27.02.2014 Aufrufe

Manuskript zum Download - Südwestrundfunk

Manuskript zum Download - Südwestrundfunk

Manuskript zum Download - Südwestrundfunk

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

SÜDWESTRUNDFUNK<br />

SWR2 Wissens-Feature - <strong>Manuskript</strong>dienst<br />

Der Erste Weltkrieg, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts<br />

Autor: Wolfram Wessels<br />

Redaktion: Detlef Clas<br />

Sendung: Mittwoch, 1. Januar 2014<br />

___________________________________________________________________<br />

Bitte beachten Sie:<br />

Das <strong>Manuskript</strong> ist ausschließlich <strong>zum</strong> persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.<br />

Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen<br />

Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.<br />

Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen/Aula<br />

(Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr) sind beim SWR Mitschnittdienst in<br />

Baden-Baden für 12,50 € erhältlich.<br />

Bestellmöglichkeiten: 07221/929-26030<br />

SWR 2 Wissen können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR 2<br />

Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören:<br />

http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml<br />

<strong>Manuskript</strong>e für E-Book-Reader<br />

E-Books, digitale Bücher, sind derzeit voll im Trend. Ab sofort gibt es auch die <strong>Manuskript</strong>e<br />

von SWR2 Wissen als E-Books für mobile Endgeräte im so genannten EPUB-Format. Sie<br />

benötigen ein geeignetes Endgerät und eine entsprechende "App" oder Software <strong>zum</strong> Lesen<br />

der Dokumente. Für das iPhone oder das iPad gibt es z.B. die kostenlose App "iBooks", für<br />

die Android-Plattform den in der Basisversion kostenlosen Moon-Reader. Für Webbrowser<br />

wie z.B. Firefox gibt es auch so genannte Addons oder Plugins <strong>zum</strong> Betrachten von E-<br />

Books.<br />

http://www1.swr.de/epub/swr2/wissen.xml<br />

Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2?<br />

Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen<br />

Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen.<br />

Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen<br />

Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert.<br />

Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de<br />

___________________________________________________________________


MANUSKRIPT<br />

Atmo:<br />

Mobilmachung 1914, Heil Dir im Siegerkranze)<br />

Ansage:<br />

„Der Erste Weltkrieg, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“. „Von Sarajewo an die<br />

Somme“, eine Sendung von Wolfram Wessels.<br />

Archiv-O-Ton – Kaiser Wilhelm II;1905:<br />

Hart sein im Schmerz, nicht wünschen, was unerreichbar oder wertlos, zufrieden mit<br />

dem Tag wie er kommt, in allem das Gute suchen und Freude an der Natur und an<br />

den Menschen haben, wie sie nun einmal sind.<br />

Sprecher:<br />

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. 1905.<br />

Archiv-O-Ton – Posadowsky 1905:<br />

Ich hoffe, dass das deutsche Volk wieder eine solche geistige und sittliche<br />

Wiedergeburt erlebt. Voll Opferfreudigkeit und Selbstlosigkeit für die großen<br />

Aufgaben der Zeit.<br />

Sprecher:<br />

Der stellvertretende Reichskanzler Deutschlands 1905.<br />

Archiv-O-Ton – Civil Lord Lee 1907:<br />

Germany particulary is arranging to spend over 20 Mio Pounds a year for the next<br />

ten years on building a fleet ... build two.<br />

Übersetzer:<br />

Deutschland schickt sich an, die nächsten zehn Jahre über 20 Millionen Pfund<br />

jährlich in seine Flotte zu investieren, dazu drei Schlachtschiffe pro Jahr, stärker als<br />

unsere Dreadnoughts. Darauf gibt es nur eine Antwort, wenn wir unser Empire<br />

behalten wollen: Für jedes neue deutsche Schiff müssen wir zwei neue bauen.<br />

Sprecher:<br />

Der Civil Lord der britischen Admiralität 1907.<br />

Archiv-O-Ton – Mobilmachung 1914:<br />

Wir aber wollen einstimmen in den Ruf: Unser geliebtes Regiment: Hurra! Hurra!<br />

Hurra! (Lied: Lieb Vaterland magst ruhig sein)<br />

Erzähler:<br />

Der Frieden in der Welt ist brüchig vor dem großen Krieg. Während die Wirtschaft<br />

floriert, der internationale Warenaustausch die Welt zusammenrücken lässt, bislang<br />

unbekannte Techniken die Kommunikationswege verkürzen und neue<br />

Bahnverbindungen die Reisewege, während in den USA der erste zivile Flugdienst<br />

aufgenommen wird und Deutschland mit Frankreich und England Abkommen<br />

abschließt <strong>zum</strong> Bau von Bahnverbindungen im Osmanischen Reich, liegen die<br />

Kriegspläne der Militärs bereits griffbereit in den Schubladen.<br />

2


Zitator – Charles de Gaulle :<br />

Ich bemerke, dass sich in Europa offenbar etwas geändert hat und muss dabei an<br />

die Unruhe denken, die den großen Kriegen vorangeht.<br />

Sprecher:<br />

Charles de Gaulle, 18 Jahre alt, 1908 an seinen Vater.<br />

Erzähler:<br />

Der junge Mann steht am Beginn einer erfolgreichen Offizierslaufbahn. 1913 ist er<br />

bereits Leutnant.<br />

Zitator – Charles de Gaulle :<br />

Chauvinismus, selbst wenn er eine Übertreibung darstellt, ist hundert, ja tausendmal<br />

mehr wert als ein Patriotismus, der allzu oft räsoniert.<br />

Zitator – Josef Stalin:<br />

Wir können ihnen versichern, dass der Teil der Parteitreuen unter den georgischen,<br />

russischen, armenischen und mohammedanischen Sozialdemokraten entschieden<br />

mit den Nationalisten, den Verrätern am Internationalismus in Kaukasien brechen<br />

wird.<br />

Sprecher:<br />

Stalin im Januar 1913 in einem „Brief aus dem Kaukasus“.<br />

Erzähler:<br />

Der gebürtige Georgier und Berufsrevolutionär ist Mitglied im Zentralkommitee der<br />

Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, deren Führung unter Lenin im Exil<br />

lebt. Stalin hingegen nicht. Im Februar 1913 wird er verhaftet und für 4 Jahre nach<br />

Sibirien verbannt. Er ist 34 Jahre alt.<br />

Zitator – Adolf Hitler:<br />

Ich habe das schöne Wort Jugend nie kennengelernt. Heute noch sind die Andenken<br />

in Form von Frostbeulen an Fingern, Händen und Füßen.<br />

Sprecher:<br />

Adolf Hitler im Januar 1914 an den Magistrat der Stadt Linz.<br />

Erzähler:<br />

Der 25-jährige Kunstmaler muss begründen, warum er einer Stellungs-Vorladung<br />

nicht Folge geleistet hat. Bei Kriegsbeginn meldet er sich freiwillig zu einem<br />

bayerischen Regiment.<br />

Archiv-O-Ton:<br />

Freudigen Herzens folgen wir dem Rufe unseres Kaisers, um für das Vaterland zu<br />

kämpfen. Jeder von uns ist stolz, sein Leben für das Vaterland einzusetzen ...<br />

Erzähler:<br />

Am 28. Juni 1914 ist in Sarajewo der österreichische Thronfolger von serbischen<br />

Nationalisten erschossen worden. Österreich-Ungarn hat daraufhin Serbien ein<br />

Ultimatum gestellt, gegen die Terroristen vorzugehen und seine Truppen mobilisiert.<br />

3


Vertraglich aber ist Serbien mit Russland und das wiederum mit Frankreich<br />

verbunden und Österreich mit Deutschland. So kommt es, dass Deutschland am<br />

ersten August 1914 Russland den Krieg erklärt, aber zunächst in Luxemburg und<br />

Belgien einfällt, um Frankreich zu erobern, bevor die russischen Truppen angreifen<br />

können. So sieht es der militärische Schlieffen-Plan vor.<br />

Archiv-O-Ton:<br />

Stimmen sie mit mir ein in den Ruf: unser oberster Kriegsherr, seine Majestät Kaiser<br />

Wilhelm II: Hurra! Hurra! Hurra!<br />

Archiv-O-Ton – Wilhelm II:<br />

An das deutsche Volk!<br />

Seit der Reichsgründung ist es durch 43 Jahre Mein und Meiner Vorfahren heißes<br />

Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und im Frieden unsere<br />

kraftvolle Entwicklung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer<br />

Arbeit... Es muss denn das Schwert nun entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns<br />

der Feind. Darum auf zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat<br />

am Vaterlande. Hurra, Hurra, Hurra! (Lied: Heil Dir im Siegerkranze)<br />

Archiv-O-Ton – Major von Nidda:<br />

Das große Ringen beginnt. Schlieffens Plan, wenn auch abgeschwächt, gewinnt<br />

Gestalt.<br />

Sprecher:<br />

Major von Nidda.<br />

Archiv-O-Ton – Major von Nidda:<br />

Der erste Schlag fällt bei Lüttich. Frankreichs Ostgrenze ist verrammelt, durch<br />

müssen wir, den Schwerpunkt auf den rechten Flügel verlegt, an Belgiens Grenze.<br />

Sprecher:<br />

3. August 1914: Kriegserklärung an Frankreich.<br />

Archiv-O-Ton – Major von Nidda:<br />

Und jetzt, in diesen Augusttagen 1914 ist es soweit: Was das Gehirn der Armeen,<br />

des Generalstabs erdacht, das Schwert, der Soldat, setzt es in die Tat um.<br />

Archiv-O-Ton:<br />

- Also Fritze, wo soll ick Dir denn hinschreiben?<br />

- Ach was, am besten hauptlagernd Paris, wir sind ja doch bald da!<br />

(Trompetensignal; Lied: Muss i denn ...)<br />

Zitator – Adolf Hitler:<br />

Heute geht es in viertägiger Bahnfahrt an die Front, wahrscheinlich nach Belgien. Ich<br />

freue mich ungeheuer. Ich hoffe, wir kommen nach England. Viele Grüße von Ihrem<br />

Adolf Hitler.<br />

Zitator – Medizinalrat Fuchs:<br />

Die Normalität der Alltäglichkeit war zweifellos bei uns allen erschüttert. Wer<br />

Gelegenheit hatte, das große Publikum zu beobachten, (...) die weiten Pupillen, den<br />

Trieb <strong>zum</strong> Reden und das Bangen nach Ermutigung -, der wird das bestätigen<br />

4


können. (...) Die beherrschenden Stimmungen der Mobilmachungstage waren Sorge,<br />

Furcht, Angst.<br />

Sprecher:<br />

Medizinalrat Fuchs diagnostiziert „Mobilmachungspsychosen“.<br />

Erzähler:<br />

Die Kriegsbegeisterung war keineswegs so einhellig, wie Propaganda-Schallplatten<br />

es glauben machten wollten. Aber es gab sie - auch in Frankreich.<br />

Zitator – Charles de Gaulle:<br />

Warum soll ich es nicht sagen? Ich spürte zwei Sekunden lang eine physische<br />

Erregung, und es schnürte mir den Hals zu. Das war alles. Ich muss sagen, dass<br />

mich ein Gefühl großer Genugtuung überkam: Endlich war es soweit.<br />

Erzähler:<br />

Leutnant Charles de Gaulle ist ebenfalls auf dem Weg nach Belgien.<br />

Archiv-O-Ton:<br />

Stillgestanden! Jungs, jetzt gilts! Der Feind will uns den Weg nach Frankreich nicht<br />

frei machen, darum müssen wir ihn uns erkämpfen! Es geht auf Leben und Tod! Mit<br />

Gott für König und Vaterland! Marsch, Marsch! (Hurra)<br />

Zitator – Adolf Hitler:<br />

Als wir Aachen verließen, wurden wir noch von Tausenden begeistert begrüßt, um<br />

neun Uhr kamen wir nach Lüttich. Der Bahnhof war stark zerschossen. Um<br />

Mitternacht kamen wir nach Löwen. Die Stadt ist ein einziger Trümmerhaufen.<br />

Zitator – Aufruf:<br />

An die Kulturwelt!<br />

Es ist nicht wahr, dass unsere Truppen brutal gegen Löwen gewütet haben. An einer<br />

rasenden Einwohnerschaft, die sie im Quartier heimtückisch überfiel, haben sie<br />

schweren Herzens Vergeltung üben müssen. (...)<br />

Erzähler:<br />

93 Intellektuelle Deutschlands unterzeichnen im Oktober 1914 diesen Aufruf und<br />

stellen sich damit in den Dienst staatlicher Propaganda.<br />

Zitator - Aufruf:<br />

Glaubt uns! Glaubt, dass wir diesen Kampf zu Ende kämpfen werden als ein<br />

Kulturvolk. Dafür stehen wir ein mit unserem Namen und mit unserer Ehre.<br />

Archiv-O-Ton – O mein Vaterland:<br />

O mein Vaterland, heiliges Heimatland<br />

Wer denn rief das Wetter dir herein,<br />

Dass des fahlen Hasses gelber Schein<br />

Dich umzucket wie ein Weltenbrand?<br />

Das tat meine Ehr, die untadlig war ...<br />

Sprecher:<br />

Gerhart Hauptmann: O mein Vaterland, vorgetragen von Ludwig Wüllner.<br />

5


Zitator – Albert Einstein:<br />

Aufruf an die Europäer!<br />

Während Technik und Verkehr uns offensichtlich zur faktischen Anerkennung<br />

internationaler Beziehungen und damit zu einer allgemeinen Weltkultur drängen, hat<br />

noch nie ein Krieg die kulturelle Gemeinschaftlichkeit des Zusammenarbeitens so<br />

intensiv unterbrochen, wie der gegenwärtige.<br />

Sprecher:<br />

Albert Einstein gehört zu den wenigen, die ein Gegen-Manifest unterzeichnen, schon<br />

im ersten Kriegsjahr 1914.<br />

Lied:<br />

... blutiger Eisenhagel Dich umsaust.<br />

Und es ist ein Gras, das von Blute träuft!<br />

Kein Erbarmen kann dir sein erlaubt.<br />

Zischend sinkt vom Halme Haupt um Haupt<br />

Und zu Leichenbergen wirds gehäuft.<br />

Sprecher:<br />

Britische Truppen landen an der französischen Küste und kämpfen an der Seite der<br />

französischen Armee. Gemeinsam verhindern sie in der Marne-Schlacht, dass der<br />

Schlieffen-Plan gelingt und deutsche Truppen nach Paris vordringen.<br />

Archiv-O-Ton – 1916 Arrival of British Troops in France_:<br />

It’s a long way ... -Shall we win? Yeah!<br />

Übersetzer:<br />

Werden wir siegen?<br />

Archiv-O-Ton – 1916 Arrival of British Troops in France_:<br />

Her is the Colonell going to speak<br />

Before we set foot in the land of France, I want to say, that we are now going to show<br />

the world, what we are made of. We may have a tough fight? (Yeah!) But you know<br />

as well as I do that we shall come out on top. We will fight straight and never look<br />

behind...<br />

Übersetzer:<br />

Bevor wir einen Fuß auf französischen Boden setzen, will ich nur sagen, dass wir<br />

nun der Welt zeigen, aus welchem Holz wir geschnitzt sind. Wir werden hart<br />

kämpfen, aber ihr und ich wir wissen, dass wir als Sieger hervorgehen werden.<br />

Archiv-O-Ton – 1916 Arrival of British Troops in France_:<br />

Lord Kitchener has told you, what he expects of you! You are british soldiers and<br />

maybe casted like british soldiers.Now good luck to you and remember my words:<br />

Do your best! (Lied: Good Fellow, Jubel; Trompetensignal)<br />

Übersetzer:<br />

Lord Kitchener hat gesagt, was er von Euch erwartet: Ihr seid britische Soldaten und<br />

werdet vielleicht auch als solche behandelt. Viel Glück, und tut Euer Bestes!<br />

6


Erzähler:<br />

Auch die Briten stellen Kriegsszenen für Schallplattenaufnahmen im Studio nach.<br />

Zitator – Adolf Hitler:<br />

Ich kann leider nicht schlafen. Vier Schritte von meinem Strohbündel liegt ein toter<br />

Gaul. Dem Äußeren nach zu schließen mindestens schon zwei Wochen. (...) Morgen<br />

werden wir die Engländer angreifen. (...) Da kommt unser Major. Es geht wieder<br />

vorwärts. Ich springe und laufe so gut es geht über Gräben, komme über Draht und<br />

lebende Hecken. (...) Als ich das zweite mal zurückkomme, liegt der Major mit<br />

aufgerissener Brust am Boden. Ein Haufen Leichen um ihn herum.<br />

Zitator – Charles de Gaulle:<br />

Was ist dieser Krieg anderes als ein Vernichtungskrieg? Besiegt wird derjenige sein,<br />

dessen materielle und moralische Mittel zuerst erschöpft sind. Charles de Gaulle.<br />

Zitator – Adolf Hitler:<br />

In Messines wurde ich <strong>zum</strong> erstenmal, in Wytschaete <strong>zum</strong> zweitenmal <strong>zum</strong> Eisernen<br />

Kreuz vorgeschlagen, diesmal von Herrn Oberstleutnant Engelhardt. (...) Als die Liste<br />

der Vorschläge <strong>zum</strong> „Kreuz“ besprochen wurde, mussten wir einen Augenblick<br />

hinaustreten. Wir waren kaum fünf Minuten draußen, als eine Granate in das Zelt<br />

schlug, den Herrn Oberstleutnant Engelhardt schwer verwundete und den gesamten<br />

sonstigen Stab teils tötete, teils verwundete. Es war der furchtbarste Anblick meines<br />

Lebens. Adolf Hitler.<br />

Erzähler:<br />

Die Front im Westen erstarrt noch 1914 im Stellungskrieg; im Osten haben die<br />

Russen ihre Truppen schneller mobilisiert, als erwartet und dem deutschen Heer<br />

eine Niederlage beigebracht. Daraufhin ruft der Generalstab Generalfeldmarschall<br />

Paul von Hindenburg aus dem Ruhestand zurück an die Front. Erich Ludendorff wird<br />

sein Stabschef. In der Schlacht bei Tannenberg Ende August 1914 gelingt es, die<br />

russische Armee zu schlagen.<br />

Archiv-O-Ton – Doegen / Hindenburg)<br />

Soldaten der 8. Armee! Ihr habt einen vernichtenden Sieg über 5 Armeekorps und 3<br />

Kavalleriedivisionen errungen. Mehr als 90.000 Gefangene, ungezählte Geschütze<br />

und Maschinengewehre, mehrere Fahnen und viele sonstige Kriegsbeute sind in<br />

unseren Händen.<br />

Lied:<br />

1916 The Tanks that Broke the Ranks)<br />

Zitator – Winston Churchill:<br />

Der jetzige Krieg hat alle militärischen Theorien über den Haufen geworfen, -<br />

Erzähler:<br />

- konstatiert der britische Marineminister Winston Churchill Anfang 1915.<br />

Musik:<br />

(1916) The Tanks that Broke the Ranks: “Here comes the british navy, sailing on the<br />

land”<br />

7


Übersetzer:<br />

Hier kommt die britische Navy, sie segelt an Land!<br />

Erzähler:<br />

Churchill initiiert den Bau von Panzern, die aussehen wie armierte Kriegsschiffe. Sie<br />

werden deshalb „Tanks“ genannt und ihre Kampfkraft am Ende mit<br />

kriegsentscheidend sein.<br />

Zitator – Winston Churchill:<br />

Ich schlage vor, eine Kommission von Ingenieuroffizieren und anderen Experten zu<br />

bilden, die ihren Sitz beim Kriegsamt hat und deren Aufgabe es ist, neue Erfindungen<br />

herauszubringen. Winston Churchill.<br />

Erzähler:<br />

Die technische Entwicklung schreitet rasch voran, vom Krieg beflügelt: Neue<br />

Flugzeuge sollen der Aufklärung und Angriffen über große Distanzen dienen. In<br />

England wird eine viermotorige Maschine entwickelt, in Deutschland das erste<br />

Flugzeug aus Metall gebaut. Die Firma Krupp in Essen erhält den Auftrag zu einer<br />

Kanone mit einer Reichweite über 100 km.<br />

Lied:<br />

(Marsch; Dicke Berta)<br />

Unsere Berta, unsre dicke Berta,<br />

so hat man sie genannt, unsere Kanone.<br />

Ein Konzert macht die dicke Berta,<br />

wenn sie kracht,<br />

dann Feinde gute Nacht!<br />

Archiv-O-Ton – Alfred von Tirpitz:<br />

Unsere wirtschaftliche Entwicklung ging in den letzten Jahrzehnten unterstützt von<br />

deutschem Fleiß, deutscher Wissenschaft mit Riesenschritten vorwärts.<br />

Sprecher:<br />

Großadmiral Alfred von Tirpitz.<br />

Archiv-O-Ton – Alfred von Tirpitz:<br />

Nur durch starke Berührung mit der See können wir den für uns nötigen<br />

weltumspannenden geistigen Horizont gewinnen. Ich meine nicht den im Himmel<br />

oder im Abstrakten, sondern den jedem Erdenmenschen nötigen hier auf der Erde.<br />

Sprecher:<br />

Die Gewässer um Großbritannien und Irland sowie der Kanal sind Kriegsgebiet.<br />

Erzähler:<br />

Diese See-Blockade führt zu Versorgungsengpässen in allen am Krieg beteiligten<br />

Ländern. Lebensmittel und Rohstoffe für die Industrie werden knapp. Bereits im<br />

August 1914 bildet das deutsche Kriegsministerium eine Kriegs-Rohstoff-Abteilung.<br />

Archiv-O-Ton – Emil Fischer:<br />

8


Die deutsche Naturforschung und die vielfach mit ihr in Wechselwirkung stehende<br />

Technik haben mit Ausbruch des Krieges von Seiten des feindlichen Auslandes<br />

mancherlei Geringschätzung und Kränkung erfahren. So bedauerlich diese<br />

Erscheinung auch sein mag, so sicher wird sie in ruhigeren Zeiten wieder<br />

verschwinden.<br />

Atmo:<br />

britische Giftgasangriffe<br />

Sprecher:<br />

Professor Emil Fischer, Chemie-Nobelpreisträger von 1902, Leiter des Kaiser-<br />

Wilhelm-Instituts für Chemie in Berlin.<br />

Erzähler:<br />

Sein Kollege vom Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie, Prof. Fritz Haber<br />

wird <strong>zum</strong> Berater in die Kriegs-Rohstoff-Abteilung berufen, weil er mit seinem Haber-<br />

Bosch-Verfahren zur Ammoniaksynthese nicht nur Kunst-Dünger für die<br />

Landwirtschaft, gewinnen kann, sondern auch das für die Sprengstoff-Herstellung<br />

unentbehrliche Salpeter. Er widmet sich nun der Entwicklung von waffentauglichen<br />

Giftgasen. Am 22. April 1915 werden sie bei Ypern getestet.<br />

Sprecher:<br />

Rund 5.000 Tote und 15.000 Vergiftete.<br />

Erzähler:<br />

Fritz Haber wird <strong>zum</strong> Hauptmann befördert und arbeitet weiter an der Entwicklung<br />

von Phosgen und Senfgas.<br />

Sprecher:<br />

1918 erhält er den Chemie-Nobelpreis für seine Ammoniaksynthese.<br />

Archiv-O-Ton – Emil Fischer:<br />

Jedenfalls wollen wir uns dadurch nicht irremachen lassen, sondern fortfahren, im<br />

Wettstreit mit allen anderen Kulturvölkern den Schatz der Naturerkenntnis zu mehren<br />

und durch nützliche Anwendung in Gewerben und Künsten der ganzen Menschheit<br />

dienstbar zu machen.<br />

Musik:<br />

Charge de l’Armée de Francaise (Kommanods; Marseillaise)<br />

Sprecher:<br />

Die Piave floss still und ruhig dahin, als sie die erste Infanterie am 24. Mai 1915<br />

überquerte. Die Armee steuerte auf die Front zu, dem Feind entgegen. Die Soldaten<br />

waren still in dieser Nacht. Sie mussten leise sein und vorwärts gehen.<br />

Erzähler:<br />

Eine neue Front ist eröffnet. Italien ist in den Krieg gegen die Mittelmächte<br />

Deutschland und Österreich-Ungarn eingetreten.<br />

Archiv-O-Ton – Svetosar Boroevic:<br />

9


Kameraden der Isonzo-Armee! An Euch richte ich auch bei diesem Anlass das Wort,<br />

um Euch zu sagen, wie stolz und glücklich ich darüber bin, an eurer Spitze zu<br />

stehen.<br />

Sprecher:<br />

Svetosar Boroević, österreichischer Generaloberst.<br />

Archiv-O-Ton – Svetosar Boroevic:<br />

Viele von Euch begrüße ich als meine alten Kriegskameraden aus den galizischen<br />

und Karpaten-Schlachten. Alle aber als die Helden von den Kämpfen am Isonzo,<br />

deren Ruhm durch die Welt hallt.<br />

Erzähler:<br />

Wie an der Westfront kommt es auch in den Alpen zu keiner Entscheidung.<br />

Archiv-O-Ton – Svetosar Boroevic:<br />

Solange es Kulturmenschen geben wird, wird man Euch als Muster von<br />

Vaterlandsliebe, von Gehorsam und Pflichtgefühl preisen.<br />

Archiv-Ton – Propaganda-Schallplatte:<br />

Herrgott is des a Sturmwind. Is es in de Karparten alleweil so stürmisch?<br />

2: Das ist ungarischer Ruf. Da is a bisserl Paprika dabei.<br />

1: I spürs. Mir brennt scho s ganze Gsicht.<br />

2: Pass auf, es wird noch angenehmer, wenn wir mit den Kosaken<br />

zusammenkommen.<br />

1: Besser Kosaken als ka Socken bei die Költn.<br />

2: Hörst das Pferdegetrappel? Die Kosacken kommen schon!<br />

(Schlachtenlärm mit Trompete)<br />

Erzähler:<br />

Wie diese Propaganda-Schallplatten glauben machen wollen, verlaufen auch die<br />

Schlachten in den Karpaten nicht mehr.<br />

Immer neue Fronten werden eröffnet, um von den festgefahrenen Linien abzulenken<br />

und neue Strategien zu erproben. 1915 befinden sich außer Deutschland,<br />

Österreich-Ungarn, Russland, Frankreich, Großbritannien, Belgien, Bulgarien, Italien<br />

und Japan auch das Osmanische Reich im Krieg.<br />

Musik<br />

Übersetzer:<br />

Aus den Schützengräben fragen die Jungs die Zuhausgebliebenen, warum sie nicht<br />

an der Front stehen, wie sie. Es ist auch ihr Job! Wir müssen alle antreten, wenn wir<br />

siegen wollen!<br />

Erzähler:<br />

Die Türken kämpfen an der Seite der Mittelmächte. Sie kontrollieren die<br />

Dardarnellen, die strategisch wichtige Meerenge zwischen Europa und Asien. Sie<br />

leben in einem muslimischen Staat, der <strong>zum</strong> Djihad aufruft, <strong>zum</strong> heiligen Krieg gegen<br />

die französischen und britischen Angreifer.<br />

10


Erzähler:<br />

In der Türkei scheitert die Landung der Briten auf der Halbinsel Gallipoli. Es gelingt<br />

den Truppen unter Mustafa Kemal die Gegner zurückzuschlagen.<br />

Sprecher:<br />

Die Briten verlieren 205.000 Soldaten - ein großer Teil von ihnen kommt aus<br />

Neuseeland und Australien, die Franzosen 47.000 und die Türken 250.000 Soldaten.<br />

Erzähler:<br />

Der Erste Lord der Admiralität in London, Winston Churchill, muss von seinen<br />

Ämtern zurücktreten und geht vorübergehend als Major an die französische Front.<br />

Mustafa Kemal Atatürk wird rasch populär und begründet nach Kriegsende einen<br />

laizistischen türkischen Staat.<br />

Historiker:<br />

Bericht des deutschen Oberlehrers Dr. Martin Niepage an Reichskanzler Bethmann<br />

Hollweg.<br />

Zitator – Martin Niepage:<br />

Als ich im September 1915 von einem dreimonatigen Ferienaufenthalt aus Beirut<br />

nach Aleppo zurückkehrte, hörte ich mit Entsetzen, dass eine neue Periode von<br />

Armeniermassakern begonnen habe, die weit fürchterlicher als die früheren <strong>zum</strong><br />

Zwecke hätten, das intelligente, erwerbsfreudige und fortgeschrittene Volk der<br />

Armenier mit Stumpf und Stiel auszurotten und dessen Besitz in türkische Hände<br />

übergehen zu lassen.<br />

Erzähler:<br />

Das Siedlungsgebiet der christlichen Armenier ist zwischen russischem und<br />

osmanischem Reich geteilt. Seine Bewohner werden gezwungen, in beiden Armeen<br />

zu kämpfen. Als die türkische Offensive gegen Russland Anfang des Jahres in einem<br />

Desaster endet, werden die Armenier zu Verrätern gestempelt. Bis Oktober 1916<br />

schätzt die deutsche Botschaft 1,5 Millionen Tote, das entspricht 2/3 der<br />

armenischen Bevölkerung. Der türkische Innenminister jubelt:<br />

Zitator – türkischer Innenminister:<br />

Die armenische Frage existiert nicht mehr.<br />

Erzähler:<br />

Zum ersten November ordnet der preußische Innenminister eine „Judenzählung” an.<br />

Alle Soldaten, die im Heer, aber auch die Zurückgestellten und Ausgemusterten,<br />

sollen erfasst werden.<br />

Zitator – Admiral von Müller:<br />

Der Kaiser schickt mir einen Brief mit der dringenden Bitte, den Kanzler zu entlassen,<br />

der sich nur auf Juden und Sozialdemokraten stütze. Admiral von Müller.<br />

Zitator – Wilhelm II.:<br />

„Schmeiß doch den Kerl raus!“ – Gott will diesen Kampf, wir sind seine Werkzeuge.<br />

Er wird ihn leiten. Dann kommt der Frieden, der deutsche, der Gottesfrieden, in dem<br />

die ganze Welt aufatmen wird, befreit vom angelsächsischen satanischen<br />

11


Mammondienst und Verrohung! Darum vorwärts mit Gott! – Wilhelm II, Imperatus<br />

Rex.<br />

Archiv-O-Ton – Eamon de Valera:<br />

No, the Irish do not hate England. The Irish desire peace with England and with the<br />

rest of the world. It is not the Irish who are disturbing the world peace. It is not they<br />

who are the aggressors. It is the British. The British can end this question in an hour<br />

by withdrawing their troops. The Irish on their side can end it only by sacrificing their<br />

nationhood and their national right to self-determination and freedom. Which ought to<br />

yield? Ireland would have to give up what is hers, her own, her very life. England<br />

would only have to give up that, the possession of which is not vital to her, and to<br />

which in any case her title is but a robber's title.<br />

Übersetzer:<br />

Die Iren hassen England nicht, sie wollen Frieden. Nicht die Iren sind die<br />

Aggressoren, sondern die Briten.<br />

Sprecher:<br />

Ostermontag 1916. Die selbsternannte provisorische Regierung der irischen<br />

Republik erklärt die Unabhängigkeit von Großbritannien. Eamon de Valera, der<br />

spätere erste Präsident der Republik, ist unter den Aufständischen.<br />

Erzähler:<br />

Die Aktion ist schlecht vorbereitet, die Revolutionäre sind nur ein Spielball der<br />

Großmächte. Deutschland verspricht den Iren Waffen, um England in einen<br />

Nebenkriegsschauplatz zu verwickeln, England sieht einen willkommen Anlass, sein<br />

Irland-Problem zu beseitigen.<br />

Sprecher:<br />

Allein in Dublin werden rund 450 Aufständische getötet, 2.600 <strong>zum</strong> Teil schwer<br />

verletzt, 3.500 verhaftet, die Anführer hingerichtet.<br />

Archiv-O-Ton – Eamon de Valera:<br />

Ireland cannot will her own annihilation. It has cost her seven hundred and fifty years<br />

of blood and tears to hold onto an individual national existence and she will not<br />

relinquish it now.<br />

Übersetzer:<br />

Es hat Irland 750 Jahre Blut und Tränen gekostet, an seiner nationalen Identität<br />

festzuhalten und sie wird jetzt nicht aufgeben.<br />

Lied:<br />

Sergeant Salomon Isaacstein<br />

Übersetzer:<br />

Sergeant Salomon Isaacstein, der einzige jüdische Scottsman in der irischen Armee.<br />

Zitator – Josef Stalin:<br />

Es ist undenkbar, dass wir uns mit dem gewaltsamen Festhalten irgendeines Volkes<br />

im Rahmen eines einheitlichen Staates einverstanden erklären. (...) Ist denn nicht der<br />

Kampf der Iren gegen die Engländer revolutionär? - Stalin.<br />

12


Erzähler:<br />

Und im November 1916 scheitert General Falkenhayns Strategie, die französischen<br />

Truppen an der Somme und vor Verdun verbluten zu lassen, ebenso wie die<br />

Gegenoffensive der Alliierten.<br />

Lied:<br />

Sergeant Salomon Isaacstein<br />

Übersetzer:<br />

Ein letzter Schlag irgendwo und die deutsche Front kracht zusammen und der Krieg<br />

ist nicht mehr! Und dann - ja was dann?<br />

Lied:<br />

Sergeant Salomon Isaacstein<br />

Atmo:<br />

U 21, Pfeifen, Schiffsgeräusch<br />

Ansage:<br />

Vom Skagerrak nach Versailles.<br />

Archiv-Ton:<br />

Alle Mann an Deck!<br />

- Was gibt’s denn?<br />

- Wir müssen antreten zur Begrüßung der siegreichen Kameraden, die den<br />

Engländern so zugesetzt haben.<br />

- Was? Wir Deutschen haben zugesetzt? Wie viel denn?<br />

- Du Döskopp! Die Englischen haben Kloppe gekriegt! Nun mal ein bisschen fix, wir<br />

müssen die Dampfbarkasse flott machen. Der Admiral fährt selber zur Begrüßung<br />

rüber. (Jubel)<br />

Sprecher:<br />

31. Mai 1916. Rund 100 deutsche Kriegsschiffe treffen am Skagerrak vor Jütland auf<br />

die etwa 150 Schiffe starke britische Flotte. Es kommt zur größten Seeschlacht des<br />

Ersten Weltkriegs.<br />

Archiv-O-Ton – Moritz von Egidy:<br />

Und als abends gegen zehn Uhr das Feuer abgeflaut war, und wir <strong>zum</strong> ersten mal<br />

wieder, nachdem die schweren Panzertürme aufgekurbelt waren, aus dem<br />

Kommandostand ins Freie traten, da bot sich uns ein entsetzlicher Anblick. Zu einem<br />

grauenhaften Knäuel waren die Braven zusammengeballt. Und aus diesem<br />

entsetzlichen Haufen zerrissener Leiber, durcheinander geworfener Gliedmaßen war<br />

man eben dabei meinen Adjudanten Lt. zur See Witting, der als einziger noch<br />

Lebenszeichen von sich gab, zu befreien.<br />

Erzähler:<br />

Kapitän Moritz von Egidy. Trotz hoher Verluste auf beiden Seiten, ändert sich an der<br />

Überlegenheit der britischen Flotte in der Nordsee nichts.<br />

Archiv-Ton:<br />

13


Liebe Kameraden! Ich bin Euch entgegen gefahren um Euch meinen Dank und wohl<br />

auch den des ganzen deutschen Vaterlandes auszusprechen. Für die mutige Tat, die<br />

wir ausgeführt haben.<br />

Musik:<br />

Marche Lorraine<br />

Zitator – Charles de Gaulle-Zitator:<br />

Ich brülle: „Erster Zug! Vorwärts, mir nach!“ und stürme voran, denn ich weiß, dass<br />

unsere einzige Erfolgschance darin besteht, sehr schnell zu machen, bevor der eilig<br />

zurückflutende Feind die Zeit findet, sich umzudrehen. Ich habe den Eindruck, dass<br />

sich in diesem Augenblick mein Ich spaltet: in eines, das wie ein Automat läuft, und<br />

ein anderes, das dieses ängstlich beobachtet. Kaum habe ich die zwanzig Meter vor<br />

der Brücke durchlaufen, da fühle ich etwas wie einen Peitschenschlag am Knie, und<br />

mein Fuß versagt seinen Dienst. Die vier Männer bei mir in der vordersten Linie sind<br />

auch in einem Augenblick niedergemäht. Ich falle hin, und Unteroffizier Debout stürzt<br />

auf mich, tot.<br />

Erzähler:<br />

Hauptmann Charles de Gaulles wird im März 1916 am Fort Douaumont schwer<br />

verwundet und gerät in deutsche Gefangenschaft.<br />

Musik:<br />

Marche Lorraine<br />

Erzähler:<br />

Adolf Hitler wird ebenfalls verwundet und nach München gebracht.<br />

Zitator – Adolf Hitler:<br />

Ein Transport ging vor ein paar Tagen <strong>zum</strong> Regiment. Kann leider nicht mit. Leide an<br />

Hungertyphus, da ich kein Brot beißen kann, außerdem man mir jede Marmelade<br />

hartnäckig verweigert. Es ist <strong>zum</strong> hungern.<br />

Archiv-Ton:<br />

Hört bloß mit dem Unsinn uff. Det is ja weiter nischt als Unsinn. Ich kann es<br />

überhaupt nich erwarten, dass ich wieder zurück komme an die Front. Ich muss<br />

meine Stiefel abends mit der Spitze an die Wand stellen, sonst laufen sie von alleine<br />

los. (lachen, Marsch)<br />

Sprecher:<br />

Nach dem Scheitern der erklärten Strategie, den Feind an der Westfront verbluten zu<br />

lassen wird Ende 1916 der Chef des deutschen Generalstabs, Erich von Falkenhayn<br />

durch Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff ersetzt.<br />

Erzähler:<br />

In Frankreich muss General Joseph Joffre gehen.<br />

Sprecher:<br />

In England tritt Premierminister Herbert Asquith zurück. Sein Nachfolger wird der<br />

bisherige Kriegsminister Loyd George.<br />

14


Erzähler:<br />

Der Krieg fordert immer mehr Opfer – nicht nur an der Front.<br />

Zitator – Direktor der Nervenklinik in Tübingen:<br />

Jedenfalls sind es im Ganzen mehrere Armeekorps, die heute in Deutschland als<br />

nervenkrank aus dem Front- und Garnisonsdienst herausgenommen sind.<br />

Erzähler:<br />

Der Direktor der Nervenklinik in Tübingen.<br />

Zitator – Direktor der Nervenklinik in Tübingen:<br />

Die Hauptursache sind Schrecken und Angst beim Explodieren feindlicher<br />

Geschosse und Minen, beim Anblick verstümmelter und getöteter Kameraden, beim<br />

Zusammenstürzen der Unterstände, bei der Wahrnehmung eigener Verwundung<br />

oder körperlicher Schädigung durch stumpfe Gewalt. Die Folgeerscheinungen sind<br />

die Ihnen bekannten Zustände plötzlicher Stummheit, des allgemeinen Zitterns, der<br />

Unfähigkeit zu stehen und zu gehen, der Anfälle von Ohnmachten und Krämpfen.<br />

Erzähler:<br />

Zunehmend werden Kriegsneurosen diagnostiziert und Sigmund Freuds<br />

Psychoanalyse gelingt der Durchbruch.<br />

Archiv-O-Ton – Theobald von Behtmann-Hollweg:<br />

Eine neue Zeit mit einem erneuerten Volk ist da. Der gewaltige Krieg hat sie<br />

geschaffen. Ein Geschlecht, das in so ungeheuerem Erleben bis in die letzten Fasern<br />

seiner Empfindungen erschüttert worden ist, (...) eine Nation, die es tausendfältig<br />

jeden Tag erfahren hat, dass nur gesamte Kraft die äußere Gefahr bestehen und<br />

überwinden kann, meine Herren, das sind lebende Kräfte, die sich von keinem<br />

Parteiprogramm, weder von rechts noch von links einzwingen oder aus ihrer Bahn<br />

werfen lassen.<br />

Sprecher:<br />

Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg 1917. Der vom Kaiser propagierte<br />

„Burgfrieden“ zwischen den Parteien wird brüchig.<br />

Archiv-O-Ton – Brentno:<br />

Der Reichskanzler aber, (...) hat uns die Aussicht eröffnet auf einen edleren Tag, der<br />

unserem Volk in Zukunft aufgehen soll, auf eine Zukunft, in der auch die breite<br />

Masse des Volkes Anteil haben soll an den Früchten des Sieges, der dann ja recht<br />

eigentlich ein Sieg des Volkes dann wird.<br />

Archiv-O-Ton – Philipp Scheidemann:<br />

Meine Herren! Ich halte es für die Pflicht aller klar und ruhig Denkenden in allen<br />

Ländern, dieses Spiel, das da mit Völkerleben gespielt wird, aufzudecken, den<br />

Regierungen aller Länder zuzurufen: Es ist genug! Ich wiederhole, meine Herren,<br />

was ich seit Jahren vertreten habe: es wäre ein Glück für ganz Europa, wenn wir<br />

schnellstens einen Frieden der Verständigung haben könnten.<br />

Sprecher:<br />

Nach den Friedensbemühungen des deutschen Reichskanzlers und des<br />

amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson kommt 1917 Bewegung in die Debatte<br />

15


um die Ziele des Krieges. Der SPD-Abgeordnete Philipp Scheidemann im deutschen<br />

Reichstag.<br />

Archiv-O-Ton – Philipp Scheidemann:<br />

Ich will ganz offen sein, was das deutsche Volk trotz aller inneren Gegensätze<br />

zusammenhält, das ist die gemeinsame Absicht, fremde Anschläge auf deutsches<br />

Land und deutsches Gut abzuwehren. Was die große Masse von einem Teil der<br />

herrschenden Klassen, den Imperialisten und denen, die sich so gebärden, trennt, ist<br />

die Meinungsverschiedenheit über die inneren und äußeren Kriegsziele.<br />

Musik:<br />

Hindenburgmarsch<br />

Erzähler:<br />

Der Krieg ist zu einem totalen Krieg geworden.<br />

Zitator:<br />

Das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst, das der militärischen<br />

Mobilmachung vom August 1914 die noch imponierendere Mobilmachung eines<br />

ganzen Volkes folgen lässt, ist vom Reichstag angenommen worden.<br />

Erzähler:<br />

Gegen die Stimmen der SPD. Alle männlichen Personen zwischen 17 und 60 Jahren<br />

können fortan <strong>zum</strong> Einsatz in Industrie und Landwirtschaft herangezogen werden.<br />

Dennoch spitzt sich die Lage zu: Im Kohlrübenwinter 1917 ist nicht nur in<br />

Deutschland der Speisezettel eintönig.<br />

Zitator 2:<br />

Steckrübensuppe, Steckrüben mit Kartoffeln, braune Steckrüben, Steckrübenauflauf,<br />

Steckrübenpudding, Steckrübenfrikadellen, Steckrübenkoteletts, Grünkohl mit<br />

Steckrüben, Rotkohl mit Steckrüben, Steckrübenauflauf mit Weißkohl, Kohlrouladen<br />

mit Steckrübenfüllung, Steckrübensalat, saure Steckrübe, Steckrüben mit Porree,<br />

Steckrüben mit Äpfeln, gefüllte Steckrüben, Steckrübenklöße,<br />

Steckrübenbrotaufstrich, Steckrübenmus, Steckrübenmarmelade.<br />

Zitator 1:<br />

Ernste Lage. In der Stadt Anarchie. Behörden blockiert. Transportwesen für Proviant<br />

und Heizmaterial völlig niedergebrochen.<br />

Sprecher:<br />

11. März 1917. Der Präsident des russischen Parlaments telegraphiert an den Zaren:<br />

Zitator 1:<br />

Allgemeine Unzufriedenheit wächst. Unkontrollierbare Schießerei auf den Straßen.<br />

Einzelne Truppenteile schießen auf Kameraden. Unbedingt so rasch als möglich eine<br />

Persönlichkeit entsenden, die das Vertrauen des ganzen Volkes hat, und neue<br />

Regierung einsetzten.<br />

Sprecher:<br />

15. März: Zar Nikolaus II. dankt ab.<br />

16


Erzähler:<br />

Stalin kehrt aus der Verbannung zurück und übernimmt die Führung der Bolschewiki<br />

und die Leitung der Parteizeitung „Prawda“:<br />

Zitator – Josef Stalin:<br />

Der gegenwärtige Krieg ist ein imperialistischer Krieg. Sein Hauptziel ist die<br />

Annexion von fremden Territorien durch die kapitalistisch entwickelten Staaten.<br />

Diese brauchen neue Absatzmärkte, bequeme Zugänge zu diesen Märkten,<br />

Rohstoffe, Bodenschätze, und sie bemühen sich, sie überall in Besitz zu nehmen,<br />

unabhängig von den inneren Zuständen des Landes, dessen sie sich bemächtigen.<br />

(...) Die russischen Soldaten vergießen also auf den Schlachtfeldern ihr Blut nicht um<br />

der „Verteidigung des Vaterlands“ willen, sondern für die Annexion fremder Gebiete<br />

zugunsten eines Häufleins von Imperialisten.<br />

Archiv-O-Ton – Philipp Scheidemann:<br />

Würden heute die englische und französische Regierung - so wie es die russische<br />

Regierung schon getan hat - auf Annexionen verzichten, und würde die deutsche<br />

Regierung, statt mit dem gleichen Verzicht den Krieg zu beenden, ihre<br />

Eroberungsziele fortsetzen wollen, dann, meine Herren, verlassen Sie sich darauf,<br />

dann haben Sie die Revolution im Land.<br />

Musik:<br />

Over there<br />

Sprecher:<br />

6. April 1917: Die USA erklären Deutschland den Krieg, nachdem es einen<br />

uneingeschränkten U-Boot-Krieg begonnen hat.<br />

Zitator – Woodrow Wilson:<br />

Die Welt muss für die Demokratie sicher gemacht werden. Ihr Frieden muss auf das<br />

erprobte Fundament politischer Freiheit gegründet werden. Wir verfolgen keine<br />

eigenen Ziele. Wir sind nur Vorkämpfer für die Menschenrechte. – Woodrow Wilson,<br />

Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.<br />

Archiv-O-Ton – Offizier, 1917:<br />

Boys! I want to say a few words to you before we go on shore. This is a memorable<br />

event in the history of america. It is the first time, that an american military force set<br />

her foot on the earth of france. When we were fighting for our independence 1776<br />

long ago, france sent some of their brave sons to help us in our fight for freedom.<br />

Übersetzer:<br />

Jungs, ich will ein paar Worte zu Euch sprechen, bevor wir an Land gehen. Dies ist<br />

ein denkwürdiger Augenblick in der Geschichte Amerikas. Es ist das erste Mal, dass<br />

amerikanische Truppen ihren Fuß auf französischen Boden setzen. Als wir 1776 für<br />

unsere Unabhängigkeit kämpften, schickte uns Frankreich seine tapferen Söhne, um<br />

uns beim Kampf um die Freiheit zu helfen. Heute seid ihr hier als Vertreter dieser<br />

großen Republik, den Vereinigten Staaten von Amerika.<br />

Archiv-O-Ton:<br />

... fight for freedom. Today you are representatives of that great republic, the USA.<br />

17


1917-15<br />

Have you seen an american soldier?<br />

Where are our headquarters?’<br />

I want to find my regiment.<br />

Have you seen the enemy? ...<br />

Zitator 1:<br />

Haben Sie einen amerikanischen Soldaten gesehen? – Ich suche mein Regiment. –<br />

Wo ist der Feind?<br />

Erzähler:<br />

Mit dieser Platte sollen amerikanische Soldaten französisch lernen.<br />

Archiv-O-Ton – Alfred von Tirpitz:<br />

Der gewaltige Krieg, den Deutschland jetzt führt, geht nicht um Deutschland allein, er<br />

geht in Wahrheit um die Freiheit des europäischen Kontinents und seiner Völker<br />

gegen die alles verschlingende Tyrannei des Anglo-Amerikanismus<br />

Sprecher:<br />

Großadmiral a.D. Alfred von Tirpitz.<br />

Archiv-O-Ton – Samuel Gompers:<br />

This war is a people’s war -- labor’s war. The final outcome will be determined in the<br />

factories, the mills, the shops, the mines, the farms, the industries, and the<br />

transportation agencies of the various countries. That group of countries which can<br />

most successfully organize its agencies of production and transportation, and which<br />

can furnish the most adequate and effective agencies with which to conduct the war,<br />

will win.<br />

Übersetzer:<br />

Das ist ein Volkskrieg, ein Arbeiter-Krieg.<br />

Erzähler:<br />

.... erklärt der amerikanische Arbeiterführer Samuel Gompers.<br />

Übersetzer:<br />

Sein Ausgang wird entschieden in den Fabriken, den Mühlen, den Werkstätten, den<br />

Minen, den Farmen, in der Industrie und den Transportunternehmen in den<br />

verschiedenen Ländern. Diejenigen, die ihre Produktions- und Transport-Betriebe am<br />

erfolgreichsten organisieren, vor allem die der Kriegswirtschaft, werden gewinnen.<br />

Die Arbeiter haben in diesem Krieg eine Rolle vergleichbar den Soldaten, den<br />

Seeleuten - auf den Schiffen und in den Schützengräben.<br />

Archiv-O-Ton – Samuel Gompers:<br />

The workers have a part in this war equal with the soldiers and sailors on the ships<br />

and in the trenches.<br />

Archiv-O-Ton – Ravenstein:<br />

Und nun, meine Herren, <strong>zum</strong> Schluss noch einmal die Bitte an ihre eigene Person:<br />

um ihre Mitarbeit <strong>zum</strong> Erfolge unserer 7. Kriegsanleihe mit allem was in ihnen ist.<br />

Auch unsere Kriegsanleihen sind Teil des Kampfes, der über unseres Volkes Zukunft<br />

18


entscheidet und dessen Schlachten ebenso mit der Arbeit und der Wirtschaftskraft<br />

wie mit den Waffen geschlagen werden.<br />

Archiv-O-Ton – franz. Finanzminister:<br />

Il faut que le français travaille lui aussi, il ne suffit pas que nos fils et nos gendres<br />

soient à l’armée et versent leur sang pour le salut de tous, pour le bien de la France,<br />

il faut aussi que l’Etat fournisse aux combattants des cadeaux, des munitions, ...<br />

Übersetzer:<br />

Alle Franzosen müssen mitarbeiten. Es reicht nicht, dass unsere Söhne, unsere<br />

Schwiegersöhne in der Armee dienen und ihr Blut vergießen für die Rettung Aller, für<br />

Frankreich. Der Staat muss unsere Kämpfer auch mit Munition, Uniformen,<br />

Verpflegung ausrüsten. Für alles muss man zahlen!<br />

Archiv-O-Ton – franz. Finanzminister:<br />

... des munitions, des habits, des vivres, tout cela se paie.<br />

Erzähler:<br />

Die USA hatten allein England rund $ 550 Mio. geliehen, Frankreich stand sowohl bei<br />

den Engländern wie den Amerikaner in der Schuld.<br />

Zitator – Woodrow Wilson:<br />

England und Frankreich haben über einen Frieden ganz und gar nicht dieselbe<br />

Meinung wie wir. Wenn der Krieg vorbei ist, können wir sie zu unserer Auffassung<br />

nötigen, weil sie dann unter anderem finanziell in unserer Hand sind. - Woodrow<br />

Wilson.<br />

Erzähler:<br />

Lenin hält eine Rede.<br />

Archiv-O-Ton – Josef Lenin, darüber Übersetzer:<br />

Worin besteht das Wesen dieser neuen Staatsmacht, die man in den meisten<br />

Ländern noch nicht begreifen will oder begreifen kann?<br />

Erzähler:<br />

Im April 1917 ist Lenin aus seinem Schweizer Exil in einem Zug durch Deutschland<br />

kommend in der russischen Hauptstadt Petrograd eingetroffen und übernimmt von<br />

Stalin die Führung der Partei. Im Oktober stürmen die Bolschewiki das Winterpalais<br />

und setzen die provisorische Regierung ab. Lenin wird <strong>zum</strong> Präsidenten der neuen<br />

Regierung, des Rats der Volkskommissare, gewählt, Stalin <strong>zum</strong> „Vorsitzenden des<br />

Kommissariats für Nationalitätenfragen“.<br />

Archiv-O-Ton – Josef Lenin, darüber Übersetzer:<br />

Die Sowjetmacht ist der von den Massen der Werktätigen gefundene - und daher<br />

richtige und daher siegbringende - Weg <strong>zum</strong> Sozialismus.<br />

Sprecher:<br />

Ende 1917 beginnen in der damals noch polnischen Stadt Brest-Litowsk die<br />

Friedensverhandlungen der Delegationen aus Russland, Deutschland, Österreich,<br />

der Türkei und Bulgarien.<br />

19


Erzähler:<br />

Kurz darauf, im Januar 1918, präsentiert Präsident Wilson seine 14 Punkte für einen<br />

Frieden. Darin fordert er unter anderem ein Selbstbestimmungsrecht der Völker,<br />

Aufhebung von Handelsbeschränkungen, die Rückgabe besetzter Gebiete,<br />

Rüstungsbeschränkungen und die Schaffung eines internationalen Völkerbundes.<br />

Archiv-O-Ton – Hans von Schwerin-Löwitz:<br />

Meine Herren! In den wenigen Tagen seit unserer letzten Sitzung ist ein Ereignis von<br />

zweifellos weltgeschichtlicher Bedeutung eingetreten ...<br />

Erzähler:<br />

Der Präsident des preußischen Abgeordnetenhauses, Hans von Schwerin-Löwitz,<br />

betont im März 1918, wenige Tage nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags<br />

mit Russland den strategischen Vorteil, den der Vertrag beschere, weil nunmehr<br />

Truppen von der Ostfront abgezogen und im Westen eingesetzt werden könnten.<br />

Archiv-O-Ton – Hans von Schwerin-Löwitz:<br />

Und so wie es ist, so wird es auch bleiben. Das ist unsere felsenfeste,<br />

unerschütterliche Zukunft für den uns jetzt nur noch bevorstehenden schweren<br />

Entscheidungskampf an unserer Westfront.<br />

Musik – 1918, Marsch:<br />

Haltet aus!<br />

Erzähler:<br />

Noch einmal beginnt eine Offensive, bei der deutsche Truppen erst 120 km vor Paris<br />

<strong>zum</strong> stehen kommen. Aber die Übermacht der Alliierten wird immer größer und<br />

Truppenverlegungen vom Osten an die Westfront gelingen nicht im erhofften Maße.<br />

Die Soldaten sind kriegsmüde.<br />

Zitator – Kriegsstammrolle Adolf Hitler:<br />

4. August 1918: Abwehrschlacht. Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse.<br />

21. August: Schlacht bei Monchy-Bapaume<br />

28. September: Abwehrschlacht in Flandern<br />

14. Oktober: Gasvergiftung der Augen bei La Montagne.<br />

21. Oktober: Lazarett Pasewalk.<br />

Sprecher:<br />

Aus der Kriegsstammrolle Hitlers.<br />

Zitator – Adolf Hitler:<br />

Stilles Heldentum<br />

von Adolf Hitler, Pasewalk, den zweiten November<br />

In lichten Sälen ruhen still gebettet<br />

Todwunde Krieger, die aus heißen Schlachten<br />

Die blut’gen Male des Verderbens brachten;<br />

Doch aus dem Eisenhagel sich gerettet.<br />

Archiv-O-Ton – Philipp Scheidemann:<br />

20


Am 28. September hatte die oberste Heeresleitung in Spa die sofortige Herausgabe<br />

einer Bitte um Vermittlung eines Waffenstillstands und Friedens durch die<br />

Reichsregierung an den amerikanischen Präsidenten Wilson beschlossen.<br />

Erzähler:<br />

So schildert Philipp Scheidemann zwei Jahre später die Ereignisse. Er wird als erster<br />

Sozialdemokrat Mitglied im Kabinett von Reichskanzler Prinz Max von Baden.<br />

Archiv-O-Ton – Philipp Scheidemann:<br />

Die Waffenstillstandsbedingungen waren so furchtbar, dass die<br />

Waffenstillstandskommission, der sehr hohe Offiziere angehörten, sie nicht etwa<br />

unterzeichnete, sondern durch ihren Vorsitzenden Erzberger erst bei der obersten<br />

Heeresleitung anfragen ließ, was zu tun sei. Dazu telegrafierte Generalfeldmarschall<br />

von Hindenburg: Versuchen Sie Milderung dieser oder jener Punkte. Gelingt die<br />

Durchführung dieser Punkte nicht, so ist, freilich unter flammendem Protest, trotzdem<br />

abzuschließen.<br />

Atmo:<br />

Trompetensignal <strong>zum</strong> Waffenstillstand<br />

Sprecher:<br />

Der erste Weltkrieg ist zu Ende. Am elften November 1918 wird 60 km nordöstlich<br />

von Paris, im Wald von Compiegne, das Waffenstillstandsabkommen zwischen<br />

Deutschland und den Alliierten unterzeichnet.<br />

Erzähler:<br />

Frieden herrscht damit noch nicht in Europa. Die politische Neuordnung hat gerade<br />

erst begonnen.<br />

Archiv-O-Ton – Philipp Scheidemann:<br />

Am 9. November 1918 glich der Reichstag schon in den Morgenstunden einem<br />

großen Heerlager. Arbeiter und Soldaten gingen ein und aus. Viele trugen Waffen.<br />

Mit Ebert und anderen Freunden saß ich hungrig im Speisesaal. Es gab wieder nur<br />

eine dünne Wassersuppe. Da stürmte ein Haufen von Arbeitern und Soldaten in den<br />

Saal. Gerade auf unseren Tisch zu. Fünfzig Menschen schrien zugleich<br />

"Scheidemann kommen Sie mit uns. Philipp Du musst hier raus und reden." Ich<br />

wehrte ab. Ach wie viel hatte ich schon reden müssen. "Du musst, Du musst, wenn<br />

Unheil verhütet werden soll. Draußen stehen Tausende, die verlangen dass Sie<br />

reden. Scheidemann komm schnell, vom Schlossbalkon aus redet Liebknecht." - "Na<br />

wenn schon." "Nein, nein kommen Sie mit, Du musst reden." Dutzende redeten auf<br />

mich ein, bis ich mit ihnen ging. Die große Wandelhalle zeigte ein dramatisch<br />

bewegtes Bild. Gewehre waren wie Pyramiden zusammengestellt. Vom Hofe herauf<br />

hörte man Pferdegetrappel und Gewieher. In der Halle schienen Tausend gleichzeitig<br />

zu reden und zu schreien. Wir gingen eiligen Schrittes dem Lesesaal zu. Links und<br />

rechts von mir redeten meine Begleiter auf mich ein. Zwischen dem Schloss und<br />

dem Reichstag - so wurde versichert - bewegten sich ungeheure Menschenmassen<br />

hin und her.<br />

Zitator – von Linsingen:<br />

In gewissen Kreisen besteht die Absicht, unter Missachtung gesetzlicher<br />

Bestimmungen Arbeiter- und Soldatenräte nach russischem Muster zu bilden. Ich<br />

21


verbiete jede Bildung solcher Vereinigungen und die Teilnahme daran. –<br />

Generaloberst von Linsingen.<br />

Sprecher:<br />

Matrosen der Hochseeflotte in Wilhelmshaven haben den Dienst verweigert, um eine<br />

geplante Großoffensive zu verhindern.<br />

Erzähler:<br />

In Kiel gibt es ebenfalls einen Matrosenaufstand, Arbeiter- und Soldatenräte<br />

übernehmen die Macht, der Aufstand weitet sich aus.<br />

Sprecher:<br />

Und am achten November ruft Kurt Eisner in München die bayerische Republik aus.<br />

Erzähler:<br />

Aufgrund einer Amnestie des Kaisers wird Karl Liebknecht, Mitglied der USPD, der<br />

Unabhängigen SPD, aus einem Berliner Gefängnis entlassen.<br />

Archiv-O-Ton – Philipp Scheidemann:<br />

"Liebknecht will die Sowjetrepublik ausrufen." Was, nun sah ich die Situation klar vor<br />

Augen. Deutschland eine russische Provinz? Eine Sowjetfiliale? Nein! Tausendmal<br />

nein! Nein, nein! Nur nicht auch das noch in Deutschland nach all dem anderen<br />

Elend. Schon stand ich im Fenster. Vieltausende von Armen reckten sich, um die<br />

Hüte und Mützen zu schwenken. Dann wurde es still. ich sprach nur wenige Sätze:<br />

Arbeiter und Soldaten, seid euch der geschichtlichen Bedeutung dieses Tages<br />

bewusst (...). Seid einig, treu und pflichtbewusst. Das alte und morsche, die<br />

Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue. Es lebe die deutsche<br />

Republik.<br />

Sprecher:<br />

Die Bilanz: Frankreich: 1.358.000 Tote; 4.266.000 Verwundete, 537.000 Gefangene<br />

und Vermisste.<br />

Erzähler:<br />

Russland: 1.700.000 Tote; 4.950.000 Verwundete, 2.500.000 Gefangene und<br />

Vermisste.<br />

Sprecher:<br />

Großbritannien. 908.000 Tote, 2.090.000 Verwundete, 192.000 Gefangene und<br />

Vermisste.<br />

Erzähler:<br />

USA. 126.000 Tote, 234.000 Verwundete, 4.500 Gefangene und Vermisste.<br />

Sprecher:<br />

Deutschland. 1.774.000 Tote, 4.216.000 Verwundete, 1.153.000 Gefangene und<br />

Vermisste.<br />

Archiv-O-Ton –Theodore Botrel:<br />

Leur Jour de Gloire<br />

22


Übersetzer:<br />

Das ist der Tag der Apotheose!<br />

Erzähler:<br />

Der bretonische Dichter und Chansonier Theodore Botrel beschreibt eine<br />

Siegesparade. In Paris beginnt die Friedenskonferenz, geführt von den Großmächten<br />

USA, Frankreich und Großbritannien auf der Basis von Wilsons 14 Punkten.<br />

Deutschland und Rußland bleiben ausgeschlossen, weil sie noch nicht über<br />

demokratisch legitimierte Regierungen verfügten, so die Begründung.<br />

Sprecher:<br />

Eine deutsche Delegation wird nach Versailles zu einem Austausch schriftlicher<br />

Noten eingeladen.<br />

Archiv-O-Ton:<br />

Es wird von uns verlangt, dass wir uns als die allein Schuldigen am Kriege<br />

bekennen; ein solches Bekenntnis wäre in meinem Munde eine Lüge. Wir sind fern<br />

davon, jede Verantwortung dafür, dass es zu diesem Weltkriege kam, von<br />

Deutschland abzuwälzen, aber wir bestreiten nachdrücklich, dass Deutschland,<br />

dessen Volk überzeugt war, einen Verteidigungskrieg zu führen, allein mit der Schuld<br />

belastet ist.<br />

Erzähler:<br />

Die Reichsregierung weigert sich, den Vertrag zu unterzeichnen und tritt zurück. Der<br />

neue Ministerpräsident, Gustav Bauer, muss nachgeben.<br />

Archiv-O-Ton – Gustav Bauer:<br />

Meine Damen und Herren. Unterschreiben wir. Einen neuen Krieg können wir nicht<br />

verantworten. Selbst wenn wir Waffen hätten, wir sind wehrlos. Wehrlos ist aber nicht<br />

ehrlos. Gewiss, die Gegner wollen uns an die Ehre, daran ist kein Zweifel, aber dass<br />

dieser Versuch der Ehrabschneidung einmal auf die Urheber selbst zurückfallen wird,<br />

dass es nicht unsere Ehre ist, die bei dieser Welttragödie zugrunde geht, das ist<br />

mein Glaube bis <strong>zum</strong> letzten Atemzug.<br />

Erzähler:<br />

Am 28. Juni 1919 wird der Friedensvertrag im Spiegelsaal von Versailles<br />

unterzeichnet, dort wo 1871 Wilhelm I <strong>zum</strong> deutschen Kaiser proklamiert worden<br />

war. Er regelt die Gebietsabtretungen und Reparationszahlungen, sowie den Beitritt<br />

<strong>zum</strong> neu gegründeten Völkerbund. Deutschland und Österreich dürfen ihm nicht<br />

beitreten.<br />

Archiv-O-Ton – Friedrich Ebert:<br />

Meine Damen und Herren! Das Wesen unserer Verfassung soll vor allem Freiheit<br />

sein, Freiheit für alle Volksgenossen. Aber jede Freiheit, an der mehrere teilnehmen,<br />

muss ihre Satzung haben.<br />

Sprecher:<br />

Der erste Präsident der Weimarer Republik Friedrich Ebert bei seiner Vereidigung.<br />

Archiv-O-Ton – Erich Koch-Weser:<br />

Wer dem Volk die Freiheit bringen will, muss ihm die Ordnung bringen.<br />

23


Sprecher:<br />

Neuer Reichsinnenminister ist Erich Koch-Weser.<br />

Archiv-O-Ton – Erich Koch-Weser:<br />

Unser deutsches Volk ist ein Volk, das die Ordnung liebt und sich ohne Ordnung<br />

nicht wohlfühlt. Es hat einen Anspruch auf Ordnung. Auf die Dauer wird unser Volk<br />

nur dem anhangen, der ihm die Ordnung gibt. Wenn es der Demokratie nicht gelingt,<br />

Ordnung zu schaffen, so würde sie ihre Aufgabe nicht erfüllt haben.<br />

Erzähler:<br />

Im September besucht Adolf Hitler erstmals eine Versammlung der Deutschen<br />

Arbeiterpartei DAP. Er wird Mitglied und benennt sie später um in NSDAP -<br />

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei um.<br />

Zitator – Adolf Hitler:<br />

München, 16. September 1919.<br />

Der Antisemitismus aus rein gefühlsmäßigen Gründen wird seinen letzten Ausdruck<br />

finden in der Form von Pogromen. Der Antisemitismus der Vernunft jedoch muss<br />

führen zur planmäßigen gesetzlichen Bekämpfung und Beseitigung der Vorrechte<br />

des Juden. Sein letztes Ziel muss unverrückbar die Entfernung der Juden überhaupt<br />

sein.<br />

Musik:<br />

Heimkehr<br />

Sprecher:<br />

Und endlich nach all dem unsagbaren Leid<br />

fiel keine Kugel mehr weit und breit<br />

denn es war Frieden.<br />

(Chor: Frieden!)<br />

Zitator – Charles de Gaulle:<br />

Auf jeden Fall müssen wir uns über die militärischen Ereignisse Gedanken machen<br />

und sie studieren, denn dieser Krieg ist nicht der letzte.(...) Eines Tages stürzen die<br />

Völker wieder aufeinander, entschlossen sich zu vernichten; aber sie werden<br />

schwören, dass sie angegriffen wurden. An jenem Tag wird es unsre und unserer<br />

Söhne Aufgabe sein, noch einmal Frankreich zu verteidigen und, wenn möglich,<br />

größer zu machen. Charles de Gaulle.<br />

Musik:<br />

Heimkehr<br />

Zitator – Josef Stalin:<br />

Aus dem Osten kommt das Licht! Der Westen mit seinen imperialistischen<br />

Kannibalen hat sich in einen Herd der Finsternis und der Sklaverei verwandelt. Die<br />

Aufgabe besteht darin, diesen Herd <strong>zum</strong> Glück und zur Freude der Werktätigen aller<br />

Länder zu zerschlagen. Stalin.<br />

Musik:<br />

Heimkehr<br />

Sprecher:<br />

24


Nun steht er vor seiner Wohnung wieder<br />

und drückt vor Erwartung die Türklinke nieder<br />

Mein Junge, mein Lieber, da ist er schon<br />

Gott, ist der Knirps schon ein großer Sohn!<br />

Erzähler:<br />

Der amerikanische Senat hat den Beitritt <strong>zum</strong> Völkerbund und damit den Versailler<br />

Vertrag abgelehnt – gegen den Willen ihres Präsidenten Woodrow Wilson.<br />

Musik:<br />

Heimkehr<br />

Sprecher:<br />

Dann gehn sie zur Kirche und knien nieder<br />

und gedenken voll Schmerz der gefallenen Brüder<br />

Und beten zu Gott voller Dankbarkeit<br />

Der sie beschützt vor dem größten Leid.<br />

(Orgel)<br />

Zitator 2:<br />

Ich kann mit unbedingter Sicherheit voraussagen, dass es innerhalb einer<br />

Generation abermals <strong>zum</strong> Krieg kommen wird, wenn die Völker der Erde ihn nicht<br />

bereits heute durch die richtigen Maßnahmen verhindern. Der Krieg, den wir eben<br />

erlebt haben, kann trotz all seiner Schrecken nicht mit jenem Krieg verglichen<br />

werden, dem wir das nächste Mal gegenüberstehen würden.<br />

Musik:<br />

Heimkehr<br />

* * * * *<br />

25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!