
so gesehen selbstverständlich auch keinerlei<br />
Ansprüche auf Territorien, in denen <strong>Deutsche</strong><br />
leben, wie uns von Unkundigen gerne unterstellt<br />
wird. Vaterland ist eine Frage des Bekenntnisses,<br />
nicht der Staatsangehörigkeit. Wenn einige<br />
rechtskonservative <strong>Burschenschaft</strong>en in der<br />
geschrumpften DB die Mitgliedschaft von deutscher<br />
Abstammung abhängig machen wollen,<br />
so ist das ein Verstoß gegen die Satzung der DB,<br />
in der davon nichts steht.<br />
Es gibt gute Gründe, die DB zu verlassen, der<br />
volkstumsbezogene Vaterlandsbegriff gehört<br />
jedoch meiner Meinung nach nicht dazu. Auf<br />
die angesichts der erwähnten Gemeinsamkeiten<br />
meines Erachtens unglückliche und sperrige<br />
Fixierung des Vaterlandes auf die politischen<br />
Grenzen der Bundesrepublik Deutschland (und<br />
damit auf die Staatsangehörigkeit) in Art 3 (2)<br />
der Grundwerte, kann man meines Erachtens<br />
verzichten. Mit gutem Willen auf allen Seiten<br />
halte ich eine Neuformulierung des Vaterlandsbegriffes<br />
durchaus für möglich.<br />
Wir legen Wert auf Ihre Meinung. Ihre Zuschriften sollten sich auf diese Ausgabe des academicus<br />
beziehen und möglichst kurz sein. Unter Umständen müssen wir kürzen, um eine Veröffentlichung<br />
zu ermöglichen. Leserbriefe sind keine redaktionellen Meinungsäußerungen. Senden Sie<br />
uns Ihren Leserbrief per E-Mail an academicus@neuedb.de oder per Post an den Schriftleiter<br />
(Angaben siehe Impressum).<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
7
Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />
von<br />
Bernd Prei<strong>SS</strong><br />
Bubenreuther Erlangen (1992)<br />
Gefallene Helden<br />
Superman vs. Zeitgeist<br />
Selbst Superhelden leiden unter dem gesellschaftlichen Wandel. Früher durften Superman, Batman und all die anderen<br />
unbekümmert durch die Heftseiten ihrer Comic-Ausgaben toben. Ihrer Mission, ihrer Kräfte und am Ende des<br />
Beifalls der erretteten Nation waren sie gewiss. Heute hingegen nagen Selbstzweifel, Sinnkrisen und innere Konflikte<br />
an den Helden. Sie erfahren Unverständnis und Ächtung durch die Gesellschaft. Der Werdegang der Superhelden<br />
spiegelt den Zeitgeist wider – und ist für uns <strong>Burschenschaft</strong>er eine Einladung, zwischen den Zeilen zu lesen.<br />
Der Politische: Superman<br />
Der „Ur-Superheld“ ist zweifellos Superman. Er wurde in den<br />
1930er Jahren von zwei Studenten entwickelt. Namenspate<br />
war übrigens kein geringerer als Friedrich Nietzsche, dessen<br />
„Übermensch“, in der Übersetzung „Super-Man“, in den<br />
Vereinigten Staaten zu jener Zeit ein geflügeltes Wort war.<br />
Superman ist zum Spiegelbild des politischen Zeitgeistes geworden.<br />
Zu Beginn der 1940er Jahre und insbesondere nach<br />
dem Kriegseintritt der USA avancierte er zum patriotischen<br />
Beschützer Amerikas. Den Soldaten in den Schützengräben<br />
war es recht – die verschiedenen Comic-Serien waren die<br />
am häufigsten gelesenen Periodika der G.I.s.<br />
Die Nationalsozialisten waren nicht nur deshalb schlecht<br />
auf Superman zu sprechen. Jerome Siegel, einer der beiden<br />
Erfinder, hatte jüdische Wurzeln und engagierte sich gegen<br />
Nazi-Deutschland. Als Superman Hitler entführte und vor<br />
das Gericht des Völkerbundes zerrte, war das Maß voll:<br />
Siegel wurde zum Staatsfeind erklärt, Superman selbst, obgleich<br />
aus morphologischer Sicht ein flugfähiger Vorzeigearier,<br />
von Goebbels als „Jude“ bezeichnet.<br />
„<br />
Wohin ist die alte<br />
Super helden-<br />
Herrlichkeit<br />
ver schwun den?“<br />
8<br />
academicus 1/20<strong>13</strong>
Antikommunistische Abwehrkräfte<br />
Nach dem Krieg war vor dem Krieg und so stärkte Superman<br />
in den 1950er Jahren die antikommunistischen Abwehrkräfte<br />
seines Landes durch den Einsatz für Wahrheit,<br />
Gerechtigkeit und amerikanische Lebensart. Erst in den<br />
1980er Jahren wurde er zum Beschützer der ganzen Welt.<br />
Allerdings: Seinen US-amerikanischen Stallgeruch wurde<br />
und wird er nicht los. 2011 erklärt er in einer Folge: „Ich<br />
bin es leid, dass meine Taten immer als Instrument der US-<br />
Politik ausgelegt werden“ und bietet an, die amerikanische<br />
Staatsbürgerschaft abzulegen. Dieser durchaus selbstlose<br />
Schritt rief in der Heimat einen Sturm der Entrüstung hervor:<br />
„Wenn Superman nicht an Amerika glaubt, dann glaubt<br />
er an gar nichts“, heißt es in einem konservativen Blog. Der<br />
Verlag dementierte umgehend Auswanderungsabsichten<br />
und betonte die Verwurzelung des einstigen Bauernjungen<br />
aus Smallville/Kansas mit seinem Vaterland.<br />
Superman mag Superkräfte haben, aber letzten<br />
Endes ist er nur so stark wie die Menschen, die<br />
ihn zeichnen. Und die sind den Gesetzen des politischen<br />
Zeitgeistes unterworfen. Der Tummelplatz<br />
Supermans ist heute die sich globalisierende<br />
Menschheit, aber dort ist er Amerikaner.<br />
Andererseits – was ist falsch daran,<br />
zumindest grundsätzlich?<br />
Der Menschliche:<br />
Spiderman<br />
Während Superman als amerikanischer Held sein Debüt feiern<br />
durfte, wurde Spiderman bei seinem Start im Jahr 1962<br />
durch die Hölle der Gewissensbisse geschickt: Gleichgültig<br />
beobachtet Peter Parker alias Spiderman einen Dieb und<br />
lässt ihn gewähren. Kurz darauf wird sein Onkel und Ziehvater<br />
erschossen – durch eben jenen Dieb. Spiderman erinnert<br />
sich an eine Lebensweisheit des Verstorbenen: „Aus<br />
großer Kraft folgt große Verantwortung“. Fortan widmet er<br />
sich der Verbrecherjagd.<br />
Perfektion nicht mehr gefragt<br />
Doch in den 1960er Jahren waren perfekte Heroen unglaubwürdig,<br />
gefragt waren persönliche Konflikte, eine<br />
Charakterentwicklung und menschliche Probleme. Den<br />
Schöpfern von Spiderman gelang es, ihren Protagonisten<br />
überaus menschlich zu zeichnen: Seine nächtlichen Jagden<br />
machen Peter Parker am nächsten Tag Studium und<br />
Job zur Hölle. Immer wieder wird er gefeuert, ständig hat<br />
er Geldsorgen. Während er sein zerschrammtes Cape<br />
George W. Bushs<br />
Außenpolitik:<br />
Superman ist den<br />
Verdacht leid, von<br />
dieser instrumentalisiert<br />
zu werden.<br />
(Foto: US-Verteidigungsministerium)<br />
„<br />
Superman ist<br />
zum Spiegelbild<br />
des politischen<br />
Zeitgeistes<br />
geworden.”<br />
zusammenflickt, zweifelt er<br />
an seiner Mission. Er ist nicht<br />
umjubelt wie einst Superman,<br />
sondern im Gegenteil: Die<br />
Gesellschaft begegnet ihm<br />
mit Unverständnis und Misstrauen.<br />
Schließlich verliert er<br />
vorübergehend seine Superkräfte<br />
durch eine psychische<br />
Blockade, nachdem er sich<br />
gezwungen sah, seine große Liebe Mary Jane zurückzuweisen<br />
– Superhelden sind nachts unterwegs und tags zu<br />
müde für die Liebe.<br />
Konzept mit Zukunft?<br />
Mit solchen Verbündeten<br />
ist der Sieg nur noch<br />
Formsache! Superhelden<br />
scheinen sich in den 1940er<br />
Jahren auf einen Münchhausen-Ritt<br />
vorzubereiten.<br />
Das Spiderman-Konzept überlebte die gesellschaftlichen<br />
Veränderungen. Soziale Themen der 1970er Jahre und<br />
einen Boom kaputter Anti-Helden in den 1980er Jahren<br />
meisterte der menschliche Held weit besser als Superman.<br />
Dieser musste 1986 und noch einmal 1992 sterben, weil er<br />
zum Ladenhüter geworden war. Allerdings gelang jeweils<br />
eine Wiederauferstehung, nicht zuletzt weil in den 1990er<br />
Jahren eine Renaissance des „klassischen“ Helden für Aufwind<br />
unter Supermans Cape sorgte. Spiderman entwickelte<br />
sich unterdessen prächtig: Eine dreiteilige Kinoverfilmung<br />
bescherte den Produzenten schließlich in den 2000er Jahren<br />
einen Milliarden-Umsatz.<br />
Das Konzept des menschelnden Helden beschreibt einen<br />
gefallenen, unverstandenen, von Sinnkrisen geschüttelten,<br />
aber auch verantwortungsbewussten Helden. Es scheint<br />
Zukunft zu haben.<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
9
10<br />
Der Verletzte: Batman<br />
Batman, Jahrgang 1939, bildete mit Superman über Jahrzehnte<br />
hinweg ein populäres Gespann. Der Fledermausmann<br />
ist streng genommen kein Superheld, sondern ein<br />
Mensch, dessen besonderen Fähigkeiten auf Intelligenz und<br />
eisernem Training beruhen. Überdies lässt sich der Milliardär<br />
im hauseigenen Technikkonzern Hightech-Gerätschaften<br />
zusammenbauen, die James Bond vermutlich auch gerne<br />
gehabt hätte.<br />
Batman hatte einiges zu erdulden. Die ersten Angriffe<br />
kamen aus der realen Welt: 1954 veröffentlichte der amerikanische<br />
Psychologe Frederic Wertham das Buch „Die<br />
Verführung der Unschuldigen“. Comics förderten Kriminalität<br />
und Analphabetentum, so seine These, und verleiteten<br />
Kinder möglicher weise dazu, mit Flugwunsch aus<br />
den Fenstern zu<br />
„<br />
Mit welchen<br />
Mitteln darf ein<br />
rechtsstaatliches<br />
System verteidigt<br />
werden?”<br />
Verbitterter Mittfünfziger<br />
springen. Batman<br />
unterstellte<br />
er ein<br />
homosexuelles<br />
Verhältnis mit<br />
seinem Zögling<br />
und Waffengefährten<br />
Robin.<br />
Auch die Abenteuer Batmans bekamen mit dem Zeitgeist<br />
einen düsteren Unterton. Sozialkritische Elemente<br />
hielten Einzug, der Held bekam es mit Armut, Elend und<br />
radikalen Feministinnen zu tun. In einer Verfilmung von<br />
1986 entwickelte er sich zum verbitterten Mittfünfziger,<br />
der nach langjähriger Pause wieder Ganoven verprügeln<br />
durfte und sich anschließend besser und jünger<br />
fühlte. Batman folgte damals dem Trend zum Anti-Helden.<br />
1992 wurde ihm von einem Gegner das Rückgrat<br />
gebrochen, eine lange Zeit im Rollstuhl war die Folge.<br />
Doch damals kam auch die Wende: Der Verlag ließ die<br />
Leser abstimmen, ob sie den neuen, brutalen Batman<br />
beibehalten oder den klassischen Helden wiederhaben<br />
wollten. Eine überwältigende Mehrheit stimmte für den<br />
alten Batman.<br />
Dessen Comeback war nachhaltig. In den 2000er Jahren<br />
kamen von der Kritik hochgelobte Batman-Filme mit Starbesetzung<br />
in die Kinos. Der Oscar-prämierte Streifen „The<br />
Dark Knight“ (2008) war laut Lexikon des Internationalen<br />
Films ein Werk, das zwischen „Actionszenen und emotionalem<br />
Drama darum kreist, mit welchen Mitteln ein<br />
rechtsstaatliches System verteidigt werden darf“.<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
„<br />
Noch<br />
Ähnlich wie bei Spiderman geht es also um Verantwortung<br />
gegenüber dem Staat, der Gesellschaft und den Menschen<br />
– und um die Widersprüche, die sich aus dieser Verantwortung<br />
ergeben. Und es geht um die Frage, wie man sich selbst<br />
aus dem Sumpf der eigenen inneren und äußeren Verletzlichkeit<br />
zieht, um dieser Verantwortung gerecht zu werden.<br />
Ein neues Heldentum<br />
Die Zeiten haben sich gewandelt – wohin ist die alte Superhelden-Herrlichkeit<br />
verschwunden? Wir sehen gefallene Helden,<br />
vom Sockel gestürzt durch den Zeitgeist. Ratlos stehen<br />
sie vor Unverständnis und Ablehnung durch die Gesellschaft.<br />
Noch immer kämpfen sie gegen Bösewichte, aber<br />
deren Überwindung ist Beiwerk geworden. In Wahrheit<br />
geht es um Selbstüberwindung. Dabei helfen weder Röntgenblick<br />
noch Riesenkräfte. Gefragt sind Charakterstärke,<br />
Durchhaltewillen und Verantwortungsbewusstsein. Ein neues<br />
Heldentum ist entstanden – eines, das die Superhelden<br />
nicht exklusiv haben, sondern nur vorleben.<br />
In den 60er<br />
und 70er Jahren<br />
war Flower<br />
statt Power<br />
angesagt.<br />
Supermänner<br />
waren out.<br />
immer kämpfen sie<br />
gegen Bösewichte, aber<br />
deren Überwin dung ist<br />
Beiwerk geworden.”<br />
Hitler nach<br />
Amerika entführt!<br />
Goebbels fand das<br />
nicht komisch und<br />
nannte Superman<br />
einen Juden.<br />
(Foto: <strong>Deutsche</strong>s<br />
Bundesarchiv)
Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />
Bekenntnis zu Europa<br />
auch in schwierigen Zeiten<br />
Europa-Seminar der <strong>Neue</strong>nDB in Gie<strong>SS</strong>en<br />
von<br />
Gernot Schäfer<br />
Frankonia Gießen (1962)<br />
„Deutschland in der Euro(pa)-Krise – mit dem Blick zurück nach vorne?“ lautete der provozierende Titel eines<br />
Seminars, das die Gießener <strong>Burschenschaft</strong> Frankonia im Auftrag der <strong>Neue</strong>nDB und der <strong>Neue</strong>nDB-Akademie zu<br />
Beginn des Sommersemesters 20<strong>13</strong> auf dem Frankenhaus in Gießen veranstaltete. Im Mittelpunkt der ganztägigen<br />
Veranstaltung stand ein Symposium mit Experten aus Politik und<br />
Wirtschaft, die die europäische Ebene sowie die deutsche und die<br />
griechische Perspektive repräsentierten. Erwartet wurden Antworten<br />
auf die Frage, ob, wenn der Euro auseinanderbricht, auch Europa<br />
auseinanderbrechen sollte.<br />
„<br />
Es darf kein Zurück<br />
in der europäischen<br />
Entwicklung geben!”<br />
„<br />
Deutschland<br />
Frühe Euro-Einführung<br />
Dr. Wolf Klinz (Brüssel), deutscher<br />
Europa-Abgeordneter der Liberalen<br />
und Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft<br />
und Währung des Europaparlaments,<br />
erinnerte zunächst daran, dass<br />
die Einführung des Euro eine politische<br />
Entscheidung war. Sie sollte mit der<br />
Einrichtung der Europäischen Zentralbank<br />
(EZB) den beteiligten Staaten eine<br />
gleichberechtigte Mitsprache an Währungsentscheidungen<br />
im Euroraum ermöglichen.<br />
Dieser war bis dahin von der<br />
hat schon<br />
früh gegen die selbstge setzten<br />
Stabilitäts kriterien verstoßen.”<br />
<strong>Deutsche</strong>n Bundesbank dominiert, die<br />
faktisch die Funktion einer europäischen<br />
Zentralbank hatte. Während ursprünglich<br />
die Einführung der gemeinsamen<br />
Währung als krönender Abschluss des<br />
europäischen Einigungsprozesses vorgesehen<br />
war, wurde die Einführung des<br />
Euro jedoch vorgezogen, um einen Anreiz<br />
zur politischen Einigung Europas zu<br />
schaffen. Diese Erwartung habe sich allerdings<br />
nicht erfüllt, sondern stattdessen<br />
zu der Währungskrise geführt, mit<br />
der wir heute zu kämpfen haben.<br />
Die Gründe dafür sah Dr. Klinz zum<br />
einen darin, dass einige Staaten – darunter<br />
auch Deutschland und Frankreich<br />
– schon früh gegen die selbstgesetzten<br />
Stabilitätskriterien verstoßen<br />
hatten, ohne dass dies geahndet wurde.<br />
Zum anderen nannte er die großen<br />
Unterschiede in der wirtschaftlichen<br />
Leistungsfähigkeit und eine Fehlentwicklung<br />
der Zinsen auf Staatsanleihen<br />
der einzelnen Euro-Länder.<br />
Dies habe vor allem in den ärmeren<br />
Ländern zu einer Überschuldung<br />
geführt, gegen die<br />
die EU jetzt mit einem<br />
Bündel von Maßnahmen<br />
mit zumeist drastischen<br />
Folgen für die<br />
Bevölkerung vorgehe. Obwohl<br />
der Erfolg ungewiss<br />
sei, komme ein Herausbrechen einzelner<br />
Staaten aus der Eurozone oder<br />
deren Auflösung nicht in Frage, weil<br />
dies noch weit schlimmere finanzielle<br />
Folgen nach sich ziehe. Deshalb seien<br />
Lösungen nur über geldpolitische<br />
Maßnahmen der EZB denkbar, auch<br />
wenn dies die Inflationsrate erhöhen<br />
könne, sowie über die Schaffung einer<br />
„Transfer-Union“, bei der jedoch die<br />
Ausgabenpolitik der Nehmerländer<br />
streng überwacht werden müsse.<br />
Guter erster Schritt<br />
Georgios Panagiotidis (Athen), Sekretär<br />
des „Hellenic Institute for Financial Management“,<br />
verdeutlichte anhand statistischer<br />
Zahlen die Unterschiede in der<br />
Wirtschaftskraft der einzelnen Euro-<br />
Länder.<br />
Der Parthenon auf der Athener<br />
Akropolis – Sinnbild für den Zerfall<br />
der europäischen Einheit?<br />
(Foto: Thermos)<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
11
„<br />
Voraussetzungen<br />
12<br />
So liege die Staatsverschuldung in<br />
Deutschland derzeit bei rund 80 Prozent<br />
des Bruttoinlandsprodukts, während<br />
sie in Griechenland bis auf nahezu<br />
200 Prozent angewachsen sei. Ziel sei<br />
jetzt die Rückführung auf höchstens<br />
120 Prozent bis zum Jahre 2020. In<br />
Griechenland sei in der Vergangenheit<br />
zu viel konsumiert und zu wenig investiert<br />
worden, da durch den Euro Kredite<br />
zu günstig zu haben gewesen seien.<br />
Der Rückgang der Produktivität habe zu<br />
einer überproportionalen Verschuldung<br />
der privaten Haushalte und zur höchsten<br />
Arbeitslosenquote in der Eurozone<br />
geführt. Für die Überwindung der Schuldenkrise<br />
nannte Panagiotidis als wichtige<br />
politische Voraussetzungen die<br />
Wiederherstellung von Vertrauen, die<br />
Auffrischung der „europäischen Vision“<br />
und klare Signale für die Bereitschaft<br />
zur Umsetzung dieser Idee. Die Vereinbarungen<br />
zur Stabilisierung der griechischen<br />
Wirtschaft seien ein guter erster<br />
Schritt, aber es gebe auch viele Diskussionen,<br />
die nicht zielführend seien.<br />
für<br />
die Überwindung der<br />
Krise sind Vertrauen<br />
und die Auffrischung der<br />
,europäischen Vision’.”<br />
Ausscheiden teurer<br />
als bleiben<br />
Auch Jörg Chmielewski (<strong>Burschenschaft</strong><br />
Frankonia Gießen und Saxo-<br />
Silesia Freiburg), Finanzmanager bei<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Bank in Berlin, sprach<br />
sich gegen eine Verkleinerung oder Auflösung<br />
der Eurozone aus. Ein Ausscheiden<br />
Griechenlands würde Deutschland<br />
teuer zu stehen kommen. Ein Ausstieg<br />
der starken Länder aus dem Euro<br />
habe ebenfalls weit mehr Nachteile<br />
und finanzielle Risiken als ein Verbleib.<br />
Chmielewski sprach sich stattdessen<br />
für den Weg der Transferleistungen aus<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
und verwies auf<br />
Beispiele aus<br />
der deutschen<br />
Geschichte. Bei<br />
der Wiedervereinigung Deutschlands<br />
habe sich dieses System – trotz aller<br />
Mängel vor allem in der Anfangszeit –<br />
insgesamt bis heute bewährt und könne<br />
durchaus auf die europäische Ebene<br />
übertragen werden. Auch er verwies<br />
darauf, dass Vertrauen eine unabdingbare<br />
Voraussetzung für das Funktionieren<br />
einer Transfer-Union ist.<br />
Widersprüchliche<br />
Lösungsvorschläge<br />
„<br />
Ein Ausscheiden Griechenlands<br />
käme Deutschland teuer zu stehen.”<br />
Zweifel an der hinreichenden Vertrauensbasis<br />
äußerte der Moderator,<br />
Oberstudiendirektor a.D. Eckhard Immig<br />
(Friedberg), bei der Eröffnung der<br />
anschließenden Diskussion. So seien<br />
die Menschen angesichts der Vielzahl<br />
unterschiedlicher und sich teilweise<br />
widersprechender Lösungsvorschläge<br />
verunsichert und hätten das<br />
Vertrauen in die Politik verloren.<br />
In Griechenland habe dies zur<br />
Stärkung rechts- und linksradikaler<br />
Strömungen und zu Abwanderungsbewegungen<br />
der Elite<br />
geführt. Demgegenüber verwies<br />
Dr. Klinz darauf, dass trotz aller<br />
Kritik an Belastungen und Kreditvergaben<br />
an ärmere Länder die Bevölkerung<br />
nach aktuellen Umfragen mit über 70<br />
Prozent Zustimmung im Grundsatz zu<br />
Europa als unserer Zukunft steht. In<br />
Griechenland gebe es erste Anzeichen<br />
einer positiven Wirtschaftsentwicklung,<br />
so dass es hoffentlich zu keiner<br />
weiteren Radikalisierung komme. Am<br />
Beispiel Lettland, das in einer vergleichbaren<br />
Situation ähnlich radikale<br />
Einschnitte wie Griechenland vorgenommen<br />
habe, machte er deutlich,<br />
dass dieser Weg durchaus gelingen<br />
kann. Panagiotidis verwies auf die teilweise<br />
unfaire und überspitzte Darstellung<br />
der Situation in der Presse, sowohl<br />
in Griechenland als auch in Deutschland,<br />
die das politische Handeln erschwere.<br />
Er forderte eine Stärkung der<br />
europäischen Institutionen zu Lasten<br />
der nationalen Zuständigkeiten, um<br />
bei fiskalpolitischen Entscheidungen<br />
mehr Transparenz herzustellen.<br />
Kein Zurück<br />
Alle Diskussionsredner waren sich einig:<br />
Es darf kein Zurück in der europäischen<br />
Entwicklung geben! Vielmehr müsse<br />
und könne die Vereinigung Europas zu<br />
einem guten Ende geführt werden. Dies<br />
schließe sowohl die Beibehaltung des<br />
Euro als auch die Fortsetzung der Hilfsmaßnahmen<br />
für ärmere Länder ein.<br />
Jeder sei aufgerufen, verstärkt für die<br />
europäische Idee zu werben.<br />
Am Vormittag hatten sich die Seminarteilnehmer<br />
bereits in Arbeitsgruppen<br />
mit historischen, politischen und<br />
wirtschaftlichen Teilaspekten des Seminarthemas<br />
auseinandergesetzt. An<br />
das Symposium mit der Expertenrunde<br />
schloss sich eine weitere interne Arbeitsphase<br />
an, in der die anwesenden<br />
Vertreter der Verbandsburschenschaften<br />
Vorschläge für ein Positionspapier<br />
zum Thema <strong>Burschenschaft</strong> und Europa<br />
zusammentrugen.<br />
Die Europäische Zentralbank (EZB)<br />
in Frankfurt/Main soll den Staaten<br />
eine gleichberechtigte Mitsprache an<br />
Währungsentscheidungen ermöglichen.<br />
(Foto: Jess47200)
Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />
Redner:<br />
Dr. Wolf Klinz, geboren<br />
1941 in Wien, ist<br />
Mitglied des Europäischen<br />
Parlamentes<br />
(EP) und dort Wirtschaftspolitischer<br />
Sprecher der FDP.<br />
Er gehört der Allianz der Liberalen<br />
und Demokraten für Europa (ALDE)<br />
an. Zuvor war er unter anderem Vorstandsmitglied<br />
der Treuhandanstalt<br />
Berlin. Dr. Klinz studierte Betriebswirtschaftslehre<br />
in Paris, Wien, Madrid,<br />
Berlin und Fontainebleau (Diplom-<br />
Kaufmann und MBA).<br />
Jörg Chmielewski,<br />
Jahrgang 1963, ist<br />
Vizepräsident an der<br />
Corporate and Investment<br />
Bank, Abteilung<br />
Finance Germany,<br />
der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bank AG, Berlin. Er ist Mitglied des<br />
Beirats luventa Finance GmbH, Berlin.<br />
Zuvor war Chmielewski unter<br />
anderem Aufsichtsratsmitglied der<br />
BioRegio Halle-Leipzig Management-GmbH,<br />
Halle. Er studierte in<br />
Gießen und Freiburg und besitzt<br />
einen Abschluss als Diplomkaufmann,<br />
Schwerpunkte Finanzierung<br />
und Marketing.<br />
Danziger B! Alemannia zu Aachen<br />
Rheno-Palatia Augsburg<br />
Berliner B! Obotritia<br />
Alemannia Bonn<br />
Frisia Darmstadt<br />
Rheno-Markomannia Darmstadt<br />
Rugia Darmstadt<br />
Bubenreuther Erlangen<br />
Franconia Freiburg<br />
Frankonia Gießen<br />
Brunsviga Göttingen<br />
Alt-Germania Hannover<br />
Hannoversche B! Teutonia<br />
Markomannia Kaiserslautern<br />
Karlsruher B! Arminia<br />
Tulla Karlsruhe<br />
Suevia Köln<br />
Roter Löwe Leipzig<br />
Alemannia Marburg<br />
Arminia Marburg<br />
Arminia Stuttgart<br />
Stuttgarter B! Ulmia<br />
<strong>Burschenschaft</strong> in Europa –<br />
Ergebnisse des Europaseminars<br />
„Freiheit, Ehre, Vaterland“ – <strong>Burschenschaft</strong>er im<br />
Europa des 21. Jahrhunderts<br />
Diskussionsbeitrag zu einer burschenschaftlichen Standortbestimmung, erstellt auf dem<br />
Europa-Seminar von <strong>Neue</strong>DB, <strong>Neue</strong>DB-Akademie und Gießener <strong>Burschenschaft</strong> Frankonia<br />
am 20. April 20<strong>13</strong> in Gießen.<br />
Wir <strong>Burschenschaft</strong>er sind geeint durch unseren Wahlspruch „Freiheit, Ehre, Vaterland“.<br />
Wir <strong>Burschenschaft</strong>er sehen in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts schwerste Irrungen<br />
und Verfehlungen, doch wir sehen auch die Umsetzung der Ideale unseres Wahlspruchs in einem<br />
demokratischen und rechtsstaatlichen Deutschland, zunächst in einem Teil unseres Vaterlandes,<br />
schließlich in ganz Deutschland.<br />
Wir <strong>Burschenschaft</strong>er begreifen das Zusammenwachsen Europas als Herausforderung, die<br />
zeitlosen Ideale unseres Wahlspruchs in die Diskussion um die in Europa liegende Zukunft<br />
Deutschlands einzubringen.<br />
Wir <strong>Burschenschaft</strong>er wollen uns deshalb im europäischen Rahmen – jeder mit den ihm zur<br />
Verfügung stehenden Mitteln, in Bünden und Verband, in Umfeld und Beruf sowie in unserem<br />
Gemeinwesen als Bürger – für die Ideale unseres Wahlspruchs einsetzen. In diesem Sinne<br />
bekennen wir uns auf folgende Weise zu „Freiheit, Ehre, Vaterland“:<br />
Freiheit:<br />
- Wir respektieren und verteidigen die Freiheit der anderen.<br />
- Wir praktizieren Toleranz gegenüber anderen Werten.<br />
- Wir verteidigen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.<br />
- Wir treten ein für die Freizügigkeit der einzelnen EU-Bürger im Sinne der vier Grundfreiheiten.<br />
- Wir fordern und fördern die Bewahrung der Eigenständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten.<br />
- Wir setzen uns ein für die Wahrung der Freiheit Europas in der Welt.<br />
Ehre:<br />
- Wir stehen ein für die Wahrung der Universalität der Menschenrechte.<br />
- Wir fördern Verantwortungsbewusstsein und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten.<br />
- Wir vermitteln eine aufgeklärte abendländische Kultur, die offen ist für Beiträge anderer Kulturen,<br />
die unseren kulturellen Grundwerten nicht entgegenstehen.<br />
- Wir achten auf die Einhaltung der verabredeten Regelungen durch alle Mitgliedstaaten der EU.<br />
Georgios Panagiotidis,<br />
geboren 1973<br />
in Athen, ist<br />
Finanz- und<br />
Personalmanager<br />
bei<br />
P l a y m o b i l<br />
Hellas S.A., Athen und Sekretär<br />
des Griechischen Instituts für<br />
Finanzielle Führung der Griechischen<br />
Management Gesellschaft.<br />
Panagiotidis studierte<br />
in Leeds/Großbritannien (Bachelor of<br />
Arts in Economic Studies) und Bayreuth<br />
(Diplom-Kaufmann).<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Burschenschaft</strong> e.V.<br />
(<strong>Neue</strong>DB)<br />
Kto. 3950060, BLZ 50090500<br />
Sparda-Bank Hessen<br />
www.neuedb.de<br />
Vereinsregister: Amtsgericht<br />
Charlottenburg 16297 Nz<br />
Vaterland:<br />
- Wir setzen uns ein für einen europäischen Gemeinschaftsgedanken unter Wahrung der<br />
nationalen und regionalen Identitäten zur Wahrung der Vielfalt in der Einheit.<br />
- Wir fordern und fördern die Etablierung eines europäischen Föderalismus.<br />
- Wir stärken die Regionen als unsere jeweilige Heimat durch unser Engagement vor Ort.<br />
- Wir setzen uns ein für die Wahrung des Friedens zwischen den Völkern Europas und der Welt.<br />
Als <strong>Burschenschaft</strong>er wollen wir deshalb Folgendes tun:<br />
- Wir setzen uns selbst verstärkt mit dem Thema „Europa“ auseinander und befassen uns in<br />
unserem sozialen Umfeld damit.<br />
- Wir leben unsere aufgeklärten und abendländisch geprägten Werte vor und zeigen Toleranz<br />
gegenüber den Werten anderer Kulturkreise.<br />
- Wir fördern die Annäherung des Einzelnen an Europa, indem wir uns neben der Pflege unserer<br />
deutschen Muttersprache das Erlernen von zwei europäischen Fremdsprachen zum Ziel setzen.<br />
- Wir pflegen Kontakte zum Kennenlernen anderer europäischer Nationen und ihrer Menschen.<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
<strong>13</strong>
Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />
BEVÖLKERUNG<br />
WANDEL<br />
AUSGEPRÄGT<br />
LANDKREISERGEBNIS<br />
DADURCH<br />
ÄLTERER<br />
ERWERBSBIOGRAFIEN<br />
FRÜHZEITIG<br />
BUNDESREPUBLIK<br />
WANDELS<br />
ANTEIL<br />
ERGIBT<br />
SOZIOLOGIE<br />
VERWECHSELNDE<br />
BESCHREIBT INFRASTRUKTUR<br />
ALTERSVERTEILUNGDEMOGRAPHIE<br />
DEMOGRAFISCHE<br />
GEBURTENRATE DEMOGRAFIEPOLITIK<br />
FOLGEN<br />
VIERTEL<br />
BUNDESLÄNDER<br />
DEMOGRAFISCHEN<br />
ERFORDERT<br />
JÜNGER<br />
EINZELNACHWEISE<br />
ARBEITSWELTMENSCHEN<br />
ALTERUNG<br />
DEMOGRAFISCHER<br />
LA<strong>SS</strong>EN<br />
GEFALLEN<br />
WIKIPEDIA<br />
MITARBEITER BETRIEBLICHE GESETZLICHEN<br />
WANDERUNG<strong>SS</strong>ALDO<br />
GERONTOLOGIE<br />
MASTERSTUDIENGÄNGE<br />
BESTIMMT<br />
WEBLINKS<br />
BEGRIFFLICH<br />
VERWALTUNG ARBEIT<br />
WI<strong>SS</strong>ENSCHAFT<br />
WEITERGABE<br />
AUSGEWOGENHEIT<br />
ABGESTIMMTE FOLGENDE<br />
STUTTGART<br />
HALBWERTZEIT STAB<strong>SS</strong>TELLE<br />
BZW<br />
ERREICHTER<br />
STELLT<br />
KOMPETENTER<br />
GESETZGEBER<br />
UNTERNEHMEN ZAHLENBEZEICHNETE SIEHE<br />
ERWERBSTÄTIGE WORDEN<br />
MEHRHEITLICH VERÄNDERUNG INTEGRIERTE<br />
SEIT<br />
GLEICHBEDEUTEND BUNDESDEUTSCHE<br />
PERSONALENTWICKLUNG<br />
ANERKENNUNGSKULTUR EINSTELLEN NEUE<br />
WURDEN<br />
WI<strong>SS</strong>EN<br />
KOMMUNALEBEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG<br />
STUDIENANGEBOT<br />
MASTERSTUDIENGANG HOMEPAGESTADT SCHÜLERPROJEKT FRAGE<br />
STRATEGISCHE<br />
VERSUCHT<br />
LEICHT<br />
„<br />
Die Finanzkrise ist nur<br />
der Ausläufer eines<br />
Tsunamis, der sich seit<br />
Jahrzehnten aufbaut –<br />
des demo graphi schen<br />
Tsunamis.”<br />
LANDKREIS<br />
FORTZUSCHREIBEN WIRKEN<br />
TRAGEN<br />
ARTIKEL<br />
MITARBEITERN LETZTEN<br />
STELLEN<br />
ERSTELLEN RENTENALTERS<br />
STÄDTISCHEN<br />
FOLGTEN<br />
FREIZÜGIGKEITEINSCHLÄGIGEN<br />
BAYERN<br />
RHÖN-GRABFELD<br />
VERNETZT<br />
LITERATUR<br />
ABGESTIMMT ALTER<br />
STUDIERENDE<br />
ENTWICKLUNG<br />
LAND<br />
UNIVERSITÄT MEDIEN<br />
FERTILITÄTSRATE<br />
MÜNCHEN<br />
PROJEKTJÄHRLICHER<br />
POSITIV<br />
RUND<br />
EUROPÄISCHEN STAATSBÜRGERSCHAFT PROBLEMLAGEN<br />
FAKTOREN ZAHLREICHE INSGESAMT KOMMUNE<br />
EIGENE<br />
PRIVATEN<br />
MITTELN DABEISCHÜLER<br />
INSTITUTE IMMER GEMEINDE<br />
MITTELS<br />
GEPLANTE<br />
BESCHRIEBEN<br />
JAHRE<br />
GEMEINDEERGEBNI<strong>SS</strong>E MÜ<strong>SS</strong>EN<br />
MA<strong>SS</strong>NAHMEN KOMMUNEN<br />
DEUTSCHLAND<br />
ZUSAMMENSETZUNG<br />
LANDKREISES<br />
BEISPIEL GESAMTBEVÖLKERUNG<br />
VERLÄNGERUNG SOWIE<br />
Tsunami!<br />
Allerdings keiner aus Wasser<br />
Eine kleine Einführung in Deutschlands gro<strong>SS</strong>es Problem<br />
von<br />
Jürgen Winter<br />
Bubenreuther Erlangen (1991)<br />
14<br />
Jawohl, liebe Verbandsbrüder: Heute<br />
wird’s politisch. Unsere Vorfahren wollten<br />
das ganz große Rad drehen, und<br />
deshalb reden wir heute über ein solches<br />
Rad. Schließlich sind wir <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
und keine Corpsstudenten.<br />
Apropos: Was ist eigentlich der Unterschied?<br />
Seltsame Rituale, Traditionen,<br />
Lebensbund, hehre Wahlsprüche?<br />
Hat jede amerikanische Collegevereinigung<br />
auch. Nein, wenn es einen<br />
Unter schied gibt, dann liegt er im politischen<br />
Anspruch: <strong>Burschenschaft</strong><br />
will Gesellschaft gestalten. Nochmal,<br />
als Merksatz für Burschenprüfungen:<br />
<strong>Burschenschaft</strong> will Gesellschaft gestalten<br />
– und der Wahlspruch sagt uns,<br />
auf welcher Basis. Nicht des Kollektivismus,<br />
sondern der Haltung des Einzelnen<br />
(„Ehre“) und einer freiheitlichen<br />
Grundausrichtung, die es erlaubt, diese<br />
Haltung zur Geltung zu bringen. Auf<br />
dieser Grundlage setzt der <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
seinen wissenschaftlich geschulten<br />
Verstand und seine Fähigkeiten<br />
ein für das Gemeinwesen, dem er<br />
angehört und das er, dickköpfig, nicht<br />
müde wird, mit dem verdächtigen Begriff<br />
„Vaterland“ zu beschreiben. Das<br />
macht ihn notwendigerweise zu einem<br />
politisch hoch interessierten und bestens<br />
informierten Menschen.<br />
Irgendwie die Zeit<br />
aufhalten<br />
Soviel zur Papierform. Die Wirklichkeit?<br />
Für mein Gefühl liegt dieser Anspruch<br />
seit Jahrzehnten brach, zumal<br />
bei denen, die im Stillen wußten, daß<br />
man sich zu Zeiten des irren Adolf nicht<br />
gerade mit Ruhm bekleckert hatte.<br />
Die wechselnden Generationen von<br />
Aktiven hatten genug damit zu tun, ihr<br />
Studium als Einstieg in eine komplizierter<br />
werdende Berufswelt zu meistern,<br />
den Verbindungsbetrieb neben immer<br />
mehr Ablenkungen am Laufen zu halten<br />
und sich über den Sinn dieser seltsamen<br />
Begriffe die Köpfe zu zerbrechen:<br />
Ehre, Freiheit, Vaterland. Politik<br />
fürs Vaterland? Die Grundausrichtung<br />
stimmte doch: Die Demokratie funktionierte,<br />
die Nachkriegsordnung schien<br />
zementiert, der Wohlstand wuchs.<br />
Wirkliche Systemkritik kam nur von<br />
Sozialisten, die sich oft selbst nicht<br />
recht ernstzunehmen schienen – wie<br />
all den AStA-Berufsempörten, die sich<br />
heute mit Pensionsgarantie vom kapitalistischen<br />
Staat bezahlen lassen.<br />
Die schleichende Veränderung der<br />
academicus 1/20<strong>13</strong>
Lebenswelten schien derweil unaufhaltsam:<br />
Was sollte man einwenden<br />
gegen die Emanzipation der Frau? Was<br />
jammern über die Globalisierung?<br />
Wo <strong>Burschenschaft</strong> noch politisch zu<br />
sein versuchte, steckte sie in Fragen<br />
der Vergangenheit fest, versuchte irgendwie<br />
die Zeit aufzuhalten. So ist es<br />
im Prinzip bis heute.<br />
Ausläufer eines<br />
Tsunamis<br />
Eines freilich ist anders geworden:<br />
Aktuell zeigt ein Blick nach Griechenland<br />
oder Spanien, wie schnell die Gewißheiten<br />
einer satten Nachkriegswelt<br />
zusammenbrechen können. 50 Prozent<br />
Jugendarbeitslosigkeit – könnte<br />
das auch in Deutschland passieren?<br />
Zumindest mit unserem Finanz- und<br />
Wirtschaftssystem scheint irgend etwas<br />
nicht zu stimmen! Die Spatzen<br />
pfeifen von den Dächern, daß man<br />
Probleme durch zu hohe Schulden und<br />
zu billiges Geld nicht dadurch lösen<br />
kann, daß man noch mehr Schulden<br />
macht und noch mehr billiges Geld<br />
produziert.<br />
Es wird Zeit, endlich wieder die großen<br />
Fragen zu stellen. Heute und in<br />
weiteren Artikeln möchte ich darlegen,<br />
daß die Finanzkrise nur der Ausläufer<br />
eines Tsunamis ist, der sich seit<br />
Jahrzehnten aufbaut – des demographischen<br />
Tsunamis. Früher haben wir<br />
die Augen davor verschlossen, weil<br />
er weit weg schien. Heute ist schon<br />
ein großes Stück Verzweiflung dabei:<br />
Wozu jammern, wenn es sich doch<br />
nicht aufhalten läßt? Dann doch lieber<br />
versuchen, ihn wider jede Erkenntnis<br />
zu einer bloßen Veränderung, ja gar<br />
zu einer Chance umzulügen. So ward<br />
ein Euphemismus geboren: „Demographischer<br />
Wandel“.<br />
Klingt gut, nicht? Viel besser als „Vergreisung“.<br />
Besser als „verödende Städte“,<br />
„Altersverelendung“, „wirtschaftlicher<br />
Niedergang“, oder „Zusammenbruch<br />
des Sozialstaates“. Das alles aber<br />
sind die unvermeidlichen Folgen dieses<br />
„Wandels“. Andere – wie Separatismus,<br />
Gefahr bürgerkriegsähnlicher<br />
Zustände, Verlust von Demokratie und<br />
Rechtsstaat – sind zumindest ernsthaft<br />
zu befürchten.<br />
Anreize,<br />
kinderlos zu bleiben<br />
Bevor ich mich daranmache, die Apokalypse<br />
ein wenig auszumalen, sei eines<br />
vorweggenommen: Die Ursache<br />
des Problems, der jahrzehntelange Geburtenmangel<br />
in den Mittelschichten,<br />
ist keineswegs schicksalhaft – auch<br />
wenn das immer wieder behauptet<br />
wird. Die grassierende Verweigerung<br />
von Elternschaft ist vielmehr die logische<br />
Folge der Art und Weise,<br />
wie wir unsere Steuer- und<br />
Sozialsysteme konstruiert<br />
haben. Hans-Werner Sinn,<br />
der streitbare Direktor des<br />
Münchner IFO-Institutes, hat<br />
es zu dem Satz zusammengefaßt: „Von<br />
Kindern profitiert, wer keine hat.“ Die<br />
objektiven Anreize, kinderlos zu bleiben,<br />
sind gerade für Akademiker beiderlei<br />
Geschlechts so stark, daß man<br />
sich wundern muß, wenn überhaupt<br />
noch so viele Kinder geboren werden.<br />
Mir ist klar, daß diese Behauptung viel<br />
Abwehr provoziert. Geben wir nicht<br />
irrsinnig viel Geld für Familien aus?<br />
Haben wir, haben unsere eigenen Eltern<br />
und Großeltern nicht unter weit<br />
schlechteren Bedingungen Kinder bekommen?<br />
Ich kann an dieser Stelle nur<br />
bitten, weiterzulesen – auch die kommenden<br />
Folgen der Serie, denn das<br />
Thema ist komplex genug für mehrere<br />
Bücher. An dieser Stelle nur soviel:<br />
Die vermeintlichen Familienleistungen<br />
sind zu einem erheblichen Teil Luftbuchungen.<br />
Ungefähr so, als würde man<br />
einem Bäcker täglich 100 Semmeln<br />
stehlen, ihm dann 20 zurückgeben,<br />
und sagen: „Also bitte, dein Vater hat<br />
auch gebacken und bekam keine zwanzig<br />
Semmeln obendrauf!“ Derweil sind<br />
„<br />
Von<br />
die wichtigsten Gründe, warum Menschen<br />
auf Kinder verzichten, im Kern<br />
wirtschaftliche. Das gilt auch für den<br />
häufigsten Grund, warum Menschen<br />
Umfragen zufolge kinderlos bleiben:<br />
„Ich finde nicht den geeigneten Partner.“<br />
Denn je riskanter eine Familiengründung<br />
erscheint, je stärker sie die<br />
beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
einschränkt und Türen im Leben<br />
verschließt, desto höher werden die<br />
Ansprüche an diesen Partner, desto<br />
länger wird die Entscheidung hinausgeschoben<br />
– bis es häufig zu spät ist.<br />
Zu den wirtschaftlichen Aspekten gehören<br />
auch und vor allem die sogenannten<br />
Opportunitätskosten – die<br />
indirekten Kosten der Kinderbetreuung,<br />
die dadurch entstehen, daß ein<br />
Partner (in der Regel die Mutter) seine<br />
Kindern profitiert,<br />
wer keine hat.“<br />
Hans-Werner Sinn<br />
Erwerbstätigkeit einschränkt. Oft wird<br />
deshalb gefordert, die Kinderbetreuung<br />
zu sozialisieren – Mütter in die<br />
Produktion, Kinder in die Krippe! Auch<br />
darauf werde ich eingehen – und am<br />
Ende eine Lösung vorschlagen, die alles<br />
zugleich verspricht: Gerechtigkeit<br />
für Familien und Kinderlose, Wahlfreiheit<br />
für Mütter und Väter, optimierte<br />
Startbedingungen für Kinder aus allen<br />
Schichten, das alles ohne Zwang,<br />
Heiratsverbote, oder sonstige finstere<br />
Nazi-Methoden. Die eierlegende Wollmilchsau.<br />
Man muß nur wollen.<br />
Apocalypse now?<br />
Doch zurück zur Problembeschreibung.<br />
Schon diese stößt vielerorts auf Unglauben.<br />
Apocalypse now? Liebe Güte,<br />
wir machen doch aus jeder Mücke einen<br />
Elefanten! Eines der wenigen deutschen<br />
Lehnworte im Französischen ist<br />
„Le Waldsterben“ – typisch deutsch,<br />
diese permanente Angst vor dem<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
15
„<br />
Wo <strong>Burschenschaft</strong><br />
noch politisch zu<br />
sein versucht, steckt<br />
sie in Fragen der<br />
Vergangenheit fest.”<br />
16<br />
Untergang. Was ist so schlimm daran,<br />
wenn es weniger <strong>Deutsche</strong> gibt? Ist<br />
das Land, ist die Welt nicht ohnehin<br />
überbevölkert? Haben wir nicht schon<br />
für die vorhandene Bevölkerung zu<br />
wenig Arbeit? Und überhaupt: Wer<br />
weiß schon, was die Zukunft bringt,<br />
den Pillenknick hat doch auch keiner<br />
vorhergesehen...<br />
Solche Argumente sind erstaunlich wirksam,<br />
um so erstaunlicher, als sie nichts<br />
taugen. Es war natürlich gerade die<br />
Angst vor „Le Waldsterben“, die dazu<br />
führte, daß die Katastrophe ausblieb –<br />
man hat etwas getan dagegen, man hat<br />
die Rahmenbedingungen so gesetzt,<br />
daß die Menschen weniger Dreck in die<br />
Luft pusteten. Das war Umweltpolitik.<br />
Tja, und Bevölkerungspolitik hat man –<br />
auch betrieben, wenngleich ohne es sich<br />
klarzumachen. Man hat die Rahmenbedingungen<br />
so gesetzt, daß Menschen<br />
weniger Kinder bekamen. Ich komme<br />
noch darauf zurück.<br />
Bestenfalls stagnierende<br />
Geburtenrate<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
Was Prognosen anbelangt: Zum einen<br />
sind demographische Prognosen leider<br />
sehr sicher. Ganz einfach deswegen,<br />
weil nicht nur die Greise, sondern auch<br />
die potentiellen Mütter von morgen<br />
schon längst geboren, oder eben gerade<br />
nicht geboren sind. Aber auch, weil – ich<br />
wiederhole es – das generative Verhalten<br />
eben nicht zufällig ist. Solange die<br />
Rahmenbedingungen für Elternschaft<br />
sich nicht verändern, ja sich sogar verschlechtern,<br />
solange wird die Geburtenrate<br />
bestenfalls stagnieren. Jede andere<br />
Annahme ist grob fahrlässig. Zur globalen<br />
Überbevölkerung: Es funktioniert<br />
nun einmal nicht, einfach Millionen Inder<br />
oder Afrikaner nach Deutschland zu<br />
transferieren. Denn was wir brauchen,<br />
sind – o häßliche Wirklichkeit – nicht<br />
einfach neue Staatsbürger, sondern<br />
Steuer- und Beitragszahler. Man kann<br />
es auch allegorisch ausdrücken: Wenn<br />
in der Wüste das Wasser knapp wird,<br />
muß man das Problem vor Ort lösen<br />
– der Hinweis, daß es anderswo Überschwemmungen<br />
gibt und die Ozeane<br />
steigen, ist da nicht wirklich zielführend.<br />
Hartz-IV-Bezug in<br />
dritter Generation<br />
Lokal wiederum kommt es nicht auf<br />
die absolute Zahl der <strong>Deutsche</strong>n an,<br />
sondern auf deren<br />
Zusammensetzung.<br />
Denn ein Teil ist notwendigerweise<br />
unproduktiv.<br />
Dazu gehören<br />
Rentner, Jugendliche,<br />
Behinderte, Kranke und alle, denen die<br />
Integration in die Arbeitsgesellschaft<br />
nicht gelingt. Dieser Teil lebt von Transfers,<br />
die der andere Teil erwirtschaften<br />
muß. Nicht nur Geldtransfers, sondern<br />
auch Dienstleistungen, vor allem Pflege<br />
und Erziehung. Ob und wie diese Menschen<br />
versorgt werden können, hängt<br />
vom produktiven Teil ab.<br />
Durch die Vergreisung wächst der unproduktive<br />
Teil der Bevölkerung, während<br />
der produktive schrumpft. Aber<br />
auch innerhalb des produktiven Teils<br />
leidet die Produktivität, wenn der durchschnittliche<br />
Erwerbstätige immer älter<br />
wird. Man kann es drehen und wenden,<br />
wie man will: 70-Jährige sind cum grano<br />
salis nicht mehr so effektiv wie 40-Jährige.<br />
Dazu kommt, daß ein wachsender<br />
Teil auch der jüngeren Bevölkerung den<br />
Anschluß verliert – jeder Sozialarbeiter<br />
kennt Familien, in denen sich der<br />
Hartz-IV-Bezug in dritter Generation<br />
verfestigt hat. Jede Großstadt hat ihre<br />
Brennpunktschulen, in denen die Nachkommen<br />
von Zuwanderern noch in der<br />
dritten Generation kein Bein auf den Boden<br />
bekommen.<br />
Der demographische<br />
Tsunami<br />
Es sind solche Beobachtungen, die<br />
Sarrazins Buch „Deutschland schafft<br />
sich ab“ geprägt haben. Der demographische<br />
Tsunami ist das eigentliche<br />
Thema dieses Buches, und Sarrazin<br />
belegt seine Existenz mit einer Fülle<br />
von Daten. Er argumentiert auch, daß<br />
das beliebte Allheilmittel – bessere Bildung!<br />
– durchaus notwendig ist, aber<br />
keinerlei Aussichten bietet, das Problem<br />
wirklich in den Griff zu bekommen.<br />
Leider hat Sarrazin seinen Kritikern<br />
mit dem Stichwort vom „jüdischen<br />
Gen“ eine Steilvorlage geliefert, ihn als<br />
„<br />
So ward ein Euphe mismus<br />
geboren: Demographischer<br />
Wandel.”<br />
Bösewicht und damit praktischerweise<br />
auch gleich den Tsunami als böses<br />
Märchen zu entlarven.<br />
Soweit zum Appetitanregen – die<br />
10.000 Zeichen, die mir für dieses Mal<br />
zur Verfügung standen, sind längst<br />
voll. Nur noch ein kleines Datenschnipsel<br />
zum Nachdenken für all jene, die<br />
hoffen, der „demographische Wandel“<br />
werde zumindest die Arbeitslosigkeit<br />
beseitigen:<br />
• 90 von 100 Unternehmensgründern<br />
sind älter als 30 Jahre. Aber nur fünf<br />
von 100 sind älter als 40 Jahre. Diese<br />
Zahlen sind seit Jahrzehnten stabil.<br />
• Die letzten geburtenstarken Jahr -<br />
gänge haben den Alterskorridor<br />
zwischen 30 und 40 Jahren inzwischen<br />
verlassen. Er ist heute um<br />
ein Viertel schwächer besetzt als im<br />
Jahr 1998. Dieses Niveau wird er<br />
etwa zehn Jahre halten, um dann<br />
binnen weiterer zehn Jahre um ein<br />
weiteres Viertel zu implodieren.<br />
So what? Auflösung im nächsten academicus.
Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />
Gesellschaftlicher<br />
Wandel und korporatives<br />
Miteinander – Teil 1: Eiszeit der Verbände?<br />
„<br />
Aktive<br />
Foto: Jason Auch<br />
und Alte Herren kehren den<br />
Verbänden den Rücken, die eigene<br />
Verbindung ist sich selbst genug.”<br />
Unser gesellschaftliches Umfeld<br />
verändert sich rasant. Auch in<br />
den Korporationen merkt man<br />
dies. Die studentische Welt ist ein<br />
Treiber der Entwicklungen. Nach der<br />
1968er-Studentenrevolte und dem folgenden<br />
„Marsch durch die Institutionen“<br />
gerät man heute in Deutschland<br />
schnell in Denk-, Rede- und Handlungsverbote,<br />
sobald vom Mainstream abgewichen<br />
wird. Dabei hat man doch<br />
gerade uns Korporierten immer eingetrichtert,<br />
Querdenker und parteipolitisch<br />
nicht einzuordnen zu sein! Wer<br />
ungeschickte Bemerkungen über Ausländer,<br />
Geschlechter, Erziehung oder<br />
Energie äußert, erfährt Ignoranz, Denunzierung<br />
oder Ausgrenzung. Sogar<br />
vor Gewalt scheuen die Gegner von<br />
Korporationen nicht zurück.<br />
Politisch korrekt?<br />
Alfons Georg Schuck, Marcomannia<br />
Frankfurt a.M., sagt dazu: „Veränderungsstress<br />
wird meiner Meinung<br />
nach durch einen krassen Wertewandel<br />
geprägt. Auf der einen Seite werden<br />
unzählige Freiheiten erkämpft<br />
(Schwulenehe, Adoptionsrecht für<br />
eben diese), die Bindung an ‚Lebensabschnittsgefährten‘<br />
ist aber durchschnittlich<br />
sehr kurz. Da ist klar, dass<br />
ein Lebensbund, eine lebenslange<br />
Freundschaft, nicht funktionieren<br />
kann. Auf der anderen Seite werden<br />
aber ganz massiv neue ‚Werte‘ durch<br />
Genderfizierung geschaffen. Politische<br />
Korrektheit wird höher bewertet<br />
als ein ehrlicher Umgang. Lieber<br />
verlogen aber politisch korrekt sein,<br />
anstatt ehrlich, lösungsorientiert und<br />
gemeinsam die Probleme anpackend.“<br />
Diese Entwicklungen erzeugen Spannungsfelder<br />
und unterschwellig Stress<br />
bei Aktiven, was in den Altherrenschaften<br />
nicht immer so bewusst ist.<br />
Alte Herren sehen das gelassener und<br />
sollten deswegen den Aktiven mit Rat<br />
hilfreich zur Seite stehen.<br />
Strukturkonservativ<br />
von<br />
Gerhard Serges<br />
TWV Schlaraffia Hagen (1976),<br />
TV Marcomannia Frankfurt/Main, Pressereferent BDIC<br />
„<br />
Der<br />
Götz F. Wichmann (Bund <strong>Deutsche</strong>r<br />
Ingenieurs-Cor po ra tionen, BDIC) führt<br />
als Quelle von Veränderungsstress<br />
zum einen die Verschulung<br />
des Studiums nach dem<br />
Bologna-Prozess an. Das sei<br />
für Studierende an Universitäten<br />
die größte Veränderung. An<br />
den Technischen Universitäten und<br />
Fachhochschulen ist seminaristischer<br />
Unterricht bereits geübte Praxis. Zum<br />
anderen seien es Social Media, die<br />
einschneidende Auswirkungen auf das<br />
Verhalten der Menschen haben: Sie träfen<br />
sich in der Tat seltener als vor der<br />
Internetwelle. Und schließlich gebe es<br />
eine neue Strukturkonservativität, bei<br />
der sich Menschen gegen Veränderungen<br />
stemmen, als Beispiel seien der<br />
Flughafen München, der Bahnhof Stuttgart<br />
oder Stromtrassen genannt.<br />
Wie wirken sich solche, aber auch andere,<br />
noch nicht genannte gesellschaftliche<br />
Veränderungen auf das deutsche<br />
Korporationswesen aus? Dieser Fragestellung<br />
wollen wir auf den vier Ebenen<br />
nachgehen, auf denen sich korporatives<br />
Leben abspielt: Erstens interkorporative<br />
Arbeitsgemeinschaften, wie<br />
zum Beispiel der Convent <strong>Deutsche</strong>r<br />
Akademikerverbände (CDA), zweitens<br />
Dachverbände, drittens örtliche Akademiker-<br />
und Korporationsverbände<br />
und schließlich die Korporation, die<br />
Verbindung, selbst.<br />
Umgangston ist rau,<br />
manchmal ruppig<br />
geworden. ”<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
17
„<br />
Die<br />
18<br />
Interkorporative<br />
Arbeitsgemeinschaften<br />
Am Beispiel des Werdegangs des CDA<br />
könnte man sagen: „Oft beschworen,<br />
aber am Ende nicht gehalten“. Vor Jahren<br />
sprachen wir noch von „Vielfalt und<br />
Einheit“. Deutschlandweit scheint das<br />
Tischtuch jedoch zerschnitten. Damit<br />
spielte man Korporationsgegnern in<br />
die Karten (Linksfaschisten, Autonomen<br />
oder linksorientierten AStA-Gruppen),<br />
die weiterhin die Abschaffung<br />
aller Korporationen fordern,. Ob die<br />
Abgrenzung von der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong><br />
(DB) Früchte bringt? Die<br />
wichtigere Frage wird sein, wer als<br />
nächster Verband an der Reihe ist, medial<br />
„verarbeitet“ zu werden.<br />
Purer Konkurrenzkampf?<br />
Beim Umgang mit anderen Korporierten<br />
wird heute hart und unversöhnlich<br />
ins Gericht gegangen. Ist das purer<br />
Konkurrenzkampf oder einfach nur eine<br />
Zeiterscheinung? Die einstigen Verbändevertreter<br />
zeigten noch Güte und Kompromissbereitschaft.<br />
In der heutigen<br />
Generation (35 bis 60 Jahre) sind diese<br />
Tugenden weniger ausgeprägt. Der<br />
Umgangston ist rau, manchmal ruppig<br />
geworden. Mit Kraftausdrücken oder abgehobenen<br />
Polit- und Business-Floskeln<br />
wird auf Conventen versucht, die eigene<br />
Argumentation zu stärken. Die Bindung<br />
von Beauftragten an Vorstandsbeschlüsse<br />
ist an die Stelle des Gedankenaustausches<br />
getreten. Von Parteien ist uns der<br />
Fraktionszwang bekannt.<br />
Interessant sind Bewertungen, die in<br />
den Verbandszeitungen zu lesen waren.<br />
Vorortsprecher Stephan Mörschel<br />
Bindung von Beauftragten<br />
an Vorstandsbeschlüsse ist an<br />
die Stelle des Gedanken austausches<br />
getreten.”<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
beschreibt treffend in den Wingolfsblättern<br />
4/2012, dass das Verbändegespräch<br />
ihm die wahren Probleme<br />
für das Scheitern von Organisationen<br />
wie CDK und CDA vor Augen<br />
geführt habe. Zum einen ziehen<br />
sich viele Bünde aus der<br />
Diskussion zurück und bringen<br />
somit die Beschlussfähigkeit<br />
der verbandsübergreifenden Zusammenschlüsse<br />
ins Wanken, zum anderen<br />
streiten sich die an den Gesprächen<br />
Beteiligten und argumentieren teilweise<br />
auf einem Niveau, das weit von dem<br />
entfernt ist, was von Akademikern erwartet<br />
werden kann.<br />
„<br />
Uns<br />
Bestehende Einrichtungen<br />
ungenutzt<br />
Hier und da hört man, die großen Verbände<br />
hätten sich in Würzburg und<br />
Düsseldorf getroffen, um über eine<br />
neue Gesprächsplattform zu beraten,<br />
obwohl es so etwas bereits gibt:<br />
das jährliche „Verbändegespräch“ als<br />
Nachfolger des „Erlanger Ehren- und<br />
Verbändeabkommens“, eines 1921 geschlossenen<br />
Abkommens zwischen studentischen<br />
Verbänden. Der nach dem<br />
Alphabet nächste Ausrichter, der Coburger<br />
Convent, hat bereits signalisiert,<br />
das Gespräch nicht zu organisieren.<br />
Derzeit ist das Bedürfnis gering, bestehende<br />
Einrichtungen nicht für einen<br />
„Runden Tisch“ zu nutzen.<br />
Dieses Rückzugsverhalten der Verbände<br />
legt die Vermutung nahe, dass alte<br />
Verbindungen gekappt werden und<br />
so vermeintlicher Ballast abgeworfen<br />
wird. Dazu meint Malte Schlimper, Senior<br />
des BDIC Landesverbandes Nord:<br />
„Eine angedachte neue Organisation<br />
kann nur so gut oder schlecht wie der<br />
CDA funktionieren. Die<br />
Probleme der Verbände<br />
und ihre Art damit umzugehen<br />
werden bleiben.<br />
Es ist keine Frage der<br />
Organisation, sondern<br />
des Miteinanders, des Verständnisses<br />
von Gemeinschaft und Demokratie.<br />
Persönliche Eitelkeiten kommen erschwerend<br />
hinzu“. Schlimper weiter:<br />
geht es einfach nicht<br />
schlecht genug, um<br />
gemeinsam zu agieren.”<br />
„Solange dies die Voraussetzungen<br />
sind, wird es jeder Folgeorganisation<br />
genauso ergehen wie dem CDA. Uns<br />
geht es einfach nicht schlecht genug,<br />
um gemeinsam zu agieren.“<br />
Dachverbände<br />
Es ist zu beobachten, dass nicht nur<br />
in interkorporativen Arbeitsgemeinschaften,<br />
sondern auch in Dachverbänden<br />
Eiszeit herrscht. Sie treiben<br />
auseinander, tragen Lagerkämpfe aus,<br />
wie jüngst die DB mit einem deutschnationalen<br />
und einem liberalen Flügel.<br />
Dahinter stecken zwei sich andeutende<br />
Phänomene: Zum einen haben viele immer<br />
weniger Lust und Bereitschaft zu<br />
Verbänden. Zum anderen nehmen Individualisierung<br />
und Rückzugsverhalten<br />
immer weiter zu. Bedauerlicherweise<br />
herrscht auf vielen Ebenen mangelndes<br />
Interesse am Austausch mit dem<br />
Verband. Nicht in allen Verbänden gibt<br />
es eine breite Auseinandersetzung mit<br />
den Themen der Zeit. Dabei ist es gerade<br />
ihre Stärke, hier eine Diskussionsebene<br />
zu bilden und die Interessen der<br />
Bünde gegenüber Gesellschaft, Hochschule<br />
und Staat vertreten zu können.<br />
Aktive und Alte Herren kehren aber lieber<br />
den Verbänden den Rücken, die eigene<br />
Verbindung ist sich selbst genug.<br />
„Cocooning“ heißt diese Zeiterscheinung.<br />
Hinzu kommt das liebe Geld.<br />
Mitgliedschaften kosten viel. Dagegen<br />
steht eine Erwartungshaltung, man<br />
könne vom Verband als Dienstleister<br />
alles bekommen. Wir werden überproportional<br />
belastet. Die gleiche Kritik,<br />
wie sie immer von Einzelbünden an<br />
Dachverbänden geäußert wird, kommt
von Mitgliedern der Altherrenschaften.<br />
In Zeiten sinkender Mitgliederzahlen<br />
wird diese Kritik immer einen Knackpunkt<br />
bilden.<br />
Schlichtweg<br />
Nachlässigkeiten<br />
Kommen wir nun zu den ursächlichsten<br />
Problemen, die die Dachverbände belasten.<br />
Das Gesagte gilt übrigens für<br />
Korporationen gleichermaßen. Meist<br />
sind es soziale, manchmal triviale Probleme,<br />
die aufgrund der gesellschaftlichen<br />
Entwicklung eingeschleppt werden<br />
– oder schlichtweg Nachlässigkeiten.<br />
Es gibt Erwartungshaltungen an sich<br />
selbst und an andere, die häufig<br />
nicht eingehalten werden können,<br />
gerade in Verbindungen.<br />
Viel zu oft wird nach einem starken<br />
Mann gerufen oder Kritik<br />
geübt, aber selbst ist man nicht<br />
bereit, etwas zu regeln. Das führt<br />
bei Amtsträgern, ja bei allen, zu<br />
Frust und Enttäuschung. Hinzu kommt:<br />
Jeder Mensch, also auch jeder Amtsträger,<br />
hat Schwächen, die allerdings von<br />
den Wählern meist ignoriert werden.<br />
Früher oder später treten sie jedoch<br />
zutage und führen dazu, dass sich eine<br />
Gruppe von Kritikern bildet. Zwar packt<br />
der neue Amtsinhaber seine Aufgaben<br />
zu Beginn energisch an, aber anstatt<br />
das Positive zu fördern wird er nur an<br />
seinen Schwächen gemessen. Kritik der<br />
einen Seite und Schweigen der anderen<br />
sorgen auf Dauer dafür, dass der<br />
„<strong>Neue</strong>“ meist nur Negatives aufnimmt<br />
und Positives überhört. So etablierten<br />
sich in den vergangenen Jahren in allen<br />
Verbänden und Verbindungen „Berufskritiker“.<br />
Sie wollen keine Ämter übernehmen,<br />
da sie befürchten, selbst zur<br />
Zielscheibe zu werden. Aber anstatt bei<br />
Wahlen anzutreten, rufen sie nun schon<br />
nach dem nächsten starken Mann und<br />
das Spiel beginnt von vorn. Ein Missverhältnis,<br />
welches bekannt ist, aber meist<br />
totgeschwiegen wird.<br />
„<br />
Nicht<br />
Einseitige Kommunikation<br />
Die meisten stellen fest, dass ihre Ansprechpartner,<br />
zum Beispiel die in den<br />
Bünden, Informationen kaum weiterleiten,<br />
sodass man unter Umständen<br />
zigmal dasselbe erzählen muss. Diese<br />
einseitige Kommunikation kostet Zeit.<br />
Auf E-Post und Briefe kommen zudem<br />
kaum Rückmeldungen, Informationen<br />
gehen dadurch verloren. Wenn Warner<br />
immer wieder auf diesen Mangel hinweisen,<br />
will keiner mehr zuhören. Wieso<br />
war das früher besser, als es diese<br />
Kommunikationsmittel noch nicht gab?<br />
Ganz einfach: Disziplin und Organisation<br />
waren geübter und besser.<br />
nur inter korpo<br />
rative Arbeitsgemein<br />
schaften, auch<br />
Dachverbände treiben<br />
auseinander.”<br />
Das Geleistete, welches meist mit viel<br />
Aufwand von wenigen auf die Beine<br />
gestellt wird, nehmen viele als selbstverständlich<br />
auf. Anstatt dass viele<br />
wenig arbeiten, arbeiten wenige viel.<br />
Das Erreichte wird dann möglicherweise<br />
zerredet oder die Kritik ist lauter<br />
als das Lob. Die Folge: Auf Dauer<br />
verliert man die Engagierten durch<br />
fehlende Anerkennung.<br />
Bei Wahlen fehlt es an Nachfolgern,<br />
egal auf welcher Ebene, sei es der eigenen<br />
Verbindung oder des Verbandes.<br />
Eine Übergabe ist notwendig, um eine<br />
schnelle Einarbeitung zu gewährleisten,<br />
sie wird jedoch meist auf ein kurzes<br />
Gespräch und eine Mappe reduziert.<br />
Der Vorgänger möchte schnellstmöglich<br />
das Amt los werden und drückt mit<br />
oftmals sehr knappen Anweisungen<br />
seinem Nachfolger eine Mappe mit<br />
Briefen und Protokollen in die Hand. So<br />
kommt es zu fehlender Kontinuität. Gerade<br />
in Vorstandsämtern wäre jedoch<br />
eine Einarbeitungszeit mit Begleitung<br />
durch den Vorgänger wünschenswert.<br />
Eine „Amts-Gleitzeit“ hätte den Vorteil,<br />
dass alles weitergegeben wird. Nach<br />
dieser Phase versucht ein Amtsinhaber,<br />
sich an seinen eigenen Stärken und<br />
Schwächen zu orientieren.<br />
Fehlende Unterstützung<br />
Es fehlt an Unterstützung, an Personen,<br />
die als Ansprechpartner dienen,<br />
die verlässlich sind und zuarbeiten.<br />
Alleine kann man weder regieren noch<br />
arbeiten. Oft fehlt schon Feedback<br />
über vorherrschendes Interesse oder<br />
Desinteresse am Bundesleben. Es liegt<br />
nicht an der Größe, denn schon kleine<br />
Gruppen können viel bewirken, wenn<br />
angepackt und geholfen wird. Die Binsenweisheit<br />
lautet hier: Ohne eine gewisse<br />
Zahl guter Unterstützer wird ein<br />
Ziel nie erreichbar sein.<br />
Wir haben festgestellt, dass meist<br />
Kontinuität und Qualität bei Amtsübergaben<br />
fehlen, dass Amtsträger mit<br />
Frust und Kritik zu kämpfen haben und<br />
Unterstützung benötigen, um innerhalb<br />
ihrer Aufgabenfelder ihre Vorstellungen<br />
umsetzen zu können. Fehlt aber schon<br />
die eine oder andere Komponente, so<br />
„verkriecht“ sich manchmal ein Vorstandsmitglied,<br />
indem es sich auf seine<br />
Aufgaben konzentriert. Für diese gibt<br />
es in der Regel ungenaue Aufgabenbeschreibungen,<br />
die meist nicht die Grenzen<br />
des Amtes aufzeigen. Ungeklärte<br />
Grauzonen, Schnittmengen oder Verknüpfungen<br />
mit anderen Ämtern sorgen<br />
für Konflikte. Ein Organisationsproblem!<br />
Zeit ist überall knapp, ob im Beruf, im<br />
oder neben dem Studium. Amtsträger<br />
handeln in erster Linie ehrenamtlich<br />
und sollten zumindest zeitnah eine Vergütung<br />
für ihre Auslagen oder Pauschalen<br />
bekommen.<br />
Aus dem Gesagten resultieren zu allem<br />
Überfluss überhöhte Erwartungshaltungen<br />
der Verbandsmitglieder gegenüber<br />
Vorständen und Amtsträgern. Der Frust<br />
ist vorprogrammiert.<br />
... Fortsetzung im nächsten academicus.<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
19
Spezial: Gesellschaft im Veränderungsstress<br />
„Die Alltagserfahrung schien entwertet,<br />
die Zukunft wurde uneinsehbar“ – was<br />
wie moderne Zeitkritik klingt, stammt<br />
aus der Feder von Dieter Langewiesche,<br />
einem Historiker, der das beginnende<br />
19. Jahrhundert beschreibt. 23 Jahre<br />
lang, von Valmy bis Waterloo, hatten<br />
Feldzüge und Kriege Europa erschüttert.<br />
Für die Menschen war eine Welt<br />
untergegangen: Gottesgnadentum und<br />
die Ordnung der Stände waren verblasst,<br />
das „Heilige Römische Reich<br />
<strong>Deutsche</strong>r Nation“ hatte 1806 aufgehört<br />
zu existieren. <strong>Neue</strong> soziale Fragen<br />
tauchten im Zuge der beginnenden<br />
Industrialisierung auf. Revolutionen in<br />
Frankreich, Spanien, Portugal, Italien,<br />
Griechenland, Belgien und Deutschland<br />
richteten sich gegen die Relikte einer<br />
feudalen Welt. Die Völker Europas waren<br />
auf der „Suche nach der Gestalt der<br />
Zukunft“, so Langewiesche.<br />
„<br />
Wenn die Menschen den Lauf der Dinge<br />
auch nicht ändern konnten, so blieb ihnen<br />
doch immerhin, sich selbst zu ändern.”<br />
Dagegen rüsteten die alten Autoritäten<br />
zum Abwehrkampf – „Restauration“,<br />
„Karlsbader Beschlüsse“ oder „System<br />
Metternich“ lauten die Stichworte für<br />
den deutschen Raum.<br />
Nation als Antwort<br />
Zugleich erlebten die Menschen technische<br />
und wissenschaftliche Umwälzungen.<br />
Forscher wie Humboldt oder<br />
später Darwin bereisten die Welt und<br />
berichteten von Dingen, die nicht zu<br />
alten Gewissheiten passen wollten.<br />
Auch eine Kommunikationsrevolution<br />
war im Gange: Eisenbahn, Telegrafie,<br />
Zeitungen und Dampfschifffahrt<br />
rückten die Menschen und Völker auf<br />
von<br />
Bernd Prei<strong>SS</strong><br />
Bubenreuther Erlangen (1992)<br />
Veränderungsstress<br />
anno 1815 – Als die <strong>Deutsche</strong>n deutsch wurden<br />
unerhörte Weise zusammen. „Welche<br />
Veränderungen müssen jetzt eintreten<br />
in unsere Vorstellungen! Sogar Raum<br />
und Zeit sind schwankend geworden!“,<br />
verzweifelt Heinrich Heine anlässlich<br />
der Eröffnung der Eisenbahnlinie Paris-<br />
Orleans 1843.<br />
Wie sollte es weitergehen? Antworten<br />
zumindest auf die politischen Fragen<br />
lieferte die Idee der Nation. „Nur der<br />
Leitwert Nation war in der Lage, die<br />
verschiedenen Reformziele und Modernisierungsstrategien<br />
der Zeit zu<br />
bündeln“, so Langewiesche. Aus Untertanen<br />
mussten Bürger werden –<br />
nicht eines Landstriches, von Fürsten<br />
regiert, sondern „ihres“ Landes und<br />
Staates – Deutschlands!<br />
<strong>Burschenschaft</strong> als<br />
Schule der Gesellschaft<br />
20<br />
Juli-Revolution 1830 in Frankreich: „Die Freiheit führt das Volk“<br />
von Eugène Delacroix<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
Doch die Nation fußt auf anderen<br />
Regeln als die Ständegesellschaft.<br />
Gefragt sind Kommunikation, Konfliktfähigkeit,<br />
Wertekonsens und „komplementäre<br />
Rollen“ (Karl W. Deutsch)<br />
in der Gemeinschaft. Diese müssen<br />
erfahren und eingeübt werden. Auf<br />
dem Weg zur Bürgernation musste<br />
ein Lernprozess stehen. Es bildete sich<br />
eine Schule heraus, die die Lektionen<br />
vermittelte: die <strong>Burschenschaft</strong>. „Das<br />
Bildungsbürgertum bildete [...] genau<br />
jene Fähigkeit des sozialen Lernens<br />
aus, die notwendig wurde“, schreibt
der Historiker Wolfgang Hardtwig.<br />
„<strong>Burschenschaft</strong>en [stellten sich] geradezu<br />
prononciert als Gesellungen<br />
zur Schulung der sozialen Lernfähigkeit<br />
dar. Diese erstreckten sich sowohl<br />
auf das konkrete berufliche Wissen als<br />
auch auf die allgemeine soziale Wahrnehmungs-,<br />
Verständigungs- und Konfliktfähigkeit.“<br />
Gebräuche war beträchtlich. Sie fanden<br />
schließlich ihre Entsprechungen in<br />
der bürgerlichen Welt und sollten vor<br />
allem in der Zeit der burschenschaftlichen<br />
Sinnkrise nach der Reichsgründung<br />
1871 der <strong>Burschenschaft</strong> ihren<br />
Stempel aufdrücken. Bürgertum und<br />
<strong>Burschenschaft</strong> beschafften sich eine<br />
aristokratische Patina.<br />
Bürgerliche Tugenden<br />
Prägende Wirkung<br />
Diese Schulen vermittelten nicht nur<br />
neue Fähigkeiten. Unter dem Begriff<br />
„Sittlichkeit“ pflegte man auch neue,<br />
„bürgerliche“ Werte und Tugenden. Ein<br />
neuer Ehrbegriff begann, einen Gegenentwurf<br />
zur alten aristokratischen Standesehre<br />
zu bilden. Es ging um Ehre aus<br />
sittlichem Denken und Handeln heraus<br />
anstelle von Ehre durch Abstammung,<br />
um „Wissenschaftlichkeit“ und ernsthaftes<br />
Studium statt Schlendrian und<br />
Pennalismus, um Vernunft und Arbeit<br />
am Ideal statt Affekt und roher Kraft,<br />
um Ehrengerichte statt unbedingter Satisfaktion.<br />
Was ein „Ehrenmann“ war,<br />
das begannen Bürger und Adelige unterschiedlich<br />
zu sehen.<br />
Allerdings war der Wandel nicht vollständig.<br />
Es fehlte die Bereitschaft,<br />
Elemente aristokratischer Standesehre<br />
völlig aufzugeben, zum Beispiel das Duell,<br />
das im Sinne eines bürgerlichen Individualismus<br />
neu begründet<br />
wurde. Die Anziehungskraft<br />
des uralten adeligen<br />
Selbstverständnisses<br />
und<br />
der entsprechenden<br />
Riten und<br />
„<br />
<strong>Burschenschaft</strong>en<br />
Die Wirkung des Lernprozesses, an<br />
dem die <strong>Burschenschaft</strong> ihren Anteil<br />
hatte, war enorm und prägte den Nationalcharakter<br />
der <strong>Deutsche</strong>n. Umfassende<br />
Bildung und Wissen (das „Land<br />
der Dichter und Denker“), Disziplinierung,<br />
Gründlichkeit etc. wurden zum<br />
Synonym für „deutsch“. Auch einige<br />
der Symbole, die man heute für selbstverständlich<br />
urdeutsch hält, fanden<br />
erst nach 1800 Eingang ins nationale<br />
Bewusstsein. So wurde beispielsweise<br />
erst damals die Eiche zum „deutschen“<br />
Baum. Ursprünglich war deren Symbolik<br />
eher mit den Römern oder auch<br />
den Franzosen verknüpft; der ureigene<br />
Baum der <strong>Deutsche</strong>n ist die Linde,<br />
der Gerichtsbaum der Germanen. Das<br />
Eichenlaub war ein französisches Freiheitssymbol,<br />
das die <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
gerne übernahmen.<br />
stellten<br />
sich als Gesellungen zur<br />
Schulung der sozialen<br />
Lernfähigkeit dar.”<br />
Alexander von Humboldt berichtete<br />
Erstaunliches von seiner Forschungsreise<br />
nach Südamerika.<br />
Phase dramatischer<br />
Veränderungen<br />
Die Menschen zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
erlebten eine Phase dramatischer<br />
politischer, gesellschaftlicher,<br />
wissenschaftlicher und technologischer<br />
Entwicklungen, die in ihrer Tragweite<br />
den heutigen nicht nachstehen,<br />
diese vielleicht sogar übertreffen.<br />
Bürgertum und burschenschaftliche<br />
Avantgarde antworteten mit Lernbereitschaft.<br />
Wenn sie den Lauf der<br />
Dinge auch nicht ändern konnten, so<br />
blieb ihnen doch immerhin, sich selbst<br />
zu ändern. Das Ergebnis prägte die<br />
entstehende Nation und die nachfolgenden<br />
Epochen der deutschen Geschichte<br />
bis heute.<br />
Der „Adler“ (hier ein Nachbau) verband<br />
ab 1835 Nürnberg und Fürth. „Raum<br />
und Zeit sind schwankend geworden!“,<br />
sollte Heinrich Heine später sagen.<br />
(Foto: Jürgen Heegmann)<br />
academicus 1/20<strong>13</strong>
Staatsbürgerplattform<br />
Zum Geleit<br />
Liebe Verbandsbrüder,<br />
Kleinanzeigen im academicus mögen ein befremdlicher Anblick sein. Aber warum nicht, wenn sie einem<br />
sinnvollen Zweck dienen? Die hier erstmals vorgelegte „Plattform für staatsbürgerliches Engagement“<br />
(kurz: Staatsbürgerplattform) zeigt auf, mit welchen staatsbürgerlichen oder gesellschaftlichen Themen<br />
sich Verbandsbrüder beschäftigen, und lädt zum Mitmachen ein. Die Plattform ist eine Initiative unseres<br />
Verbandes, um das gemeinsame staatsbürgerliche Engagement der Verbandsbrüder zu fördern und um<br />
einen konkreten Beitrag zum gemeinwohlorientierten Wirken der <strong>Burschenschaft</strong> zu leisten.<br />
Die Teilhabemöglichkeiten der Verbandsbrüder reichen vom Gedankenaustausch über Publikationen im<br />
academicus, dem Referieren vor Bünden oder auf Verbandsveranstaltungen bis hin zur Gründung von<br />
Arbeitsgruppen oder dauerhaften Initiativen, gerne über die Verbandsgrenzen hinweg.<br />
Wir rufen alle Verbandsbrüder zum Mitmachen auf. Schildern Sie, was Sie beschäftigt und welche<br />
politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen oder sozialen Themen Sie gemeinsam mit anderen<br />
Verbandsbrüdern gerne aufgreifen würden. Wir freuen uns auf Ihre Beiträge.<br />
Für den Vorstand – Bernd Preiß<br />
Stellvertretender Vorsitzender der <strong>Neue</strong>nDB<br />
Spende<br />
für<br />
Fritz Reuters<br />
Andenken<br />
Stadt und VAB Eisenach<br />
erbitten Spenden für die<br />
Grabstätte des <strong>Burschenschaft</strong>ers<br />
Fritz Reuter –<br />
auch kleine Beträge helfen!<br />
Informationen und<br />
Kontakt auf Seite 32<br />
Die Muttersprache hochhalten<br />
Wer in seiner Muttersprache schludert, zerstört die Wurzeln<br />
seiner Kultur. Darum lebe die Pflege der Sprachen in allen Ländern<br />
und Volksgruppen! Europa braucht die Vielfalt, kann aus<br />
Unterschieden Nutzen ziehen und aus vielen Quellen nur Heilsames<br />
schöpfen. Mischen erzeugt Ungenießbares und führt in<br />
die Irre. Seit fast 200 Jahren bemüht sich die <strong>Burschenschaft</strong><br />
um Vaterlandsliebe. Dazu zählt auch die Sprachkultur in der<br />
Muttersprache. Darin nicht zu schludern, ist Gebot für jede<br />
Generation: Mitmachen kostet nichts. Nur ein wenig Selbstbewusstsein.<br />
Kontakt: Hans-Peter Schmidt,<br />
Bubenreuther Erlangen,<br />
HP.Schmidt@t-online.de<br />
DKMS<br />
Die <strong>Neue</strong>DB unterstützt die<br />
<strong>Deutsche</strong> Knochenmarkspenderdatei<br />
(DKMS) durch die<br />
Teilnahme ihrer Mitglieder<br />
an Knochenmark-Typisierungen<br />
sowie durch Spenden.<br />
Geldspende: Sparda-Bank<br />
Hessen, Konto 3950060,<br />
BLZ 50090500, Verwendungszweck<br />
„DKMS“<br />
Typisierung: Infos unter<br />
www.dkms.de<br />
Föderalismus: Weniger ist mehr!<br />
Deutschland kann sich 16 Königreiche in Form von Bundesländern<br />
auf Dauer nicht leisten. 16 Länderparlamente und -regierungen<br />
gehen ins Geld, der Bundesrat ist zu mächtig, die Grenzen der<br />
Bundesländer sind Mobilitätsgrenzen für Schüler oder Beamte. Wir<br />
brauchen funktionsfähige Regionaleinheiten, aber keine kostspieligen<br />
Klein- und Kleinstkönigreiche! <strong>Burschenschaft</strong> steht traditionell<br />
gegen Kleinstaaterei – es gibt viel zu tun, auch nach 200 Jahren!<br />
Kontakt: Norbert Seid, Markomannia Kaiserslautern, norbert.seid@gmail.com<br />
22<br />
academicus 1/20<strong>13</strong>
<strong>Burschenschaft</strong>er sein –<br />
ein Leitbild<br />
Der demographische<br />
Tsunami<br />
Die Arbeitsgruppe Zukunft (AGZ) möchte ein<br />
burschenschaftliches Leitbild herausbringen.<br />
Es soll auf zukunftsorientierte Weise rund<br />
20 zentrale Handlungs- und Problemfelder<br />
unseres Vaterlandes aufzeigen (einige stehen<br />
auf dieser academicus-Seite) und aus diesen<br />
ableiten, was es im 21. Jahrhundert bedeuten<br />
muss, <strong>Burschenschaft</strong>er zu sein. Das Dokument<br />
soll so gestaltet werden, dass es auch<br />
als Image-Broschüre dienen kann. Wir suchen<br />
Verbandsbrüder, die bereit sind mitzuwirken.<br />
Kontakt: Bernd Preiß, Bubenreuther<br />
Erlangen, email@berndpreiss.de<br />
Die Finanzkrise ist nur der<br />
Ausläufer eines demographischen<br />
Tsunamis. Früher<br />
haben wir die Augen<br />
davor verschlossen, weil<br />
er weit weg schien. Heute<br />
ist schon ein großes Stück<br />
Verzweiflung dabei.<br />
Doch das Problem ist keineswegs<br />
schicksalhaft. Die<br />
Rechnung für uns <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
muss lauten:<br />
<strong>Burschenschaft</strong> will Gesellschaft<br />
gestalten + Der<br />
demographische Wandel<br />
trifft den Lebensnerv der<br />
Gesellschaft – Anpacken!<br />
Mehr auf Seite 14.<br />
Kontakt: Jürgen Winter,<br />
Bubenreuther Erlangen,<br />
info@rechtsfragen.org<br />
<strong>Neue</strong>-<br />
DB-<br />
Akademie<br />
Erfolg durch Wissen und<br />
Kompetenz: Die <strong>Neue</strong>DB-<br />
Akademie e.V. bietet Studierenden<br />
aller Fakultäten<br />
umfassende Angebote<br />
zur Persönlichkeitsbildung<br />
sowie zur ergänzenden<br />
beruflichen Qualifikation.<br />
Spendenkonto: Sparkasse<br />
Forchheim, Konto<br />
77933, BLZ 76351040<br />
Kontakt: Prof. Dr. med.<br />
H. Liehr, kontakt@<br />
neuedb-akademie.de<br />
Jetzt<br />
mitmachen!<br />
Jubiläum<br />
2015<br />
Die <strong>Neue</strong>DB plant die Ausrichtung eines Jubiläumsjahres<br />
2015 an jedem Hochschulort des Verbands. Hierzu soll<br />
zentral eine Ausstellung zusammengestellt werden. Interessierte<br />
<strong>Burschenschaft</strong>er werden gesucht!<br />
Kontakt: Rüdiger Fiedler, Frankonia Gießen,<br />
dr.r.fiedler@gmx.de<br />
„Letzte Seite“:<br />
Vorschläge gesucht!<br />
Die Rückseite des academicus gehört<br />
einem guten Zweck. Gemeinnützige<br />
oder andere für das Gemeinwohl aktive<br />
Organisationen können hier kostenlos<br />
für sich werben. Vorschläge durch<br />
Verbandsbrüder werden erbeten!<br />
Kontakt: academicus@neuedb.de<br />
Die „Plattform für staatsbürger liches Engagement“ ist<br />
eine Ini ti ative der <strong>Neue</strong>n <strong>Deutsche</strong>n Bur schenschaft e.V.,<br />
um das gemeinschaftliche staatsbürgerliche En gage ment<br />
der <strong>Neue</strong>DB-Mit glie der zu fördern und einen konkreten<br />
Beitrag zum gemeinwohlorientierten Wirken der <strong>Burschenschaft</strong><br />
zu leisten.<br />
Die in der Staatsbürgerplattform vorgestellten In halte<br />
spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung des Verbandes<br />
oder der Mehrheit seiner Mitglieder wider.<br />
Zusendungen an academicus@neuedb.de<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
23
MEINUNGSDUELL<br />
Braucht die <strong>Burschenschaft</strong><br />
einen geeinten Dachverband?<br />
von<br />
Sven-Patrick Schwarz<br />
Franconia Freiburg (2010) und Alemannia Marburg<br />
Sven-Patrick Schwarz<br />
PRO<br />
„<br />
Sehen<br />
Die Forderung und der Wunsch nach<br />
Einheit innerhalb der <strong>Burschenschaft</strong>,<br />
die (Wieder-)Errichtung eines gemeinsamen<br />
Bundes, in dem sich alle vereint<br />
befinden, ist lohnendes Ziel und<br />
zugleich Auftrag für uns.<br />
Genauso wie es bereits von Jahn und<br />
Friesen 1811 erhoben wurde: „Die<br />
gesamte <strong>Burschenschaft</strong> jeder hohen<br />
Schule macht ein Ganzes aus, ein freies<br />
Gemeinwesen freier Leute. Alle besonderen<br />
Vereinigungen sind dadurch<br />
aufgehoben, abgethan, für todt und<br />
nichtig erklärt. […] Um nun das Burschenleben<br />
und den Burschenbrauch<br />
nach der möglichst besten Form zu<br />
gestalten, ist es wünschenswert, daß<br />
alle, welche von den Vorzügen des<br />
Burschenlebens überzeugt und dasselbe<br />
aufs neue hervorzurufen bereit<br />
sind, sich vereinen zu einer allgemeinen<br />
<strong>Burschenschaft</strong>, die soweit es<br />
möglich und den Wünschen des Einzelnen<br />
angemessen ist, alle brave Burschen<br />
umfassen soll zu einem freien,<br />
ehrlichen, deutschen Verein, und sie<br />
wir uns in der Tradition<br />
der <strong>Burschenschaft</strong>lichen<br />
Bewegung, so müssen wir<br />
versuchen, die Einigung<br />
wiederherzustellen.“<br />
umschlinge mit dem Bande der gleichen<br />
Rechte, des gleichen Zwecks und<br />
einer innigen brüderlichen Gemeinschaft.“<br />
Daher ist es nur logisch, diese<br />
Gemeinschaften auch in einem Bund<br />
zusammenzubringen.<br />
Wir haben verlernt, anderen Argumenten<br />
als unseren eigenen zuzuhören<br />
und sie auch zu respektieren,<br />
wenn wir ihnen nicht zustimmen.<br />
Ja, die Geschichte der Bewegung ist<br />
auch eine Geschichte der Abspaltungen<br />
und Gegensätze, aber auch eine,<br />
die diesen Wunsch nach Einheit nie<br />
aufgeben wollte. Das Beharren auf<br />
dem alleinigen Recht der Auslegung<br />
und Repräsentation führt nicht zum<br />
Verhandlungstisch, sondern fordert<br />
auf, sich dagegen aufzulehnen. Wir<br />
haben die Brüderlichkeit verlernt. Wir<br />
hassen mehr das, was andere Brüder<br />
nicht machen oder tun, als dass wir<br />
versuchen, sie zu verstehen und zu<br />
integrieren.<br />
Für mich als <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
stellt sich nicht die Frage, ob wir<br />
einen umfassenden<br />
Bund<br />
haben wollen –<br />
sondern wie wir<br />
diesen Auftrag<br />
erfüllen können.<br />
Sehen wir uns<br />
in der Tradition<br />
der <strong>Burschenschaft</strong>lichen Bewegung,<br />
so müssen wir versuchen, die<br />
Einigung wiederherzustellen.<br />
Die Gefahr, dass eine solche Einheit<br />
zu einem Sammelbecken verkommen<br />
könnte, ist absonderlich, so<br />
als würde man sagen, dass ein Volk<br />
nur ein Sammelbecken für Einzelne<br />
ist. Wir müssen unsere Ansprüche,<br />
Forderungen und Verhaltensweisen<br />
hinterfragen und einer kritischen Untersuchung<br />
unterziehen. Wir sollten<br />
aufhören, unsere Bedeutung künstlich<br />
zu überhöhen, und stattdessen<br />
anfangen, konkret zu überlegen, was<br />
wir heute überhaupt sind, darstellen<br />
und wollen. Welchem Zweck und welchen<br />
Zielen wollen wir uns in dieser<br />
Einheit verschreiben? Eine Antwort<br />
kann nur gefunden werden, wenn wir<br />
aufhören, lediglich in kleinen homogenen<br />
Gruppen zu diskutieren.<br />
Aber statt dass wir anfangen, uns zu<br />
bemühen, alle Richtungen und Gruppierungen<br />
der Bewegung an den<br />
Verhandlungstisch zu bringen, tun<br />
wir was? Wir feiern den Zerfall anderer<br />
korporativer Zusammenschlüsse.<br />
Und: Woran arbeiten wir? Was machen<br />
wir eigentlich? Wir trinken Bier!<br />
Hören wir auf zu streiten und uns<br />
gegenseitig Vorwürfe zu machen und<br />
beenden wir den Zwist, der uns davon<br />
abhält, gemeinsam groß zu sein.<br />
24<br />
academicus 1/20<strong>13</strong>
TITEL<br />
Sie möchten sich zu einem bestimmten Thema »duellieren«?<br />
Bitte senden Sie Ihr Thema an meinungsduell@neuedb.de<br />
Martin Haape<br />
Contra<br />
Jeder, der die These vertritt, die <strong>Burschenschaft</strong><br />
müsste sich aus ihrer<br />
Tradition heraus unter einem einheitlichen<br />
Dach zusammenfinden, sollte<br />
wohl zunächst zur Kenntnis nehmen,<br />
dass die urburschenschaftliche Forderung<br />
nicht die Einheit der <strong>Burschenschaft</strong>,<br />
sondern die Einheit aller<br />
Studenten unter einem gemeinsamen<br />
Dach wollte. Dass diese Forderung<br />
natürlich unmöglich umzusetzen ist,<br />
versteht sich wohl von ganz alleine.<br />
Nun könnte man doch entgegenhalten,<br />
dass dann doch zumindest<br />
die Einheit der <strong>Burschenschaft</strong><br />
zu erstreben wäre – wie zur<br />
Gründung der Allgemeinen<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong> im<br />
Oktober 1818 zu Jena. Doch<br />
auch hier erfolgten die wirkliche<br />
Arbeit und die Ausarbeitung<br />
von Positionen stets in kleinen<br />
Arbeitskreisen. Dieser Bund löste<br />
sich bereits 1822 wieder auf.<br />
Damit begann die Zersplitterung des<br />
Studententums erneut.<br />
Doch warum sollte man eine neue<br />
Vereinigung ablehnen? Die <strong>Burschenschaft</strong><br />
ist ihrer Art nach eine politische<br />
Organisation, die sich über die<br />
politische Forderung und über den<br />
Diskurs miteinander definieren muss,<br />
will sie nicht ihren Anspruch verlieren.<br />
Wo es um politische Forderungen<br />
von<br />
Martin Haape<br />
Rugia Darmstadt (2010)<br />
geht, da prallen verschiedene Meinungen<br />
aufeinander.<br />
An dieser Stelle muss man sich eine<br />
wichtige Frage stellen: Möchte ich<br />
einen Verband, der eine politische<br />
Stellung bezieht? Will ich dies, so<br />
muss ich mir eingestehen, dass diese<br />
Stellungnahme dann vermutlich<br />
einem Großteil der Bünde und deren<br />
Mitgliedern zuwiderläuft. Damit ist<br />
die Einheit auch nicht hergestellt.<br />
Entscheide ich mich gegen einen<br />
politischen Verband, dann möchte<br />
„<br />
Zum Biertrinken<br />
brauchen wir<br />
keinen einheitlichen<br />
Verband.“<br />
ich vermutlich eine Plattform zum<br />
Austausch und überlasse die Stellungnahmen<br />
den Einzelbünden. Ein<br />
solcher Verband ist eben keine Einheit,<br />
sondern lediglich ein formelles<br />
Sammelbecken für Bünde mit politischem<br />
Anspruch, die sich <strong>Burschenschaft</strong>en<br />
nennen. Ein Verband kann<br />
ergo lediglich als Plattform für die<br />
sogenannte „burschenschaftliche<br />
Arbeit“ genutzt werden. Hierzu bedarf<br />
es jedoch eines gemeinsamen<br />
Zieles und des gemeinsamen Ziehens<br />
an einem Strang.<br />
Dies kann nicht über die Masse aller<br />
Bünde, sondern allein – und hier bin<br />
ich wieder bei der Urburschenschaft<br />
– in kleinen Kreisen entstehen. Aber<br />
seien wir doch einfach ehrlich mit<br />
uns selbst: Woran arbeiten wir? Was<br />
machen wir eigentlich? Wir trinken<br />
Bier! Und das nicht erst seit einigen<br />
Jahren, sondern seit fast einem Jahrhundert.<br />
Zum Biertrinken<br />
brauchen wir keinen einheitlichen<br />
Verband! Und<br />
wenn wir dann einmal<br />
wegen etwas anderem öffentliche<br />
Aufmerksamkeit<br />
erlangen, dann ist unsere<br />
Bedeutung so gering (und<br />
das wäre auch in einem<br />
gemeinsamen Verband<br />
so!), dass es keine Rolle<br />
spielt. So lange es also nirgends gelingt,<br />
aus unserer Mitte eine wirklich<br />
greifbare und konkrete Zielsetzung<br />
aller Bünde zu generieren, die etwas<br />
wirklich <strong>Neue</strong>s, Erstrebenswertes<br />
präsentiert, so lange werden wir<br />
auch auf unserem Bier festsitzen und<br />
uns einreden, wir könnten bloß über<br />
eine einheitliche <strong>Burschenschaft</strong> irgendetwas<br />
Wichtiges erreichen.<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
25
verbandsleben<br />
<strong>Neue</strong>s<br />
aus der Anstalt!<br />
Liebe Verbandsbrüder, falls Sie einmal im Impressum<br />
des Seminarkatalogs 2012 der <strong>Neue</strong>nDB-Akademie<br />
e.V. geblättert haben, ist Ihnen sicherlich<br />
etwas aufgefallen: Mit der Erfahrung aus mehr<br />
als 250 Veranstaltungen haben wir zwölf Renner<br />
als „Basisseminare“ zusammengefasst. Diese<br />
Veranstaltungen werden weiterhin nach dem<br />
langjährigen Erfolgsslogan der Firma Kodak<br />
abgewickelt: „You push the button – we do the<br />
rest!“ Die Bünde bestellen ein Seminar und garantieren<br />
genügend Teilnehmer – um alles andere<br />
kümmert sich die Akademie.<br />
26<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
14 weitere Seminarthemen bilden die Gruppe der<br />
„Aufbau- und Spezialseminare“. Für diese Veranstaltungstypen<br />
stimmen die Referenten der Akademie<br />
mit dem veranstaltenden Bund die Themenschwerpunkte<br />
nach den Wünschen der Teilnehmer<br />
ab. Ziel ist es dabei, selbstverantwortliches Lernen<br />
auf überfachlichen Kompetenzfeldern anzuregen.<br />
Kurz gesagt: In Zukunft liefern wir so sowohl bewährte<br />
Konfektion als auch Maßgeschneidertes –<br />
eben was das Herz begehrt und die Ratio gewährt!<br />
<strong>Neue</strong> DB-Akademie vor<br />
dem „Ausbruch“?<br />
Bisher hat die Akademie vereinzelt auch für Veranstalter<br />
gearbeitet, die nicht Mitglied unseres<br />
Verbands waren. Das kann in Zukunft zum festen<br />
Bestandteil werden. Auf den „Bonner Märzgesprächen“<br />
der wachsenden Gruppe nicht mehr<br />
verbandsgebundener <strong>Burschenschaft</strong>en hat<br />
unser Verbandsbruder Dr. von Wiese (Teutonia<br />
Hannover) für die Akademie geworben. Fünf<br />
Bünde haben bereits Informationsmaterial zur<br />
Akademie erhalten. Falls ein „Ausbruch“ auf ein<br />
erweitertes Feld studentischer Gemeinschaften<br />
gelingt, werden wir unseren Stamm an Trainern<br />
und Referenten erweitern.<br />
In diesem Zusammenhang die Frage: Wer hat<br />
Lust und Zeit, seine wertvollen Berufserfahrungen<br />
in Seminarform zu kleiden? Zögern Sie nicht,<br />
sich bei der Leitung der Akademie oder bei mir<br />
zu melden, um die Modalitäten zu erfahren. Vielleicht<br />
ist die Arbeit als Trainer für Sie heute noch<br />
ungewohnt? Zur Vorbereitung bieten wir Ihnen<br />
einen speziellen Train-the-Trainer-Kurs an. Aufbau,<br />
Durchführung und Lernerfolgssicherung in<br />
Seminaren werden dabei ohne Stress eingeübt.<br />
Wir begleiten Sie sogar bei den ersten Veranstaltungen<br />
als Co-Trainer! Aus eigener Erfahrung<br />
warne ich Sie – Trainer-Erfolg kann auch süchtig<br />
machen: Die Chance, sich anzustecken, steht eindeutig<br />
höher als als ein Gewinn im Lotto!<br />
Ihr Jürgen Schlien (Arminia Karlsruhe)<br />
für die <strong>Neue</strong>DB-Akademie e.V.
geschichte<br />
„<br />
Es ist eine gemeinsame<br />
Verpflichtung, unsere Vergangenheit<br />
zu erforschen, unabhängig von<br />
aktuellen Unterschieden, ja gar<br />
Streitigkeiten.“<br />
von<br />
Dr. Klaus Oldenhage<br />
<strong>Burschenschaft</strong> der Norddeutschen und<br />
Niedersachsen Bonn (1960), <strong>Burschenschaft</strong> Germania Trier<br />
<strong>Burschenschaft</strong>liche Geschichte ist unteilbar<br />
Die GfbG steht a l l e n<br />
<strong>Burschenschaft</strong>en offen<br />
Die Arbeit der Gesellschaft für burschenschaftliche<br />
Geschichtsforschung (GfbG) hebt nach Auffassung des<br />
Frankfurter Stadtarchivars Wolfgang Klötzer „erstens die<br />
burschenschaftliche Selbstbetrachtung aus der reinen<br />
Verbindungs- und Vereinssphäre auf die Ebene allgemeiner<br />
Geschichtsbetrachtung. Zweitens stellt sie durch die<br />
Fühlung nahme mit den Einzelburschenschaften, durch<br />
ihre wissenschaftlichen Beziehungen zum Bundesarchiv,<br />
zu den Universitätsbibliotheken und Staatsarchiven<br />
Kontakte her, die in unserer Zeit geeignet scheinen, die<br />
Gemeinsamkeiten, die existentiellen Berührungspunkte<br />
auf staatlichem, kulturellem und sozialem Sektor aufzuzeigen<br />
und zwingend bewußt werden zu lassen.“ Diesem<br />
verpflichtenden Urteil eines Außenstehenden möchte die<br />
GfbG auch künftig gerecht werden.<br />
Anregungen für Gegenwart<br />
und Zukunft<br />
Schon die Altmeister der burschenschaftlichen Historiker<br />
um Herman Haupt (Arminia Würzburg, Germania und<br />
Frankonia Gießen), Georg Heer (Arminia Marburg) und<br />
Paul Wentzcke (Alemannia Straßburg, Germania Würzburg,<br />
Marchia Köln/Bonn) wollten mit ihren Arbeiten „der<br />
heutigen burschenschaftlichen Jugend auch fruchtbare<br />
Anregungen für Gegenwart und Zukunft […] bieten“, indem<br />
sie ihnen Kenntnisse burschenschaftlicher Geschichte<br />
vermittelten. Sie hofften: „Wenn nicht jede Begeisterungsfähigkeit<br />
ausgestorben ist, so muß unsere ruhmreiche<br />
Geschichte jeden einzelnen, der sich mit ihr beschäftigt,<br />
begeistern und erheben.“<br />
Diese Hoffnung haben wir auch heute, schwierig ist jedoch<br />
ihre Umsetzung im Alltag. Umso wichtiger sind berufliches<br />
Ethos, das Abwägen jedes Vorgangs und dessen möglichst<br />
objektive Beschreibung, „wie es eigentlich gewesen ist“ (Ranke).<br />
Damit sind Polemik und Propaganda, wie in der Mitte des<br />
19. Jahrhunderts inner- und außerhalb der Korporationsverbände,<br />
nicht vereinbar. Folglich muss auch burschenschaftliche<br />
Geschichtsforschung unabhängig sein, ohne sich von den<br />
burschenschaftlichen Verbänden zu trennen, die sie, meist<br />
durch Subskription, Bezuschussung oder Pflichtabnahme der<br />
Werke, finanzieren. Ein Spannungsverhältnis zwischen burschenschaftlicher<br />
Politik und historischer Forschung wurde<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
27
oft spürbar – vor 1914 und nach 1918, um 19<strong>34</strong>/35 sowie<br />
nach 1945. Ein vertretbarer Ausgleich gelang stets. Die niemals<br />
aufgelöste GfbG arbeitet mit dem Bundesarchiv zusammen,<br />
ab 1952 erst in Frankfurt am Main, heute in Koblenz.<br />
Dies bietet sich fachlich und finanziell an, weil die Kosten einer<br />
Lagerung der Archivalien in eigenen Räumen um ein Vielfaches<br />
höher wären als die weitgehend von der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Burschenschaft</strong> getragenen Personalkosten.<br />
Bis 1726 zurückreichend<br />
Die Bestände von<br />
Archiv und Bücherei<br />
umfassen mehrere<br />
Abteilungen,<br />
insgesamt etwa<br />
500 laufende Meter.<br />
Die Abteilung<br />
Archivgut, deren<br />
Bestand teilweise<br />
bis 1726 zurückreicht,<br />
war in der Zeit bis 1945/49 Eigentum der GfbG, für<br />
die Zeit danach gehört sie burschenschaftlichen Verbänden,<br />
<strong>Burschenschaft</strong>en und <strong>Burschenschaft</strong>ern, sofern diese<br />
einen Eigentumsvorbehalt ausgesprochen haben. Eine<br />
informative Beschreibung des Archivguts findet sich im<br />
PDF-Dokument „Archiv und Bücherei“ im Bundesarchiv Koblenz<br />
(Bestand DB 9) von Harald Lönnecker (2012): http://<br />
www.burschenschaftsgeschichte.de/studentenhistorische_<br />
publikationen.htm.<br />
Die Bücherabteilung verfügt über etwa 8.000 Bücher und 220<br />
Zeitschriften. Besonders hervorzuheben ist die Burgkeller-<br />
Bücherei, die einzige erhaltene Bibliothek einer Korporation<br />
aus dem Vormärz.<br />
Alle Abteilungen enthalten nicht nur Schrifttum von <strong>Burschenschaft</strong>en<br />
und burschenschaftlichen Verbänden, sondern<br />
auch die Veröffentlichungen anderer Korporationen<br />
und deren Verbände, darüber hinaus auch Material zur allgemeinen<br />
Studenten- und Hochschulgeschichte.<br />
Die dritte und kleinste Abteilung umfasst Bilder und andere<br />
Zeugnisse des studentischen Brauchtums wie Wappen,<br />
Silhouetten, Mützen, Bänder, Pekeschen, Schärpen, Pfeifenköpfe,<br />
Trinkgefäße und andere Gebrauchsgegenstände.<br />
Archiv und Bücherei sind Grundlagen für Veröffentlichungen<br />
der GfbG und deren Vorgänger: Von 1910 bis 1940 waren<br />
es 17 Bände „Quellen und Darstellungen zur Geschichte der<br />
<strong>Burschenschaft</strong> und der deutschen Einheitsbewegung“, dazu<br />
„<br />
Geschichte wiederholt<br />
sich nicht, aber wir<br />
können aus ihr lernen!“<br />
sechs Beihefte, Sonderausgaben und zwei Bände <strong>Burschenschaft</strong>erlisten.<br />
Der Zweite Weltkrieg machte die GfbG nicht<br />
handlungsunfähig; der Vorstand um Paul Wentzcke setzte<br />
seine Tätigkeit unbeirrt fort und sorgte vor allem für die<br />
finanziellen Voraussetzungen, um ab 1951 neue Veröffentlichungen<br />
zu ermöglichen: 1955 die Neuauflage und -bearbeitung<br />
Wentzckes rund 30 Jahre zuvor erstmals erschienenen<br />
Standardwerks „Die deutschen Farben“ und die seit<br />
1957 erscheinende neue Reihe „Darstellungen und Quellen<br />
zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten<br />
und zwanzigsten Jahrhundert“, deren 20. Band<br />
im September<br />
2012 erschienen<br />
ist. Dazu<br />
kamen zahlreiche<br />
andere Veröffentlichungen,<br />
Sonder- und Jahresausgaben,<br />
bisher sechs,<br />
bald acht Bände<br />
des „Biographischen<br />
Lexikons der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong>. Band I:<br />
Politiker“ mit fast 5.000 Kurzbiografien.<br />
Finanzielle und geistige<br />
Unabhängigkeit<br />
Alle der Geschichtsforschung verpflichteten <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
sind in der Überzeugung verbunden, sich finanzielle und<br />
geistige Unabhängigkeit zu erhalten, damit wir – um es mit<br />
Herman Haupt zu sagen – „nicht auf jede Wendung der aktiven<br />
<strong>Burschenschaft</strong>en Rücksicht zu nehmen haben“. In der<br />
Praxis brauchen wir nicht nur die Fortsetzung der 60-jährigen<br />
erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv,<br />
sondern auch die moralische und finanzielle Unterstützung<br />
möglichst vieler <strong>Burschenschaft</strong>er jenseits aller Verbandsgrenzen.<br />
Geschichte wiederholt sich nicht, aber wir können<br />
aus ihr lernen!<br />
Christian Hünemörder (Alemannia Bonn) war von 1986/87<br />
bis 2005 Vorsitzender der GfbG. Sein Beispiel zeigt, dass<br />
auch <strong>Burschenschaft</strong>en, Altherrenverbände und einzelne<br />
<strong>Burschenschaft</strong>er der <strong>Neue</strong>nDB in der GfbG ebenso willkommen<br />
sind wie alle anderen, einschließlich aller örtlichen<br />
VABVAB. Alle werden benötigt, weil es eine gemeinsame<br />
Verpflichtung ist, unsere Vergangenheit zu erforschen, unabhängig<br />
von aktuellen Unterschieden, ja gar Streitigkeiten.<br />
28<br />
academicus 1/20<strong>13</strong>
geschichte<br />
von<br />
Arnulf Baumann<br />
<strong>Burschenschaft</strong> der Bubenreuther (1951)<br />
„<br />
Die<br />
’<br />
Schrebergärten’ boten<br />
der Stadtbe völkerung<br />
die Möglichkeit, zu einer<br />
gesünderen Lebensweise<br />
zu finden.“<br />
Aus unseren Reihen:<br />
Turner, Arzt und Vorkämpfer<br />
Daniel Gottlob Moritz Schreber<br />
(1808–1861)<br />
Schrebergärten kennt jeder, ihren Namensgeber jedoch<br />
kaum jemand. Dabei sind von Moritz Schreber wichtige<br />
Anregungen ausgegangen, die eng mit der <strong>Burschenschaft</strong><br />
und ihrer Wirkungsgeschichte zusammenhängen – ein<br />
Grund, sich einmal näher mit ihm zu befassen.<br />
Geboren wurde Daniel Gottlob Moritz Schreber am 15. Oktober<br />
1808 in Leipzig als Sohn eines Rechtsanwalts. Über<br />
seine Jugend ist wenig bekannt. Überliefert ist lediglich,<br />
dass er die altehrwürdige Thomasschule seiner Heimatstadt<br />
besuchte, wo er sicherlich mit burschenschaftlichen<br />
Bestrebungen in Berührung kam. Gerade während Schrebers<br />
Schulzeit waren diese an der Thomana nämlich besonders<br />
ausgeprägt. Vor allem das Turnen wurde gepflegt: Es<br />
wurde von der Schulleitung wohlwollend geduldet und von<br />
ehemaligen <strong>Burschenschaft</strong>ern unter den Lehrern gefördert.<br />
Überliefert ist auch, dass Schreber seit seiner Studienzeit<br />
ab 1826 in Leipzig ein begeisterter Turner war – eine<br />
Leidenschaft, die er unter den damaligen Bedingungen wohl<br />
nur im Zusammenhang mit der <strong>Burschenschaft</strong> ausprägen<br />
konnte. Es spricht alles dafür, dass Schreber sich wie viele<br />
seiner Mitschüler nach seinem Schulabschluss der Leipziger<br />
<strong>Burschenschaft</strong> anschloss. Infolge derer internen Auseinandersetzungen<br />
und durch einen sich über viele Jahre<br />
hinziehenden Demagogenprozess gegen die Leipziger <strong>Burschenschaft</strong><br />
sind jedoch keine Unterlagen über seine Mitgliedschaft<br />
erhalten.<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
29
30<br />
Turnen zu Beginn des<br />
19. Jahrhunderts<br />
Berufliche Laufbahn<br />
Sein Medizinstudium absolvierte Schreber<br />
in den Jahren 1826 bis 1833 in Leipzig,<br />
danach war er einige Jahre Leibarzt<br />
eines russischen Adligen und begleitete<br />
diesen auf Reisen durch mehrere<br />
Länder Europas. Anschließend wurde<br />
er Privatdozent in Leipzig und gründete<br />
später eine Privatklinik. Schreber<br />
heiratete dann die Tochter eines Medizinprofessors,<br />
die Eheleute bekamen<br />
danach zwei Söhne und drei Töchter.<br />
Und Schreber gehörte zu den angesehenen<br />
Ärzten seiner Geburtsstadt.<br />
Seinem vielfältigen Wirken wurde jedoch<br />
bereits 1861 ein plötzliches Ende<br />
gesetzt, als Schreber an einer akuten<br />
Blinddarmentzündung starb. Sein<br />
Einsatz für die Volksgesundheit wirkt<br />
jedoch nach – bis heute.<br />
Gründung des Leipziger<br />
Turnvereins<br />
Schreber war in seiner Kindheit oft<br />
kränklich, gleichzeitig hatte er am eigenen<br />
Leibe erfahren, wie gut körperliche<br />
Übungen seiner Gesundheit taten.<br />
Da er seiner Turnbegeisterung auch<br />
später treu geblieben war, ist es nicht<br />
verwunderlich, dass er 1845 zu den<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
Mitgründern des Leipziger Turnvereins<br />
zählte, einer der ersten Turnvereine in<br />
Deutschland. Hier konnten unter Schrebers<br />
Anleitung Erwachsene – Beamte,<br />
Lehrer, Rechtsanwälte, ja sogar Professoren<br />
– ihre Körperkräfte entwickeln.<br />
Wohl im Zusammenhang damit widmete<br />
Schreber sich in seiner Klinik<br />
vor allem den Haltungsschäden von<br />
Kindern. Durchdrungen von der Überzeugung,<br />
dass Kinder in körperlicher<br />
wie geistiger Hinsicht unbegrenzt bildungsfähig<br />
seien, entwickelte Schreber<br />
vielerlei Methoden zur Korrektur<br />
solcher Fehlhaltungen, wobei er auch<br />
vor rigiden Maßnahmen – Festbinden<br />
am Bett, Apparate zur Verbesserung<br />
der Körperhaltung und dergleichen –<br />
nicht zurückschreckte. Diese aus heutiger<br />
Sicht manchmal absonderlichen<br />
Vorkehrungen galten zu seiner Zeit als<br />
fortschrittlich. Fortschrittlich war jedenfalls<br />
tatsächlich, dass Schreber die<br />
Prügelstrafe ablehnte und durch eigene<br />
Eintragungen der Kinder auf einer<br />
Tafel ersetzte; diese wurden einmal im<br />
Monat durch Schreber in großer<br />
Runde besprochen. Seine<br />
Behandlung erreichte hohes<br />
Ansehen unter wohlhabenden<br />
Eltern aus ganz Europa.<br />
1851 hatte Schreber selbst einen<br />
Unfall im Turnsaal seiner<br />
Klinik, der seine schon vorher<br />
auftretenden Kopfschmerzen derart<br />
verschlimmerte, dass er sich aus allen<br />
Ämtern zurückzog und die Leitung der<br />
Klinik weitgehend seiner Frau überließ.<br />
Als Zusammenfassung seiner Erfahrungen<br />
und Maßnahmen veröffentlichte<br />
Schreber unter Aufbietung all seiner<br />
Kräfte 1858 sein wissenschaftliches<br />
Hauptwerk „Kallipädie oder Erziehung<br />
zur Schönheit durch naturgetreue und<br />
gleichmäßige Förderung normaler<br />
Körperbildung, lebenstüchtiger Gesundheit<br />
und geistiger Veredelung“.<br />
Dieses Werk, das mehrmals aufgelegt<br />
wurde, war vor allem für Eltern bestimmt,<br />
enthielt aber auch Anregungen<br />
für Lehrer. Eine gekürzte Volksausgabe,<br />
der „Hausfreund“, erschienen in<br />
Schrebers Todesjahr 1861, fand jedoch<br />
nicht das vom Verfasser erhoffte Echo.<br />
Begründer der „Schwarzen<br />
Pädagogik“?<br />
Umstritten sind heute Schrebers pädagogische<br />
Anschauungen. Dabei geht<br />
es insbesondere um die Erziehung<br />
seiner eigenen Kinder, an denen er<br />
seine Erziehungsmethoden und Korrekturapparate<br />
zunächst erprobte, so<br />
wie auch seine Frau und er selbst ihre<br />
Körper durch tägliche gymnastische<br />
Übungen trainierten. Vor allem das<br />
Lebensschicksal seiner Söhne fand in<br />
den vergangenen Jahrzehnten Beachtung:<br />
Der ältere, Gustav, promovierter<br />
Jurist, brachte sich 1877 selbst ums<br />
Leben. Sein zweiter Sohn, Daniel Paul,<br />
brachte es zum Senatspräsidenten am<br />
Oberlandesgericht Dresden, wurde<br />
jedoch nervenkrank und starb nach<br />
mehreren Krankheitsschüben 1911<br />
in einer Leipziger Nervenheilanstalt.<br />
Kein Geringerer als Sigmund Freud<br />
„<br />
Schreber forderte<br />
ein Gleichgewicht<br />
von Genuss und<br />
Entbehrung in der<br />
Kindeserziehung.“
widmete ihm auf Grund der „Denkwürdigkeiten<br />
eines Nervenkranken“ eine<br />
eingehende psychologische Untersuchung,<br />
ohne ihn je gesehen zu haben.<br />
Dies alles führte dazu, dass Moritz<br />
Schreber heute vielfach als einer der<br />
Begründer der sogenannten „Schwarzen<br />
Pädagogik“ gilt. Es gehörte jedoch<br />
zu den Grundüberzeugungen<br />
seiner Zeit, dass zur Erziehung der<br />
Kinder auch das „Brechen“ von deren<br />
Eigensinn zählt. Schreber forderte ein<br />
Gleichgewicht von Genuss und Entbehrung<br />
in der Kindeserziehung und<br />
plädierte für Singen und Spielen als<br />
deren feste Bestandteile. Den Deutungen<br />
Freuds und anderer wird heute zunehmend<br />
widersprochen.<br />
Initiator der Kleingartenbewegung?<br />
Wenige Jahre nach Schrebers Tod<br />
wurde 1864 in Leipzig der erste Verein<br />
zur Umsetzung der Schreberschen<br />
Ideen begründet. Dieser legte einen<br />
Spiel- und Turnplatz für Kinder an, an<br />
dessen Rand auch kleine Beete für sie<br />
vorgesehen waren. Schrebers Schwiegersohn,<br />
der Schuldirektor Ernst Hauschild,<br />
schlug bei der Suche nach einem<br />
Namen für den Verein die Bezeichnung<br />
„Schreberverein“ vor. (Dieser Verein feiert<br />
2014 sein 150-jähriges Bestehen.) Er<br />
konnte sich dabei auf die Bemühungen<br />
Schrebers um die Förderung der körperlichen<br />
Betätigung an der frischen Luft<br />
durch „Leibesübungen“ berufen. Wie<br />
weit von Schreber selbst am Rande von<br />
Turnplätzen Gartenparzellen angelegt<br />
wurden, ist umstritten. Seine Töchter<br />
berichteten allerdings später, dass sie<br />
als Kinder in seinem großen Garten eigene<br />
Beete anlegen und pflegen durften.<br />
Der Namensvorschlag zu Ehren<br />
des bekannten Arztes fand großen Anklang.<br />
Jedoch wurde der Kleingartengedanke<br />
kaum von den Kindern aufgegriffen,<br />
sondern von deren Eltern. Die sich<br />
schnell ausbreitende Kleingartenbewegung<br />
hatte dadurch einen griffigen Namen;<br />
sie findet sich heute in allen Teilen<br />
Deutschlands, aber<br />
auch in Frankreich<br />
und den USA.<br />
Die „Schrebergärten“<br />
boten der durch die<br />
industrielle Revolution<br />
der Natur immer<br />
mehr entfremdeten<br />
und unter beengten Wohnverhältnissen<br />
leidenden Stadtbevölkerung die Möglichkeit,<br />
sich in freier Luft gärtnerisch zu<br />
betätigen und so zu einer gesünderen<br />
Lebensweise zu finden.<br />
Auswirkungen der<br />
<strong>Burschenschaft</strong><br />
Schrebers Leben und Werk machen<br />
auf ein Element burschenschaftlichen<br />
Lebens aufmerksam, das in der<br />
Anfangszeit große Bedeutung hatte,<br />
heute aber oft vergessen wird: das<br />
Turnen. Die körperliche Leistungsfähigkeit<br />
der Studenten durch das<br />
Turnen zu fördern, gehörte zu den<br />
selbstverständlichen Pflichten der<br />
<strong>Burschenschaft</strong>er. Der „Turnvater<br />
Jahn“ genoss in burschenschaftlichen<br />
Kreisen großes Ansehen, leider<br />
auch dank seines engen Nationalismus.<br />
Schrebers Bemühungen um die<br />
Organisation von Turnvereinen ist ein<br />
„<br />
Die körperliche Leistungsfähigkeit<br />
durch das Turnen<br />
zu fördern, gehörte zu<br />
den selbstverständlichen<br />
Pflichten der<br />
<strong>Burschenschaft</strong>er.“<br />
Umstrittene Methoden gegen Haltungsschäden:<br />
Schrebers „Geradhalter“ für eine korrekte Sitzhaltung<br />
Beispiel dafür, wie Impulse aus der<br />
<strong>Burschenschaft</strong> in die verschiedensten<br />
Lebensbereiche ausstrahlten.<br />
Darüber hinaus gehört sein Bemühen<br />
um die Bildung von Organisationen<br />
in Vereinsform zur Geschichte der<br />
Selbstorganisation des deutschen Bürgertums.<br />
Nach dem Scheitern der Revolution<br />
von 1848 und dem Wiedererstarken<br />
der konservativen Kräfte war<br />
dem Bürgertum auf viele Jahre hinaus<br />
die eigentliche politische Betätigung<br />
verwehrt. Robert Blum hatte es schon<br />
vor 1848 vorgemacht, dass Vereinsgründungen<br />
demokratische Formen<br />
und Ideen in viele Bereiche einführen<br />
und der Vorbereitung auf eine Mitgestaltung<br />
des politischen Lebens dienen<br />
konnten. Turnvereine und später<br />
Kleingartenvereine gehören in diesen<br />
Zusammenhang. Allerdings zeigt gerade<br />
das Beispiel der Schrebergartenvereine,<br />
dass oft das ursprüngliche Ziel<br />
vergessen und stattdessen kleinliche<br />
Vereinsmeierei betrieben wurde.<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
31
Informationen<br />
SEPA kommt<br />
Die SEPA-Umstellung wirft ihren Schatten voraus. Die Abkürzung<br />
steht für „Single Euro Payments Area“, zu Deutsch:<br />
Einheitlicher Euro-Zahlungsverkehrsraum. Leider ist es – entgegen<br />
landläufiger Meinung – nicht so, dass sich für Vereine,<br />
die Mitgliedsbeiträge oder Spenden per Lastschrift einziehen,<br />
nichts ändert.<br />
Unsere Spenden für das Grab sollen die<br />
Erneuerung des rostigen Zaunes unterstützen.<br />
(Foto: Schiwago)<br />
Eisenach erbittet Spenden<br />
für den <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
Fritz Reuter<br />
Der niederdeutsche Dichter Fritz Reuter aus Mecklenburg<br />
verbrachte ab 1863 die letzten elf Jahre seines Lebens in<br />
der Wartburgstadt. Künftig möchte die Stadt Eisenach das<br />
Gedenken an den Dichter stärken, verbunden mit einer umfassenden<br />
inhaltlichen und räumlichen Neuausrichtung des<br />
Museums in seinem Wohnhaus.<br />
Darüber hinaus soll auch die Grabstätte Reuters eine umfangreiche<br />
Renovierung erfahren. Besucher können leicht<br />
feststellen, dass hier besonders die eiserne Einfriedung dringend<br />
erneuert werden muss, an der seit bald 140 Jahren<br />
der Zahn der Zeit nagt.<br />
Neben der Wartburg stellt Fritz Reuter einen weiteren wichtigen<br />
burschenschaftlichen Bezug zu Eisenach dar. Das Vorhaben<br />
der Stadt sollte somit auch lebhafte Unterstützung<br />
aus den Reihen der <strong>Burschenschaft</strong> erfahren.<br />
Die VAB Eisenach möchte sich insbesondere für die Renovierung<br />
des Zaunes am Grab einsetzen und bittet daher<br />
alle Freunde der Reuterschen Dichtung um Unterstützung<br />
– auch kleine Beträge helfen!<br />
Wolfgang Gäbler V!Ch!S!<br />
Vorsitzender VAB Eisenach<br />
Spendenkonto der Stadt Eisenach bei der Wartburg<br />
Sparkasse: Stichwort „Reutergrab“ (unbedingt angeben)<br />
BLZ: 84055050, Konto: 2003<br />
IBAN: DE57 8405 5050 0000 0020 03<br />
BIC: HELADEF1WAK<br />
Die gute Nachricht: Einzugsermächtigungen behalten ihre<br />
Gültigkeit und werden automatisch auf SEPA umgestellt. Es<br />
gibt jedoch auch Haken: So sind beispielsweise nur Einzugsermächtigungen<br />
mit einer physikalischen Unterschrift gültig.<br />
Liegt sie nicht vor, muss sie nachträglich eingeholt werden.<br />
Überdies ist das neue „SEPA Direct Debit“-Verfahren deutlich<br />
komplexer als das bisherige Einzugsermächtigungs-Lastschriftverfahren.<br />
Die Bundeskassiere sollten sich gut informieren. Einige Beispiele<br />
für Punkte, die es zu beachten gilt (ohne Gewähr):<br />
• Gläubiger-ID: Der Verein muss diese bei der Bundesbank<br />
per Mail beantragen (www.glaeubiger-id.bundesbank.de).<br />
Außerdem muss eine Inkasso-Vereinbarung<br />
mit der Bank des Vereins abgeschlossen werden.<br />
• Mandatsreferenznummer: Man muss eine eindeutige<br />
Mandatsreferenznummer für die Zahlungspflichtigen<br />
festlegen, zum Beispiel die Mitgliedsnummer.<br />
• <strong>Neue</strong> Formulare: Text und Aufbau zur Erteilung von<br />
Einzugsermächtigung sind in weiten Teilen genau vorgegeben.<br />
Diese gilt es zu beachten.<br />
• Mitglieder informieren, Teil 1: Vor dem ersten SEPA-<br />
Einzug müssen die Mitglieder über den Systemwechsel<br />
informiert werden. Dabei müssen die Gläubiger-ID und<br />
die Mandatsreferenznummer angegeben werden.<br />
• Mitglieder informieren, Teil 2: Lastschrifteinzüge<br />
müssen grundsätzlich vorher mitgeteilt werden („Pre<br />
Notification“). In der Mitgliederversammlung kann auf<br />
die jährlichen Fälligkeiten hingewiesen werden. Eine<br />
weitere Information ist dann nicht mehr notwendig.<br />
• Original-Unterschriften: Es muss überprüft werden,<br />
ob für jeden Lastschriftzahler eine unterschriebene<br />
Einzugsermächtigung im Original vorliegt.<br />
• Bankangaben im Schriftverkehr checken: Auf welche<br />
Geschäftspapiere, Faltblätter, Jahresberichte werden<br />
die Kontodaten des Vereins gedruckt? Hier müssen bei<br />
Neuauflagen die neuen Kontokennungen IBAN und BIC<br />
berücksichtigt werden.<br />
Eine Übersicht über die neuen Gegebenheiten gibt die Bundesbank<br />
unter www.sepadeutschland.de. Auch bieten in der<br />
Regel Banken und Sparkassen ihren Kunden umfassende Information<br />
und Beratung an.<br />
32<br />
academicus 1/20<strong>13</strong>
Mitgliedsbünde<br />
Mitgliedsbünde<br />
Aachen<br />
Danziger <strong>Burschenschaft</strong><br />
Alemannia zu Aachen,<br />
Am Weißenberg 48,<br />
52074 Aachen, 0241/84507,<br />
aktivitas@db-alemannia.de<br />
Augsburg<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Rheno-<br />
Palatia, Jakoberstr. 79, 86152 Augsburg,<br />
post@rheno-palatia.de<br />
Berlin<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Obotritia,<br />
Cimbernstr. 12, 14129 Berlin 38,<br />
030/80352<strong>34</strong>, 030/8032663,<br />
aktivitas@obotritia-berlin.de<br />
Bonn<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Alemannia<br />
zu Bonn, Rosental 105, 53111 Bonn,<br />
0228/6<strong>34</strong>782, 0228/695782,<br />
post@alemannia-bonn.de<br />
Darmstadt<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Frisia,<br />
Alexandraweg 14, 64287 Darmstadt,<br />
06151/45222, 06151/43358,<br />
sprecher@burschenschaft-frisia.de<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Rheno-<br />
Markomannia, Jahnstr. <strong>13</strong>0,<br />
64285 Darmstadt, 06151/48519,<br />
06151/42<strong>34</strong><strong>13</strong>,<br />
aktivitas@rheno-markomannia.de<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Rugia,<br />
Wienerstr. 95, 64287 Darmstadt,<br />
06151/47230, 06151/420540,<br />
info@rugia-darmstadt.de<br />
Erlangen<br />
<strong>Burschenschaft</strong> der<br />
Bubenreuther, Östliche Stadtmauerstr.<br />
32, 91054 Erlangen,<br />
09<strong>13</strong>1/205875, 09<strong>13</strong>1/202160,<br />
mail@bubenreuther.de<br />
Freiburg<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Franconia,<br />
Maria-Theresia-Str. <strong>13</strong>,<br />
79102 Freiburg, 0761/74231,<br />
aktivitas@franconia-freiburg.de<br />
Gie<strong>SS</strong>en<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Frankonia,<br />
Grünberger Str. 89, 35394 Gießen,<br />
0641/9483236, 0641/9483237,<br />
info@frankonia-giessen.de<br />
Göttingen<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Brunsviga,<br />
Schildweg 40, 37085 Göttingen,<br />
0551/59001, 0551/59002,<br />
info@brunsviga.net<br />
Hannover<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Alt-<br />
Germania Hannover,<br />
Heinrichstr. 10, 30175 Hannover,<br />
0511/<strong>34</strong>2229, 0511/3887952,<br />
burschenschaft@alt-germania.de<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Teutonia,<br />
Ludwig-Barnay-Str. 3, 30175 Hannover,<br />
0511/817615, 0511/853506,<br />
sprecher@teutonia.org<br />
Kaiserslautern<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Markomannia,<br />
Richard-Wagner-Str. 75, 67655<br />
Kaiserslautern, 0631/66868,<br />
0631/3607794,<br />
email@markomannia-kl.de<br />
Karlsruhe<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Arminia,<br />
Sebastian-Kneipp-Str. 4, 76<strong>13</strong>1 Karlsruhe,<br />
0721/697052, 0721/697022,<br />
info@arminia-karlsruhe.de<br />
Karlsruher <strong>Burschenschaft</strong><br />
Tulla, Waldhornstr. 18, 76<strong>13</strong>1 Karls ruhe,<br />
0721/35001-1, 0721/35001-23,<br />
info@kb-tulla.de<br />
Köln<br />
Leipziger <strong>Burschenschaft</strong><br />
Suevia zu Köln, Bachemer Str. 101,<br />
50931 Köln, 0221/94670<strong>13</strong>,<br />
0221/4069224, suevia@gmx.de<br />
www.burschenschaft-suevia-koeln.de<br />
Leipzig<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Roter<br />
Löwe Leipzig, Kohlgartenstr. 31,<br />
04315 Leipzig, 0<strong>34</strong>1/6810702,<br />
info@roter-loewe-leipzig.de<br />
Marburg<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Alemannia,<br />
Hainweg 9, 35037 Marburg,<br />
06421/67687,<br />
post@alemannia-marburg.de<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Arminia,<br />
Wehrdaer Weg 32, 35037 Marburg,<br />
06421/67624, 06421/683068,<br />
mail@arminia.info<br />
Stuttgart<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Arminia,<br />
Steinkopfstr. 18, 70184 Stuttgart,<br />
0711/245260, 0711/245230,<br />
schriftwart.arminia-stuttgart@gmx.de<br />
www.arminia-stuttgart.de<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Ulmia,<br />
Bopserklinge 8, 70184 Stuttgart,<br />
0711/241758, 0711/2<strong>34</strong>9983,<br />
ulmer@b-ulmia.de<br />
Freundeskreis<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Alemannia<br />
Freiburg, Günterstalstr. 56,<br />
79100 Freiburg, 0761/2143387,<br />
info@alemannia freiburg.de<br />
<strong>Burschenschaft</strong> Berolina-<br />
Mittweida zu Lübeck,<br />
Kronsforder Allee 70b, 23560 Lübeck,<br />
0451/5823643,<br />
info@berolina-mittweida.de<br />
D.St.V. Chamavia<br />
Oldenburg, c.o. Heinz Thiel,<br />
Haareneschstr. 80, 26121 Oldenburg,<br />
0441/67443,<br />
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