1 Konzept einer ehrlichen Unternehmensethik ... - HWWI

Unternehmensethik, für die allein die Tat zählt. Da das Unternehmen nur das Ergebnis
seines Handelns zu rechtfertigen hat, ist eine umfassendere kritische Beurteilung der
Geschäfts- und Arbeitsprozessethik durch die Gesellschaft beinah unmöglich. Diese
Intransparenz stellt für Unternehmen aber eine explizite Gefahr dar, wenn die Gesellschaft
doch an Informationen über ethische Missstände und Verfehlungen innerhalb des
Unternehmens gelangt, die bewusst zurückgehalten wurden, da sie in scharfem Gegensatz
zum gesellschaftlichen Konsens stehen – wenn also, wie in dem Gedankenexperiment, das
Unternehmen zugeben muss, in der Zukunft nur deswegen auf Kinderarbeit zu verzichten,
weil sich die Qualität der Produkte aus Kinderarbeit verschlechtert hat beziehungsweise die
relativen Lohnkosten gestiegen sind. Je unvorbereiteter solche Missstände die Gesellschaft
treffen, umso heftiger wird sie diese ahnden und das Unternehmen bestrafen.
In diesem Zusammenhang erweisen sich Normierungsinitiativen als besonders sinnvoll,
wenn es darum geht, Unternehmen in einem ersten Schritt auf die Einhaltung von
grundlegenden ethischen Prinzipien, also auf den gesellschaftlichen Konsens, zu
verpflichten.
Dennoch: Eine solche Unternehmensethik, die oberflächlich ist und bestimmte Werte nur
akzeptiert, weil ökonomische Kalküle oder die Gesellschaft oder Normierungsinitiativen sie
dazu drängen, ist immer fremdbestimmt. Und solange eine Unternehmensethik
fremdbestimmt ist, ist sie unaufrichtig, da sie nie die eigenen Überzeugungen vertritt,
sondern stets die anderer! Vor dem Hintergrund des zunehmenden ethischen Bewusstseins
der Gesellschaft, das die Menschen Fragen nach den tatsächlichen Beweggründen eines
Unternehmens für diese oder jene Handlung stellen lässt, ist ein Umdenken hin zu einer
deontologischen Unternehmensethik erforderlich.
Diese Ethik ist die ehrliche Ethik, ist das bewusste Heraustreten eines Unternehmens aus
der beschriebenen ethischen Fremdbestimmung. Herausgefordert zu diesem Schritt der
Formulierung des eigenen Ethikverständnisses wird das Unternehmen durch eine veränderte
gesellschaftliche Leitfrage. Interessierte sich diese zunächst für den Aspekt, ob ein
Unternehmen überhaupt ethische Werte in einem Leitbild formuliert hatte („Verfügt ein
Unternehmen über ethische Werte“), so gilt ihre Aufmerksamkeit nun der Motivation eines
Unternehmens.
„Was steckt hinter dem Handeln eines Unternehmens“ ist also die neue Leitfrage einer
zunehmend kritischen Öffentlichkeit, die ein Unternehmen zwingt, sich und sein Handeln zu
erklären! Sie kann nur unternehmensindividuell beantwortet werden. Und dazu muss sich ein
Unternehmen des eigenen ethischen Verständnisses bewusst werden.
Dieser Paradigmenwechsel von einer teleologischen hin zu einer deontologischen
Unternehmensethik wird zwar noch extern durch die veränderte gesellschaftliche
Fragestellung eingeleitet, doch wird ein Unternehmen langfristig die neue Leitfrage
internalisieren. Weil sie nach den Beweggründen für das eigene Handeln fragt,
verpflichtet sie ein Unternehmen zu einer verstetigten moralischen Rechtfertigung
seines Handelns. Das Ergebnis wird eine ehrliche Ethik sein, von deren Richtigkeit sowohl
ein Unternehmen als Institution als auch dessen Mitglieder individuell überzeugt sein
werden. Das Konzept einer ehrlichen Ethik ist somit die individuelle und unverwechselbare
Antwort eines Unternehmens auf die Herausforderungen, vor die der intensivierte globale
Wettbewerb und die moralischen Erwartungen der Gesellschaft es stellen.
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