PDF-Download - Militärgeschichtliches Forschungsamt der ...
PDF-Download - Militärgeschichtliches Forschungsamt der ...
PDF-Download - Militärgeschichtliches Forschungsamt der ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Geschichte kompakt<br />
Herbst/Winter 1913 8./9. November 1923<br />
IAM/akg<br />
Die Zabern-Affäre<br />
»Immer feste druff«, telegrafiert Kronpinz Wilhelm Ende<br />
1913 den Kommandeuren <strong>der</strong> Besatzungstruppen im Elsass.<br />
Diese hatten friedliche Demonstrationen gegen militärische<br />
Willkür und für mehr Selbstbestimmung mit dem Ausrufen<br />
des Belagerungszustandes beantwortet.<br />
Das 1871 annektierte Elsass-Lothringen wurde zivil wie<br />
militärisch preußisch-deutsch verwaltet. Dem Wunsch nach<br />
Selbstverwaltung begegneten Beamte und Soldaten mit (kolonial)herrischem<br />
Auftreten. Am 28. Oktober 1913 empfahl<br />
<strong>der</strong> in Zabern (frz. Saverne) stationierte 20-jährige Leutnant<br />
Günter Freiherr von Forstner seinen Rekruten, sie sollten<br />
sich von den »Wackes« – ein abschätziger, streng verbotener<br />
Begriff für Elsässer – nichts gefallen lassen: »Und wenn<br />
Sie dabei so einen Wackes über den Haufen stechen, so<br />
schadet es nichts. Sie bekommen dann von mir noch zehn<br />
Mark Belohnung.« Die elsässische Presse veröffentlichte<br />
diesen Satz, was zu erneuten Protesten führte. Die äußerst<br />
milde Bestrafung des Leutnants wurde zudem vor <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
geheim gehalten, um die »Ehre des Militärs« zu<br />
wahren. Die Demonstrationen hielten an; die deutschen<br />
Truppen vor Ort reagierten mit Willkürakten und rechtswidrigen<br />
Verhaftungen.<br />
Der inzwischen berüchtigte Leutnant von Forstner ließ<br />
seinen Worten Taten folgen, indem er den Spott eines halbseitig<br />
gelähmten Schustergesellen mit einem Säbelhieb auf<br />
dessen Kopf beantwortete. Gegen die hierfür verhängte<br />
Strafe legte er Berufung ein. Das Oberkriegsgericht sprach<br />
ihn frei: Der Leutnant habe in Notwehr gehandelt.<br />
Die Affäre führte zu einer weiteren Verschlechterung im<br />
Verhältnis von Besatzern und Bevölkerung. Auch schadete<br />
sie dem Ansehen des Deutschen Reiches und Kaiser Wilhelms<br />
II., <strong>der</strong> angesichts des Fehlverhaltens »seiner« Offiziere<br />
zum wie<strong>der</strong>holten Male Mangel an politischem und<br />
diplomatischem Geschick zeigte. Der Kaiser stellte sich demonstrativ<br />
vor sein Militär; Kritik wurde nicht geduldet.<br />
Schließlich geriet die Affäre zum Skandal.<br />
Im In- und Ausland sorgten die Vorfälle für Bestürzung<br />
und hitzige Debatten, von »Säbelherrschaft« war die Rede.<br />
Heinrich Mann und Kurt Tucholsky verarbeiteten die Affäre<br />
literarisch, teils mit beißendem Spott. Und Theodor Heuss<br />
meinte: »Zabern ist nur ein Symptom«; ein Symptom für<br />
eine grundlegende Problematik, die sich aus <strong>der</strong> glorifizierten<br />
Vormachtstellung des preußisch-deutschen Militärs<br />
in Staat und Gesellschaft ergab.<br />
Alexan<strong>der</strong> Querengässer<br />
3»Simplicissimus«, November<br />
1913: Die Karikatur anässlich<br />
<strong>der</strong> Zabern-Affäre zeigt einen<br />
deutschen Soldaten in<br />
Leutnantsuniform als Schreckfigur<br />
für die Bevölkerung<br />
Elsass-Lothringens.<br />
Hitler-Ludendorff-Putsch<br />
Das Jahr 1923 ging als »Krisenjahr« in die Geschichte <strong>der</strong><br />
Weimarer Republik ein: Neben <strong>der</strong> Ruhrbesetzung und <strong>der</strong><br />
Hyperinflation standen die politischen Entwicklungen in<br />
Bayern im Mittelpunkt, wo seit September 1923 ein rechtskonservatives<br />
»Triumvirat« mit diktatorischen Vollmachten<br />
regierte.<br />
Der Freistaat war nach Kriegsende zum Sammelbecken<br />
rechtsradikal orientierter Gruppen und Parteien geworden.<br />
Eine von ihnen war die 1920 gegründete Nationalsozialistische<br />
Deutsche Arbeiterpartei, die sich mit einer eigenen<br />
Parteizeitung und <strong>der</strong> SA rasch als führende rechte Kraft in<br />
Bayern etablierte. 1923 hatte die Partei bereits 55 000 Mitglie<strong>der</strong>,<br />
die sich zumeist aus ehemaligen Soldaten und Freikorpsleuten<br />
rekrutierten. Ihr Aushängeschild war Adolf<br />
Hitler, <strong>der</strong> sich einen Namen als Wirtshaus- sowie Volksredner<br />
gemacht hatte und nach dem »Marsch auf Rom«<br />
1922 als deutscher Mussolini gehandelt wurde. Eben diesem<br />
Vorbild wollten er und seine Partei im November 1923<br />
folgen und den rechtsrevolutionären Umbruch im Deutschen<br />
Reich herbeiführen. Als Mitstreiter gewannen sie<br />
General a.D. Erich Ludendorff. Der ehemalige Generalquartiermeister<br />
<strong>der</strong> 3. Obersten Heeresleitung war in den<br />
Nachkriegsjahren zur »Galionsfigur« <strong>der</strong> radikalen Rechten<br />
geworden und sollte <strong>der</strong> jungen nationalsozialistischen<br />
Bewegung die Unterstützung aus dem rechtskonservativen<br />
Lager sichern.<br />
Am Abend des 8. November 1923 umstellte die SA den<br />
Münchner Bürgerbräukeller, in dem die bayerische Regierung<br />
eine Versammlung abhielt. Hitler und Ludendorff<br />
proklamierten das Programm <strong>der</strong> »nationalen Revolution«<br />
und überredeten die bayerische Regierung scheinbar erfolgreich<br />
zur Teilnahme am »Marsch auf Berlin«. Doch<br />
diese traf noch in <strong>der</strong> Nacht Maßnahmen zur Beendigung<br />
des Umsturzversuches: Am Morgen des 9. Novembers stießen<br />
die Putschisten an <strong>der</strong> Feldherrenhalle auf die bayerische<br />
Landespolizei. Der Marsch war beendet, bevor er<br />
richtig begonnen hatte. Im Getümmel kam es zu Schusswechseln,<br />
16 Demonstranten und drei Polizisten kamen dabei<br />
ums Leben.<br />
Die NSDAP wurde danach kurzzeitig verboten und die<br />
Anführer des Hochverrates angeklagt. Hitler erhielt fünf<br />
Jahre Festungshaft, von denen er allerdings nur neun Monate<br />
verbüßen musste. Ludendorff<br />
wurde ganz frei gesprochen. Die<br />
getöteten Putschisten wurden<br />
fortan als »Blutzeugen <strong>der</strong> Bewegung«<br />
in jährlichen Gedenkfeiern<br />
verehrt, <strong>der</strong> gescheiterte Putschversuch<br />
fand als »Bluttaufe« Eingang<br />
in den NS-Mythos.<br />
Frie<strong>der</strong>ike Höhn<br />
BArch, Plak 002-009-035<br />
3Plakat zur »nationalen Revolution«<br />
vom 9. November 1923.<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2013 29