Manuskript - Südwestrundfunk
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P R E S S E I n f o r m a t i o n<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.<br />
Thorben Becker, Energieexperte des BUND, gab heute,<br />
31.05.13, dem <strong>Südwestrundfunk</strong> ein Interview zum Thema<br />
„Boykott des Bürgerforums zur Atommüll-<br />
Endlagersuche“.<br />
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Sabine Hackländer.<br />
SÜDWESTRUNDFUNK<br />
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Zentrale Information<br />
Datum: 31.05.2013<br />
BUND verteidigt Boykott am Bürgerforum zur Atommüllendlagersuche<br />
Baden-Baden: Der Energieexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland,<br />
BUND, Thorben Becker, hat den Boykott seines Verbandes am Bürgerforum zur<br />
Atommüllendlagersuche verteidigt. Der Protest richte sich keinesfalls grundsätzlich gegen ein<br />
Endlager in Deutschland. Alle Initiativen und Umweltverbände wollten im Gegenteil unbedingt<br />
eine Lösung im Inland, denn schließlich seien die Alternativen noch schlechter, sagte Becker im<br />
SÜDWESTRUNDFUNK (SWR). Wenn die Politik allerdings wirklich einen gesellschaftlichen<br />
Konsens anstrebe, reichten drei Tage Debatte über ein Gesetz, an dem keine Änderungen<br />
mehr möglich seien, nicht aus. Ein solcher Prozess dauere mindestens zwei Jahre so Becker.<br />
Wortlaut des Live-Gesprächs:<br />
Hackländer: Die Politik, genauer Umweltminister und Bundestagsfraktionen, veranstalten<br />
ein öffentliches Bürgerforum, um möglichst viele bei der Suche nach einem Atommüll-<br />
Endlager mitzunehmen, und der BUND geht nicht hin. Sie boykottieren die Veranstaltung<br />
in Berlin, ebenso wie etliche andere Umweltverbände. Warum nutzen Sie nicht die<br />
Gelegenheit, um ihre eigenen Vorstellungen von einer sinnvollen Endlagersuche<br />
einzubringen?<br />
Becker: Wir bringen unsere eigenen Vorstellungen gerne ein bei vielen Gelegenheiten, und wir<br />
sind auch zu einem konstruktiven Dialog bereit. Wir gehen zu dieser Veranstaltung an diesem<br />
Wochenende aus zwei Gründen nicht hin: das eine ist tatsächlich der Zeitpunkt dieses<br />
Bürgerdialogs, weil Ziel ist es tatsächlich, über das Standortauswahlgesetz zu sprechen. Und<br />
so ein Gespräch, so ein dreitägiges Forum macht natürlich nur Sinn, wenn ich an diesem<br />
Gesetz noch irgendetwas ändern kann. Wir haben aber einen Konsens zwischen vier Parteien,<br />
zwischen Bund und Ländern. Das Gesetz ist im Bundestag eingebracht. Es hat eine<br />
Regierungserklärung von Herrn Altmaier dazu gegeben. Alle Fraktionen sagen, zu allen<br />
Änderungsvorschlägen, auch wenn die vom Bundestagspräsidenten kommen, an diesem<br />
Gesetzentwurf kann sich nichts mehr ändern.<br />
Hackländer: Also, der Zug ist für Sie abgefahren?<br />
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Becker: Vor so einem Hintergrund macht natürlich so eine dreitägige Debatte keinen Sinn mehr.<br />
Das ist aus unserer Sicht dann eher eine Farce von Bürgerbeteiligung. Natürlich können wir<br />
auch mit diesem kurzen Vorlauf uns als Umweltverband, der in Berlin präsent ist, an so etwas<br />
beteiligen. Das Ganze wird aber Bürgerforum genannt. Und das ist der zweite Grund. Wir<br />
brauchen, und das ist tatsächlich wichtig, wenn die Standortsuche nach einem Atommüll-<br />
Endlager irgendwann einmal erfolgreich sein soll, tatsächlich von Anfang an ein breites<br />
gesellschaftliches Einverständnis, einen Konsens über das Verfahren. Ansonsten wird es früher<br />
oder später vor die Wand fahren. Und die Experten haben mehrfach gesagt, wir brauchen für so<br />
einen Prozess zwei Jahre. Wenn ich tatsächlich die Bevölkerung, und die, die jetzt schon von<br />
Atommüll betroffen sind, und so mitnehmen will und da tatsächlich ein gemeinsames<br />
Verständnis über dieses Verfahren erzielen will. Und das kann ich natürlich nicht machen, wenn<br />
ich kurzfristig zu so einem Forum einlade, wo die Leute fünf Minuten Redezeit haben. Insofern,<br />
das ist aus unserer Sicht tatsächlich keine Bürgerbeteiligung. Und deshalb wollen wir bei so<br />
etwas nicht mitmachen.<br />
Hackländer: Was heißt für Sie Bürgerbeteiligung, dass jeder einzelne Bürger über den<br />
Standort eines Atommüll-Endlager mitbestimmen darf? Das kann es ja nicht sein, wenn<br />
es darum geht, den bestmöglichen, also den sichersten Standort zu finden?<br />
Becker: Nein, in der Phase sind wir überhaupt noch nicht, sondern es geht im Moment darum,<br />
dass von Anfang an ein möglichst breites Verständnis über das Verfahren hergestellt wird. Weil,<br />
es ist tatsächlich so, wenn das Gesetz, so wie es jetzt von den Fraktionen eingebracht wird,<br />
wenn das durch kommt, dann wird es ja Jahre dauern, bis sich tatsächlich konkrete Standorte<br />
herauskristallisieren.<br />
Hackländer: Aber da geht es doch um Transparenz und ausreichende Informationen und<br />
nicht um Mitbestimmung.<br />
Becker: Es geht nicht nur um Transparenz, weil dann bräuchte ich ja auch dieses Bürgerforum<br />
nicht machen, wo ich sage, ich beteilige euch oder ihr könnt etwas sagen, sondern es ist<br />
tatsächlich mehr. Weil es ist anders als ein normales Gesetz. Wenn ich ein Verfahren auf den<br />
Weg bringen will, das nur erfolgreich sein kann, wenn ich tatsächlich einen breiten<br />
gesellschaftlichen Konsens habe, der es dann auch ermöglichst, dieses Verfahren über Jahre<br />
durchzuziehen. Und das ist tatsächlich die entscheidende Voraussetzung, um so ein<br />
Suchverfahren erfolgreich werden zu lassen. Ansonsten habe ich zwar, trotz aller<br />
Veranstaltungen und aller Informationen, am Ende die übliche Situation, dass mit guten<br />
Gründen die Region vor Ort sich wehren wird und Widerstand leisten wird. Und dann habe ich<br />
letztendlich zumindest von diesem Verfahren unter Einbindung der Bevölkerung nicht viel<br />
gewonnen. Und deshalb brauchen wir tatsächlich etwas anderes – und das ist ja auch eine<br />
einmalige Situation.<br />
Hackländer: Was brauchen wir denn?<br />
Becker: Alle Anti-Atom-Initiativen, alle Umweltverbände sagen ja, wir brauchen eine Lösung.<br />
Wir wollen auch die Suche im Inland unbedingt, weil wir wissen, die Alternativen sind noch viel<br />
schlechter, sind dauerhafte Zwischenlagerung, sind Export ins Ausland.<br />
Hackländer: Der Naturschutzbund NABU und die Deutsche Umwelthilfe, die haben<br />
ebenfalls Kritik an diesem Bürgerforum, aber sie nehmen trotzdem teil. Wie klug ist das,<br />
wenn die Umweltverbände ohne gemeinsame Linie auftreten?<br />
Becker: Inhaltlich sind wir hier nahe beieinander. Also inhaltlich sozusagen in der Einschätzung<br />
dieses Forums und welchen Wert das eigentlich hat. Die Frage ist tatsächlich, gehe ich hin und<br />
äußere ich die Kritik an diesem Forum, auch dieser Veranstaltung, oder mache ich das<br />
außerhalb. Uns war wichtig zu sagen, wir – und das sind eben nicht nur die Verbände, sondern<br />
das ist im Prinzip die gesamte Anti-Atom-Bewegung und die Initiativen an den vielen<br />
Standorten, wo im Moment ja schon Atommüll lagert, die sagen, wir fühlen uns von diesem<br />
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
kurzfristigen Verfahren, die Parteien verhandeln anderthalb Jahre hinter verschlossenen Türen,<br />
und dann soll in drei Tagen Bürgerbeteiligung...<br />
Hackländer: Aber die Frage war ja, erleben wir hier eine Spaltung der Umweltverbände<br />
beim Thema Atommüll-Endlager?<br />
Becker: Nein, da sehe ich überhaupt keine Spaltung, weil wir uns tatsächlich in den Inhalten,<br />
also in der Frage, was ist von diesem Verfahren und was ist konkret von diesem Bürgerforum<br />
zu halten, weitgehend einig sind. Die Frage ist tatsächlich, wo äußere ich die Kritik. Das ist aber<br />
jetzt eher eine strategische Frage, das ist überhaupt keine inhaltliche Frage. Insofern sehe ich<br />
hier keine Spaltung, sondern sehe tatsächlich, dass die Umweltbewegung, die Anti-Atom-<br />
Bewegung bereit ist – das ist ja nicht selbstverständlich, weil in Anführungsstrichen, das ist ja<br />
nicht unser Müll, wir waren immer gegen diesen Müll - konstruktiv an einer Lösung, an der<br />
Suche nach einem Atommüll-Lager mitzumachen. Aber wenn die Politik tatsächlich einen<br />
gesellschaftlichen Konsens will, dann muss sie mehr als nur drei Tage Debatte über ein Gesetz<br />
ermöglichen, was beschlossen ist und an dem keine Änderungen mehr möglich sind.<br />
- Ende Wortlaut -<br />
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