27.02.2014 Aufrufe

Manuskript (52 KB)

Manuskript (52 KB)

Manuskript (52 KB)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

SWR2 ZEITWORT<br />

04.06.2013, 6.40 Uhr<br />

04.06.1962: Vera Brühne wird wegen Doppelmordes verurteilt<br />

Von Christian Berndt<br />

O-Ton Klaus Seibert:<br />

„Im Namen des Volkes ergeht Urteil: Ferbach, Johann, geboren<br />

am…“<br />

Landgerichtsdirektor Klaus Seibert verkündet im überfüllten Gerichtssaal des<br />

Münchner Schwurgerichtes das Urteil:<br />

O-Ton Klaus Seibert:<br />

„…sind schuldig zweier in Mittäterschaft begangener Verbrechen des Mordes. Sie<br />

werden zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt.“<br />

Mit dem Urteil endet ein spektakulärer Fall, der beinahe gar nicht vor Gericht<br />

gekommen wäre. Zwei Jahre zuvor waren der Arzt Otto Praun und seine<br />

Haushälterin tot aufgefunden worden. Die Polizei ging von erweitertem Selbstmord<br />

aus. Aber nach der Testamentseröffnung forderte der Sohn des Arztes eine<br />

Exhumierung: Denn Dr. Praun hatte seiner Fahrerin und Gesellschafterin Vera<br />

Brühne das Landhaus in Spanien vermacht. Die anschließende Obduktion ergab<br />

tatsächlich: Es war Mord.<br />

Sofort geriet Brühne in Verdacht, weil Praun angeblich geplant hatte, das Anwesen<br />

zu verkaufen, statt es ihr zu vermachen. Und um ein Alibi vorzuweisen, verwickelte<br />

sich Brühne heillos in Widersprüche. Im Oktober 1961 wurden sie und ihr Bekannter<br />

Johann Ferbach verhaftet. Ferbach soll ihr zuliebe die Tat verübt haben, weil er ihr<br />

sexuell hörig gewesen sei. Eine unbewiesene These, aber sie passte perfekt ins Bild.<br />

Der Gerichtsreporter Gerhard Mauz schilderte später seine Eindrücke vom Prozess:<br />

O-Ton Gerhard Mauz<br />

„Sie ist eine faszinierende, eindrucksvolle Frau gewesen, die von einem Geschick<br />

war, einem virtuosen Geschick, mit Menschen umzugehen, vor allem mit Männern<br />

umzugehen. Es ist sicher so gewesen, dass mit Vera Brühne eine Frau vor Gericht<br />

geriet, wie sie in Deutschland vielleicht noch nie vor Gericht gestanden hatte.“<br />

Chanson-Musik


Vera Brühne ist für die Öffentlichkeit der ausgehenden Adenauer-Ära eine<br />

Provokation: Eine attraktive 50jährige aus gutem Hause, die - geschieden und<br />

alleinerziehend - den Lebensunterhalt als Begleiterin wohlhabender Herren<br />

bestreitet. Sie flirtet gern, ist manipulativ, aber keineswegs flatterhaft - Männer lässt<br />

sie bei sich nie übernachten. Sie selbst hat - noch als 90jährige – immer bestritten,<br />

mit Praun und Ferbach ein sexuelles Verhältnis gehabt zu haben:<br />

O-Ton Vera Brühne<br />

„Ich hab kein Verhältnis mit Männern, ich habe keine<br />

Verhältnisse. Vor Gericht ist viel gesagt worden. Da kann ich nicht dazu, wenn so<br />

was behauptet wird. Und wenn ich widersprach, dann sagte das hohe Gericht, das ist<br />

eine Schutzbehauptung. Infolgedessen habe ich nicht mehr widersprochen. Man rügt<br />

mich einmal, und danach richte ich mich.“<br />

Anklage und Boulevardpresse zeichnen das Bild einer geldgierigen, ruchlosen<br />

femme fatale. Brühne hat keine Chance: Indizien, die sie entlasten, werden ignoriert,<br />

widersprüchliche Zeugenaussagen zu ihren Ungunsten als Beweise akzeptiert. Am 4.<br />

Juni 1962 werden Vera Brühne und Johann Ferbach zu lebenslanger Haft verurteilt.<br />

Der Fall ist mit dem Urteil jedoch nicht beendet, acht Wiederaufnahmeanträge<br />

werden gestellt. Aber alle werden abgelehnt, selbst als Gutachter den festgelegten<br />

Tatzeitpunkt für ausgeschlossen erklären und eine spätere Todesstunde, für die<br />

Brühne ein Alibi hätte, vermuten. Dass trotz der skandalösen Mängel am Urteil<br />

festgehalten, Vera Brühne aber 1979 überraschend begnadigt wird, befördert die<br />

Theorie, dass Praun in Bestechungen im Zusammenhang mit Waffengeschäften der<br />

Bundeswehr verwickelt war – und der Sensationsprozess davon ablenken sollte. Ob<br />

Vera Brühne, die 2001 starb, unschuldig war, wird wohl nie geklärt. Aber bei dieser<br />

Beweislage hätte sie nie verurteilt werden dürfen. Doch das Urteil gilt bis heute.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!